T 0833/90 () of 19.5.1994

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1994:T083390.19940519
Datum der Entscheidung: 19 Mai 1994
Aktenzeichen: T 0833/90
Anmeldenummer: 84101039.0
IPC-Klasse: C08L 83/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Unter Ausschluß von Wasser lagerfähige, bei Zutritt von Wasser bei Raumtemperatur zu Elastomeren vernetzende Massen
Name des Anmelders: Wacker-Chemie GmbH
Name des Einsprechenden: Imperial Chemical Industries PLC
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54
European Patent Convention 1973 Art 69
European Patent Convention 1973 Art 123(1)
European Patent Convention 1973 R 86(3)
Schlagwörter: Ungerechtfertigterweise verspätete Einreichung von Änderungen (nicht zugelassen)
Aufnahme wesentlicher Merkmale in den Anspruch
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0118/95
T 0443/95
T 0047/98
T 0025/04
T 0616/08

Sachverhalt und Anträge

I. Der Hinweis auf die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 118 030 der Wacker Chemie GmbH, angemeldet am 2. Februar 1984 unter Beanspruchung einer DE-Priorität vom 3. Februar 1983, wurde am 3. Juni 1987 bekanntgemacht.

Anspruch 1 dieses Patents in der erteilten Fassung lautete:

"Unter Ausschluss von Wasser lagerfähige, bei Zutritt von Wasser bei Raumtemperatur zu Elastomeren vernetzende Massen, die durch Vermischen von kondensationsfähige Endgruppen aufweisendem Diorganopolysiloxan mit mindestens drei über Sauerstoff an Silicium gebundene Oximgruppen je Molekül aufweisender Siliciumverbindung sowie gegebenenfalls mindestens einem weiteren Stoff hergestellt worden sind, dadurch gekennzeichnet, dass als mindestens ein Teil von mindestens drei über Sauerstoff an Silicium gebundene Oximgruppen je Molekül aufweisenden Siliciumverbindungen ein Gemisch aus Silan, an dessen Siliciumatom vier Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, und Silan, an dessen Siliciumatom ein Kohlenwasserstoffrest SiC-gebunden ist und drei Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, oder Oligomer aus derartigem Silangemisch verwendet worden ist."

Die restlichen Ansprüche 2 bis 7 betrafen besondere Ausführungsformen der Massen nach Anspruch 1.

II. Gegen das Patent hat die Beschwerdeführerin am 29. Februar 1988 (mit Schreiben vom 23. Februar 1988) wegen fehlender Neuheit und/oder fehlender erfinderischer Tätigkeit, gestützt u. a. auf folgende Dokumente

D2 Sb. Vys. Sk. Chem. Technol. Praze, Org. Chem. Technol. C22 (1974), 119 - 126 (englische Übersetzung); und

D3 Silicone Rubber Technology Review, K.E. Polmanteer, pres. at a meeting of the Rubber Div., Am. Chem. Soc., 2. -5. June 1981

Einspruch erhoben.

III. Mit ihrer am 24. Juli 1990 verkündeten Zwischenentscheidung, welche am 30. August 1990 schriftlich begründet versandt wurde, stellte die Einspruchsabteilung fest, daß das Patent mit einer die Anwesenheit von Lösungsmittel und organischen Zinnverbindungen ausschließenden geänderten Beschreibung, bei ungeänderten Ansprüchen, den Erfordernissen des EPÜ genüge.

Die Entscheidung wurde damit begründet, daß der zitierte Stand der Technik keine Anhaltspunkte zur Lösung der vorliegenden Aufgabe, nämlich der Entwicklung einer bei Raumtemperatur zu Elastomeren vernetzbaren Masse auf Basis von kondensationsfähige Endgruppen enthaltendem Diorganopolysiloxan und Oximgruppen aufweisenden Siliciumverbindungen unter Verzicht auf Lösungsmittel und organische Zinnkatalysatoren, enthalte.

