T 0547/90 () of 17.1.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T054790.19910117
Datum der Entscheidung: 17 Januar 1991
Aktenzeichen: T 0547/90
Anmeldenummer: 83111260.2
IPC-Klasse: H03G 3/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 367 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schaltungsanordnung zur Verstärkungsregelung von Vorverstärkerstufen
Name des Anmelders: Thomson-Brandt-GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
Schlagwörter: Incomplete disclosure (main request)
Inadmissible broadening (auxiliary request)
Unvollständige Offenbarung (Hauptantrag)
Unzulässige Erweiterung (Hilfsantrag)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0013/84
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0386/89
T 0184/07

Sachverhalt und Anträge

I. Die unter Inanspruchnahme der Priorität vom 12. November 1982 einer Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland am 11. November 1983 eingegangene europäische Patentanmeldung Nr. 83 111 260.2 wurde unter der Nr. 0 111 173 veröffentlicht. Mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 29. Januar 1990 wurde die Anmeldung zurückgewiesen.

II. Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, daß die beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart wurde, daß ein Fachmann sie ausführen konnte und daß somit Artikel 83 EPÜ nicht erfüllt wurde.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) unter gleichzeitiger Entrichtung der entsprechenden Gebühr am 19. März 1990 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben und das beantragte Patent zu erteilen. Zurückerstattung der Beschwerdegebühr wurde ebenfalls beantragt.

Die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 8. Juni 1990 ohne Vorlage neuer Anmeldungsunterlagen eingegangen. In der Begründung wurde hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Unter anderem wurde folgendes Dokument erwähnt:

D1: Funkschau 1987, Seiten 1025-1028.

IV. Am 17. Januar 1991 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Während der mündlichen Verhandlung überreichte die Beschwerdeführerin neue Anmeldungsunterlagen, nämlich Seite 1 der Beschreibung und einen neuen Patentanspruch. Der Antrag ein Patent aufgrund der der Prüfungsabteilung vorliegenden Unterlagen zu erteilen wurde aufrechterhalten. Als Hilfsantrag wurde beantragt, ein Patent aufgrund der neuen Unterlagen zu erteilen.

Der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet wie folgt:

"Schaltungsanordnung zur Verstärkungsregelung von Vorverstärkerstufen, insbesondere von Empfängern für drahtlos übertragene Fernsteuersignale, mit einem an den Eingang eines ersten Verstärkers (1) angeschalteten lichtempfindlichen Element (2) und einem zur Selektierung der Fernsteuersignale dienenden Schwingkreis (5, 6) sowie mit einer Anordnung (11) zur Erzeugung einer Regelspannung, deren Eingang an den Ausgang (c) eines zweiten Verstärkers (8) angeschlossenen ist und mit einem an den Ausgang (c) des zweiten Verstärkers (8) angeschlossenen Schwellwertschalter (9), dadurch gekennzeichnet, daß der Schwingkreis (5, 6) zwischen den Ausgang des ersten Verstärkers (1) und den Eingang des zweiten Verstärkers (8) geschaltet ist und die erzeugte Regelspannung auf den Schwingkreis (5, 6) in diesen bedämpfender Weise geschaltet ist, wobei der durch die Regelspannung bestimmte Dämpfungsfaktor derart gewählt ist, daß nur die Nutzsignale der bedämpften Eingangssignale am Eingang des Schwellwertschalters (9) gerade die Schwelle des Schwellwertschalters (9) übersteigen."

V. Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich vom obigen Anspruch dadurch, daß die letzten drei Zeilen folgenden Wortlaut haben:

"ist, daß dann, wenn nur Nutzsignale vorliegen, die bedämpften Eingangssignale am Eingang des Schwellwertschalters (9) gerade die Schwelle des Schwellwertschalters (9) übersteigen."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs gemäß dem Hauptantrag besteht aus den Merkmalen des ursprünglichen Anspruchs sowie zusätzlichen Merkmalen aus der Beschreibung. Dieser Anspruch ist durch die ursprüngliche Offenbarung gestützt und genügt daher den Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ. Er ist somit zulässig.

3. Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag unterscheidet sich von diesem Anspruch dadurch, daß der durch die Regelspannung bestimmte Dämpfungsfaktor derart gewählt ist, daß dann, wenn nur Nutzsignale vorliegen, die bedämpften Eingangssignale am Eingang des Schwellwertschalters gerade die Schwelle des Schwellwertschalters übersteigen. Aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung ist jedoch nirgends zu entnehmen, daß eine derartige Arbeitsweise vorgesehen ist. Gemäß Seite 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung befaßt sich die Anmeldung mit dem Problem, daß Störimpulse den Schwingkreis des Empfängers anregen können; Aufgabe der Erfindung ist somit eine geregelte Verstärkerschaltung derart aufzubauen, daß Störimpulse den Schwingkreis nicht anregen können. Gemäß der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 20 bis 27, wird die Güte des Schwingkreises derart geändert, daß die Nutzsignale mit noch genügender Größe übertragen werden, Störsignale jedoch keine wesentlichen Spannungsanteile mehr liefern und somit von dem Schwellwertschalter nicht mehr durchgelassen werden. Eine Arbeitsweise, wobei die Nutzsignale in Abwesenheit von Störsignalen gerade die Schwelle des Schwellwertschalters übersteigen, wird in der ursprünglich eingereichten Beschreibung nicht erwähnt.

Von der Beschwerdeführerin wurde argumentiert, das tatsächliche Problem sei nicht in der Unterdrückung von Störsignalen und in der damit verbundenen Änderung der Güte des Schwingkreises zu sehen, sondern in der Dimensionierung des Schwellwertschalters sowie des Rückkopplungsgliedes, so daß die Nutzsignale gerade noch durchgelassen werden. Da die impulsförmigen Störsignale wesentlich weniger Energie aufwiesen als die Nutzsignale würden sie nicht durchgelassen. Obwohl sowohl im Prüfungsverfahren als auch in der Beschwerdebegründung argumentiert wurde, der Fachmann würde verstehen wie durch die beanspruchte Schaltungsanordnung zwischen Stör- und Nutzsignalen unterschieden werden könne, war diese Auffassung irrtümlich. Die Figuren 2a und 2b der Beschreibung waren in dieser Hinsicht irreführend und außer acht zu lassen. Obwohl der Anmeldung nicht zu entnehmen sei, wie die Güte des Schwingkreises geändert würde, sei dies nicht Hauptpunkt der Anmeldung.

Eine derartige Arbeitsweise ist der ursprünglich eingereichten Beschreibung jedoch nicht zu entnehmen. Die Beschreibung bezieht sich ausschließlich auf den Fall, daß Störsignale vorliegen, die unterdrückt werden müssen. Zwar wird in der ursprünglich eingereichten Beschreibung erwähnt, daß wegen niedriger Betriebsspannung solcher Schaltungsanordnungen der Verstärker in die Begrenzung gesteuert werden kann; dies bezieht sich jedoch auf eine Schaltung ohne die übliche automatische Verstärkungsregelung. Der Fachmann erhält somit aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Anregung, sich mit dem Problem zu befassen, daß eine Übersteuerung des Verstärkers auch durch Nutzsignale ausgelöst werden kann.

Obwohl eine Neuformulierung der Aufgabe nicht grundsätzlich im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ ausgeschlossen werden kann (siehe T 13/84, ABl. EPA 1986, Seiten 256 bis 260), ist eine derartige Neuformulierung nur dann zulässig, wenn die neue Aufgabe vom Fachmann, unter Berücksichtigung des der Erfindung nächstliegenden Standes der Technik, aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung abgeleitet werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Die ursprünglich eingereichten Unterlagen gehen davon aus, daß Störsignale unterdrückt werden müssen, um eine Übersteuerung des Verstärkers zu vermeiden und um eine Anregung des Schwingkreises durch Störimpulse zu verhindern. Nirgends in der Anmeldung wird erwähnt, wie die Schaltungsanordnung in einem Betriebszustand ohne Störimpulse funktioniert. Der Fachmann, der sein allgemeines Fachwissen einsetzt, würde lediglich erwarten, daß durch die Regelschleife die Verstärkung derart eingestellt wird, "daß die Nutzsignale mit noch genügender Größe übertragen werden" (Seite 3, Zeilen 23, 24 der ursprünglich eingereichten Beschreibung).

Der Anspruch 1 gemäß dem Hilfsantrag stellt somit eine unzulässige Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (2) EPÜ dar, da er sich auf eine aus den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmbare Arbeitsweise bezieht. Der Anspruch ist somit nicht zulässig.

