T 0527/90 () of 27.2.1992

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1992:T052790.19920227
Datum der Entscheidung: 27 Februar 1992
Aktenzeichen: T 0527/90
Anmeldenummer: 85810583.6
IPC-Klasse: B05D 1/06
B05B 5/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Pulverabsaugvorrichtung
Name des Anmelders: Frei, Siegfried
Name des Einsprechenden: Nordson Corporation
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Inventive step (yes, after restriction)
New usefulness of a common component
Erfinderischt Tätigkeit (nach Einschränkung bejaht);
neue Brauchbarkeit eines marktgängigen Bauteiles
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0169/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 9. Dezember 1985 angemeldete und am 18. Juni 1986 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 85 810 583.6 ist mit Wirkung vom 18. Mai 1988 das europäische Patent Nr. 0 184 994 mit drei Ansprüchen erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent ist von der Fa. Nordson Coporation (Beschwerdegegnerin) und von der Fa. Stamicarbon (Einsprechende II) Einspruch eingelegt worden, und zwar gestützt auf folgende Dokumente:

(D1) US-A-2 301 617

(D2) US-A-3 994 532

(D3) US-A-4 265 572

(D4) DD-A-15 510

(D5) Prospektblatt "Resicoat" (mit Datumsstempel 31.10.79)

(D6) "Chemische Technologie" (1950), Seite 60 und

(D7) Photo eines Fluidbodens (ohne nähere Bezeichnung).

Mit Eingabe vom 14. März 1990 hat die Einsprechende II ihren Einspruch zurückgezogen.

Als Einspruchsgründe wurden mangelnde Neuheit, sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit genannt.

III. Nach vorbereitendem Bescheid hat die Einspruchsabteilung das Streitpatent in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 1990 widerrufen (Artikel 102 (1) EPÜ), wobei die schriftlich begründete Entscheidung am 27. April 1990 erging, da ihrer Meinung nach der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Für sie war es naheliegend, am Saugrohr-Ende gemäß Dokument (D1) Druckluftschalldämpfer "mit den bekannten Eigenschaften und Wirkungen anzuordnen".

IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 29. Juni 1990 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 6. September 1990 begründet. Es wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in eingeschränkter Fassung aufrechtzuerhalten, u. a. mit einem Anspruch 1 gemäß Beschwerdebegründung.

V. In der Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin zusätzlich auf das Dokument

(D8) CH-A-355 083

verwiesen und abgeleitet, daß daraus schon das Fluidisieren mittels "sanfter" Druckluftstrahlen bekannt sei, wobei das vorbekannte Sintermetallgehäuse vom Fachmann ohne jegliche Schwierigkeit hätte ersetzt werden können durch einen feinporigen Druckluftschalldämpfer. In der Maßnahme, mehrere solcher Schalldämpfer vorzusehen, wird auf das handwerkliche Können des Fachmanns abgestellt.

Sie beantragt deshalb, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

VI. Der Beschwerdeführer hat auf die Nennung des Dokumentes (D8) unmittelbar reagiert und dieses Dokument in einer überarbeiteten Beschreibungseinleitung gewürdigt und parallel dazu folgende Anträge in Richtung einer Aufrechterhaltung des Patents im geänderten Umfange gestellt:

a) Hauptantrag: Anspruch 1 ("Pulverabsaugvorrichtung"), Beschreibungseinleitung vom 10. Juli 1991, ansonsten wie erteilt;

b) Hilfsantrag: Anspruch 1 ("Verwendung eines Druckluftschalldämpfers bei ..."), Beschreibungseinleitung vom 10. Juli 1991, ansonsten wie erteilt.

Anspruch 1 des Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:

"1. Pulverabsaugvorrichtung zum Absaugen von Pulver (7) für das elektrostatische Beschichten in einer Pulverlackieranlage aus Behältern, wie Fässer, Säcke, Kisten etc., mit einem Saugrohr (51) und mit dem Ende (63) des Saugrohres (51) zugeordneten Luftzuführmitteln, dadurch gekennzeichnet, daß am Ende (63) des Saugrohres (51) neben diesem und sich bis unter das Niveau des Endes (63) erstreckend mehrere mit Druckluft beaufschlagbare feinporige Druckluftschalldämpfer (55) angeordnet sind, durch welche feinst verteilte Druckluft in den Bereich des Rohrendes (63) geleitet wird, so daß das Pulver (7) im Bereich der Ansaugstelle am Ende (63) des Saugrohres (51) fludisierbar und durch das Saugrohr (51) absaugbar ist."