IV. Gegen die genannte Zwischenentscheidung hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) am 29. Oktober 1990 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und hierzu am 28. Dezember 1990 eine Begründung eingereicht.

Darin vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, daß die in der Beschreibung nun angegebene Abwesenheit von Lösungsmittel und organischen Zinnkatalysatoren, insbesondere wegen der in Anspruch 1 erwähnten Möglichkeit der Anwesenheit eines "weiteren Stoffes", nicht auch für diesen in seinem Wortlaut uneingeschränkten Anspruch gelte. Dieser verletze somit nicht nur Artikel 84 EPÜ, sondern sein Gegenstand sei, da die Abwesenheit von Lösungsmittel und Zinnkatalysatoren im Hinblick auf den Stand der Technik erfindungswesentlich sei, auch nicht erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

V. Dem steht die Meinung der Beschwerdegegnerin gegenüber, es sei durch die Wirkung von Artikel 69 EPÜ ausreichend gewährleistet, daß der Schutzbereich des Anspruchs 1 durch die in der Beschreibung erfolgte Einschränkung mitbeschränkt werde.

Einer Anregung der Kammer folgend, legte sie jedoch mit Schreiben vom 25. August 1993 einen u. a. hinsichtlich des Merkmals der Lösungsmittelfreiheit präzisierten Anspruch 1 vor.

Von den drei von der Beschwerdegegnerin zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 1994 vorgebrachten Anträgen (bezeichnet als "Hauptantrag", "1. Hilfsantrag" und "2. Hilfsantrag") wurden der "Hauptantrag" und der "1. Hilfsantrag" von der Kammer als verspätet nicht zugelassen.

VI. Der mit dem seinerzeitigen einzigen Antrag vom 25. August 1993 identische "2. Hilfsantrag" liegt der vorliegenden Entscheidung als nunmehriger Hauptantrag zugrunde.

Vor Abschluß der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdegegnerin ferner noch einen Hilfsantrag ein, dessen Anspruch 1 auch organische Zinnverbindungen ausdrücklich ausschließt, sowie je eine entsprechend angepaßte Beschreibung zum Haupt- bzw. Hilfsantrag.

Die kennzeichnenden Teile der Ansprüche 1 des Haupt- und Hilfsantrages (die jeweils an den unveränderten Oberbegriff des oben in Punkt I wiedergegebenenen Anspruchs 1 anschließen) lauten, wie folgt:

Anspruch 1, Hauptantrag:

"... dadurch gekennzeichnet, daß als mindestens ein Teil von mindestens drei über Sauerstoff an Silicium gebundene Oximgruppen je Molekül aufweisenden Siliciumverbindungen ein bei Raumtemperatur flüssiges, lösungsmittelfreies Gemisch aus Silan, an dessen Siliciumatom vier Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, und Silan, an dessen Siliciumatom ein Kohlenwasserstoffrest SiC- gebunden ist und drei Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, oder ein bei Raumtemperatur flüssiges, lösungsmittelfreies Oligomer aus derartigem Silangemisch verwendet worden ist."

Anspruch 1, Hilfsantrag:

"... dadurch gekennzeichnet, daß als mindestens ein Teil von mindestens drei über Sauerstoff an Silicium gebundene Oximgruppen je Molekül aufweisenden Siliciumverbindungen ein bei Raumtemperatur flüssiges, lösungsmittelfreies Gemisch aus Silan, an dessen Siliciumatom vier Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, und Silan, an dessen Siliciumatom ein Kohlenwasserstoffrest SiC- gebunden ist und drei Oximgruppen über Sauerstoff gebunden sind, oder ein bei Raumtemperatur flüssiges, lösungsmittelfreies Oligomer aus derartigem Silangemisch verwendet worden ist, mit der Maßgabe, daß keine organischen Zinnverbindungen oder Organozinnverbindungen anwesend sind."

