T 0756/91 () of 7.9.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T075691.19930907
Datum der Entscheidung: 07 September 1993
Aktenzeichen: T 0756/91
Anmeldenummer: 84102569.5
IPC-Klasse: F26B 13/02
F26B 3/04
F26B 21/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Anordnung zur Wärmebehandlung laufender Warenbahnen
Name des Anmelders: Babcock-BSH Aktiengesellschaft
Name des Einsprechenden: Vepa AG
H. Krantz GmbH & Co.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (nach Einschränkung bejaht)
Offenbarung von zur Einschränkung des Schutzbegehrens herangezogener Merkmale als erfindungswesentlich
Inventive step (yes)
Disclosure of limiting features as essential for the invention (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0169/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 9. März 1984 angemeldete und am 13. Februar 1985 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 84 102 569.5 wurde am 5. Juli 1989 das europäische Patent Nr. 0 132 498 erteilt.

II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents gegenüber dem Stand der Technik wegen fehlender Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig sei.

Im Einspruchsverfahren wurden die Druckschriften

D1: DE-A-1 604 763

D2: EP-B-0 073 915

in Betracht gezogen.

Die gegen das Patent eingelegten Einsprüche der Vepa AG (Beschwerdegegnerin I) und der H. Krantz GmbH & Co. (Beschwerdegegnerin II) führten zum Widerruf des Patents gemäß Artikel 102 (1) EPÜ, wobei die schriftlich begründete Entscheidung am 2. September 1991 erging.

In dieser Entscheidung wird die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Druckschrift D1 bekannt und der Gegenstand des Anspruchs 6 durch die Druckschriften D1 und D2 in Verbindung miteinander nahegelegt sei.

III. Am 30. September 1991 hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr am 4. Oktober 1991 entrichtet. Zusammen mit der am 2. Januar 1992 eingegangenen Beschwerdebegründung wurden zwei neue Ansprüche 1 und 6 als Gegenstände eines Hilfsantrags eingereicht.

IV. Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1993, eingegangen am 29. Januar 1993, hat die Beschwerdegegnerin II den Einspruch gegen das Streitpatent zurückgezogen.

V. Auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 Abs. 2 VerfOBK vom 10. August 1993 hin, die der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 7. September 1993 vorausging, hat die Beschwerdeführerin den auf die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang gerichteten Antrag zurückgezogen und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der mit Eingabe vom 30. Dezember 1991 eingereichten Ansprüche 1 und 6, eingegangen am 2. Januar 1992, beantragt.

VI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 7. September 1993, hat die Beschwerdeführerin neue Ansprüche 1 und 6 überreicht; sie haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Trocknung von laufenden Warenbahnen in mittels Frischluft, Umluft und Abluft betriebenen Trocknern, wobei die Zuführung für die in gleicher bzw. in im wesentlichen gleicher Richtung wie die Warenbahn durch die Behandlung geführte Frischluft am Beginn der Behandlung und die Abführung der Abluft nur im hinteren Teil der Behandlung erfolgt und wobei zwischen der Zuführung und der Abführung der Luft bei der Behandlung ein wiederholtes Aufblasen der Luft auf die Warenbahn und wieder Abführen von der Warenbahn erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß die wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasene Luft wiederaufgeheizt wird."

"6. Trockner zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 5, mit einem Trocknergehäuse (13) und Einrichtungen zum Führen der zu trocknenden Warenbahn (10) durch einen Behandlungsraum (11) im Trocknergehäuse und mit Mitteln zum Trocknen mittels Frischluft, Umluft und Abluft, wobei die Zuführung (14, 15) für die in gleicher bzw. im wesentlichen gleicher Richtung wie die Warenbahn durch den Behandlungsraum des Trockners geführte Frischluft im vorderen Teil des Trockners und die Abführung für die Abluft nur im hinteren Teil des Trockners angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Trocknergehäuse (13) Einrichtungen zum wiederholten Aufblasen der wiederaufgeheizten Luft auf die Warenbahn (10) und Wiederabführen aufweist, wobei mehrere nacheinander von der Warenbahn (10) durchlaufene, gleich ausgebildete Trocknerfelder (17) mit Blasdüsen, -düsengruppen oder -düsenkörpern (12), zwischen denen Abströmräume angeordnet sind, vorgesehen sind."

