European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1993:T061290.19931207 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 07 Dezember 1993 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0612/90 | ||||||||
Anmeldenummer: | 81106306.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 7/06 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren | ||||||||
Name des Anmelders: | Henkel Kommanditgesellschaft auf Aktien | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Blendax GmbH HAARKOSMETIK UND PARFÜMERIEN GMBH |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit - (nein); zu erwartende Verbesserung Inventive step (no) - surprising effect (no) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung 81 106 306.4 wurde das europäische Patent 0 046 543 auf der Grundlage von sechs Patentansprüchen erteilt.
Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren, bestehend aus einem Oxidationshaarfärbemittel, das übliche Oxidationsfarbstoffe und kosmetische Hilfsmittel enthält, dadurch gekennzeichnet, daß gleichzeitig
a) kationische Polymere in einer Menge von 0,5 bis 4,0 Gew.-%
b) anionische Tenside in einer Menge von 1 bis 25 Gew.-%
c) amphotere oder zwitterionische Tenside in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-%
jeweils bezogen auf das gesamte Mittel, enthalten sind."
II. Gegen die Patenterteilung wurden zwei Einsprüche eingelegt. Während des Einspruchsverfahrens wurden von den beiden Einsprechenden insgesamt 10 Entgegenhaltungen für die Beurteilung der Patentfähigkeit in das Verfahren eingeführt, von denen die nachstehend zitierte von der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik erachtet wurde:
(5) FR-A-2 402 446.
Für die Argumentation der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung war weiterhin die Entgegenhaltung
(10) K. Schrader, Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika (1979, Dr. Alfred Hütheg, Verlag, Heidelberg), Seite 450
von Bedeutung.
III. Die Einspruchsabteilung wies die Einsprüche zurück und hielt das Patent mit einer Zwischenentscheidung in geändertem Umfang auf der Grundlage von fünf Patentansprüchen aufrecht. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren, bestehend aus einem Oxidationshaarfärbemittel, das übliche Oxidationsfarbstoffe und kosmetische Hilfsmittel enthält, dadurch gekennzeichnet, daß gleichzeitig
a) kationische Polymere in einer Menge von 0,5 bis 4,0 Gew.-%
b) anionische Tenside in einer Menge von 1 bis 25 Gew.-%
c) amphotere oder zwitterionische Tenside in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-%
jeweils bezogen auf das gesamte Mittel, enthalten sind, und daß das Verhältnis von anionischem Tensid b) zu amphoterem oder zwitterionischem Tensid c) 5 : 1 bis 1. : 1 beträgt".
(Hervorhebung durch Fettdruck des gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 geänderten Teils des Anspruchs).
Die Einspruchsabteilung sah in der vorgenommenen Änderung keinen Verstoß gegen Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Des weiteren erkannte die Einspruchsabteilung das Vorliegen der Patentierungsvoraussetzungen der Neuheit (Art. 54 EPÜ) sowie der erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) im wesentlichen aus folgenden Gründen an:
Keine der genannten Entgegenhaltungen beschreibe den Gegenstand der Patentansprüche, so daß dieser neu sei. Diese Tatsache werde auch von den Einsprechenden nicht in Zweifel gezogen.
Die Druckschrift (5) beschreibe ein Haarfärbemittel und ein Haarfärbeverfahren, in dem übliche Oxidations- farbstoffe und kosmetische Hilfsmittel angewendet würden. Ausgehend von dieser Druckschrift könne die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, ein vorteilhafteres Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren bereitzustellen. Aufgrund von Vergleichsversuchen, vorgelegt am 9. Dezember 1983, solle der Vorteil in der Verbesserung der Naßkämmbarkeit liegen. Die Relevanz der Vergleichsversuche sei anzuerkennen, da die Zusammensetzung des Mittels in den Vergleichsversuchen dem Gegenstand des Streitpatents näher komme als irgendein konkretes Beispiel aus der Druckschrift (5).