4. Gemäß der Beschreibung, Seite 3, Zeilen 17 bis 20 wird der Schwingkreis 5,6 über eine Regelstufe 11 "in ihn bedämpfender Weise beeinflußt"; dadurch wird gemäß Zeilen 22 bis 27 die Güte derart geändert, daß die Nutzsignale "mit noch genügender Größe übertragen werden, Störsignale jedoch keine wesentlichen Spannungsanteile mehr liefern...". In Figur 2a wird die Signalverarbeitung gemäß dem Stand der Technik geschildert, wobei aus Figur 2a hervorgeht, daß auch Störsignale ein Ausgangssignal erzeugen können. In Figur 2b wird gezeigt, daß durch die Erfindung die Störsignale derart bedämpft werden, daß "nur noch die Fernsteuersignale N den Schwingkreis anregen können" (Seite 4 Zeilen 19,29). Am Eingang des Verstärkers, Figur 2b (b), sind die Störsignale bereits derart abgeschwächt, daß als Ausgangssignale, Figur 2a (d), lediglich Nutzsignale geliefert werden.

Aus der Beschreibung ist jedoch nicht zu entnehmen, wie zwischen Nutz-und Störsignal unterschieden wird. Die Änderung der Güte eines parallelen Schwingkreises in einem Empfänger wird sich in erster Linie auf die Bandbreite des Empfängers auswirken. Die übliche Regelung des Signalverstärkers scheint gemäß der Anmeldung nicht gemeint zu sein, obwohl der Ausdruck "noch genügender Größe" (Seite 3 Zeilen 23, 24) darauf hindeuten könnte.

Der Fachmann kann somit nicht ohne weiteres aus der Anmeldung entnehmen, wie die Erfindung funktionieren soll.

5. Gemäß der Beschwerdebegründung würde der Fachmann die notwendige Lehre zur Ausführbarkeit der Erfindung dem Dokument D1 entnehmen. Obwohl dieses Dokument nicht in der Anmeldung explizit erwähnt wird, geht aus Seite 2, Zeile 1 der ursprünglich eingereichten Beschreibung hervor, daß als Stand der Technik ein Empfänger vom Typ TDA 4050B gewürdigt wird. In D1 wird senderseitig vor jedem Codetelegramm ein Vorimpuls gesendet, der empfangsseitig zur Regelung des Vorverstärkers verwendet wird. Lediglich der Empfangspegel wird geregelt; die Regelung kann auch innerhalb der Zykluszeit Pegelschwankungen folgen.

In der ursprünglich eingereichten Beschreibung wird ein Vorimpuls nicht erwähnt und es wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht überzeugend nachgewiesen, daß auch die Erfindung mit einem Vorimpuls arbeitet. Die Frage, ob der Fachmann eine derartige Arbeitweise auch bei der Schaltungsanordnung der Anmeldung erwarten würde, kann jedoch dahingestellt bleiben, denn aus D1 ergibt sich lediglich die übliche Regelverstärkung. Eine derartige Arbeitsweise würde die Aufgabe der Erfindung, Störimpulse zu unterdrücken, nicht lösen. Auch bei Berücksichtigung der Arbeitsweise des bekannten Empfängers TDA 4050B ist somit keine vollständige technische Lehre aus der Anmeldung zu entnehmen.

6. Von der Anmelderin wurde in der mündlichen Verhandlung, sowie in verschiedenen Eingaben, behauptet, die Nutzimpulse hätten eine definierte Breite und somit eine bestimmte Frequenz; die Störimpulse seien dagegen nur kurze Nadelimpulse, die keinen großen Energieinhalt hätten und in einem höheren Frequenzbereich lägen. Da es sich bei den Störimpulsen nur um einzelne Impulse handelt, jedoch bei den Nutzsignalen um mehrere Schwingungen einer bestimmten Frequenz, hätten die Störimpulse eine niedrigere Energie und würden demnach durch den gedämpften Schwingkreis wesentlich mehr unterdrückt als die Nutzsignale.

Diese Erläuterungen deuten darauf hin, daß sich die Störimpulse wegen ihres niedrigeren Energieinhalts auch ohne besondere Maßnahmen unterdrücken lassen.

7. Da aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung der Fachmann nicht entnehmen kann, wie die Regelspannung auf den Schwingkreis einwirkt um nur Nutzsignale am Ausgang der Schaltungsanordnung zu erzeugen, und der Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag auf diesen Gegenstand gerichtet ist, ist der Hauptantrag mangels deutlicher und vollständiger Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ nicht gewährbar.

8. Gemäß Regel 67 EPÜ ist die Beschwerdegebühr nicht zurückzuzahlen, wenn wie im vorliegenden Fall der Beschwerde nicht stattgegeben wird.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation