T 0438/90 () of 4.12.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T043890.19911204
Datum der Entscheidung: 04 Dezember 1991
Aktenzeichen: T 0438/90
Anmeldenummer: 81110668.1
IPC-Klasse: G09B 25/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Experimentiervorrichtung
Name des Anmelders: Siemens AG
Name des Einsprechenden: Leybold AG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Inventive step (no)
Neighboring fields; solutions from different special
fields used simultaneously; synergistic effect (no);
obvious problem solved by a series of obvious steps
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Gleichzeitiger Einsatz von Lösungsmitteln aus unter-
schiedlichen Spezialgebieten, Pkt. 1.3
Gemeinsame Aufgabe von Einzelmaßnahmen schafft keinen
synergistischen Effekt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0176/84
T 0026/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0775/96

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 055 455.

Anspruch 1 dieses Patents lautet:

"1. Experimentiervorrichtung zur Durchführung von kälte- und/oder klimatechnischen Versuchen, bei der ein mit Platten versehener Tragrahmen mit durch mindestens eine horizontale Strebe gebildeten horizontalen Rasterhohlräumen vorgesehen ist und in mindestens einen der Rasterhohlräume an Tragplatinen angeordnete kälte- bzw. klimatechnische Geräte und/oder Bauelemente einsetzbar sind, und zum Versorgen und Verbinden der vorgesehenen Geräte und Bauelemente elektrische Verbindungskabel und Verbindungsleitungen für ein flüssiges Medium dienen, dadurch gekennzeichnet, daß bei Ausbildung der Experimentiervorrichtung zur Demonstration von Versuchen die Tragplatinen (4) am Tragrahmen (2) oder an der Strebe (3) mittels Schnellverschlüssen, insbesondere Druckverschlüssen, lösbar festlegbar sind, daß an den Tragplatinen (4) mindestens ein kälte- bzw. klimatechnisches Gerät und/oder Bauelement frontseitig angeordnet ist, daß als Verbindungsleitungen für das flüssige Medium flexible, kältemittelbeständige und/oder wärmeisolierte Schlauchleitungen (5) dienen, daß die Kältemittel Ein- und Ausgänge der kältemittelbeständigen Schlauchleitungen (5) und der auf der Tragplatine (4) aufgenommenen kälte- bzw. klimatechnischen Geräte und/oder Bauelemente jeweils mit aufeinander passenden Schnellkupplungselementen (20) versehen sind, daß in den Enden der Schlauchleitungen (5) Ventile (21) eingebaut sind, daß Schlauchleitungen (5) und Verbindungskabel (6) auf der Vorderseite der Experimentiervorrichtung angeordnet sind und der Tragrahmen (2) durch die Platten (10a, 10b, 10c) verkleidet ist."

Ansprüche 2 bis 7 hängen von Anspruch 1 ab.

II. Auf den von der Beschwerdegegnerin eingelegten Einspruch hin wurde das Streitpatent widerrufen. Der Widerruf wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem sich aus den Dokumenten:

D2a: Prospekt PH 203-1 der Fa. Leybold-Heraeus:

"Kraftfahrzeug-Elektrik", erschienen am 5. November 1971, und D2b: Prospekt PH 209-1 der Fa. Leybold-Heraeus: "Steuer- und Regeltechnik", erschienen am 5. März 1976, ergebenden Stand der Technik begründet. Es sei für den Fachmann - einen Konstrukteur von Experimentiervorrichtungen zur Demonstration und Durchführung von technischen Versuchen - naheliegend, die aus den Dokumenten D2a und D2b auf dem Gebiet der Elektrotechnik bekannte Experimentiervorrichtung für die Durchführung von Experimenten auf dem Gebiet der kälte- und/oder klimatechnischen Versuche zu modifizieren und dabei insbesondere elektrische Leitungen durch Schlauchleitungen mit Schnellkupplungselementen und Ventilen zu ersetzen, zumal die Aufgabendefinition nur didaktische Gesichtspunkte umfaßt, die dem übergeordneten technischen Sachgebiet der Konstruktion von Experimentiervorrichtungen zuzuordnen seien.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) Beschwerde erhoben.

IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK wies die Kammer noch auf das in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents gewürdigte Dokument:

D1: US-A-3 934 356

hin und teilte im einzelnen ihre vorläufige Auffassung mit, daß möglicherweise die Anwendung der aus Dokument D2a in Verbindung mit Dokument D2b auf dem Gebiet der Kraftfahrzeug-Elektrik bzw. der Steuer-und Regeltechnik bekannten Bauelemente einer Experimentiervorrichtung bei der aus Dokument D1 bekannten "Experimentiervorrichtung zur Durchführung von kälte- und/oder klimatechnischen Versuchen" als naheliegend anzusehen und die dabei erforderlichen weiteren, zum Gegenstand des Anspruchs 1 führenden konstruktiven Anpassungsmaßnahmen dem normalen fachmännischen Können zuzurechnen seien. Ein auf die Herstellung von Experimentiervorrichtungen für kälte- und/oder klimatechnische Versuche beschränkter Fachmann würde Experimentiervorrichtungen für Kraftfahrzeug- Elektrik bzw. Steuer- und Regeltechnik als ein Nachbargebiet ansehen, auf dem er nach Lösungen suchen würde, da er - wie aus den Ansprüchen des Streitpatents explizit hervorgeht - auch elektrotechnische Bauelemente in die Experimentiervorrichtung zu integrieren beabsichtige, und ein Fachmann für Kühlungs- und Klimatechnik nicht ohne elektrotechnisches Grundlagenwissen auskomme.

V. Es wurde mündlich verhandelt.

VI. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

VII. Die Beschwerdeführerin stützte ihren Antrag im wesentlichen auf folgende Argumente:

a) Zuständiger Fachmann sei der Konstrukteur für Experimentiervorrichtungen nicht auf dem übergeordneten allgemeinen Gebiet der "technischen Versuche", sondern auf dem speziellen Gebiet von "kälte- und/oder klimatechnischen Versuchen". Die Dokumente D2a und D2b beträfen aber Experimentiervorrichtungen für Kraftfahrzeug-Elektrik sowie Steuer- und Regeltechnik. Diese Gebiete seien ein nichtspezifisches allgemeines Gebiet, das im Sinne der Entscheidung T 195/84 (Boeing, ABl. EPA 1986, 121) als Teil des technischen Allgemeinwissens eines Spezialisten anzusehen sei, sondern im Sinne der Entscheidung T 176/84 (Möbius, ABl. EPA 1986, 50), ein entferntes weiteres Spezialgebiet, das der Fachmann aufgrund technologischer Unterschiede zwischen beiden Spezialgebieten auf der Suche nach Lösungen für seine Aufgabe nicht in Erwägung ziehen würde. Aus dem Streitpatent, insbesondere Spalte 9, Zeilen 13 bis 19, gehe zwar hervor, daß in den Ausführungsbeispielen elektrotechnische Bauelemente eingesetzt würden. Jedoch diene dies nicht zur Demonstration von elektrotechnischen Experimenten.

b) Die aus Dokument D1 bekannte Experimentiervorrichtung für Kälte-und/oder Klimatechnik sei zur Demonstration vor einer beliebig großen Teilnehmerzahl ungeeignet, da der den zu klimatisierenden Raum simulierende Koffer nach Herausziehen der Kompressor-Kondensor- Baueinheit wieder verschlossen würde und damit uneinsichtig sei. Spalte 5, Zeilen 11 bis 15 des Dokuments D1 würden angeben, daß nur "ein Student (a trainee)" die Arbeitsweise aller Komponenten beobachten könne.

c) Dokument D2a, Seite 2, linke Spalte, Abs. 4 sei explizit zu entnehmen, daß die Geräte und Bauelemente nicht wie beansprucht -und wie ferner durch ein in der mündlichen Verhandlung überreichtes Prospekt der Beschwerdeführerin mit einer der Figur 2 des Streitpatents im wesentlichen entsprechenden Photographie verdeutlicht -"frontseitig" auf den Tragplatinen angeordnet seien, sondern rückseitig. Die Vorderseite der Tragplatinen zeige nur die entsprechenden symbolischen Funktionszeichen oder weise reine Anzeigegeräte auf. Daher würden die Dokumente D2a und D2b den Fachmann allenfalls anregen, kälte- und/oder klimatechnische Symbole auf der Frontseite anzuordnen, und im Ergebnis nicht zum Gegenstand des Streitpatents, sondern zu dem aus dem im Streitpatent zitierten Dokument US-A-4 068 391 bekannten Versuchsstand führen.

