European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1992:T017591.19920702 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 Juli 1992 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0175/91 | ||||||||
Anmeldenummer: | 86112080.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60R 13/06 E04F 21/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | C | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Einlegen von Dichtungsprofilen | ||||||||
Name des Anmelders: | Siemens AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 01) AEG AG 02) KUKA Schweißanlagen + Roboter GmbH |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit (verneint) Inventive step (no) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Aufgrund der europäischen Patentanmeldung Nr. 86 112 080.6 ist am 21. Dezember 1988 das europäische Patent Nr. 0 220 429 erteilt worden.
II. Die Beschwerdegegnerinnen I und II haben gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und u. a. beantragt, das Patent mangels Patentierbarkeit zu widerrufen. In ihrer Begründung stützten sie sich in erster Linie auf das Dokument
D6: DE-U-8 400 786.
III. Mit Entscheidung vom 18. Februar 1991 ist das Patent in der von der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) eingeschränkten Fassung wegen mangelnder Neuheit gegenüber dem Dokument D6 widerrufen worden.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 27. Februar 1991 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung ist am 18. Juni 1991 eingegangen.
V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK wurde im Zusammenhang mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit, zusätzlich zu dem bereits im Verfahren befindlichen Dokument D6, auf das Dokument
D9: DE-A-3 243 214
verwiesen.
VI. Es wurde am 2. Juli 1992 mündlich verhandelt.
In der Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents mit den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Unterlagen.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragten, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Zur Begründung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin im wesentlichen aus:
Ein Hinweis auf einen zusätzlichen Vorschub innerhalb einer Längsführung sei aus Dokument D6 nicht zu entnehmen. Die Formulierung auf Seite 8, Absatz 3 dieses Dokuments, daß der elastische Profilstreifen von einer Vorratsvorrichtung aus durch die Zuführ- und Positioniereinrichtung (23) dem Aufnahmeraum zugeführt wird, beinhalte keinerlei zusätzlichen aktiven Vorschub und gebe somit keinerlei Hinweis auf eine im Bereich der Längsführung ansetzende Kraft. Mithin sei der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu im Hinblick auf das Dokument D6.
Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe sei darin zu sehen, die Reibung in der Längsführung auszugleichen und damit die Zugspannungen im Dichtungsprofil weiter zu reduzieren.
Bei Dokument D9 werde ein Dichtungsprofil entlang einer gekrümmten Führung durch eine Andrückrolle (22) und zwei gegensinnig rotierende, im Bereich der gekrümmten Führung angeordnete Vorschubrollen (19) bewegt. Mittels der Andrückrolle werde das Dichtungsprofil in eine Nut eines Rahmens eingedrückt.
Die Vorschubrollen seien dort als Transportrollen beschrieben und ein Zusammenhang zwischen diesem zusätzlichen Vorschub und Zugspannungen im Dichtungsprofil sei an keiner Stelle erwähnt.
Daß der für die Vorschubrollen und die Andrückrolle vorgesehene gemeinsame Antrieb variabel sei, sei ebenfalls nicht offenbart. Die Umfangsgeschwindigkeit der Andrückrolle könne somit nicht an die Transportgeschwindigkeit des mit dem Dichtungsprofil zu bestückenden Rahmens angepaßt werden. Von einem Reduzieren der Zugspannungen im Dichtungsprofil beim Einlegen sei deshalb keine Rede.
Mithin lege eine Kombination der Lehren der Dokumente D6 und D9 den Gegenstand des Patentanspruchs 1 keinesfalls nahe.
VIII. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen lassen sie wie folgt zusammenfassen:
Auf Seite 8 Absatz 3 von Dokument D6 sei davon die Rede, daß der elastische Profilstreifen (3) von einer (nicht dargestellten) Vorratseinrichtung (23) dem Aufnahmeraum (2) zugeführt wird. Es sei völlig klar, daß der Begriff "zuführen" eine aktive Kraft in Förderrichtung voraussetze. Dem Durchschnittsfachmann werde also die Lehre vermittelt, daß beim Zuführen des elastischen Profilstreifens eine Kraft wirksam sein müsse, welche schiebe und nicht ziehe. Daß die Einwirkung dieser Schiebekraft im Bereich der Längsführung liegen müsse, sei dem Durchschnittsfachmann völlig klar, weil dort der Ort der größten Reibung sei.
In jedem Fall sei die beanspruchte Lösung durch die vom Dokument D9 vermittelte Lehre nahegelegt worden. Der Durchschnittsfachmann erkenne ohne weiteres, daß der im Bereich der Längsführung angeordnete zusätzliche Vorschub zur Reduzierung der Zugspannungen im Dichtungsprofil und somit zur Kompensation der Reibung in der Längsführung diene.