VII. In einem Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 5. August 1991 hat die Kammer ihre vorläufige Beurteilung des Sachverhalts zum Ausdruck gebracht, bevor am 27. Februar 1992 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattfand.

In dieser hielten die Parteien ihre bisherigen Anträge aufrecht, nämlich der Beschwerdeführer Aufrechterhaltung des Patents entweder gemäß Haupt-oder Hilfsantrag wie vorstehend spezifiziert und die Beschwerdegegnerin Zurückweisung der Beschwerde.

Die Argumente des Beschwerdeführers können im wesentlichen darin gesehen werden, daß ein an sich bekannter Druckluftschalldämpfer in neuartiger und nicht bestimmungsgemäßer Weise in einer Pulverabsaugvorrichtung in einer speziellen baulichen Anordnung eingesetzt wird, um ein Pulver, das speziell auf das elektrostatische Beschichten abgestellt ist, einem Saugrohr zuzuführen, ohne das Pulver in seinen spezifischen Eigenschaften zu beschädigen. Damit werde im Gegensatz zu den Lehren der Dokumente (D1) bis (D3) auf sanfte Druckluftstrahlen zurückgegriffen und lediglich ein Fluidisieren des Pulvers, nicht aber dessen Aufwirbeln angestrebt. Der Beschwerdeführer sieht daher das Erfordernis erfinderischer Tätigkeit als erfüllt an.

Die Beschwerdegegnerin hingegen argumentierte dahingehend, daß das Dokument (D8) schon ein alleiniges Fluidisieren lehre, ohne daß damit ein mechanisches Aufbrechen des Pulvers einhergehen müsse. Auch beim Gegenstand der (D8) seien sanfte Druckluftstrahlen durch entsprechende Druckregulierung erzielbar; da Anspruch 1 des Hauptantrages nicht auf die stationäre Anordnung der Schalldämpfer bzw. auf solche nichttellerförmiger Art beschränkt sei, sei das Dokument (D8) schon so nahe am Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, daß es nur noch um die spezielle Ausbildung des Fluidisierungselementes, nicht aber um die Frage der Fluidisierung des Pulvers selbst gehen könne. Damit sei aber der Fachmann angesprochen, der stets ein marktübliches Bauteil einer Sonderausführung vorziehe, so daß die Verwendung von üblichen Druckluftschalldämpfern beim Gegenstand des Dokuments (D8) nahegelegen habe, da Anspruch 1 des Hauptantrages auch nicht auf den Einsatz eines speziellen, z. B. scharfkantigen Pulvers beschränkt sei. Im übrigen seien aus dem Dokument (D8) schon Hinweise herleitbar, wie ein Fludisierungselement im Hinblick auf das Absaugrohr baulich anzuordnen sei. Mit Blick auf die Dokumente (D1) bis (D3) wurde herausgestellt, daß auch dieser Stand der Technik schon das Fluidisieren ohne mechanisches Rühren umfasse.

Am Rande wurde bezweifelt, ob die die bauliche Anordnung betreffenden Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag eindeutig offenbart seien, weil selbst die Zeichnung nicht besonders deutlich angebe, wie der Fachmann vorzugehen hätte.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

Hauptantrag

1. Änderungen

1.1. Anspruch 1 stellt eine Zusammenfassung der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 12, der ursprünglichen S. 7, Abs. 3 ("elektrostatisches Beschichten in einer Pulverlackieranlage"), der ursprünglichen Fig. 3 ("am Ende des Saugrohres", "neben", "unter das Niveau des Endes ...") bzw. der ursprünglichen S. 8, Z. 5 bis 7 ("Druckluftschalldämpfer" bzw. "feinst verteilte Druckluft in den Bereich des Rohrendes geleitet wird") dar, wobei die Passage im Oberbegriff "und mit dem Ende (63) des Saugrohres (51) zugeordneten Luftzuführmitteln" erkennbar abgrenzungstechnischer Art ist und keinen Sachverhalt hinzufügt.