d) Um vom Stand der Technik gemäß Dokument D1 zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, sei eine Vielzahl von Schritten erforderlich: Dabei müsse der Fachmann insbesondere Bauteile aus dem Gebiet der Kraftfahrzeug-Elektrik, bzw. Steuer- und Regeltechnik auf eine kälte- und/oder klimatechnische Experimentiervorrichtung übertragen, Tragplatinen umdrehen (um die frontseitige Anordnung der Geräte zu realisieren), ein geeignetes Material für Schlauchleitungen auswählen und in deren Enden Ventile einbauen. Die Gesamtheit dieser Einzelschritte, die alle zur Aufgabenlösung beitrügen, sei für den Fachmann nicht naheliegend.

VIII. Die Beschwerdegegnerin widersprach der Argumentation der Beschwerdeführerin im wesentlichen wie folgt:

a) Es sei bereits Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents, auf den beanspruchten Tragplatinen nicht nur spezifisch kälte- bzw. klimatechnische Geräte anzuordnen, sondern auch durch elektrische Verbindungskabel versorgte, d. h. rein elektrotechnische Geräte. Dies gehe ferner auch aus den expliziten Angaben des Streitpatents, insbesondere Anspruch 6, Spalte 7, Zeilen 27 bis 36, und Spalte 8, Zeilen 13 bis 22 hervor. Insbesondere seien die in Spalte 4, Zeilen 23 - 28, 45 und 46 des Streitpatents genannten Demonstrationsversuche von Startreglern, elektrischen Schaltungsanwendungen und der Anlaufprobleme von Verdichtermotoren mit elektrotechnischen Geräten demonstrierte elektrotechnische Experimente. Damit würden zweckbedingte Berührungspunkte vorliegen, aufgrund derer die Dokumente D2a und D2b in bezug auf das Streitpatent als Nachbargebiet und damit als relevanter Stand der Technik anzusehen seien. In der Praxis würden an der Entwicklung von Experimentiervorrichtungen für Fachhochschulen deren ehemalige Lehrkräfte beteiligt. Sowohl die praktischen Erfahrungen dieser Entwickler als auch der Herstellerwunsch, ein möglichst alle Unterrichtsfächer einer Fachhochschule umfassendes Experimentierprogramm anzubieten, bedingen zu einem Erfahrungsaustausch führende interdisziplinäre Kontakte, so auch bei der Beschwerdegegnerin insbesondere zwischen den Gebieten Elektrotechnik und Kälte- bzw. Klimatechnik.

b) Dokument D2a und Dokument D2b, das auf Dokument D2a Bezug nimmt, würden den gleichen technisch zusammenhängenden Stand der Technik beschreiben. In Analogie zu der aus Dokument D2b, Seite 4, Bild 9.23 ersichtlichen Befestigung eines Motors und eines Generators auf der Frontseite einer Tragplatine kälte- bzw. klimatechnische Geräte frontseitig auf einer Tragplatine anzuordnen, sei für den Fachmann naheliegend.

c) Da der Schutz der experimentierenden Schüler eine primäre Aufgabe jedes Entwicklers sei, stellten insbesondere die Auswahl eines wärmeisolierenden Materials für die Kühlmittel führenden Schlauchleitungen und der Einbau von Kühlmittelausfluß verhindernden Ventilen in die Enden der Schlauchleitungen für den Fachmann selbstverständliche Routinemaßnahmen dar.

Entscheidungsgründe

1. Erfinderische Tätigkeit

1.1. Aus dem nächstliegenden Stand der Technik gemäß Dokument D1 sind folgende durch den Wortlaut des Anspruchs 1 definierten Merkmale: Merkmale bekannt:

"Experimentiervorrichtung zur Durchführung von kälte- und/oder klimatechnischen Versuchen (vgl. D1, Spalte 3, Zeilen 32 bis 39), bei der ... zum Versorgen und Verbinden der vorgesehenen Geräte und Bauelemente elektrische Verbindungskabel (D1, Spalte 2, Zeilen 41 bis 44) und Verbindungsleitungen für ein flüssiges Medium (60, 61, Spalte 4, Zeile 21) dienen, dadurch gekennzeichnet, daß bei Ausbildung der Experimentiervorrichtung zur Demonstration von Versuchen ... als Verbindungsleitungen für das flüssige Medium flexible ... Schlauchleitungen dienen (Spalte 3, Zeilen 28 bis 30 sowie Spalte 4, Zeile 62 bis Spalte 5, Zeile 9), daß die Kältemittel Ein- und Ausgänge der ... Leitungen und der ... kälte- bzw. klimatechnischen Geräte und/oder Bauelemente jeweils mit aufeinander passenden Schnellkupplungselementen (Spalte 4, Zeilen 32 bis 34) versehen sind, daß in ... die Leitungen Ventile (Spalte 3, Zeilen 22 bis 24) eingebaut sind."