Im Stand der Technik seien nur äußerst allgemeine Angaben bezüglich der Lösung der Aufgabe enthalten, die dem Fachmann keine erfolgversprechenden Anregungen dafür lieferten, daß der Zusatz eines amphoteren Tensids in einem Färbemittel gerade die Verbesserung der Naßkämmbarkeit bewirkten. Beispielsweise gehe aus der Entgegenhaltung (10) lediglich hervor, daß amphotere Tenside eine Anwendung in Shampoos finden könnten, wobei konditionierende Effekte erreicht werden könnten. Die sehr allgemein gehaltene Lehre könne somit nicht ohne weiteres auf Färbeshampoos übertragen werden, wobei der konditionierende Effekt auch noch in der spezifischen Verbesserung der Naßkämmbarkeit liegen soll.
Im übrigen habe die Patentinhaberin in ihrem Vergleichsbericht zeigen können, daß das Verhältnis von anionischem Tensid zu zwitterionischem Tensid entscheidend zur Lösung der Aufgabe beitrage. Das europäische Patent sei daher in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten gewesen.
IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende (02)) Beschwerde erhoben sowie die Beschwerdegebühr rechtzeitig entrichtet. Die Frist für das Einreichen der Beschwerdebegründung wurde versäumt. In einem Wiedereinsetzungsverfahren wurde mit Zwischenentscheidung vom 20. Februar 1992 dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben und die Beschwerdeführerin in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung wieder eingesetzt.
Zusätzlich zu dem bereits im Einspruchsverfahren diskutierten Stand der Technik wird die Beschwerde u. a. weiterhin auf die Entgegenhaltungen
(11) Advances in Cosmetic Technology 1978, S. 41, 62
(12) DE-A-2 344 522
gestützt.
Da das angegriffene Patent Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren betreffe, sei nicht nur Stand der Technik relevant, der sich auf Färbemittel bezöge, sondern auch derjenige, der sich mit dem Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren befasse. Zu diesem Stand der Technik zählten in erster Linie Shampoos und Konditionierungsmittel, wie sie in Entgegenhaltung (11) beschrieben seien. Der Fachmann werde daher diese Entgegenhaltungen zur Lösung der dem angegriffenen Patent zugrundeliegende Aufgabe berücksichtigen. Aus Seite 62, erstem Absatz dieser Entgegenhaltung sei bekannt, daß amphotere Tenside einen Konditionierungseffekt ausübten. Wie aus der Entgegenhaltung (10) zweiter Absatz des Kapitels 2.1.5 bekannt sei, gehörte es darüber hinaus zum Wissen des Fachmanns, daß amphotere Tenside häufig mit anionischen Tensiden kombiniert würden. Es sei weiterhin zur Genüge bekannt, daß kationische Polymere einen Konditionierungseffekt ausübten.
Mit diesem Wissen gewappnet, habe der Fachmann die Möglichkeiten, die dem angegriffenen Patent zugrundeliegende Aufgabe zu lösen, indem die Lehre der Entgegenhaltung (5) mit der Lehre der Entgegenhaltung (11) kombiniert werde.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hält diesen Ausführungen entgegen, daß aus der Druckschrift (5) keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen sei, daß die gleichzeitige Anwesenheit eines amphoteren oder zwitterionischen Tensids mit einem kationischen Polymeren in einem Haarfärbemittel irgendeinen anwendungstechnischen Vorteil mit sich bringe, ebensowenig wie ein Hinweis darauf, daß man zur Herstellung der dort genannten Cremes oder Gele bekannte Shampoos als Grundlage einsetzen könne.
Die Entgegenhaltungen (11) und (12), die von der Beschwerdeführerin mit dem Beschwerdeschriftsatz eingereicht worden seien, hätten hingegen mit Haarfärbemitteln nichts zu tun. Entgegenhaltung (11) beschreibe in allgemeiner Form die Eigenschaften von Betainen in Shampoos und die Druckschrift (12) bezöge sich ebenfalls auf Shampoomittel, nicht jedoch auf Mittel zum Färben von Haaren. Haarfärbemittel müßten dagegen eine andere Konstitution aufweisen, insbesondere müßten sie dicker sein. Eine schlichte Übertragung der Bedingungen, wie sie für Shampoos angemessen seien auf Haarfärbemittel würde der Fachmann nicht vornehmen. Überdies haben die Vergleichsversuche gezeigt, daß ein nicht zu erwartender, synergistischer Effekt bezüglich der Naßkämmbarkeit auftrete, wenn eine Zusammensetzung gemäß Hauptanspruch vorgenommen würde. Dieser Synergismus zwischen Aniontensid und Betaintensid in bezug auf eine Verbesserung der Naßkämmbarkeit sei aus der Entgegenhaltung (12) nicht zu entnehmen; dieser Effekt werde in dieser Druckschrift ausschließlich dem kationischen Polymeren zugeschrieben. Ein Fachmann, der den Inhalt der Druckschriften (11) und (12) kenne, hätte somit keinen Grund gehabt, die insbesondere in der Entgegenhaltung (12) beschriebene Shampoozusammensetzung mit den in der Druckschrift (5) genannten Farbstoffen zu kombinieren.