Hieran schließen sich jeweils die Ansprüche 2 bis 7 der erteilten Fassung an.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Zwischenentscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Hilfsantrags.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis des Haupt- oder Hilfsantrags.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde ist zulässig.

Aus der unbestrittenen Feststellung im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung: "Beide Parteien haben der Aufrechterhaltung des Patents in dieser geänderten Form zugestimmt." könnte zwar geschlossen werden, daß die Beschwerdeführerin durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert und somit zur Einlegung der Beschwerde nicht berechtigt gewesen sei (Artikel 107 EPÜ); eine ähnliche, weniger klare Feststellung in Punkt 5. des Abschnitts "Sachverhalt und Anträge" der angefochtenen Entscheidung, nämlich daß die Änderungen im Streitpatent "mit Zustimmung ... der Einsprechenden vorgenommen" worden seien, wurde aber von der Beschwerdeführerin insofern relativiert, als ihre "Zustimmung ... ausdrücklich daran gebunden war, daß die Einspruchsabteilung in der schriftlichen Entscheidung klar zum Ausdruck bringt, daß die Alternative mit Lösungsmittel und/oder Katalysator nicht mehr unter den Anspruchswortlaut fällt", was nicht ausreichend geschehen sei (Punkt 6. der Beschwerdebegründung). Da die zitierte Darstellung der Beschwerdeführerin jedoch von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wurde und die Kammer nicht in der Lage ist, die genaue Natur der "Zustimmung der Beschwerdeführerin" zu ermitteln, ist zugunsten der Zulässigkeit der Beschwerde zu entscheiden.

2. Verfahrensrechtliche Fragen

Wie in zahlreichen Entscheidungen der BK diskutiert (z. B. T 95/83, ABl. EPA 1985, 75; T 406/86, ABl. EPA 1989, 302; T 153/85, ABl. EPA 1988, 1; T 182/88, ABl. EPA 1990, 287; T 38/89, nicht im ABl. EPA veröffentlicht), ist insbesondere im Interesse der Öffentlichkeit und der Parteien eine zügige Erledigung der Verfahren vor dem EPA geboten. Dieser Grundsatz findet seine klarste Ausprägung im Rahmen des EPÜ in Regel 86 (3), letzter Satz, wonach im Prüfungsverfahren die Annahme von Änderungen nach der Erwiderung auf den ersten Bescheid im Ermessen der Prüfungsabteilung liege. Obwohl in dieser klaren Form in Artikel 101 und 110 EPÜ nicht enthalten, gilt dieses Prinzip grundsätzlich auch im Einspruchs- und im Einspruchsbeschwerdeverfahren. So soll etwa nach Artikel 11 (3) der VerfOBK eine mündliche Verhandlung vor der Kammer zur Entscheidungsreife führen.

Entsprechend können Anspruchsalternativen, die ohne triftige Begründung erst zu Beginn der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurden ("Hauptantrag" und "1. Hilfsantrag": siehe obiger Punkt V), obwohl zwei Bescheide der Kammer dazu vorher Gelegenheit gaben, und die hinter die aus dem bisherigen Verlauf des Verfahrens entstandene und auch hinter die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Antragslage zurückgingen, indem sie dort vorgenommene Einschränkungen rückgängig machten, nur als ungerechtfertigte Verfahrensverzögerungen, die dem Erreichen einer Entscheidungsreife in der mündlichen Verhandlung entgegenstanden, betrachtet werden.

Die für die verspätete Vorlage angegebenen Gründe, nämlich daß die vorher gutgeheißene Einschränkung technisch nicht notwendig sei und daß vor kurzem ein Vertreterwechsel erfolgt sei, können nicht als Rechtfertigung akzeptiert werden, da der technische Sachverhalt unverändert ist und der Vertreterwechsel aus freien Stücken erfolgte. Entsprechend werden diese Anträge nicht zugelassen.