1.2. Die geltenden erteilten Ansprüche 2 und 3 gehen in direkter Weise aus den ursprünglichen Ansprüchen 13 und 14 hervor.

1.3. Zusammenfassend ist gegen den Hauptantrag aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ nichts einzuwenden.

1.4. Anspruch 1 wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 im Oberbegriff abgrenzungstechnisch eingeschränkt ("Luftzuführmitteln"), im Kennzeichenteil wurden die "Endstücke" eingeschränkt in "Druckluftschalldämpfer", wobei deren ursprungsoffenbarte Funktion, nämlich Druckluft feinst verteilt in den Bereich des Rohrendes "63" zu leiten, mit in den geltenden Anspruch 1 übernommen wurde.

1.5. Die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind aus dem Blickwinkel von Artikel 123 (3) EPÜ zulässig, da damit der Schutzbereich nicht erweitert, sondern eingeschränkt wurde.

Für die geltenden, erteilten Ansprüche 2 und 3 stellt sich die Frage der Schutzbereichserweiterung erst gar nicht.

1.6. Die Beschwerdegegnerin hat demgegenüber u. a. in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Frage der zeichnerischen Offenbarung von im unabhängigen Anspruch beanspruchten Merkmalen angesprochen; sie kam in dieser Frage zu dem Schluß, daß hier gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen worden sei.

1.7. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, da es nach ständiger Rechtsprechung der Kammern zulässig ist, auf die Zeichnung als Quelle von später beanspruchten Merkmalen zurückzugreifen, vgl. Entscheidung T 169/83 vom 25. März 1985, veröffentlicht im ABl. EPA 1985, 193.

Auf vorliegenden Fall übertragen, läßt die einzige Figur des Streitpatents erkennen, daß die Druckluftschalldämpfer neben dem Saugrohr "51" sind, daß sie sich unter das Niveau "63" des Saugrohres erstrecken und daß mehrere dieser Druckluftschalldämpfer angeordnet sind, so daß alle Merkmale des Anspruchs 1, welche sich auf die bauliche Anordnung der Druckluftschalldämpfer beziehen, in eindeutiger Weise offenbart sind. Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind somit erfüllt.

2. Neuheit

Die Frage der Neuheit ist unbestritten; in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde sie schon nicht mehr diskutiert, so daß sich diesbezüglich weitere Ausführungen erübrigen.

3. Damit konzentriert sich die Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 ganz auf die Frage des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 100 a) bzw. 56 EPÜ. Die Kammer kommt dabei zu folgendem Ergebnis:

3.1. Vorauszuschicken ist, daß von den Dokumenten (D1) bis (D8) in dieser Beziehung lediglich noch auf die Dokumente (D1) bis (D3) sowie (D8) einzugehen ist, weil die restlichen Dokumente zumindest nach Vorlage des Haupt/Hilfsantrages durch den Beschwerdeführer keinerlei Rolle mehr gespielt haben.

3.2. Das Dokument (D8) ist zwar nach Ablauf der Einspruchsfrist benannt worden, es wird aber in Ausübung des mit Artikel 114 (1) EPÜ eingeräumten Ermessensspielraumes seitens der Kammer zum Verfahren zugelassen, weil seine Relevanz nicht a priori zu verneinen ist. Ein Indiz in dieser Richtung war selbstverständlich auch die Reaktion des Beschwerdeführers auf die erstmalige Nennung dieses Dokuments, nämlich Diskussion des Dokumentes (D8) in der geltenden, überarbeiteten Beschreibungseinleitung bzw. Auseinandersetzung mit diesem Dokument in der Eingabe vom 10. Juli 1991.

3.3. Der Ausgangspunkt der Erfindung wird aber nach wie vor in einem der Dokumente (D1) bis (D3) gesehen. Beispielsweise aus dem Dokument (D1) sind die Merkmale des Oberbegriffes des geltenden Anspruchs 1 bekannt, so daß eine Pulverabsaugvorrichtung zum Absaugen von Pulver aus Behältern, bei der ein Saugrohr, an dessen Ende Luftzuführmittel vorgesehen sind, den Ausgangspunkt der Erfindung darstellt, Regel 29 (1) a) EPÜ.