Selbst wenn der zum Beleg der erfinderischen Tätigkeit vorgelegte Effekt einer verbesserten Naßkämmbarkeit in rückschauender Betrachtung als naheliegend erschiene, da ein solcher Effekt sowohl von kationischen Polymeren als auch von Betaintensiden bekannt gewesen sei, sei damit noch nicht die erfindungsgemäße Zusammensetzung nahegelegt, wenn weder aus der Entgegenhaltung (11) noch aus der Entgegenhaltung (12) ein bezüglich der Naßkämmbarkeit auftretender Synergismus zwischen Aniontensid und amphoteren oder zwitterionischen Tensiden bekannt gewesen sei.
VI. Am 7. Dezember 1993 fand eine mündliche Verhandlung statt, während deren Verlauf die Parteien noch einmal ausführlich ihre jeweiligen Standpunkte betonten. Insbesondere führte die Beschwerdegegnerin aus, daß eine Kombination der Komponenten, wie sie in der Entgegenhaltung (11) beschrieben sei zu Ausfällungen führe und daher dort in sauren Milieu gearbeitet werde. Die zu diesen Problemen durchgeführten Versuche seitens der Beschwerdegegnerin hätten sodann zu einem unerwarteten Effekt bezüglich der Naßkämmbarkeit geführt.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 046 543.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerdeführerin hat frist- und formgerecht Beschwerde erhoben, jedoch die Beschwerdebegründung nicht rechtzeitig eingereicht. Das auf diesem Versäumnis beruhende Wiedereinsetzungsverfahren wurde durch die Zwischenentscheidung T 612/90 dieser Kammer vom 20. Februar 1992 in der Weise entschieden, daß die Beschwerdeführerin in die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung wiedereingesetzt wurde. Die Beschwerde ist somit zulässig.
2. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft ein Mittel zum gleichzeitigen Färben bzw. Tönen, Waschen und Konditionieren von menschlichen Haaren, bestehend aus einem Oxidationshaarfärbemittel, das übliche Oxidationsfarbstoffe und kosmetische Hilfsmittel enthält, wobei kationische Polymere in einer Menge von 0,5 bis 4,0 Gew.-%, anionische Tenside in einer Menge von 1 bis 25. Gew.-% sowie amphotere oder zwitterionische Tenside in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-%, jeweils bezogen auf das gesamte Mittel enthalten sind.
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Nach Auffassung der Einspruchsabteilung und aller Parteien steht keine der im Verfahren genannten Druckschriften dem Patentgegenstand neuheitsschädlich entgegen. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.
4. Aufgabe und Lösung
4.1. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Patentfähigkeit im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit und damit nächstliegender Stand der Technik ist nach Auffassung der Kammer die Druckschrift (5). Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung der Einspruchsabteilung in ihrer angefochtenen Entscheidung an.
In der Druckschrift (5) ist ein Haarfärbemittel beschrieben auf der Basis eines Oxidationsfarbstoffes, das ein kationisches Polymer und ein anionisches Tensid enthält. Das kationische Polymer ist mit 1 bis 15 Gew.-% enthalten. Auf Seite 9, Zeilen 29 bis 31 ist ein anionisches Tensid in der Konzentration von 0,5 bis 15. Gew.-% beschrieben. Das Beispiel 14 beschreibt eine Zusammensetzung, in der das kationische Polymer in einer Konzentration von 4 Gew.-% und das anionische Tensid einer Konzentration von 12 Gew.-% enthalten sind. Gemäß den Ausführungen auf Seite 2, Zeilen 12 bis 33 ist das nach einem einstufigen Verfahren gefärbte Haar in feuchtem Zustand leicht kämmbar, nach dem Trocknen glänzend und weist Volumen und einen angenehmen Griff auf.
4.2. Gegenüber der Druckschrift (5) besteht die Aufgabe für die vorliegende Erfindung darin, ein bezüglich des Konditionierens von menschlichen Haaren verbessertes Haarfärbemittel bereitzustellen.
4.3. Die Lösung der Aufgabe besteht in der Zugabe eines amphoteren oder zwitterionischen Tensids in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-% zu einem Oxidationshaarfärbemittel, in dem kationische Polymere in einer Menge von 0,5 bis 4,0 Gew.-% und anionische Tenside in einer Menge von 1 bis 25 Gew.-% enthalten sind, wobei das Verhältnis von anionischem Tensid zu amphoterem oder zwitterionischem Tensid 5 : 1 bis 1 : 1 beträgt. Gemäß der drei Beispiele, die in dem Streitpatent die Zusammensetzung und Vorteile des erfindungsgemäßen Haarfärbemittels für jeweils eine mittelblonde, kupfergoldene und schwarze Färbung mit gleichzeitigem Waschen und Konditionieren beschreiben, war das Haar jeweils nach der Behandlung in der gewünschten Farbe gefärbt und ließ sich in feuchtem Zustand leicht kämmen. Während des Prüfungsverfahrens hat die Patentinhaberin am 9. Dezember 1983 weitere Vergleichsversuche eingereicht, mit denen der Naßkämmbarkeitswiderstand eines beanspruchten Haarfärbemittels mit demjenigen verglichen wurde, wie er bei Haarfärbemitteln auftritt, die entweder kein anionisches Tensid oder kein zwitterionisches Tensid enthielten. Gegenüber beiden letztgenannten Haarfärbemitteln zeigte das erfindungsgemäße Haarfärbemittel einen verbesserten Naßkämmbar- keitswiderstand. Während die Haarfärbemittel des Standes der Technik einen Naßkämmbarkeitswiderstand von jeweils 54. % und 66 % aufwiesen, betrug der Naßkämmbarkeitswiderstand der erfindungsgemäßen Zusammensetzung 51 %; per definitionem bedeutet ein verringerter Naßkämmbarkeitswiderstand eine Verbesserung der Naßkämmbarkeit und damit der Konditionierung der Haare. Dieser Versuchsbericht, in Zusammenhang mit den Vergleichsbeispielen, überzeugt die Kammer, daß die Aufgabe, eine Verbesserung eines Haarfärbemittels bezüglich der Konditionierung der Haare zu erreichen, gelöst ist.
5. Erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ)
Es bleibt die Frage zu beantworten, ob im Hinblick auf die gestellte Aufgabe das Zurverfügungstellen der beanspruchten Haarfärbemittel eine erfinderische Leistung darstellt.
5.1. Ausgehend von der Druckschrift (5) ist zu entscheiden, ob der Fachmann in dem Bestreben, bei einem Haarfärbemittel einen konditionierenden Effekt zu verbessern, eine Zugabe von amphoteren oder zwitterionischen Tensiden in einer Menge von 1 bis 5 Gew.-% ohne weiteres in Erwägung gezogen hätte, wobei zusätzlich das Verhältnis von anionischem Tensid zu amphoterem oder zwitterionischem Tensid 5 : 1 bis 1 : 1 beträgt, oder ob diese Maßnahme eine erfinderische Leistung darstellt.
5.2. Aus der Druckschrift (5) selbst ist ein Hinweis auf die zu lösende Aufgabe nach Auffassung der Kammer nicht zu entnehmen. Soweit neben den kationischen Polymeren und den anionischen Tensiden dem Haarfärbemittel weitere Substanzen zugefügt werden, handelt es sich dabei um die üblichen Zusatzstoffe (siehe beispielsweise Anspruch 17).
