T 0255/91 (Priorität) of 12.9.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T025591.19910912
Datum der Entscheidung: 12 September 1991
Aktenzeichen: T 0255/91
Anmeldenummer: 86103489.0
IPC-Klasse: B01D 53/04
C01B 13/02
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Air Products
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: Eine Patentanmeldung kann nicht als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts für eine europäische Anmeldung nach Artikel 87 (1) EPÜ dienen, wenn vor ihr bereits eine Anmeldung eingereicht worden ist und sie sich von dieser älteren nur durch eine Einschränkung des Schutzumfangs unterscheidet (z. B. durch einen Disclaimer), welche nichts an der Natur der Erfindung ändert (vgl. T 73/88 "Knabbergebäck/HOWARD", ABl. EPA 1992, 557). Dies gilt natürlich nicht, wenn Artikel 87 (4) EPÜ anwendbar ist, d. h. wenn aus der ersten älteren Anmeldung keine Rechte bestehen geblieben sind.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 87(1)
European Patent Convention 1973 Art 87(3)
European Patent Convention 1973 Art 54
Schlagwörter: In Anspruch genommene Priorität (verneint)
Voranmeldung der Rechtsvorgänger der Anmelderin offenbart dieselben Merkmale mit großem Wertebereich
Einschränkung (z. B. "Disclaimer") schränkt Umfang ein, ändert aber nichts an der Natur der Erfindung
Neuheit (verneint)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0002/98
T 0828/93
T 0077/97
T 0361/97
T 0454/01

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 103 489.0 (Veröffentlichungsnr. 0 195 388) wurde von der Prüfungsabteilung wegen mangelnder Neuheit des Anspruchs 1 zurückgewiesen, weil die für diese Anmeldung beanspruchte Priorität aufgrund einer am 29. September 1983 - also mehr als 12 Monate vor Einreichung der vorliegenden Anmeldung - von den Rechtsvorgängern der Anmelderin in den USA eingereichten früheren Anmeldung Nr. 537 309 (nachfolgend P1 genannt) ungültig war, deren Priorität wiederum von EP-A-0 135 936 (nachfolgend D1 genannt) in Anspruch genommen worden war, und weil D1, worin der Gegenstand von Anspruch 1 der vorliegenden Anmeldung offenbart ist, vor deren Anmeldetag veröffentlicht worden war.

II. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

III. - V. ...

Hauptantrag:

Anspruch 1 lautet wie folgt:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Erzeugnisstroms mit mäßig angereicherter Sauerstoffkonzentration aus Raumluft, welches folgende Schritte umfaßt:

(1) Einführen der Speiseluft in eine für das Zurückhalten von Stickstoff selektive Adsorbensschicht zur Erhöhung des Drucks in dieser Schicht von atmosphärischem Druck auf einen ersten höheren Druck, der ca. 10 Atmosphären nicht übersteigt,

(2) Verminderung des Drucks in der Schicht auf einen zwischenstuflichen zweiten Druck, der über dem Atmosphärendruck liegt, aber weniger als das 0,75fache des ersten Drucks beträgt, wobei das 0,56fache und das 0,67fache des ersten Drucks ausgeschlossen sind, ...

(3) Belüften der Schicht zur Wiederherstellung des atmosphärischen Drucks ..."