3.4. Bei der gattungsbildenden Druckschrift (D1) liegt ein Doppelrohr vor, bei dem außen Druckluft zugeführt, über Düsen mit dem zu fördernden Pulver in Kontakt gebracht und bei dem im inneren Kanal das aufgewirbelte, d. h. fluidisierte, Pulver abgesaugt wird, vgl. z. B. Fig. 2 und Sp. 1 Z. 20/21 und 22 des Dokumentes (D1), wo von "floating" die Rede ist. Die Luftstrahlen treten bei der vorbekannten Vorrichtung in definierten Richtungen aus, vgl. Fig. 2, nämlich rein radial bzw. schräg nach außen bzw. schräg nach innen. Offenbar um eine genügende Fluidisierwirkung zu erzielen, wird die Luft intermittierend, d. h. stoßweise zugeführt. Dieser Gesamtzusammenhang läßt den Schluß zu, daß anderenfalls eine genügende Fluidisierwirkung nicht erzielbar wäre. Es liegt auf der Hand, daß ein intermittierendes Druckluftzuführen gleichbedeutend ist mit einem erhöhten steuerungstechnischen Aufwand. Darüber hinaus handelt es sich beim vorbekannten Düsenring um ein aufwendiges Sonderbauteil.

3.5. Von den Gegebenheiten der Vorrichtung gemäß Dokument (D1) ausgehend, ist die objektiv zu lösende, technische Aufgabe darin zu sehen, die gattungsgemäße Vorrichtung dahingehend zu verbessern, daß sie mit einfachen und wirtschaftlich verfügbaren Mitteln auskommt.

Das Stellen dieser Aufgabe erfordert erkennbar keinerlei erfinderisches Bemühen, weil davon ausgegangen werden muß, daß der Fachmann stets bestrebt ist, Sonderbauteile zu vermeiden und auf marktgängige Produkte zurückzugreifen.

3.6. Die Lösung vorgenannter Aufgabe erfolgt von einer gattungsgemäßen Pulverabsaugvorrichtung ausgehend mit den Merkmalen des kennzeichnenden Teils des geltenden Anspruchs 1, nämlich einerseits mit dem Merkmal des Luftzuführmittels in Form von mehreren Druckluftschalldämpfern und andererseits mit den Merkmalen, wie diese Mehrzahl von Schalldämpfern baulich in bezug auf das Absaugrohr anzuordnen sind, nämlich neben dem Absaugrohr, unterhalb von dessen Ende und in einer Mehrzahl vorhanden.

3.7. Damit erreicht die beanspruchte Vorrichtung folgende Vorteile bzw. Wirkungen:

Zunächst werden beide Aufgabenaspekte gelöst, nämlich Rückgriff auf "einfache" und sodann auf "wirtschaftlich verfügbare" Mittel. In funktioneller Hinsicht wird mit diesen Mitteln und ihrer beanspruchten Anordnung erreicht, daß die Luftstrahlen ohne jegliche Vorzugsrichtung und in "sanfter", weil geschwindigkeitsreduzierter Form austreten und das beaufschlagte Pulver ohne mechanische Zusatzmittel fluidisieren, nicht aber bloß unkontrolliert Aufwirbeln. Hintergrund dieser Wirkung ist die Eigenheit der Druckluftschalldämpfer, seien sie aus Sintermetall, aus Filzeinsätzen oder aus Kunststoff, daß ein bestehendes Geschwindigkeitsprofil nivelliert wird, d. h. schnelle Strömungsanteile werden überproportional verlangsamt, so daß insgesamt aus den Druckluftschalldämpfern eine "sanfte" Druckluftströmung austritt. Zusammenfassend wird demnach das abzusaugende Pulver, sei dieses bezüglich seiner Partikelform auch noch so delikat, schonend mit Luft angereichert, so daß es ein Verhalten wie ein Fluid annimmt und durch Absaugluft gezielt an einen Verbraucher zu leiten ist.

