European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1994:T000792.19940201 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 Februar 1994 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0007/92 | ||||||||
Anmeldenummer: | 86117491.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | E05D 15/58 E05D 15/10 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Beschlag für einen wenigstens kippbaren Flügel eines Fensters, einer Tür od. dgl. | ||||||||
Name des Anmelders: | Gretsch Unitas GmbH Baubeschläge | ||||||||
Name des Einsprechenden: | SIEGENIA-FRANK KG ROTO FRANK AG |
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Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (ja) Late submitted material - admitted (no) Inventive step (yes) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 6. November 1991, mit der das europäische Patent Nr. 0 231 498 (Anmeldenummer: 86. 117 491.0) mit der Begründung widerrufen worden ist, daß der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 des Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Zur Stützung der Einsprüche wurde unter anderem auf die folgenden Dokumente verwiesen, die im Beschwerdeverfahren ebenfalls eine Rolle spielen:
D7: DE-A-3 343 366
D13: DE-A-3 212 110 (entspricht D8: US-A-4 384 429).
II. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 27. Dezember 1991 unter gleichzeitiger Bezahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt und am 27. Februar 1992 eine schriftliche Begründung der Beschwerde eingereicht. Mit der Begründung wurden neue Ansprüche vorgelegt.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) haben dazu Stellung genommen. Nach einem Bescheid der Kammer, in dem sie den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung mitteilte, nannte die Beschwerdegegnerin I erstmals die folgenden Entgegenhaltungen:
D15: US-A-2 108 224
D16: "Getrieblehre", 4. Auflage, von O. Krämer, Verlag G. Braun.
III. Am 1. Februar 1994 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Frage der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Dokumente D7, D13, D15 und D16 ausführlich diskutiert worden ist. Im Verlauf der Verhandlung legte die Beschwerdeführerin einen neuen Satz von sechs Ansprüchen und eine neue Beschreibung vor.
IV. Der nunmehr geltende Anspruch 1 lautet:
"Beschlag für einen wenigstens kippbaren, parallel abstellbaren und parallel verfahrbaren Flügel (2) eines Fensters oder einer Fenstertür, wobei das obere Flügelende über zwei im seitlichen Abstand angeordnete, beidendig mindestens drehbar gelagerte Ausstellarme (12, 13) mit einem festen Rahmen verbunden ist und die beiden Ausstellarme (12, 13) mittels eines Lenkers (28) miteinander gekuppelt sind, und daß der Beschlag sowohl am Rahmen (1) als auch am Flügel (2) aufliegend montiert und der Flügel vor dem Rahmen (1) verfahrbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Lenker (28) die beiden flügelseitigen freien Enden der Ausstellarme (12, 13) miteinander verbindet und der durch rahmenseitige Achsen (15, 17) der Ausstellarme (12, 13) gebildeten Ebene unabhängig von der Lage des Flügels (2) vorgelagert ist, daß der Lenker (28) im Abstand von flügelseitigen Drehachsen (14, 16) der Ausstellarme (12, 13) an den Ausstellarmen (12, 13) beidendig drehbar angelenkt ist, daß die Drehachsen von Lagerbolzen (26, 27) des Lenkers (28) parallel zu den Drehachsen (14, 16) der Ausstellarme (12, 13) verlaufen, daß die beiden flügelseitigen Drehachsen (14, 16) der Ausstellarme (12, 13) und die Drehachsen der Lagerbolzen (26, 27) des Lenkers (28) bei geschlossenem Flügel (2) ein Parallelogramm mit annähernd rechten Winkeln bilden und daß jeder Ausstellarm (12, 13) an seinem flügelseitigen freien Ende verbreitert ist und ein seitliches Lagerauge (30) für den Lagerbolzen (26, 27) des Lenkers (28) aufweist."
V. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß es sich beim erfindungsgemäßen Beschlag, der vom Beschlag nach Dokument D7 ausgehe, um einen Beschlag für einen Flügel eines Fensters bzw. einer Fenstertür handele, dessen Herstellung, was die einzuhaltenden Fertigungstoleranzen betrifft, viel höhere Anforderungen an den Konstrukteur stelle als die Herstellung des Beschlags einer Kühlwagentür. Diese Gattungsverschiedenheit halte den Fachmann schon von vornherein davon ab, das Dokument D15 in Erwägung zu ziehen, wenn er nach einer Verbesserung des Beschlags nach Dokument D7 suche. Außerdem zeigten die aus diesen beiden Entgegenhaltungen bekannten Beschläge geometrische Verhältnisse und Steuerungen, die gar nicht miteinander vergleichbar seien.
