European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T056391.19930301 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 März 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0563/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85106786.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 16/02 B60T 17/18 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schutzschaltung gegen Unterspannungen im Bordnetz eines Kraftfahrzeuges | ||||||||
Name des Anmelders: | WABCO Westinghouse Fahrzeugbremsen GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | VDO Adolf Schindling AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde (bejaht) neue Ansprüche Zurückverweisung an die erste Instanz Form of appeals - grounds Decision re appeals - remittal (yes) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 1. Juni 1985 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 85 106 786.8 wurde mit Wirkung vom 13. Dezember 1989 das europäische Patent 0 175 843 erteilt.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) am 10. September 1990 Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit seines Gegenstandes im Hinblick auf den Stand der Technik, wie er insbesondere aus den Druckschriften
D1: DE-A-2 253 867
D2: DE-A-3 136 944
D3: US-A-4 013 324
D4: DE-A-2 933 336
D5: DE-A-2 853 351
D6: Tietze-Schenk, Halbleitertechnik, 5. überarbeitete Auflage, 1980, Springer-Verlag, Seiten 411 - 412
bekannt sei, zu widerrufen.
III. Durch Entscheidung vom 28. Juni 1991 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.
Nach Ansicht der Einspruchsabteilung beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des erteilten Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den nächstliegenden Stand der Technik, der sich aus der D4 ergebe, und die Lehren der D5 oder D3 sowie D6, die der Fachmann in naheliegender Weise mit D4 in Verbindung bringen würde.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 20. Juli 1991 Beschwerde erhoben und am selben Tag die vorgeschriebene Gebühr entrichtet.
Die Beschwerdebegründung wurde am 25. Oktober 1991 eingereicht. In ihr wurde nicht mehr die Aufrechterhaltung des Patents in vollem Umfang beantragt, sondern in einem eingeschränkten Umfang, wozu neue Patentansprüche 1 bis 6 eingereicht wurden.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin würden durch die neuen Ansprüche spezielle Schutzschaltungen zum Schutz eines Antiblockiersystems gegen Unterspannungen beansprucht. Die Kombination der Merkmale der neuen unabhängigen Ansprüche sei durch die bisher im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen weder vorweggenommen noch nahegelegt.
V. Mit Bescheiden vom 20. Juli 1992 und 16. September 1992 hat die Kammer auf formale Unzulänglichkeiten der neuen Ansprüche hingewiesen und Vorschläge zu deren Abhilfe unterbreitet.
Die Kammer wies darauf hin, daß die Gegenstände der neuen unabhängigen Ansprüche bisher weder in der Entscheidung der Einspruchsabteilung noch von der Einsprechenden erörtert wurden und somit offensichtlich von der Vorinstanz noch nicht auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit überprüft worden sind.
Daher wurde den Parteien mitgeteilt, daß die Kammer beabsichtige, unter der Voraussetzung, daß Ansprüche eingereicht werden, die den formalen Erfordernissen des EPÜ genügen, von der Möglichkeit nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen, die Sache zur Fortsetzung der Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um eine Überprüfung der Frage der erfinderischen Tätigkeit durch zwei Instanzen zu ermöglichen.
VI. Mit Eingabe vom 9. Dezember 1992, eingegangen am 11. Dezember 1992 hat die Beschwerdeführerin korrigierte Ansprüche 1 bis 6 eingereicht. Sinngemäß beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Basis dieser neuen Ansprüche.
Die nun geltenden unabhängigen Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
"1. Schutzschaltung gegen Unterspannungen im Bordnetz eines Kraftfahrzeuges, das mit einem Antiblockiersystem ausgerüstet ist, das in für sich funktionsfähige Teilsysteme (6, 8) aufgeteilt ist, die jeweils auf einen Teil der Räder des Kraftfahrzeuges wirken, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
a) es ist ein Spannungs-Komparator (1) zur Erkennung eines Spannungs-Abfalls im Bordnetz unter eine erste Schwelle (US1) vorgesehen,
b) es ist eine durch den Komparator (1) angesteuerte Abschalteinrichtung vorgesehen, die bei Unterschreitung der ersten Schwelle (US1) eine getrennte Abschaltung eines Teilsystems (6) des Antiblockiersystems bewirkt,
c) dem Komparator (1) ist ein erstes Zeitglied (5) nachgeschaltet, welches beim Ansprechen des Komparators (1) eine Abschaltung des Teilsystems (6) nahezu unverzögert bewirkt und beim Abfallen des Komparators (1) die Abschaltung verzögert wieder aufhebt,
d) dem Komparator (1) ist ein zweites Zeitglied (7) nachgeschaltet, welches beim Ansprechen des Komparators (1) eine Abschaltung eines zweiten Teilsystems (8) verzögert bewirkt und beim Abfall des Komparators (1) die Abschaltung nahezu unverzögert wieder aufhebt."
