European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T050891.19930128 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 Januar 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0508/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 86115489.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B65B 25/04 B65B 31/00 A23B 7/148 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zum Haltbarmachen von Speisefrüchten und Pflanzen | ||||||||
Name des Anmelders: | Tallafus, Ottmar | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) Novelty - prior disclosure - different field or problem (no) Inventive step (no) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 7. November 1986 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 86 115 489.6 ist mit Wirkung vom 17. Mai 1989 das europäische Patent Nr. 0 223 166 erteilt worden.
Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Haltbarmachen von speisefertig zubereiteten und verkaufsfertig abzupackenden Früchten und Pflanzen, insbesondere von Geophyten und Pilzen, durch Einsatz von in die Abpackbeutel eingeleiteten Gasen, dadurch gekennzeichnet, daß in die Abpackbeutel reiner Sauerstoff (O2) eingeleitet wird, so daß sich das abgepackte Gut in einer Sauerstoff- Schutzgasatmosphäre befindet."
Die weiteren Patentansprüche 2 bis 5 sind auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
II. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) hat gegen das erteilte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ Einspruch eingelegt und diesen u. a. auf die Druckschriften:
E1: DE-A-1 916 749
E4: US-A-3 360 382
gestützt.
III. Die Einspruchsabteilung hat mit Entscheidung vom 2. Mai 1991 das Patent widerrufen. Sie stellte fest, daß der Patentanspruch 1 im Hinblick auf die Druckschriften E1 und E4 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Gegen diese Entscheidung hat der Patentinhaber (Beschwerdeführer) am 10. Juli 1991 Beschwerde eingelegt und am 11. Juli 1991 die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 2. September 1991 eingegangen.
Der Beschwerdeführer beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
V. Zur Stützung seines Antrags macht der Beschwerdeführer im wesentlichen folgendes geltend:
Die Druckschrift E4 habe eine Verpackung zum Gegenstand, die das Umspülen des abgepackten Gutes mit inertem Gas ermögliche, aber nirgendwo explizit aussage, in welchem Verhältnis dieses Gas zu der zuvor in der Verpackung befindlichen Luft stehen soll. Außerdem werde dort Sauerstoff lediglich als eine unter vielen anderen Möglichkeiten erwähnt.
Darüber hinaus handle es sich bei dem angefochtenen Patent nicht um das Verpacken von üblichem Gemüse, sondern um speisefertig zubereitete, verkaufsfertig abgepackte Früchte und Pflanzen, insbesondere Geophyten und Pilze. Diese Früchte und Pflanzen können nicht auf Minustemperaturen abgekühlt, also nicht gefroren werden, da sie nach dem Auftauen sofort zerfallen, unappetitlich aussehen oder gar ungenießbar werden.
In Beispiel 4 der Druckschrift E1 sei zwar auf das Umspülen von Fleisch mit reinem Sauerstoff hingewiesen, aber dort werde das Fleisch zusätzlich tiefgefroren. Diese beiden Maßnahmen trügen zum Konservieren des Fleisches bei. An ein Verfahren zum Haltbarmachen von nicht gefrierfähigen Lebensmitteln wie rohem Gemüse unter einer Sauerstoffschutzgas-Atmosphäre sei also nicht gedacht.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie macht geltend, daß das wesentliche Merkmal des beanspruchten Verfahrens, nämlich die Haltbarmachung von Pflanzen und dergleichen mit Sauerstoff aus der Druckschrift E4 vorbekannt sei. Durch die dort beschriebene Spülung der Verpackung mit Gas sei eine weitgehend luftfreie Atmosphäre in der Verpackung, im Falle der Sauerstoffanwendung also eine Sauerstoffschutzgas-Atmosphäre in der Verpackung, hergestellt. Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 müsse somit gegenüber der Druckschrift E4, wenn nicht als neuheitsschädlich vorweggenommen, so doch auf jeden Fall als auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64; sie ist zulässig.
2. Die am nächsten kommende Druckschrift E4 befaßt sich laut Patentanspruch 1 mit einem Verfahren zum Verpacken von geschnittenem (Frühstücks-) Fleisch und anderen verderblichen Produkten mit einem anderen Gas als Luft in einem Verpackungsbehältnis.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet aber, daß die Druckschrift E4 kein Verfahren zur Haltbarmachung von Früchten und Pflanzen beschreibt, sondern nur eine Verpackung für zerteiltes Fleisch oder anderes verderbliches Gut, das vor der Verpackung vom Gas umspült wird. Dem kann die Kammer aus folgenden Gründen nicht zustimmen.