Dagegen werden die sachdienlichen Anträge gemäß obigem Punkt VI zugelassen.

3. Zulässigkeit der Änderungen (Haupt- und Hilfsantrag)

3.1. Anspruch 1, Haupt- und Hilfsantrag

Die Einfügung des Wortes "flüssig" findet ihre Basis in den Erstunterlagen, überleitender Satz Seiten 1/2; Seite 6, letzter Absatz; Seite 7, 2 und 3. Absatz (Patentschrift Spalte 1, Zeile 39; Spalte 4, Zeile 53; Spalte 5, Zeilen 17 und 34) sowie allen erfindungsgemäßen Beispielen.

Aus dem Umstand, daß in den Beispielen des Streitpatents kein Lösungsmittel verwendet wird, und das Wort "Lösungsmittel" von der Beschwerdegegnerin in der Patentschrift Spalte 6, Zeilen 20, 21 (Erstunterlagen Seite 8, Zeilen 6, 7 v. unten) gestrichen wurde, rechtfertigt sich die Zulässigkeit der Einfügung des Worts "lösungsmittelfrei".

3.2. Anspruch 1, Hilfsantrag

Die Mitverwendung "organischer Zinnverbindungen oder Organozinnverbindungen" war eine schon ursprünglich nicht bevorzugte Variante (Erstunterlagen Seite 9, 4. Absatz; Patentschrift Spalte 6, Zeilen 46 - 49), deren Ausschluß somit geoffenbart war.

Alle Änderungen in den jeweiligen Ansprüchen 1 führen zu Einschränkungen des Schutzbereichs.

3.3. Beschreibung, Haupt- und Hilfsantrag

Gegenüber der Patentschrift wurde die Beschreibung in Spalten 1 und 6 an den jeweiligen Anspruch 1 angepaßt.

3.4. Haupt- und Hilfsantrag entsprechen somit den Bedingungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.

4. Materiellrechtliches

4.1. Der Gegenstand des angefochtenen Patents nach Haupt- und Hilfsantrag ist unstreitig neu.

4.2. In der angefochtenen Entscheidung wurde ohne präzise Identifizierung des nächsten Standes der Technik festgestellt, daß der "gegebene Stand der Technik" eine Einschränkung des Patentgegenstandes auf solche Massen erfordere, bei deren Herstellung keine Lösungsmittel und organischen Zinnkatalysatoren mitverwendet würden. Um dem Rechnung zu tragen, war die Beschreibung, nicht aber Anspruch 1 entsprechend geändert worden, was zu einer prima facie-Inkonsistenz zwischen den Inhalten dieser beiden Teile des Streitpatents führte.

4.3. Zur Beurteilung der Frage, wie diese Merkmale zu bewerten seien, hat die Kammer den entgegengehaltenen Stand der Technik analysiert und stellt fest, daß D2 dem Patentgegenstand am nächsten kommt, weil es bei Raumtemperatur vernetzbare ("RTV") Polysiloxanmassen beschreibt, die als Vernetzer ein Gemisch von Tetra- oximo-silan ("Tetra") mit Bis-oximo-silan ("Bis") in Toluollösung verwenden. Davon unterscheidet sich der Gegenstand des Streitpatents gemäß Haupt- und Hilfsantrag durch die Verwendung von Tris-oximo-silan ("Tris") anstelle von "Bis" und durch den Verzicht auf ein Lösungsmittel.