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin läßt sich wie folgt zusammenfassen:

Die Druckschrift D1 zeige zwar in Figur 3 einen Trockner mit versetzt angeordneten Siebtrommeln, der nach dem Gleichstromprinzip arbeite; jedoch lehre die Entgegenhaltung keineswegs ein reines Gleichstromtrocknungs-verfahren, sondern ein Verfahren, bei dem die Gleichstromtrocknung mit der Gegenstromtrocknung kombiniert sei. Als besonders vorteilhaft werde dabei im Hinblick auf eine wirtschaftliche Trocknung das Gegenstromverfahren empfohlen, was von der Erfindung wegführe. Auch eine Kombination der Druckschrift D1 mit einer der Entgegenhaltungen EP-A-0 053 269, DE-B-3 010 269 und DE- A-3 012 880 könne den Gegenstand von Anspruch 1 bzw. 6 nicht nahelegen, da die dort beschriebenen Trockner keine Luftführung mit im vorderen Trocknerteil erfolgender Luftzuführung und im hinteren Trocknerteil erfolgender Luftabführung aufwiesen und im übrigen außerdem nach dem Prinzip der Frischluftzuführung und Abluftabführung von bzw. nach außen in jedem einzelnen Trocknerabteil arbeiteten.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den Ansprüchen 1 bis 12 und der Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung am 7. September 1993, sowie den Figuren 1 bis 6 der Zeichnungen, wie erteilt.

VIII. Die Beschwerdegegnerin I beantragt den Widerruf des Patents in vollem Umfang. Ihre Argumente sowie das Vorbringen der Beschwerdegegnerin II vor deren Rücknahme des Einspruchs (vgl. oben Abschnitt IV) lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Wirkungsweise und Fortschrittlichkeit des Gegenstands des Streitpatents seien nicht zu bezweifeln, hätten jedoch keine Bedeutung für die zu entscheidende Frage der erfinderischen Tätigkeit.

- In keinem der erteilten Ansprüche sei von der Wiederaufheizung der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft die Rede; die ursprüngliche Offenbarung dieser Maßnahme als erfindungswesentlich sei daher in Zweifel zu ziehen, so daß die geltenden Ansprüche Artikel 123 EPÜ verletzten.

- Im übrigen sei die Maßnahme der Wiederaufheizung der zur Trocknung vorgesehenen Luft in der Praxis üblich, wie z. B. aus den Druckschriften EP-A-0 053 269, DE- B-3 010 269 oder DE-A-3 012 880 hervorgehe, so daß sie dem Fachmann im Bedarfsfall zur Verfügung stehe; diese Maßnahme sei somit als bei dem Trockner bzw. dem Trocknungsverfahren gemäß der Druckschrift D1 implizit verwirklicht anzusehen.

- Der Umstand, daß die Druckschrift D1 kein reines Gleichstromtrocknungs-Verfahren, sondern ein kombiniertes Gleichstrom-Gegenstromverfahren empfehle, sei für die Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant, da das Gleichstromtrocknungs-Verfahren an sich bekannt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2. Artikel 123 EPÜ

2.1. Die Gegenstände der Ansprüche 1 bzw. 6 sind im wesentlichen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 in Verbindung mit den Figuren 4 bis 7 der ursprünglichen Zeichnungen herleitbar.

Die Maßnahme nach Anspruch 1, daß die wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasene Luft wiederaufgeheizt wird, bzw. das entsprechende konstruktive Merkmal "Einrichtungen zum wiederholten Aufblasen der wiederaufgeheizten Luft" nach Anspruch 6 ist auf Seite 8, Absatz 2, letzter Satz der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit den Figuren 4 bis 7 der ursprünglichen Zeichnungen offenbart.

Die Ansprüche 2 bis 5 stützen sich auf die ursprünglichen Ansprüche 9 bis 12 und die Ansprüche 7, 8, 11 und 12 auf die ursprünglichen Ansprüche 2, 3, 7 und 8 in der angegebenen Reihenfolge. Anspruch 9 läßt sich aus Seite 8, Absatz 2 der ursprünglichen Beschreibung und Anspruch 10 aus dem ursprünglichen Anspruch 6 in Verbindung mit Figur 6 der ursprünglichen Zeichnung herleiten.

Gegen die geltenden Ansprüche 1 bis 12 besteht somit kein Einwand unter dem Gesichtspunkt des Artikels 123 (2) EPÜ.