VI. Die Beschwerdeführerin machte in der Sache die nachfolgenden Argumente zur Stützung ihrer Anträge geltend.

In der vorliegenden Anmeldung werde als wesentliches Merkmal für die Ausführung der Erfindung herausgestellt, daß die Verminderung des ersten Drucks auf den zweiten Druck nach Maßgabe des Verhältnisses dieser beiden Drücke vorgenommen werde; dies sei ein erstes neues Merkmal gegenüber P1; dort werde zwar ein Verfahren mit Merkmalen der vorliegenden Erfindung offenbart, woraus sich aber unmittelbar ableiten lasse, daß die Druckverminderung nach Maßgabe der Differenz zwischen dem ersten und dem zweiten Druck erfolge. Selbst wenn nun geltend gemacht werden könne, daß der Fachmann unter Berücksichtigung der Lehre von P1 die Wahl zwischen einer Druckdifferenz und einem Druckquotienten habe, stelle die Entscheidung für einen Quotienten, wie sie in der vorliegenden Anmeldung getroffen worden sei, an sich bereits eine Neuheit des Gegenstands gegenüber P1 dar. Darüber hinaus enthalte die vorliegende Anmeldung ein zweites Merkmal, nämlich die Obergrenze der zulässigen Quotientenwerte, welche sich aus P1 nicht ableiten lasse und somit ebenfalls das Ergebnis einer Auswahl innerhalb des aus P1 ableitbaren Bereichs der zulässigen Druckrelationen sei. In Zusammenhang mit diesem zweiten Merkmal führte die Beschwerdeführerin auch ein aus einem Versuch stammendes neues Beispiel an, demzufolge der Druckquotient 0,45 - der also anmeldungsgemäß unter 0,56, mithin auch unter 0,75 liegt und ungleich 0,67 und 0,56 ist - zu einer 32,6%igen Reinheit der angereicherten Luft geführt habe; dies sei mit den entsprechenden Ergebnissen in D1, Seite 9, Zeilen 6 bis 20 und mit der einschlägigen Textstelle in P1 zu vergleichen, bei denen der Druckquotient 0,67 zu einer 28,0%igen Reinheit der angereicherten Luft geführt habe. Nach Meinung der Beschwerdeführerin zeige dieses überraschende Ergebnis, daß die vorliegende Anmeldung auf einer echten Auswahl beruhe. Da also das anmeldungsgemäße Verfahren zwei aus P1 nicht ableitbare Unterscheidungsmerkmale enthalte, habe das Verfahren als neu zu gelten und sei P1 nicht als erste Anmeldung für die Inanspruchnahme der Priorität zu betrachten.

In diesem Zusammenhang verwies die Beschwerdeführerin auf die im Schrifttum des Patentrechts vertretene Auffassung, wonach eine "prioritätsbegründende Anmeldung", die einer älteren "prioritätsbegründenden Anmeldung" Merkmale hinzufüge, die Grundlage für eine zweite, andere Patentanmeldung bilden könne (s. insbesondere Schulte, Patentgesetz, § 41, Rdn. 4, Carl Heymanns Verlag KG, Köln, Berlin, Bonn, München, 4. Auflage, 1987; s. ferner Benkard, Patentgesetz, Einleitung Rdn. 13, 16 und 18, C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1981).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag

2.1 Priorität

2.1.1 Die vorliegende, am 14. März 1986 eingereichte europäische Patentanmeldung nimmt die Priorität der am 19. März 1985 und somit weniger als 12 Monate vor ihrem Anmeldetag in den USA eingereichten Patentanmeldung Nr. 713 503 in Anspruch. Allerdings haben die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin, d. h. die Erfinder, am 29. September 1983, also mehr als 12 Monate vor dem Anmeldetag der vorliegenden europäischen Patentanmeldung, in den USA auch die Patentanmeldung P1 eingereicht. Hierbei ist zu beachten, daß die Priorität der früheren US-Anmeldung P1 von D1 in Anspruch genommen worden ist, so daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß keine Rechte bestehen geblieben sind (Art. 87 (4) EPÜ).

2.1.2 Um zu beurteilen, ob die vorliegende prioritätsbegründende Anmeldung tatsächlich die erste Anmeldung im Sinne von Artikel 87 (1) und (3) EPÜ darstellt, muß geprüft werden, ob die frühere US-Anmeldung P1 dieselbe Erfindung offenbart wie die vorliegende Anmeldung, d. h. ob sie für diese neuheitsschädlich ist (s. beispielsweise die unveröffentlichte Entscheidung T 116/84 vom 28. November 1984).