IX. Der geltende Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zum Einlegen von Dichtungsprofilen (D) mit einem programmierbaren Handhabungsgerät, insbesondere mit einem Industrieroboter, wobei das Dichtungsprofil (D) über eine der Profilform angepaßte Längsführung (L; L1; L2) unmittelbar unter eine im Abstand dazu angeordnete Andrückrolle (A; A1; A2) führbar ist und die Andrückrolle (A, A1, A2) derart antreibbar ist, daß beim Einlegen Zugspannungen im Dichtungsprofil (D) zumindest weitgehend kompensiert werden, dadurch gekennzeichnet, daß im Bereich der Längsführung (L; L1; L2) ein in Richtung zur Andrückrolle (A; A1; A2) wirkender zusätzlicher Vorschub für das Dichtungsprofil (D) angeordnet ist."
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist zulässig.
2. Neuheit
2.1. In der angefochtenen Entscheidung werden sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 als durch das Dokument D6 neuheitsschädlich vorweggenommen dargestellt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da die hieraus bekannte Vorrichtung im Bereich der Längsführung keinen zusätzlichen Vorschub im Sinne des Streitpatents aufweist.
Bei Dokument D6 werden zum einen eine (nicht dargestellte) Vorratseinrichtung und zum anderen eine Zuführ- und Positioniereinrichtung (23) erwähnt. Die Zuführ- und Positioniereinrichtung (23) weist im wesentlichen eine Längsführung und eine Andrückrolle (16) auf. Diese Andrückrolle ist als Mittel zum Fördern des Dichtungsprofils beschrieben. Es ist festzustellen, daß diese Zuführ-und Positioniereinrichtung keine Mittel zur Erzeugung eines zusätzlichen Vorschubes enthält. Im Bereich der Längsführung ist mithin kein zusätzlicher Vorschub vorgesehen. Allein schon aus diesem Grund ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber Dokument D6 neu.
Weiterhin ist ein zusätzlicher Vorschub entsprechend dem Patentanspruch 1 mit dem Aufbringen einer Kraft verbunden. Auf Seite 8, dritter Absatz von Dokument D6 ist zwar ausgeführt, daß der elastische Profilstreifen von der nicht dargestellten und nicht näher geschriebenen Vorratsvorrichtung aus durch die Zuführ- und Positioniereinrichtung dem Aufnahmeraum "zugeführt" wird. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen und der Einspruchsabteilung beinhaltet jedoch der Begriff "Zuführen" hier nicht das Wirken eines zusätzlichen und aktiven Vorschubs da keinerlei Hinweis auf ein Abziehen unter Anwendung einer Schubkraft im Bereich der Längsführung gegeben wird.
2.2. Durch das noch genannte Dokument D9 ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht bekannt geworden. Dies folgt schon daraus, daß die dort beschriebene Andrückrolle nicht derart antreibbar ist, "daß beim Einlegen Zugspannungen weitgehend kompensiert werden" wie es im Oberbegriff des Patentanspruchs angegeben ist. Es ist nämlich an keiner Stelle erwähnt, daß der Antrieb der Andrückrolle variabel ist. Ohne variablen Antrieb kann die Umfangsgeschwindigkeit der Andrückrolle nicht an die Transportgeschwindigkeit des mit dem Dichtungsprofil zu versehenden Werkstücks angepaßt werden. Mithin ist ein Reduzieren der Zugspannungen im Dokument D9 beim Einlegen des Dichtungsprofils nicht verwirklicht.
2.3. Aus alledem folgt, daß die Vorrichtung nach Patentanspruch 1 gegenüber dem vorstehenden Stand der Technik neu ist.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Eine Vorrichtung mit den im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmalen ist aus dem am nächsten kommenden Dokument D6 bekannt. Bei der bekannten Vorrichtung sind dabei ebenso wie bei der des angefochtenen Patents die Zugspannungen im Dichtungsprofil am Ort des Eindrückens in den Aufnahmeraum deutlich reduziert. Wenn die Umfangsgeschwindigkeit der Andrückrolle an die Transportgeschwindigkeit des mit dem Dichtungsprofil zu versehenden Werkstücks angepaßt wird, kann nämlich das elastische Dichtungsprofil mit reduzierter innerer Druckspannung in den Aufnahmeraum des Werkstücks eingebracht werden.
Bei der bekannten Vorrichtung muß aber die Andrückrolle das elastische Dichtungsprofil gegen den in der Längsführung auftretenden Reibungswiderstand von einem Vorratsbehälter abziehen. Dadurch entsteht im elastischen Dichtungsprofil eine Zugspannung, so daß die Andrückrolle mit einem elastischen Profil unter Zugspannung versorgt wird. Dies ist insbesondere bei Verlegen von sehr elastischen Dichtungsprofilen nachteilig.
3.2. Die dem angefochtenen Patent zugrundeliegende Aufgabe kann daher, wie der Patentschrift in Spalte 2, Zeilen 5 bis 12 zu entnehmen ist, darin gesehen werden, die bekannte Vorrichtung nach Dokument D6 so zu verbessern, daß sie den vorstehenden Nachteil nicht aufweist, d. h. die Andrückrolle mit einem möglichst spannungsfreien Dichtungsprofil versorgt wird.
3.3. Diese Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 aufgeführten Merkmale gelöst.
3.4. Die beanspruchte Lösung ist jedoch durch die vom Dokument D9 vermittelte Lehre nahegelegt worden. Wie besonders aus Figur 3 hervorgeht, wird das Dichtungsprofil von einer Andrückrolle in Form einer Walze mit einem am Umfang vorhandenen Zahnkranz erfaßt und in die Nut des Werkstücks eingedrückt. Zusätzlich zu dieser Andrückrolle sind innerhalb der gekrümmten Längsführung zwei gegensinnig rotierende Rollen (19) vorgesehen. Für die Andrückrolle und die beiden Rollen (19) wird ein gemeinsamer Antrieb vorgesehen.
Es ist unstrittig, daß die Rollen (19) als Mittel zur Erzeugung eines zusätzlichen Vorschubs eingesetzt werden. Mittels der Andrückrolle und auch der Vorschubrollen (19) wird das elastische Dichtungsprofil gegen den im Führungskanal auftretenden Reibungswiderstand und insbesondere gegen den hohen Reibungswiderstand in der bogenförmigen Längsführung abgezogen. Die Erkenntnis, daß durch den Reibungswiderstand in der Längsführung eine Zugspannung im elastischen Dichtungsprofil entsteht, gehört zum allgemeinen Fachwissen. Ebenso liegt es für den Fachmann auf der Hand, daß die im elastischen Dichtungsprofil entstandene Zugspannung durch diesen innerhalb der Längsführung angeordneten zusätzlichen Vorschub kompensiert werden kann.
3.5. Wie die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, lasse die bloße Tatsache, daß bei Dokument D9 ein zusätzlicher Vorschub im Bereich der Längsführung offenbart ist, nicht zwangsläufig darauf schließen, daß keine erfinderische Tätigkeit vorliege. Es müsse auch untersucht werden, ob mit diesem bekannten zusätzlichen Vorschub eine gleiche oder eine ähnliche Aufgabe gelöst werde.
Nach Ansicht der Kammer ist dies hier der Fall: Wie schon vorstehend ausgeführt, wird mit dem zusätzlichen Vorschub innerhalb der Längsführung auch im Dokument D9 für den Fachmann erkennbar ein Ausgleich des Reibungswiderstands zwischen der Längsführung und dem elastischen Dichtungsprofil und somit eine Reduzierung der Zugspannung im elastischen Dichtungsprofil erreicht. Eine solche Wirkung ist zwar an keiner Stelle des Dokuments D9 ausdrücklich erwähnt, dies ist aber unerheblich, wenn sie sich für den Fachmann beim Lesen des Dokuments ergibt (vgl. Entscheidung T 6/80, EPA ABl. 1981, 434).
3.6. Es ist richtig, daß bei der Vorrichtung nach D9 die Andrückrolle nicht derart antreibbar ist, daß beim Einlegen Zugspannungen im Dichtungsprofil weitgehend kompensiert werden. Dies ist jedoch ein gattungsgemäßes, bereits bei dem Stand der Technik nach der D6 vorhandenes Merkmal, das bei der Prüfung, ob es nahelag, eine Vorrichtung der im Dokument D6 beschriebenen Art im Sinne der beanspruchten Lösung zu verbessern, keinen Beitrag zu leisten vermag.
3.7. Aus alledem folgt, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.
4. Da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 keine patentfähige Erfindung darstellt, haben auch die von diesem Patentanspruch abhängigen Patentansprüche schon aus formalen Gründen keinen Bestand.
Im übrigen kann die Kammer über den Rechtsbestand des angefochtenen Patents nur im Rahmen des von der Beschwerdeführerin vorgelegten Antrags entscheiden (Art. 113 (2) EPÜ).
5. Die Kammer kommt mithin zu dem Ergebnis, daß der in Artikel 100 a) genannte Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.