2.2. Der geltende Anspruch 1 bzw. 6 enthält zusätzlich zum Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 in der erteilten Fassung das die Wiederaufheizung der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft betreffende Merkmal. Die Aufnahme dieses Merkmals in den erteilten Anspruch 1 bzw. 6 führt zu einer Einschränkung des Schutzbereichs des entsprechenden erteilten Anspruchs, da damit präzisiert wird, daß es sich bei der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft um wiederaufgeheizte Luft handelt. Die geltenden Ansprüche 1 bis 12 genügen somit auch den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ.

2.3. Die Beschwerdegegnerin I hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht, in den erteilten Ansprüchen sei von der Wiederaufheizung der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft nicht die Rede, so daß die ursprüngliche Offenbarung dieser Maßnahme als erfindungswesentlich zu bezweifeln sei.

Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammern (vgl. insbesondere Abschnitt 4.1 der Entscheidung T 169/83, ABl. EPA 1985, 193) ist es dem Anmelder nicht zuzumuten, bereits bei der Einreichung der Anmeldung alle jene Merkmale besonders hervorzuheben, auf die er sich gegebenenfalls im Laufe des Anmelde- bzw. Einspruchsverfahrens berufen muß, um sich gegenüber einem näherliegenden Stand der Technik besser abgrenzen zu können. Eine Einschränkung der Patentansprüche durch Merkmale, die lediglich in der Beschreibung oder in der Zeichnung eindeutig als zur Erfindung gehörig offenbart sind und durch die der Schutzbereich des Patents nicht erweitert wird, ist statthaft.

Im vorliegenden Fall ist die die Wiederaufheizung der auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft betreffende Maßnahme in der ursprünglichen Beschreibung wie auch in den Figuren 4 bis 7 der ursprünglichen Zeichnungen eindeutig im Zusammenhang mit der Darstellung der Erfindung erläutert (vgl. oben Abschnitt 2.1) und die Präzisierung der unabhängigen Ansprüche 1 bzw. 6 durch dieses Merkmal führt auch nicht zu einer Erweiterung, sondern zu einer Einschränkung des Schutzbereichs (vgl. oben Abschnitt 2.2). Es liegt somit kein Verstoß gegen die Bestimmungen des Artikels 123 EPÜ vor, der zur Beurteilung einer Erweiterung des Gegenstands des Streitpatents und der Zulässigkeit von Änderungen der Ansprüche heranzuziehen ist.

3. Es ist unbestritten, daß der nächstkommende Stand der Technik durch die Druckschrift D1 gegeben ist.

Diese Druckschrift beschreibt in Verbindung mit Figur 3 der Zeichnungen ein Verfahren zur Trocknung von laufenden Warenbahnen in mittels Frischluft, Umluft und Abluft betriebenen Trocknern, wobei die Zuführung für die in gleicher bzw. in im wesentlichen gleicher Richtung wie die Warenbahn durch die Behandlung geführte Frischluft am Beginn der Behandlung und die Abführung der Abluft nur im hinteren Teil der Behandlung erfolgt und wobei zwischen der Zuführung und der Abführung der Luft bei der Behandlung ein wiederholtes Aufblasen der Luft auf die Warenbahn und Wiederabführen von der Warenbahn erfolgt, gemäß den Merkmalen nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik dadurch, daß die wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasene Luft wiederaufgeheizt wird.

Anspruch 1 gibt den nächstkommenden Stand der Technik gemäß der Druckschrift D1 im Oberbegriff zutreffend wieder, so daß Anspruch 1 unter Berücksichtigung des vorstehend angegebenen unterschiedlichen Merkmals korrekt gemäß Regel 29 (1) EPÜ abgefaßt ist. Da der Anspruch auch klar, knapp gefaßt und von der Beschreibung gestützt ist, entspricht er auch der Bestimmung des Artikels 84 EPÜ. Dies gilt auch für den unabhängigen Anspruch 6 der Kategorie "Vorrichtung", der ebenfalls gegen die Druckschrift D1 abgegrenzt ist.

Hinsichtlich des Gegenstands der von der Beschwerdegegnerin I behaupteten offenkundigen Vorbenutzung enthält der einzige vorgelegte Lieferschein (Anlage 5; Messrs. Textile Coloring & Printers) keinen Hinweis auf die ebenfalls vorgelegte Zeichnung Nr. SW 203.363, so daß der Nachweis der Identität der Gegenstände nach der Zeichnung und nach dem Lieferschein nicht erbracht ist. Der Gegenstand der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung steht im übrigen dem Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 des Streitpatents ferner als die anderen im Einspruchs- und im Beschwerdeverfahren entgegengehaltenen Druckschriften, da aus keiner der zur Stützung der behaupteten Vorbenutzung vorgelegten Unterlagen zu entnehmen ist, daß bei der Trockenbehandlung ein wiederholtes Aufblasen der Luft auf die Warenbahn und Wiederabführen von der Warenbahn erfolgt. Dieser Sachverhalt wird auch durch den Umstand bestätigt, daß die behauptete offenkundige Vorbenutzung im Beschwerdeverfahren von den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt diskutiert wurde.

4. Aus dem vorstehenden Abschnitt 3 ergibt sich bereits die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 bzw. 6. Die Frage der Neuheit ist von den Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr diskutiert worden. Da die Neuheit der beanspruchten Gegenstände auch von der Kammer nicht in Zweifel gezogen wird, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.

5. Für die Beurteilung der Patentfähigkeit ist nunmehr die Frage zu beantworten, ob die Gegenstände des Schutzbegehrens auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

5.1. Bei dem durch die Druckschrift D1 bekannten Trocknungsverfahren wird davon ausgegangen, daß beim Gegenstromtrockner die heiße Frischluft auf das bereits vorgetrocknete Gut trifft, was für temperaturempfindliche Güter die Gefahr der Überhitzung sowie der Übertrocknung mit sich bringen kann. Beim Gleichstromtrockner ist dagegen die Gefahr der Übertrocknung nicht gegeben, wobei jedoch als nachteilig anzusehen ist, daß der Trocknung des Gutes Grenzen gesetzt sind und daß es wesentlich unwirtschaftlicher arbeitet als die Gegenstromtrocknung (vgl. D1, Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, Absatz 1 der Beschreibung). Zur Behebung dieser Nachteile wird gemäß der Lehre der Druckschrift D1 (vgl. Seite 3, Absätze 4 bis 6 der Beschreibung sowie Anspruch 1) vorgeschlagen, das Gut in mehreren Trocknungsstufen zu behandeln, wobei der Luftaustausch in den Trocknungsstufen sowohl wenigstens einmal im Gegenstrom als auch wenigstens einmal im Gleichstrom erfolgt, d. h. es wird zur Vermeidung der spezifischen Nachteile von Gleich- und Gegenstromtrocknung ein aus beiden Trocknungsmethoden kombiniertes Verfahren empfohlen.

5.2. Wie im vorstehenden Abschnitt 5.1 ausgeführt, ist bei einem reinen Gleichstromtrocknungs-Verfahren nachteilig, daß der Trocknung des Gutes Grenzen gesetzt sind und daß es unwirtschaftlicher als das Gegenstromtrocknungs- Verfahren arbeitet.

Aus diesen Nachteilen ergibt sich die in der Beschreibung des Streitpatents angegebene zugrundeliegende Aufgabe, die Kapazität der in der Trocknungszone geführten Luft für die Verdampfung bzw. die Aufnahme von Flüssigkeit zu erhöhen. Dabei soll das Verfahren so gestaltet werden, daß es aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu aufwendigen und komplizierten Anlagen führt (vgl. Spalte 1, Absatz 4 des Streitpatents).

Diese Aufgabenaspekte stellen die objektive Aufgabenstellung dar, die bei der Beurteilung der Frage der erfinderischen Tätigkeit zugrunde zu legen ist.

Die bei dem Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 bzw. bei dem Trockner nach dem Oberbegriff des Anspruchs 6 vorgesehene Maßnahme, die wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasene Luft wiederaufzuheizen bzw. eine entsprechende Einrichtung hierfür vorzusehen, führt zu einer Regeneration des jeweils von der Warenbahn abgeführten Luftstroms im Sinne der Erhöhung der Feuchtigkeitsaufnahme-Kapazität, wobei aufgrund des Umstandes, daß die Zuführung für die Frischluft am Beginn der Behandlung und die Abführung der Abluft nur im hinteren Teil der Behandlung erfolgt, auf die konstruktiv, steuerungstechnisch und wirtschaftlich aufwendige Zu- und Abführung von Prozeßluft von und nach außen in den einzelnen Trocknungsphasen verzichtet wird.