Auch könne der Fachmann aus dem Dokument D13 keine Anregung zu einer Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe entnehmen, da dort das Problem des Verschließens des Flügels gar nicht aufgegriffen werde. Der in dieser Druckschrift beschriebene Flügel habe ferner eine ganz andere Kinematik als derjenige gemäß Erfindung, so daß eine Kombination dieser Entgegenhaltung mit dem Dokument D7 bereits als nicht naheliegend zu betrachten sei. Weiterhin sei diesem Dokument die erfindungsgemäße Lösung nicht zu entnehmen, weil die bei dem dort offenbarten Flügel in dessen Schließ-Endstellung bestehende Parallelogrammsstellung keine rechten Winkel aufweise.
VI. Die Beschwerdegegnerinnen haben gegen die Patentfähigkeit der Gegenstände der geltenden Ansprüche folgende Einwände erhoben:
Weil bei dem gattungsbildenden Beschlag nach Dokument D7 das Parallelogramm der Achsen von Ausstellarmen und Lenker kurz vor der Schließ-Endstellung des Flügels "extrem flach" verlaufe und damit nachteilig sei, sei es Aufgabe des angegriffenen Patentes, einen solchen Beschlag so weiterzubilden, daß eine einwandfreie Parallelführung des Flügels gewährleistet sei. Aus dieser Entgegenhaltung D7 erhalte der Fachmann jedoch schon alle Anregungen in Richtung der Lösung und damit des beanspruchten Gegenstandes des angegriffenen Patentes. In der Beschreibungseinleitung dieses Dokumentes, und zwar auf Seite 5, werde nämlich ein Stand der Technik beschrieben, gemäß dem die in einer horizontalen Ebene nebeneinanderliegenden Ausstellarme durch eine Kurbelstange verbunden sind, um eine gleichmäßige Bewegung der Ausstellarme zu gewährleisten. Da dieser bekannte Stand der Technik der Lehre des Dokumentes D13 entspreche, wisse der Fachmann, daß diese Druckschrift das gleiche Entwicklungsgebiet betreffe, und folglich werde er auf die Ausstellvorrichtung nach Dokument D13 aufmerksam gemacht, zumal diese Druckschrift mehrmals einen Hinweis auf die Stabilität der Ausstellarmanordnung, insb. im Hinblick auf Figuren 7 und 8, gebe. Der Fachmann könne daraus entnehmen, daß das Achsenparallelogramm gemäß Figur 8 nicht in höherem Grade "extrem flach" verlaufe als dies beim gattungsbildenden Beschlag nach Dokument D7 der Fall sei.
Zwar entspreche die Gattung des Beschlags nach Dokument D13 nicht ganz derjenigen des erfindungsgemäßen Beschlags, weil dort der Flügel nicht vor dem Rahmen verfahrbar angeordnet und auch nicht kippbar sei; diese Unterschiede spielten jedoch im Hinblick auf die dem angegriffenen Patent zugrunde liegende Aufgabe keine Rolle. Wichtig sei nur, daß das bekannte Fenster parallelverschwenkbar sei, was zweifellos zutreffe. Im Einklang mit den wesentlichen Merkmalen des Kennzeichens des Anspruches 1 des angegriffenen Patentes verbinde der dort beschriebene Lenker die beiden flügelseitigen freien Enden der Ausstellarme miteinander. Es sei richtig, daß der Beschlag nach Dokument D13 gegenüber dem erfindungsgemäßen Beschlag zwei Unterschiede aufweise, nämlich daß:
- die Anordnung des Lenkers nur in einer Öffnungsstelle vorgesehen sei,
- und das Parallelogramm keine annähernd rechten Winkel aufweise.