Die beanspruchte geometrische Anordnung der Mehrzahl von Druckluftschalldämpfern stellt dabei sicher, daß das Ende des Saugrohres frei von Einbauten bleibt, daß der Ringraum um das Saugrohr dagegen fluidisiert ist und daß das Pulver in wirksamer Weise auch aus entfernteren Bereichen dem Saugrohr zufließen kann, woraus eine hohe Betriebssicherheit und generelle Wirksamkeit der beanspruchten Vorrichtung resultiert.

3.8. Die obige Herausarbeitung der erzielbaren Vorteile der Aufgabenlösung nach Anspruch 1 macht eigentlich ein detailliertes Eingehen auf den Stand der Technik entbehrlich, weil unmittelbar erkennbar ist, daß dieser nichts Vergleichbares enthält.

3.9. Es gibt in den Dokumenten (D1) bis (D3) und (D8) keinerlei Hinweis auf den Einsatz von "einfachen und wirtschaftlich verfügbaren Luftzuführmitteln", was allein schon ein Indiz dafür ist, daß der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 Neuland darstellt und vom Vorbekannten nicht vorgezeichnet ist.

3.10. Selbst wenn man unterstellt, daß der Fachmann, der vor der Lösung der objektiv verbleibenden technischen Aufgabe steht, an Druckluftschalldämpfer denken würde, würde er dieses Maschinenelement aber von vornherein verwerfen, weil der bestimmungsgemäße Einsatz, nämlich Schall zu dämpfen, bei der vorliegenden Aufgabenstellung nichts zu bewirken scheint, da ein Schallproblem (z. B. aus Umweltschutzgründen bzw. aus Gründen der Arbeitsplatzbelastung) erkennbar nicht vorliegt.

3.11. Die Erkenntnis, ein bekanntes Maschinenelement in einer nichtbestimmungsgemäßen Art und Weise einzusetzen, indem ein Nebeneffekt solcher Elemente, nämlich die Druckluftverzögerung in Richtung eines nivellierten und insgesamt im Niveau abgesenkten Geschwindigkeitsprofiles, stellt ein zweites Indiz für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 dar.

3.12. Der dritte Gesichtspunkt, der den Gegenstand des Anspruchs 1 vom Stand der Technik gemäß den Dokumenten (D1) bis (D3) und (D8) heraushebt, ist die Tatsache des Vorliegens einer Mehrzahl von Luftzuführmitteln und deren Anordnung in bezug auf das Saugrohr, weil auch hier der Stand der Technik keinerlei verwertbares Vorbild angibt.

Die Druckschriften (D1) bis (D3) greifen sämtlich auf Düsenringe zurück, so daß nur ein einziges Luftzuführmittel vorliegt und es von daher gesehen ungerechtfertigt ist, weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 und dem in Rede stehenden Stand der Technik zu suchen.

3.13. Das in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am ausführlichsten diskutierte Dokument war aber das Dokument (D8).

Einmal von der Rotation des hieraus bekannten Luftzuführmittels "6" abgesehen, welche den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 schon deshalb weit wegrückt vom Gegenstand des Dokuments (D8), liegen aber auch in weiterer Hinsicht nicht vergleichbare Merkmale vor. Die bekannte Vorrichtung weist mit Sicherheit keine Mehrzahl von Luftzuführelementen auf; sie weist weiterhin mit Sicherheit keine Druckluftschalldämpfer als das Luftzuführelement auf, weil sie ganz auf eine Sintermetallscheibe abgestellt ist, vgl. S. 2 Z. 27/28, die in Tellerform vorliegt.

Bei fehlender Mehrzahl und bei fehlender Übereinstimmung in der Art der Luftzuführelemente ist es müßig, Spekulationen darüber anzustellen, ob das bekannte Luftzuführmittel nun "neben, unter usw." dem Saugrohr angeordnet ist, weil eine solche Betrachtungsweise eine reine ex post Interpretation des Standes der Technik ist. Mithin kann nach dem Dafürhalten der Kammer der Fachmann auch aus dem Dokument (D8) nichts Hilfreiches zur Lösung der gestellten Aufgabe entnehmen, zumal das tellerförmige Luftzuführelement und dessen Antrieb gemäß Dokument (D8) offensichtlich nicht als einfache marktübliche Bauteile zu titulieren sind.