2.1.3 Zur Beurteilung der Frage, ob der Gegenstand einer Patentanmeldung gegenüber einer Vorveröffentlichung neu ist, muß gemäß der Beschwerdekammerentscheidung T 26/85 (ABl. EPA 1990, 22) festgestellt werden, ob die dem Fachmann in der Vorveröffentlichung vermittelte Information so vollständig ist, daß er die technische Lehre, die Gegenstand der Anmeldung ist, ausführen kann; bei der Beurteilung der Neuheit der Erfindung gegenüber der Vorveröffentlichung muß deshalb in Fällen, in denen sich die Bereiche eines bestimmten Parameters überschneiden, geprüft werden, ob es der Fachmann aufgrund der technischen Information ernsthaft in Betracht ziehen würde, die technische Lehre der früheren Offenbarung im Überschneidungsbereich anzuwenden; kann dies mit einiger Wahrscheinlichkeit bejaht werden, so ist auf mangelnde Neuheit zu schließen.

2.1.4 Das Verfahren des vorliegenden Anspruchs 1 umfaßt die drei in P1 offenbarten Schritte (s. S. 4, Zeile 20 bis S. 8, Zeile 19; Abbildungen 1 und 2 des entsprechenden Dokuments D1). Darüber hinaus heißt es aber in diesem Anspruch 1, daß der zwischenstufliche zweite Druck in Verfahrensschritt 2 im Bereich zwischen Atmosphärendruck und weniger als dem 0,75fachen des ersten Drucks angesiedelt ist, wobei das 0,56- und das 0,67fache ausgeschlossen sind; in P1 wird dagegen weder ein oberer Grenzwert genannt, noch werden die beiden bestimmten Verhältniswerte ausgeschlossen. Der Druckbereich von P1 deckt somit den gesamten Druckbereich des vorliegenden Anspruchs 1 ab.

2.1.5 Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß die Verminderung vom ersten auf den zweiten Druck in der vorliegenden Anmeldung nach Maßgabe eines Quotienten aus den beiden Drücken erfolge; dies sei als für die Ausführung der Erfindung wesentlich hervorzuheben und könne nach Meinung der Beschwerdeführerin aus P1 nicht unmittelbar abgeleitet werden. Auch wenn der Fachmann der Lehre von P1 entnehmen könne, daß für eine solche Verminderung entweder die Differenz oder der Quotient zweier Drücke heranzuziehen sei, so bestehe die Lehre von P1 doch aus zwei Komponenten (Differenz, Quotient) und unterscheide sich insofern von der Lehre der vorliegenden Anmeldung (lediglich ein Quotient); ausgehend von P1 müsse zwischen den beiden Möglichkeiten gewählt werden, um zu dem beanspruchten Gegenstand zu gelangen; dieser sei gegenüber P1 somit neu. Dieses Argument geht jedoch fehl. Der erste Druck und der zweite "verminderte" Druck stehen in einer Beziehung zueinander, die man sowohl als "Differenz von Drücken" als auch als "Verhältnis von Drücken" definieren kann. Möglicherweise kann eine dieser Beziehungen, etwa das "Verhältnis von Drücken", mathematisch einfacher, griffiger ausgedrückt werden. Eine auf die Verwendung einer solchen Formel zurückzuführende technische Wirkung läßt sich aber nicht feststellen. Mit anderen Worten: bei der praktischen Durchführung des Verfahrens nach P1 senkt der Fachmann den Druck von einem ersten auf einen zweiten Druckwert, etwa indem er sich eines geeigneten Gerätes bedient, und es ist für das technische Ergebnis unerheblich, ob die Skala dieses Geräts die Differenz, d. h. einen linearen Wert, oder das Verhältnis, also einen logarithmischen Wert, anzeigt. In beiden Fällen kann der Fachmann zulässige Wertebereiche, sei es aus Druckdifferenzen oder aus Druckquotienten, berechnen und die Skalen entsprechend beschriften. Die Kammer betrachtet dieses Merkmal daher nicht als Unterscheidungsmerkmal.

2.1.6 Bezüglich des Grenzwerts 0,75 machte die Beschwerdeführerin außerdem geltend, die Angabe in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung und ihrer Prioritätsunterlage, wonach "es ein wesentlicher Bestandteil dieser Erfindung ist, daß der zweite Druck nicht mehr als das 0,75fache des ersten Drucks beträgt", offenbare ein neues Merkmal einer neuen Erfindung gegenüber P1, wo eine solche Einschränkung nicht offenbart sei. P1 offenbart aber eindeutig, daß der Druck von einem ersten Druck (zwischen 10 und 4 Atmosphären) auf einen Zwischendruck (laut Beispielen zwischen 0,67 % und 0,57 % des ersten Drucks) und dann auf Atmosphärendruck gesenkt wird. P1 deckt also den theoretischen Bereich "erster Druck > Zwischendruck > Atmosphärendruck" ab, und die vorliegende Anmeldung scheint bis auf den willkürlichen Ausschluß des oberen Teilbereichs und zweier bestimmter Verhältniswerte dieselbe Erfindung zu offenbaren und zu beanspruchen. Der Ausschluß mag den Umfang der Ansprüche dieser europäischen Patentanmeldung einschränken, er ändert jedoch nichts an der Natur der Erfindung.

2.1.7 Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß die beiden Druckwerte der Ansprüche 6 und 11 in P1, die durch einen Disclaimer aus dem Umfang von Anspruch 1 ausgeschlossen seien, für den Gegenstand von Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich sein dürften, weil dieser ja einen ganzen Druckbereich betreffe. Die Lehre von P1 ist aber, wie oben erwähnt, nicht auf die beiden Einzelwerte beschränkt, so daß auch alle übrigen unter die Offenbarung von P1 fallenden Druckverhältniswerte bei der Beurteilung der Neuheit dieses Gegenstands zu berücksichtigen sind.

2.1.8 Nach Darstellung der Beschwerdeführerin unterscheidet sich die Erfindung der vorliegenden Anmeldung in einem Maße von der Erfindung in P1, daß das Europäische Patentamt einen Einwand wegen unzulässiger Erweiterung (Art. 123 (2) EPÜ) geltend gemacht hätte, wenn der Anmelder von D1 versucht hätte, der Anmeldung in der eingereichten Fassung die in der vorliegenden Anmeldung auf Seite 4, Zeile 6 bis S. 5, Zeile 3 enthaltenen Merkmale hinzuzufügen; für die Beurteilung unzulässiger Erweiterungen nach Artikel 123 (2) EPÜ auf der einen und der Neuheit der Erfindung gegenüber einer etwaigen ersten Anmeldung im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ auf der anderen Seite müsse dasselbe Kriterium gelten. Die Kammer kann sich dieser These nicht anschließen. Hierbei ist zu beachten, daß nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern nicht nur ein konkreter Stand der Technik durch einen Disclaimer aus der beanspruchten Erfindung ausgeschlossen werden darf, und zwar selbst ohne Stütze des ausgeschlossenen Bereichs in den Ursprungsunterlagen (vgl. Entscheidung T 4/80, ABl. EPA 1982, 149), sondern auch ein kleinerer Teilbereich des allgemein definierten Anspruchsgegenstands, der nicht im Hinblick auf den Stand der Technik, sondern deswegen ausgenommen werden soll, weil er die technische Aufgabe nicht löst (vgl. unveröffentlichte Entscheidung T 313/86 vom 12. Januar 1988, Nr. 3.5 der Entscheidungsgründe). Nach dieser Rechtsprechung wäre also der Ausschluß des oberen Bereichs bestimmter Verhältniswerte möglich, sofern er begründet würde.

2.1.9 Was nun die beiden ausgeschlossenen Verhältniswerte 0,56 und 0,67 betrifft, so gibt die vorliegende Anmeldung, die diese Werte in ihren Beispielen konkret offenbart, keine technische Begründung dafür, warum gerade diese Werte ausgeschlossen werden sollen. Ein Bereich wird nicht dadurch neu, daß die aus dem Beispiel eines bekannten Dokuments stammenden Werte durch Disclaimer ausgenommen werden, jedenfalls dann nicht, wenn diese Werte nicht punktförmig zu sehen sind (vgl. Entscheidung T 188/83, ABl. EPA 1984, 555).