Aber dieser bekannte Beschlag weise an sich die gleichen Bauteile mit den gleichen Funktionen auf wie der erfindungsgemäße Beschlag. Dokument D13 lehre deutlich, daß damit eine stabile Zwangsführung der Ausstellarme erreicht werde. Das Verhältnis der Ausstellarme bleibe unverändert, gleichgültig ob der Bewegungsablauf des Flügels vor dem Blendrahmen oder innerhalb des Blendrahmens stattfinde. Für den Fachmann sei es deshalb naheliegend, die Ausstellvorrichtung nach Dokument D13 auf einen Beschlag nach Dokument D7 zu übertragen. Um die zusätzliche Kippöffnungsstellung des Flügels gemäß Dokument D7 zu ermöglichen, müßten bei einer solchen Übertragung selbstverständlich bei dem Beschlag nach Dokument D13 die Antriebskupplungen zwischen den oberen und den unteren Ausstellarmen aufgehoben und die oberen Ausstellarme länger ausgebildet werden. Eine solche Verlängerung der Ausstellarme bedinge dann zwangsläufig eine Vergrößerung der Winkel des Parallelogrammes, so daß der Fachmann unmittelbar zum Gegenstand des Anspruches 1 des angegriffenen Patentes gelange.
Der Durchschnittsfachmann könne aber bereits aufgrund seines technischen Allgemeinwissens zu diesem Gegenstand gelangen, wenn er den oben genannten Nachteil des Beschlages nach Dokument D7 beseitigen möchte. Die Lösung sei der allgemeinen technischen Literatur zu entnehmen, wie beispielsweise Dokument D16, das ein Parallelkurbelgetriebe betreffe. Der Beschlägefachmann erkenne sofort, daß eine Ausstellvorrichtung einen sehr ähnlichen Bewegungsablauf habe wie ein Getriebe, und aus Dokument D16 sei ihm bekannt, welche Maßnahme, nämlich die Montage einer zusätzlichen Kupplungsstange, er treffen müsse, um eine richtige Parallelführung des Flügels zu gewährleisten.
Zusätzlich zu diesen Argumenten hat die Beschwerdegegnerin I während des Beschwerdeverfahrens schriftlich vorgetragen, daß auch die Kombination der Entgegenhaltung D15 mit dem aus Dokument D7 bekannten Stand der Technik unmittelbar zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 des angefochtenen Patents führe.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit folgenden Unterlagen:
Ansprüche 1 bis 6 und Beschreibung überreicht in der mündlichen Verhandlung;
Zeichnungen wie erteilt.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der geltende Anspruch 1 entspricht den erteilten Ansprüchen 1 bis 3 und enthält zusätzliche Einschränkungen, die aus der Beschreibung, Seite 8, Zeilen 2 bis 4, und aus der Zeichnung, insbesondere aus den Figuren 1 und 4, der ursprünglichen Unterlagen des angegriffenen Patentes zu entnehmen sind. Außerdem ist dieser Anspruch 1 gegenüber der Druckschrift D7 abgegrenzt. Die Seiten der Beschreibung sind an das neue, weiter eingeschränkte Schutzbegehren angepaßt. Deshalb genügen die neuen Unterlagen den Erfordernissen des Artikels 123 und der Regel 29 (1) EPÜ.
3. Die Neuheit des Gegenstandes des einzigen unabhängigen Anspruches 1 wurde nicht bestritten, so daß es sich erübrigt, auf diese Frage näher einzugehen.
4. Nächstkommender Stand der Technik ist das Dokument D7, das einen Beschlag für einen kippbaren, parallel abstellbaren und parallel verfahrbaren Flügel eines Fensters oder einer Tür beschreibt. Aus diesem Dokument sind alle Merkmale des Oberbegriffes des Anspruches 1 bekannt. Bei diesem bekannten Beschlag sind die oberen Ausstellarme, deren Anordnung im wesentlichen auch Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist, einerseits blendrahmenseitig an einer gemeinsamen Gleitschiene angelenkt, die in einer oberen Führungsschiene des Blendrahmens verschiebbar angeordnet ist, und andererseits am oberen Flügelende fest angelenkt. Die oben erwähnte Gleitschiene bildet zugleich den Lenker, der die beiden Ausstellarme blendrahmenseitig miteinander kuppelt. Wenn der Flügel aus der parallelabgestellten Lage in die Schließlage überführt wird, verläuft das Parallelogramm, das aus den vier Anlenkachsen der beiden Ausstellarme gebildet ist, kurz vor Erreichen der Schließlage extrem flach, so daß eine einwandfreie Parallelführung des Flügels in dieser Schließ-Endbewegung nicht möglich ist. Daher besteht die Gefahr, daß das obere Flügelende nicht richtig in den Blendrahmen einläuft oder im Falz klemmt. Dies erschwert die Betätigung des Verriegelungsgestänges und kann zu einem Vorschließen des Verschlusses führen.
5. Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt deshalb der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen derartigen Beschlag so weiterzubilden, daß auch bei üblichen Toleranzen eine einwandfreie Parallelführung bis in die Schließlage des Flügels, aber auch in Gegenrichtung, gewährleistet ist und dadurch das sogenannte Vorschließen verhindert wird.
Anspruchsgemäß wird diese Aufgabe durch eine im Kennzeichen des Anspruchs 1 angegebene neue Anordnung des Lenkers gelöst.
6. In dieser Aufgabenstellung selbst kann nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die Druckschrift D7 noch kein Beitrag für die Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit gesehen werden. In der Druckschrift D7, siehe insbesondere Seite 6, letzte Zeilen, wird nämlich darauf hingewiesen, daß mit dem dort beschriebenen Beschlag "der Flügel sich senkrecht zur Fensterebene an allen Ecken gleichsinnig bewegt und nicht vereckt". Der Wunsch nach besserer Parallelführung des Bewegungsablaufes des Flügels entspricht nur der allgemeinen Tendenz bei der technischen Fortentwicklung.
7. Das Dokument D7 vermittelt zwar die Lehre, die Parallelführung eines Flügels durch eine Anordnung der Ausstellarme zu gewährleisten, in welcher die in einer horizontalen Ebene nebeneinanderliegenden Ausstellarme über eine Kurbelstange oder dgl. miteinander verbunden sind. In dem Ausführungsbeispiel nach diesem Dokument sind die blendrahmenseitigen Enden der Ausstellarme an einer gemeinsamen Verbindungsschiene angelenkt. Eine Anregung, die Lage dieser Kuppelstange zu modifizieren, geht jedoch von dieser Druckschrift nicht aus.
8. In der Beschreibungseinleitung dieses Dokumentes, Seite 5, ist außerdem ein älterer Stand der Technik beschrieben, nach dem bei einem Beschlag für Dreh-/Kipp-Fenster auch ein Lenker benachbarte Ausstellarme verbindet. Bei diesem bekannten Stand der Technik werden ferner die oberen und unteren Ausstellarme durch eine durch das Flügelprofil geführte Welle schwenkmäßig miteinander gekuppelt. Dadurch soll "eine gleichmäßige Bewegung aller vier Ausstellarme" gewährleistet werden. Die Lage des Lenkers ist aber nicht gegeben, und weiterhin wird kein Dokument bezeichnet, das diesem allgemeinen Stand der Technik entspricht. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen bekommt daher der Fachmann keinen unmittelbaren Hinweis weder auf das bestehende Problem einer genauen Parallelführung in der Schließ-Endstellung des Flügels noch auf irgendwelches Dokument, insbesondere auf das Dokument D13, obwohl der Beschlag nach diesem Dokument gewisse Merkmale dieses geschilderten Standes der Technik aufweist. Das Dokument D13 betrifft übrigens keinen Beschlag für ein Dreh-/Kipp-Fenster, und der Hinweis auf eine gleichmäßige Bewegung oder Stabilität der Ausstellarme fügt der im Dokument D7 dargelegten Lehre nichts hinzu.
Außerdem rät das Dokument D7 am Ende der Darstellung dieses Standes der Technik davon ab, die entsprechende Anordnung der Ausstellarme zu verwenden, weil sie sehr aufwendig sei. Ein solcher Vorschlag wird den Fachmann davon abhalten, auf diesen allgemeinen Stand der Technik zurückzukommen.
9. Würde der Fachmann aber das Dokument D13 in Betracht ziehen, so ist nicht einzusehen, weshalb er dieses Dokument mit Dokument D7 kombinieren sollte:
Das Dokument D13 befaßt sich mit ganz anderen Problemen, nämlich damit, bei einem verschiebbaren Fensterflügel eine gute Dichtigkeit gegenüber Wasser und Luft und einen Widerstand gegen Einbrecher zu erreichen. Wegen dieser letzteren Aufgabe soll das Fenster sehr stabil aufgebaut sein, und aus dem ganzen Inhalt dieser Entgegenhaltung geht hervor, daß der hier erwähnte Verbindungslenker der Ausstellarme ein Verriegelungsteil des Beschlages ist (siehe Anspruch 2), der die Funktion hat, zusammen mit den anderen durch das Flügelprofil geführten Kupplungswellen bzw. -stangen eine Getriebeverbindung herzustellen, so daß feste Halteteile vorgesehen sind, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Funktion des dort beschriebenen Lenkers ist deshalb ganz anders als bei der vorliegenden Erfindung.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bemerken, daß die Ausstellarme, insbesondere die Hebelplatten nach den von den Beschwerdegegnerinnen erwähnten Figuren 7 und 8, eine sehr kurze Länge aufweisen und deshalb nicht den betreffenden Nachteil des Beschlages nach Dokument D7 haben.
Wesentlich ist ferner auch die Tatsache, daß der Beschlag nach Dokument D13 in einem ganz ungewöhnlichen, insbesondere tiefen Blendrahmen integriert ist, an dem die sonst übliche Falzung durch eine umlaufende Dichtlippe ersetzt ist, gegen die der Flügel in der Schließ-Endstellung gepreßt wird. Deshalb stellt sich das Problem eines Verschließens des Flügels bei diesem Beschlag gar nicht, so daß der Fachmann, der sich mit der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe beschäftigt, diesem Dokument in bezug auf eine mögliche Lösung dieser Aufgabe keine Anregung entnehmen kann.
Aus allen diesen Gründen läßt sich die Ausstellarmanordnung des erfindungsgemäßen Beschlages lediglich bei rückschauender Betrachtung unter vorheriger Kenntnis der Erfindung in naheliegender Weise aus Dokument D13 herleiten.
10. Das von der Beschwerdegegnerin I als Teil des Allgemeinwissens eines Fachmannes im Sinne der Entscheidung T 195/84 (ABl. EPA 1986, 121) betrachtete Dokument D16 ist ein Lehrbuch, das eine umfassende Darstellung der Getriebe mit einer großen Auswahl von Getriebearten enthält. Der von der Beschwerdegegnerin I genannte Abschnitt, insbesondere das Bild 347, betrifft jedoch ein umlaufendes Parallelkurbelgetriebe und deshalb ein spezifisches Gebiet im Gegensatz zu der Feststellung der obengenannten Entscheidung, wonach nur Lösungen einer allgemeinen technischen Aufgabe auf nichtspezifischen Gebieten als Teil des Allgemeinwissens eines Fachmannes anzusehen seien. Umlaufgetriebe können außerdem gar nicht als einem dem Gebiet der Wohnungstüren bzw. -fenster übergeordneten allgemeinen technischen Gebiet zugehörig betrachtet werden. Nach Auffassung der Kammer liegen diese Gebiete darüber hinaus so weit auseinander, daß der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung der Aufgabe des Streitpatentes das Umlaufgetriebe betreffende Dokument D16 nicht in Betracht ziehen würde, zumal sich der zitierte Abschnitt dieses Dokuments mit einem Problem befaßt, nämlich eine Lage des Kurbelgetriebes zu vermeiden, in der dieses statt als ein Parallelkurbelgetriebe als ein Antiparallelkurbelgetriebe mit gekreuzten Stangen wirksam ist, dessen Analyse nichts zur Lösung der der vorliegenden Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe beitragen kann.
11. Die Kammer hat, im Rahmen des Ermittlungsgrundsatzes nach Artikel 114 (1) EPÜ, außerdem das von der Beschwerdegegnerin I verspätet, weil lange nach Ablauf der Einspruchsfrist genannte Dokument D15 überprüft und ist zum Ergebnis gekommen, daß dieses Dokument weniger relevant ist als die schon berücksichtigten Entgegenhaltungen. Diese Druckschrift betrifft eine Verschließvorrichtung für Kühlwagentüren, an die ganz andere Anforderungen gestellt werden als an übliche Wohnungsfenster. Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin I diese Entgegenhaltung nur erwähnt, um zu zeigen, daß die Anordnung von Kuppelstangen vor dem Flügel bereits bekannt waren; sie hat es aber unterlassen, auf diesen Stand der Technik näher einzugehen. Diese Druckschrift wird daher von der Kammer in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens nach Artikel 114 (2) EPÜ außer Betracht gelassen. Einer näheren Begründung hierfür bedarf es nicht (T 156/84, ABl. EPA 1988, 372).
12. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des angegriffenen Patentes auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und deshalb patentfähig ist. Die Ansprüche 2 bis 6 sind auf den Anspruch 1 zurückbezogen und sind daher ebenfalls gewährbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden :
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent mit den folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche 1 bis 6 und Beschreibung überreicht in der mündlichen Verhandlung;
- Zeichnungen wie erteilt.