3.14. Da weder die Dokumente (D1) bis (D3) noch (D8) einen wesentlichen Bezug zur beanspruchten Aufgabenlösung erkennen lassen, ergibt auch eine gleichzeitige Betrachtung dieser Dokumente keinen direkten Weg zur Erzielung des Gegenstandes gemäß geltendem Anspruch 1.

3.15. Dieser Anspruch 1 ist damit im Sinne von Artikel 100 a) und 56 EPÜ rechtsbeständig, was auch für die geltenden abhängigen Ansprüche 2 und 3 (erteilte Fassung) gilt.

3.16. Die Beschwerdegegnerin hat den Stand der Technik indes anders interpretiert als der Beschwerdeführer und letztlich auch die Kammer. Ihr ist darin zuzustimmen, daß das Fluidisieren, sei es mit mechanischer Unterstützung (vgl. Schaufeln "7" bzw. Verzahnung "8" des tellerartigen Gehäuses "6" beim Dokument (D8)) oder sei es ohne, grundsätzlich bekannt ist. Dieser Sachverhalt ist aber schon im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 niedergelegt, und zwar mit dem Merkmal der "Luftzuführmittel" und kann daher nicht streitig sein.

Es trifft weiter zu, daß Anspruch 1 nicht die Aussage enthält, daß die Pulver scharfkantig sind; die Kammer ist in diesem Punkte allerdings der Auffassung, daß die Zweckbestimmung im Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 ("Pulver für das elektrostatische Beschichten ...") für den Fachmann nicht belanglos ist, weil solche Pulver ganz spezifische Eigenschaften haben müssen. Dieses Merkmal trägt aber in keiner Weise zur erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Vorrichtung bei, wie vorstehende Ausführungen verdeutlichen.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach Anspruch 1 nicht auf "stationäre" Einrichtungen beschränkt sei, ist in vielfacher Hinsicht zu untersuchen. Zunächst soll ein unabhängiger Anspruch die zur Lösung der Aufgabe notwendigen Merkmale angeben, also die "Erfindung" definieren. Eine Angabe von Nichtmerkmalen ist mit vorgenannter Definition unvereinbar, sie ist allenfalls mit Blick auf den Stand der Technik - und werde dieser weit nach Abfassung des Anspruchs ermittelt - hilfreich, weil Unterschiede unmittelbar erkennbar sind. Trotz fehlenden Nichtmerkmals ist aber der Anspruch stets im Gesamtzusammenhang des Streitpatents zu sehen, d. h. auch unter Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnung, Artikel 69 EPÜ. Der Gesamtzusammenhang des Streitpatents läßt aber nach Auffassung der Kammer nicht den Schluß zu, daß die beanspruchte Luftzuführeinrichtung auch drehangetrieben sein könnte. Eine solche Betrachtung erscheint "gewollt" und ist somit zurückzuweisen, so daß das Dokument (D8) damit deutlich neben der beanspruchten Vorrichtung nach Anspruch 1 liegt.

Das weitere Argument, wonach der Fachmann stets bemüht sei Standardbauteile anstelle von Sonderbauteilen einzusetzen, ist stichhaltig; es darf in diesem Zusammenhang aber nicht der Fehlschluß begangen werden, daß der Fachmann auch einen nichtbestimmungsgemäßen Gebrauch eines marktüblichen Elementes ins Auge fassen würde, denn eine solche Betrachtungsweise ist eindeutig rückschauender und damit unzulässiger Art.

4. Da die geltenden Ansprüche 1 bis 3 gemäß Hauptantrag rechtsbeständig sind und da die geltende Beschreibung und Zeichnung den Erfordernissen des EPÜ entspricht, ist eine Basis für die Aufrechterhaltung des Streitpatents in eingeschränkter Form vorhanden.

Hilfsantrag

Der Hauptantrag ist gewährbar, vgl. vorstehende Ausführungen; auf den Hilfantrag ist bei dieser Sachlage somit nicht mehr einzugehen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage des Hauptantrages aufrechtzuerhalten.

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