2.2. Im Beschreibungsteil der Druckschrift E4 heißt es ausdrücklich, dieses Verfahren habe den Zweck, die Frische von bestimmten Produkten wie z. B. von frischem Fleisch und Gemüse zu erhalten (siehe Spalte 2, Zeilen 49, 50). Demzufolge hat die Druckschrift E4 eindeutig eine Methode zum Haltbarmachen von bestimmten Produkten u. a. von Gemüse zum Gegenstand.
2.3. Darüber hinaus sind unter Gemüse auch Pflanzen, deren Teile in rohem Zustand gegessen werden, d. h. speisefertig sind, zu verstehen. Demzufolge nimmt die Offenbarung von "Gemüse" in der Druckschrift E4 die Neuheit des beanspruchten Begriffs "speisefertig zubereitete und verkaufsfertig abzupackende Pflanzen" vorweg.
2.4. Es ist zwar richtig, daß sich die Druckschrift E4 auf das Anwendungsgebiet "frisches Fleisch oder Gemüse" und nicht wie im angefochtenen Patent auf "Früchte und Pflanzen" bezieht. Der Teilbereich "Pflanzen" innerhalb des größeren Bereichs oder Gebiets "Früchte und Pflanzen" ist aber durch die Angabe von "Gemüse" in der Druckschrift E4 offenbart, so daß der gesamte beanspruchte Bereich "Früchte und Pflanzen" als bekannt anzusehen ist. Sowohl die Richtlinien für die Prüfung im EPA C-IV, 7.4 als auch der Leitgedanke, der in verschiedenen Entscheidungen der Beschwerdekammern zum Ausdruck kommt, lassen nämlich darauf schließen, daß die Offenbarung eines Teilbereichs oder Teilgebiets die Neuheit des beanspruchten gesamten, größeren Bereichs vorwegnimmt.
2.5. Wie vorstehend ausgeführt, betrifft die Druckschrift E4 laut Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Verpacken von geschnittenem (Frühstücks-) Fleisch und anderen verderblichen Produkten mit einem anderen Gas als Luft, also mit einem Konservierungsgas in einem Verpackungsbehältnis. Dies besagt, daß in dem Behältnis keine Luft, sondern das Konservierungsgas allein vorhanden sein soll. Diese Konservierungsgasatmosphäre wird dadurch erreicht, daß in dem speziell ausgebildeten Verpackungsbehältnis mit einem tunnelartig aufwölbbaren Deckel das Konservierungsgas an einem Ende zugeführt wird, während Luft am Gegenende des Tunnels abgesaugt wird.
Darüber hinaus wird in der Druckschrift E4 eindeutig angegeben, daß für die Erhaltung der Frische von Fleisch und Gemüse, Sauerstoff als "anderes Gas als Luft" geeignet ist (siehe Spalte 2, Zeilen 47 bis 53). Auch die Patentansprüche 2 und 3 dieser Druckschrift definieren dieses Gas, das sich gemäß dem Wortlaut des Patentanspruchs von Luft unterscheidet, als Sauerstoff.
2.6. Demzufolge unterscheidet sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 von demjenigen der Druckschrift E4 nur durch folgende Merkmale:
a) die Verpackung ist ein Abpackbeutel; und
b) der Sauerstoff, der in den Abpackbeutel eingeleitet wird, ist reiner Sauerstoff.
2.7. Ausgehend von der Druckschrift E4 kann daher die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein anderes Verfahren zur Haltbarmachung von leicht verderblichen Produkten mit einer Sauerstoffschutzgas-Atmosphäre zu verwenden.
3. Wie sich aus den Ausführungen im Abschnitt 2.6 ergibt, ist das Verfahren nach Patentanspruch 1 gegenüber der am nächsten kommenden Druckschrift E4 neu.
Da die übrigen Druckschriften weiter entfernt liegen, folgt daraus unmittelbar die Neuheit des Verfahrens nach Patentanspruch 1.
4. Es ist deshalb zu prüfen, ob sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 aus diesem Stand der Technik in naheliegender Weise ergibt.
4.1. Was die Maßnahme a) der Lösung anbelangt, so ist - wie auch die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung feststellte - die Verpackungsart, d. h. ob ein Beutel oder ein tiefgezogener, mit Deckfolie dicht verschlossener Behälter verwendet wird, nicht von Bedeutung; und dies gilt um so mehr, als diese Verpackungsmittel schon zum Konservieren von leicht verderblichen Nahrungsmitteln bekannt sind (siehe z. B. Druckschrift E1: Seite 6, erster Absatz). Anders ausgedrückt bestimmt die Verpackung das eigentliche Verfahren der Haltbarmachung der in Frage kommenden Lebensmittel in einer Sauerstoff- Schutzgasatmosphäre nicht. Deswegen kann dieses Merkmal nichts zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.
4.2. Wesentlich ist vielmehr, daß auch gemäß Druckschrift E4 durch die dort beschriebene Spülung des Verpackungsbehältnisses eine weitgehend luftfreie Atmosphäre, im Falle der Sauerstoffanwendung also eine Sauerstoffschutzgas-Atmosphäre, im Behältnis hergestellt wird. Da in der Druckschrift E4 auch auf die Beseitigung von Restluft aus dem Verpackungsbehältnis eingegangen wird, kann sich die Beschwerdekammer der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach nur eine undefinierte Atmosphäre im Verpackungsbehältnis gemäß Druckschrift E4 entstünde, nicht anschließen.
Auch die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich Zeilen 36 bis 40 der Spalte 2 der Beschreibung der Druckschrift E4 kann die Kammer nicht folgen. Diese Passage betrifft nicht eine Relation zwischen dem Saug- Unterdruck einerseits und dem Prozentsatz an Sauerstoff andererseits, sondern eine Relation zwischen dem Saug- Unterdruck zum Absaugen der Luft an der einen Seite der Verpackung und dem Gas-Druck des zugeführten Gases an der anderen Seite der Verpackung. Beide, Saug-Unterdruck und Gas-Druck, arbeiten zusammen und schieben die Luft aus der Verpackung, einerseits durch Ansaugung, andererseits durch Gasdruck (gas-flushing: Spalte 2, Zeilen 24 bis 26; sweeping: Spalte 2, Zeilen 33 bis 40).
4.3. Im angefochtenen Patent ist nicht darauf hingewiesen, was mit "reinem" Sauerstoff gemeint ist. Es ist keine Definition vorhanden. Nach aller Lebenserfahrung muß aber davon ausgegangen werden, daß sich der Fachmann bemüht, eine solche unvollständige Offenbarung mit eigenem Fachwissen derart zu ergänzen, daß die Erfindung ausführbar oder praktikabel wird. Der Fachmann wird zu der Annahme kommen, daß der Sauerstoff so rein sein soll, wie es für technische Zwecke verlangt wird und wie er normalerweise geliefert werden kann. Dies gilt selbstverständlich auch für die fehlende Angabe über die Reinheit des in der Druckschrift E4 eingesetzten Sauerstoffs. Dort wird die Anwendung von Sauerstoff - nicht von Sauerstoff in Mischung mit Stickstoff oder einem anderen inerten Gas -genannt (vgl. Patentansprüche 2 und 3).
Darüber hinaus ist Patentanspruch 1 des angefochtenen Patents im Hinblick auf die Beschreibung so zu interpretieren, daß nur reiner Sauerstoff in dem Abpackbeutel eingeleitet wird. Dasselbe ist der Druckschrift E4 zu entnehmen: Nur Sauerstoff wird zur Entfernung von Luft aus der Verpackung in die Verpackung eingebracht.
4.4. Auf jeden Fall ist der Einsatz von "reinem" Sauerstoff für die Haltbarmachung von verderblichen Lebensmitteln auch durch die Lehre der Druckschrift E1 nahegelegt worden. Es wird auf Beispiel 4 und insbesondere auf den Unteranspruch 4 verwiesen, in dem Sauerstoffanteile in der Schutzgasatmosphäre von bis zu 100 % für gefrorene Nahrungsmittel genannt werden. Zwar lehrt Druckschrift E1, daß das Gefrieren als auch der Einsatz von reinem Sauerstoff zum Konservieren von leicht verderblichen Lebensmitteln beitragen. Diese Lehre kann aber den Fachmann, der in der Druckschrift E4 keine Angabe über die Reinheit des Sauerstoffs erhält, dazu anregen, reinen Sauerstoff zum gleichen Zweck einzusetzen.
4.5. Deswegen kann es nicht als erfinderisch angesehen werden, im Verfahren gemäß der Druckschrift E4 reinen Sauerstoff zu verwenden.
4.6. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.
5. Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 keine patentfähige Erfindung darstellt, haben auch die von diesem Patentanspruch abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 schon aus formalen Gründen keinen Bestand.
Im übrigen kann die Kammer nur im Rahmen des vom Beschwerdeführer vorgelegten Antrags über den Rechtsbestand des angefochtenen Patents entscheiden (Art. 113 (2) EPÜ).
6. Die Kammer kommt mithin zu dem Ergebnis, daß der in Artikel 100 a) EPÜ genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht.
Da die Kammer ihre ablehnende Haltung zur erfinderischen Tätigkeit in der vorliegenden Entscheidung auf dieselben Dokumente stützt wie die angefochtene Entscheidung und die vorstehend aufgeführten Gründe nicht über das Beschwerde- oder Einspruchsvorbringen hinausgehen, war es weder erforderlich noch zweckmäßig, einen Zwischenbescheid zu erlassen (Art. 110 (2) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.