"3. Schutzschaltung gegen Unterspannungen im Bordnetz eines Kraftfahrzeuges, das mit einem Antiblockiersystem ausgerüstet ist, das in für sich funktionsfähige Teilsysteme (6, 8) aufgeteilt ist, die jeweils auf einen Teil der Räder des Kraftfahrzeuges wirken, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
a) es ist ein Spannungs-Komparator (1) zur Erkennung eines Spannungs-Abfalls im Bordnetz unter eine erste Schwelle (US1) vorgesehen,
b) es ist eine durch den Komparator (1) angesteuerte Abschalteinrichtung vorgesehen, die bei Unterschreitung der ersten Schwelle (US1) eine getrennte Abschaltung eines Teilsystems (6) des Antiblockiersystems bewirkt,
c) der Spannungs-Komparator (1) bewirkt die Abschaltung und Wiedereinschaltung des Teilsystems (6) beim Durchlaufen einer ersten Schwelle (US1) unverzögert,
d) es ist ein zweiter Komparator (10) vorgesehen, der die Abschaltung und Wiedereinschaltung eines zweiten Teilsystems (8) beim Durchlaufen einer zweiten Schwelle (US2) unverzögert bewirkt, wobei die zweite Schwelle (US2) unter der ersten Schwelle (US1) liegt."
VII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
1. Formale Zulässigkeit der Beschwerde
1.1. Im vorliegenden Fall erhebt sich die Frage, ob die Beschwerde begründet ist, da die Beschwerdeführerin lediglich neue Ansprüche eingereicht und geltend gemacht hat, daß deren Gegenstände durch die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen weder vorweggenommen noch nahegelegt würden.
Auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde dagegen nicht eingegangen.
1.2. Im Hinblick auf die Entscheidung J xx/87, ABl. EPA 1988, 323 (insbesondere Punkt 1.4) kann nach Auffassung der Kammer jedoch auch hier gesagt werden, daß die Beschwerde ausreichend begründet ist, weil sie sich auf einen neuen Sachverhalt stützt (die neuen Ansprüche), der die angegriffene Entscheidung in Frage stellt.
1.3. Da die Beschwerde auch ansonsten den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ entspricht, ist sie zulässig.
2. Formale Zulässigkeit der neuen Ansprüche
2.1. Die Ansprüche 1 und 3 enthalten im wesentlichen Zusammenfassungen der erteilten Ansprüche 1, 4 und 5 bzw. 1, 7 und 8.
Zwar sind die erteilten Ansprüche 4 und 5 bzw. 7 und 8 auf Anspruch 1 bis 2 rückbezogen, und nach Anspruch 2 wirken die Teilsysteme des Antiblockiersystems auf die Räder in einer Diagonalen und ist die Regelung eines Teilsystems für eine Diagonale getrennt abschaltbar, nach Auffassung der Kammer erkennt der Fachmann jedoch ohne weiteres, daß es für den beanspruchten Gegenstand nicht auf eine solche Unterteilung in Diagonalen ankommt.
Daher braucht weder der Gegenstand des Anspruchs 1 noch der des Anspruchs 3 auf eine diagonale Unterteilung der Teilsysteme eingeschränkt zu werden (siehe auch T 582/91 vom 11. November 1992).
2.2. Die Ansprüche 2, 4, 5 und 6 basieren auf den erteilen Ansprüchen 6, 2, 9 und 3.
2.3. Da die erteilten Ansprüche im wesentlichen den Ansprüchen der Anmeldung in der eingereichten Fassung entsprechen und die nun geltenden Ansprüche nicht über den Inhalt der erteilten Ansprüche hinausgehen, bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Erfordernisse nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
3. Neuheit
Die Neuheit des erteilten Patentgegenstandes wurde im Einspruchsverfahren nicht in Frage gestellt.
Die Gegenstände der nun weiter eingeschränkten unabhängigen Ansprüche 1 und 3 sind offensichtlich neu: der nächstkommende Stand der Technik, wie er in D4 offenbart ist, zeigt lediglich die Merkmalskombination des Oberbegriffs des Anspruchs 1 bzw. Anspruchs 3.
4. Erfinderische Tätigkeit
Im vorliegenden Fall sind im Einspruchsverfahren von der Einsprechenden nur Argumente hinsichtlich fehlender erfinderischer Tätigkeit bezüglich des erteilten Anspruchs 1 vorgebracht worden und auch in der Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde folgerichtig nur auf den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 eingegangen.
Die Gegenstände der neuen unabhängigen Ansprüche 1 und 3 sind durch die Aufnahme von Merkmalen weiter eingeschränkt worden, die somit im Einspruchsverfahren nicht im einzelnen angegriffen wurden und auch nicht diskutiert worden sind. Diese Ansprüche erfordern daher eine vollständig neue Prüfung auf erfinderische Tätigkeit.
Bei dieser Sachlage erachtet es die Kammer für angebracht, von der Möglichkeit nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen, die Sache zur Fortsetzung der Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, um eine Überprüfung der Frage der erfinderischen Tätigkeit durch zwei Instanzen zu ermöglichen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens auf der Basis der am 11. Dezember 1992 eingereichten Ansprüche 1 bis 6 an die Erstinstanz zurückverwiesen.