Die Kammer ist somit davon überzeugt, daß die zugrundeliegende Aufgabe durch Anspruch 1 bzw. 6 in vollem Umfang gelöst wird.

5.3. Zum Nachweis dafür, daß bei Verfahren bzw. Einrichtungen zum Trocknen von laufenden Warenbahnen die Aufheizung des Umluftstromes bekannt ist, haben die Beschwerdegegnerinnen auf den Stand der Technik nach der EP-A-0 053 269, der DE-B-3 010 269 und der DE-A-3 012 880 verwiesen. Diese Entgegenhaltungen befassen sich sämtlich mit nach dem Umluftverfahren arbeitenden Trocknern, bei denen der Umluftstrom aufgeheizt und ein Teil der mit Feuchtigkeit beladenen Umluft laufend aus der Behandlungszone abgeführt und durch Frischluft aus der Außenatmosphäre ersetzt wird, vgl. EP-A-0 053 269, Anspruch 1 und Seite 6, Absätze 3 und 4 der Beschreibung; DE-B-3 010 269, Anspruch sowie Spalte 2, Zeile 36 bis Spalte 3, Zeile 2 der Beschreibung; DE-A-3 012 880, Anspruch 1 und Seite 7, Absätze 2 und 3 der Beschreibung.

Keiner dieser Entgegenhaltungen ist ein Trockner bzw. ein Verfahren zur Trocknung von laufenden Warenbahnen im Gleichstromverfahren mit Zuführung der Frischluft am Beginn der Behandlung und Abführung der Abluft nur im hinteren Teil der Behandlung zu entnehmen, so daß daraus zu folgern ist, daß es sich hierbei um eine andere Trocknergattung handelt, bei der infolge des laufend vorgenommenen Luftaustausches ein entsprechend hoher konstruktiver Aufwand und Energieeinsatz erforderlich ist.

5.4. Sollte der Fachmann bei der Suche nach einer Lösung der der Erfindung zugrundeliegenden Aufgabe eine Zusammenschau des Trocknungsverfahrens bzw. des Trockners nach der Druckschrift D1 mit einem der in den vorstehend genannten drei Entgegenhaltungen aufgezeigten Lösungsvorschläge ungeachtet der Gattungsunterschiede der jeweiligen Systeme ins Auge fassen, so dürfte er das Trocknungsverfahren bzw. den Trockner gemäß Druckschrift D1 so modifizieren, daß ein Wiederaufheizen der wiederholt aufgeblasenen Luft in Verbindung mit einem laufend vorgenommenen Luftaustausch mit der Atmosphäre erfolgt, da der Fachmann Maßnahmen, die im Stand der Technik als gemeinsam zu ergreifende Schritte dargestellt sind, nicht aus ihrem funktionellen und konstruktiven Zusammenhang herausnehmen und jeweils getrennt für sich realisieren wird. Da die vorstehend skizzierte Merkmalsübertragung somit zur Folge hätte, daß das Prinzip der reinen Gleichstromtrocknung mit Zuführung bzw. Abführung der Luft nur im vorderen bzw. im hinteren Teil der Behandlung verlassen werden müßte, könnte der Fachmann damit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 gelangen. Der Stand der Technik nach den vorstehend genannten drei Entgegenhaltungen enthält nämlich weder einen Hinweis auf ein reines Gleichstromtrocknungs- Verfahren noch den Vorschlag, die Wiederaufheizung der auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft allein, d. h. unter Verzicht auf einen Abluft/Frischlufttausch, vorzunehmen.

Hinzu kommt, daß auch die als Ausgangspunkt der Erfindung anzusehende Druckschrift D1 zwar die Möglichkeit einer reinen Gleichstromtrocknung für bestimmte Sonderfälle erwähnt, jedoch entsprechend ihrer zentralen Lehre (vgl. den dortigen Anspruch 1 sowie Seite 3, letzter Absatz der Beschreibung) die Trocknung in einem kombinierten Verfahren aus Gleichstrom- und Gegenstromtrocknung lehrt, was ebenfalls als eine Anregung zu sehen ist, die von der Erfindung wegführt.