Da das "Bis" in D2 zur Retardierung der Reaktionsfähigkeit von "Tetra" verwendet wurde, D3 aber die im Vergleich zu "Tetra" ebenfalls geringere Reaktionsfähigkeit von "Tris" offenbart, müßte es - für sich betrachtet - als naheliegende Alternative angesehen werden, Gemische von "Tris" mit "Tetra" als Vernetzer für RTV-Silikonmassen einzusetzen, d. h. die Reaktionsfähigkeit des "Tetra" statt mit "Bis" mit "Tris" zu steuern. Da die gegenüber D2 bestehende objektive Aufgabe der Erfindung aber in der Entwicklung alternativer, flüssiger, lösungsmittelfreier RTV- Silikonmassen zu sehen ist, legt D2, wonach man Toluol als Lösungsmittel einsetzt, den beanspruchten Gegenstand nicht nahe. Weil man andererseits bereits nach D2 keinen Vernetzungskatalysator einsetzt, diesen wegen der hohen Reaktivität von "Tetra" auch nicht benötigt, gehört die Abwesenheit solcher Katalysatoren, insbesondere der im Streitpatent erwähnten organischen Zinnverbindungen, nicht zur objektiv zu lösenden Aufgabe der beanspruchten Erfindung. Unter dem Teilaspekt der zwingend gebotenen Aufnahme von (zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe) erfindungsnotwendigen wesentlichen Merkmalen erfordert Artikel 84 daher nicht die Aufnahme des Merkmals der Abwesenheit solcher Zinnverbindungen in den Anspruch 1 (vgl. z. B. T 32/82 ABl. EPA 1984, 354, Punkt 15. der Gründe; sowie die nicht im ABl. EPA veröffentlichten Entscheidungen T 283/84 vom 26. August 1987, Punkt 3 und T 454/89 vom 11. März 1991, Punkt 4.1 (vii) und (viii) der Gründe).

4.4. In ihrem Bescheid vom 2. Juli 1993 hat die Kammer denn auch unter Hinweis auf Artikel 69 EPÜ die Aufnahme des in Rede stehenden Merkmals in den Anspruch 1 als "nicht erforderlich" bezeichnet, da bei der Bestimmung des Schutzbereichs die diesbezügliche Aussage der Beschreibung zu berücksichtigen sein werde; anders ausgedrückt, wurde die von Artikel 84 EPÜ geforderte Angabe des Gegenstandes, für den Schutz begehrt wird, durch Anspruch 1 in seiner dem jetzigen Hauptantrag entsprechenden Fassung für ausreichend klar (deutlich) im Sinne dieses Artikels angesehen.

4.5. Im Verlaufe der mündlichen Verhandlung ist die Kammer jedoch zu einer anderen Auffassung gelangt. Es war die Beschwerdegegnerin selbst, die zu dieser Meinungsänderung dadurch beigetragen hat, daß sie nachdrücklich betonte, kleinere Mengen katalytisch wirkender organischer Zinnverbindungen störten nicht und könnten selbstverständlich in den zu schützenden Massen enthalten sein. Diese Aussagen beweisen, daß trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts von Spalte 6, Zeilen 46 bis 49 der Beschreibung Zweifel an dem Schutzbereich bestehen können und tatsächlich bestehen, der durch Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gewährleistet werden soll. Bestehen aber solche Zweifel, so ist der genannte Anspruch nicht ausreichend klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ.

Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

4.6. Anspruch 1 nach Hilfsantrag schließt solche Zweifel durch die an seinen Schluß gesetzte "Maßgabe" eindeutig aus. Durch die Aufnahme nicht nur der zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe erfindungsnotwendigen wesentlichen Merkmale, sondern auch anderer schutzbereichswesentlicher Merkmale (hier: Abwesenheit von Organozinnkatalysatoren) wird die Bedingung von Artikel 84: "Die Ansprüche müssen den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird." zweifelsfrei erfüllt; dies steht auch im Einklang mit Artikel 69 EPÜ (unter Mitberücksichtigung des zugehörigen Protokolls), wonach der Schutzbereich des europäischen Patents in erster Linie durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt wird.

Da Bedenken gegen die Fassung der Ansprüche 2 bis 7 und der angepaßten Beschreibung von der Beschwerdeführerin zuletzt nicht geltend gemacht wurden und für die Kammer auch sonst nicht erkennbar sind, ist dem Hilfsantrag somit stattzugeben.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

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