5.3. Ein Fachmann, der sich die Aufgabe stellt, die Konditionierung von gefärbten Haaren zu verbessern, wird sich jedoch, nach Auffassung der Kammer, demjenigen Stand der Technik zuwenden, der sich mit eben diesem Problem befaßt. Die Kammer ist davon überzeugt, daß der Fachmann dann die Druckschrift (11) in Betracht ziehen wird. In dem Übersichtsartikel, der sich in allgemeiner Form mit der Shampootechnologie und dem Konditionieren von Haaren befaßt, werden sog. Betaine beschrieben, deren Zugabe zu Shampoos wegen ihres ausgezeichneten Einflusses auf das Haar empfohlen werden. Wörtlich wird ausgeführt "they tend to improve wet and dry combing effects and leave the hair with the soft conditioned feel". Betaine sind, wie in dem Streitpatent auf Seite 2, Spalte 2, Zeilen 63 bis 65. übergreifend auf Seite 3, Spalte 3, Zeilen 1 bis 48, ausgeführt wird, zwitterionische Verbindungen mit einer vierfach substituierten, d. h. quartären Ammoniumgruppe, wenn sie im Molekül noch eine kovalent gebundene Säuregruppe besitzen und die positive und negative Ladung intramolekular ausgeglichen ist.
5.4. Zwar macht die Patentinhaberin geltend, daß sich die Druckschrift (11) nicht auf Haarfärbemittel bezöge, für die besondere Bedingungen gelten. Eine schlichte Übertragung des fachmännischen Wissens bezüglich der Vorteile hinsichtlich des Konditionierens von Haaren, die durch Betaine, also amphotere oder zwitterionische Tenside, erreicht werden, von Shampoos, wie sie in der Druckschrift (11) beschrieben seien, auf in der Druckschrift (5) offenbarte Haarfärbemittel, würde der Fachmann nicht vornehmen. Die Kammer könnte dieser Auffassung allenfalls folgen, wenn ihr irgendein Hinweis vorläge, daß der Fachmann einen guten Grund gehabt hätte, diese Anwendung nicht vorzunehmen. Zwar hat die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, Haarfärbemittel haben einen anderen Viskositätszustand als Shampoos, ein Umstand der den Fachmann davon abhalten würde, Betaine in Haarfärbemitteln zu verwenden. Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt und kann nicht erkennen, wie der etwas andere Aggregatszustand von Haarfärbemitteln den Fachmann daran hindern sollte, im Lichte der gestellten Aufgabe den Haarfärbemitteln amphotere oder zwitterionische Tenside zuzugeben, deren verbessernde Wirkung bezüglich der Konditionierung der Haare klar im Stand der Technik durch die Druckschrift (11) dokumentiert ist.
5.5. Ein anderes Argument der Patentinhaberin, warum der Fachmann davon Abstand genommen hätte, einem aus dem Dokument (5) bekannten Haarfärbemittel amphotere oder zwitterionische Tenside zuzugeben, um die Konditionierung der Haare zu verbessern, ist, daß durch die amphoteren oder zwitterionischen Tenside dem Färbemittel ein kationisches Element zugegeben werde, und es sei zu erwarten, daß durch die gleichzeitige Anwesenheit anionischer Tenside, die ein alkalisches Milieu des Haarfärbemittels verursachten, eine Ausfällung der Substanzen eintreten werde. Insbesondere die in der Druckschrift (11) beschriebenen Shampoos arbeiteten in saurem Milieu. Die Kammer ist der Auffassung, daß das Problem der entgegengesetzt geladenen Substanzen in ein und derselben Haarfärbemittelzubereitung ein dem Fachmann bekanntes Problem war, das aber bereits durch die aus der Druckschrift (12) bekannte Zusammensetzung gelöst gewesen ist. Diese Druckschrift beschreibt ein Haarshampoo, das mindestens ein anionisches Tensid und mindestens ein amphoteres oder zwitterionisches Tensid enthält. Zusätzlich ist auch die Anwesenheit eines kationischen Polymers beschrieben, so daß hier in der Tat bereits ein Haarshampoo beschrieben ist, das alle drei Komponenten beschreibt, die erfindungsgemäß dem Haarfärbemittel zuzugeben sind. Die Kammer geht daher davon aus, daß der Umstand entgegengesetzt geladener Substanzen kein Hindernis für den Fachmann war, die in der Druckschrift (11) aufgezeigte technische Lehre zum Zwecke des Lösens der gestellten Aufgabe auf ein Haarfärbemittel, wie es aus der Druckschrift (5) bekannt ist, anzuwenden.