5.5. Die Anwendung der Wiederaufheizung der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft bei dem gattungsgemäßen Gleichstromtrocknungs-Verfahren führt auch in glaubhafter Weise zu einem Effekt, der weder im Stand der Technik dargelegt noch ohne weiteres vorhersehbar ist. Die wiederholte Aufheizung der Prozeßluft bewirkt, daß mit zunehmender Trocknung der Warenbahn der Zuwachs an Trocknungskapazität der Luft zunehmend kleiner und deren Feuchtigkeitsgehalt größer wird. Dies stellt einen für die Gleichstromtrocknung erwünschten Effekt dar, da die Warenbahn bei ihrem Transport zum hinteren Trocknerteil immer weniger Feuchtigkeit aufweist, andererseits aber die hochfeuchte Luft trotz ihrer durch die Aufheizung zu steuernden Trocknungskapazität ein Vergilben bzw. Ausbleichen und "Verbrennen" der Warenbahn verhindert; hierbei ist schließlich noch festzuhalten, daß der konstruktive Aufwand und der notwendige Energieeinsatz, bedingt durch die volle Ausnutzung der Trocknungskapazität der einmal zugeführten Frischluft, in einem bescheidenen Rahmen verbleibt.

5.6. Die noch im Beschwerdeverfahren diskutierte Druckschrift D2 wurde genannt, um nachzuweisen, daß es bei einem Verfahren und einer Vorrichtung zur kontinuierlichen Behandlung einer Warenbahn bekannt ist, Blasdüsen, -düsengruppen oder -düsenkörper zum Aufblasen von Luft auf die Warenbahn zu verwenden. Diese Druckschrift vermittelt ebenfalls keinen Hinweis auf einen Trockner bzw. ein Trocknungsverfahren nach dem Gleichstromprinzip, wobei eine Wiederaufheizung der wiederholt auf die Warenbahn aufgeblasenen Luft erfolgt.

5.7. Es wäre noch zu untersuchen, ob in Verbindung mit dem vorstehend diskutierten Stand der Technik aus dem allgemeinen Fachwissen eine Anregung gewonnen werden konnte, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 zu gelangen.

Aus dem physikalischen Grundwissen ist zweifellos bekannt, daß die Fähigkeit der Luft, Flüssigkeit aufzunehmen, sich mit zunehmender Temperatur vergrößert, wie es z. B. aus dem MOLLIERschen i-x-Diagramm hervorgeht. Um ausgehend von dem Stand der Technik nach D1, ausgestattet mit diesem Grundwissen, zum Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 zu gelangen, war es zunächst notwendig, sich über die Lehre nach der Druckschrift D1, ein kombiniertes Gleichstrom-Gegenstrom- Trocknungsverfahren zu verwenden, hinwegzusetzen und einem reinen Gleichstromverfahren den Vorzug zu geben, was einen ersten, durch diese Druckschrift nicht nahegelegten Schritt erforderte. Schließlich war es erforderlich, bei der Gleichstromtrocknung nach jedem Aufblasvorgang eine Wiederaufheizung der Luft vorzunehmen und diese als ausreichend für einen zufriedenstellenden Betrieb der Anlage anzusehen - entgegen der durch den Stand der Technik vermittelten Lehre, ein reines Gleichstromverfahren als nachteilig anzusehen und die Wiederaufheizung der Luft nur in Verbindung mit einem Luftaustausch, d. h. unter Verzicht auf das erfindungsgemäße Gleichstromverfahren vorzunehmen.

Nach Überzeugung der Kammer sind diese Schritte, zumindest in ihrer Verbindung, nicht nahegelegt, so daß auch die Berücksichtigung des allgemeinen physikalischen Grundwissens nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 bis 6 führen konnte.

5.8. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß die Druckschrift D1 weder für sich noch in Verbindung mit den Druckschriften EP-A-0 053 269, DE-B-3 010 269 oder DE-A- 3 012 880 sowie in Verbindung mit dem bei einem Fachmann vorauszusetzenden Wissen dem Gegenstand des Anspruchs 1 bzw. 6 im Hinblick auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) entgegensteht. Das Patent hat somit auf der Basis des geltenden eingeschränkten Schutzbegehrens und einer angepaßten Beschreibungseinleitung in Verbindung mit den erteilten Figuren 1 bis 6 Bestand.

6. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 und 7 bis 12 sind ebenfalls nicht zu beanstanden; sie enthalten besondere Ausführungsarten der Erfindung nach Anspruch 1 bzw. 6 und sind daher ebenfalls rechtsbeständig.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den im Abschnitt VII aufgeführten Unterlagen aufrechtzuerhalten.

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