2.1.10 Zu beachten ist, daß der Text von Seite 4, Zeile 6 bis Seite 5, Zeile 3 der vorliegenden Anmeldung außer einem Hinweis auf die Bedeutung des darin beanspruchten Grenzwerts - das 0,75fache des ersten Drucks - als weitere Information lediglich enthält, daß a) der Druckbereich zwischen Atmosphärendruck und 10 Atmosphären liegen sollte, was bereits in P1 in Zusammenhang mit den beiden o. g. Ausführungsarten offenbart wurde, und daß b) innerhalb dieses Bereichs einige niedrigere Werte zu bevorzugen sind. Darüber hinaus sind Bemerkungen über die Verfahrensschritte (Zwischenspülung) enthalten, ohne daß diese beansprucht oder erläutert würden.

2.1.11 Somit ist aus P1 kein Gegenstand ableitbar, der seiner Art nach so ausgelegt werden könnte, daß es der Fachmann aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht ernsthaft in Betracht ziehen würde, die technische Lehre der Vorveröffentlichung im Überschneidungsbereich anzuwenden, d. h. im Bereich zwischen dem atmosphärischen Druck und dem weniger als 0,75fachen des ersten Drucks unter Ausschluß des 0,56- und des 0,67fachen. Was den ersten Grenzwert (0,75) betrifft, beziehen sich vielmehr zwei Ausführungsarten in P1 (s. Nr. 1.3.1) konkret auf Druckverhältniswerte von weniger als 0,75.

2.1.12 Die Kammer vertritt deshalb die Auffassung, daß das Merkmal, wonach im Verfahrensschritt 2 der zwischenstufliche zweite Druck höher als Atmosphärendruck, aber niedriger als das 0,75fache des ersten Drucks sein muß und die Verhältniswerte 0,56 und 0,67 ausgeschlossen sind, in P1 offenbart ist.

2.1.13 Es wird nicht in Abrede gestellt, daß eine "prioritätsbegründende Anmeldung", die einer früheren "prioritätsbegründenden Anmeldung" Merkmale hinzufügt, die Grundlage für eine zweite, andere Patentanmeldung bilden kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, daß aus den obengenannten Gründen die Erfindung der späteren, zweiten "prioritätsbegründenden Anmeldung" (die der vorliegenden europäischen Patentanmeldung entspricht) mit der Erfindung der früheren, ersten "prioritätsbegründenden Anmeldung" übereinstimmt.

2.1.14 Da sich also die spätere Anmeldung von der früheren Anmeldung nur dadurch unterscheidet, daß der Schutzbereich durch einen die Natur der Erfindung nicht verändernden Ausschluß eines Teilbereichs eingeschränkt wird (und zwar durch einen Disclaimer), und da die Erfordernisse des Artikels 87 (4) EPÜ nicht erfüllt sind, gilt diese spätere Anmeldung nicht als erste Anmeldung im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ und kann nicht als Grundlage für die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts dienen (vgl. Entscheidung T 73/88, ABl. EPA 1992, 557).

2.1.15 Die am 19. März 1985 in den USA eingereichte Patentanmeldung Nr. 713 503, deren Priorität in der vorliegenden Anmeldung in Anspruch genommen wird, gilt also nicht als erste Anmeldung im Sinne von Artikel 87 (1) EPÜ, so daß die Personen, die sie ordnungsgemäß eingereicht haben, für die Anmeldung zum europäischen Patent nicht von einem Prioritätsrecht Gebrauch machen können.

2.2 Neuheit

2.2.1 Da das Prioritätsrecht nicht in Anspruch genommen werden kann, gilt für die vorliegende europäische Patentanmeldung als wirksames Datum der Tag ihrer Einreichung beim Europäischen Patentamt, also der 14. März 1986. Da aber am 3. April 1985, also vor dem wirksamen Anmeldetag dieser Patentanmeldung, D1 veröffentlicht wurde und der Gegenstand des Anspruchs 1 aus D1 bekannt ist (s. oben), ist Anspruch 1 nicht neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

2.2.2 Dem Hauptantrag kann somit nicht stattgegeben werden (Art. 54 (1) und (2) sowie 97 (1) EPÜ).

3. ...

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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