5.6. Letztlich macht die Patentinhaberin geltend, daß der nachgewiesene Effekt einer Zugabe von amphoteren oder zwitterionischen Tensiden zu der aus der Druckschrift (5) bekannten Zusammensetzung auf die Naßkämmbarkeit eine nicht zu erwartende Qualität aufwiese. Die Kammer stellt fest, daß der in den oben genannten Vergleichsversuchen dokumentierte Effekt von 51 % Naßkämmbarkeitswiderstand im Falle des erfindungsgemäßen Haarfärbemittels gegenüber einem Naßkämmbarkeitswiderstand von 54 % eines Haarfärbemittels, dem keine zwitterionischen Tenside zugesetzt sind, zwar eine Verbesserung darstellt; die Kammer wertet diese Verbesserung jedoch als im Rahmen dessen liegend, was für den Fachmann zu erwarten war. Dies auch im Lichte des Wertes von 66 % Naßkämmbar- keitswiderstands für eine Zusammensetzung, die neben einem kationischen Polymeren ein zwitterionisches Tensid enthielt, dagegen kein anionisches Tensid. Die Argumentation der Patentinhaberin, daß diese Versuchsergebnisse erkennbar machten, daß die Anwesenheit aller drei beanspruchten Substanzen zu dem unerwartet besseren Naßkämmbarkeitseffekt führten, kann deshalb nicht überzeugen, weil die Druckschrift (5) bereits die Anwesenheit eines anionischen Tensids beschreibt sowie die Druckschrift (12) eine Zusammensetzung, die bereits alle drei Komponenten enthält. Überdies enthalten die Vergleichsversuche auch ein Ergebnis bezüglich des Naßkämmbarkeitswiderstands für eine Zusammensetzung, die alle drei besagten Komponenten enthält, jedoch das anionische Tensid in geringerer Konzentration. Hier wurde ein Naßkämmbarkeitswiderstand von 57 % gemessen. Dies besagt nach Auffassung der Kammer, daß im Rahmen von Vergleichsversuchen dokumentiert werden konnte, daß die Weiterentwicklung eines Haarfärbemittels, wie es aus der Druckschrift (5) bekannt ist, indem eine, dem Fachmann aus der Druckschrift (11) bezüglich ihrer konditionierenden Wirkung bekannte Substanz zugegeben wird, den erwarteten Effekt zeigt. Diese Maßnahme kann nicht als eine erfinderische Leistung gewertet werden.
5.7. Angesichts der Tatsache, daß die im genannten Versuchtsbericht dargelegte und oben diskutierte Qualität der Verbesserung des Naßkämmbarkeitswiderstands von 51 % bei einem anspruchsgemäßen Verhältnis der fraglichen Komponenten zueinander gegenüber von 54 % bei einem Haarfärbemittel, dem keine zwitterionischen Tenside zugesetzt sind, im Rahmen des zu Erwartenden liegt, erübrigt sich eine Durchleuchtung der Frage, ob die Konzentrationen und die besonderen Verhältnisse zweier Komponenten zueinander zu einer Erfindung geführt haben könnten, da der beste Naßkämmbarkeitswiderstandswert gegenüber den für den Stand der Technik gemessenen Werten die erfinderische Tätigkeit nicht begründen konnte. Der Naßkämmbarkeitswiderstand von 57 % bei einem nicht anspruchsgemäßen Verhältnis, der also tatsächlich größer ist, als derjenige, der für eine Zusammensetzung aus dem Stand der Technik gemessen wurde (54 %, siehe oben) kann kein überzeugendes Argument dafür sein, daß die besonderen Mischungsverhältnisse überraschende Effekte ergäben.
5.8. Nach alledem ist somit ein die erfinderische Tätigkeit begründender, überraschender Effekt nicht zu erkennen. Die Verwendung von amphoteren und zwitterionischen Tensiden für die Lösung der Aufgabe, die Konditionierung von Haaren in Zusammenhang mit einem Haarfärbemittel zu verbessern, muß vielmehr als eine im Rahmen des handwerklichen Könnens liegende technische Maßnahme angesehen werden, also als eine normale Weiterentwicklung mit einem zu erwartenden Verbesserungseffekt, die gerade nicht durch Patentierung behindert werden soll.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.