1.2. Ausgehend von der in Dokument D1 beschriebenen Experimentiervorrichtung liegt dem Streitpatent - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Pkt. VII-b - objektiv die Aufgabe zugrunde, die bekannte Vorrichtung so abzuwandeln, daß an einem einzigen Experimentierplatz beliebige Versuchsprogramme der Kälte- und Klimatechnik - von einer beliebig großen Zahl von Lehrgangsteilnehmern gut wahrnehmbar - demonstriert und von ihnen schnell aufgebaut und geändert werden können; vgl. das Streitpatent, Spalte 3, Zeilen 18 bis 49. Zwar ist die Angabe "a trainee" in Dokument D1, Spalte 5, Zeile 13, keine Begrenzung auf nur einen Lehrgangsteilnehmer, doch wird dadurch eine weitere Verbesserung der Wahrnehmbarkeit von Versuchsabläufen als objektives Ziel des Streitpatents nicht in Frage gestellt.

Experimentiergeräte so zu gestalten, daß alle Lehrgangsteilnehmer einen Versuch schnell aufbauen, abändern und seinen Ablauf gut wahrnehmen können, ist für den Konstrukteur von Unterrichtsmittel für jedes technische Lehrfach ein allgemein bekanntes Arbeitsziel. Somit ist nach Auffassung der Kammer der zuständige Fachmann in der Lage, sich die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe zu stellen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

1.3. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es als eine einem Fachmann eines ersten Spezialgebiets zu unterstellende Routinehandlung anzusehen, auf einem zweiten Spezialgebiet nach Lösungen zu suchen, wenn ihm geläufig ist, daß dort gleiche oder ähnliche Probleme vorliegen. Bei einem derartigen Sachverhalt ist das zweite Spezialgebiet als ein Nachbargebiet zu bewerten, dessen Stand der Technik bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen ist.

Da ja gute Wahrnehmbarkeit und Veränderbarkeit eines Versuchsaufbaus bei allen technischen Unterrichtsfächern bekannte Probleme sind, wird sich ein Lehrmittelentwickler bei der Suche nach Lösungen hierfür nicht auf sein eigenes Unterrichtsfach beschränken. Es ist zwar einzuräumen, daß die typischen Demonstrationsgeräte eines speziellen Unterrichtsfachs ihre eigenständigen technologiebedingten Visualisierungs- und Zusammenbauprobleme aufwerfen mögen, die gegebenenfalls einen Fachmann davon abhalten würden, auf einem fremden Unterrichtsfach nach Anregungen zu suchen. Jedoch ist das beim Streitpatent nach Auffassung der Kammer aus folgenden Gründen nicht der Fall:

Die Standard-Bauelemente der Kälte- und Klimatechnik, wie Verdichter, Verflüssiger, Pumpen, Temperatursensoren usw. weisen neben technischen Mitteln zum Wärmetransport auch rein elektrotechnische Baukomponenten auf. Daher ist ein auf Kälte- und Klimatechnik spezialisierter Experimentiervorrichtungsentwickler nicht nur zwangsäufig auf elektrotechnische Grundkenntnisse als zusätzliches Fachwissen angewiesen, sondern muß auch elektrotechnische Komponenten in seinen Versuchsaufbau integrieren. Die funktionelle Einheit zwischen den Baukomponenten für Wärmetransport und den elektrotechnischen Geräteteilen läßt den Fachmann erkennen, daß Visualisierungs- und Zusammenbauprobleme, die durch die zu demonstrierende Technologie bedingt sind, bei den Unterrichtsfächern Kälte- bzw. Klimatechnik einerseits und Elektrotechnik andererseits zumindestens teilweise identisch sind. Somit macht - zumindest im vorliegenden Fall - die Verwendung von Lösungsmitteln zweier unterschiedlicher technischer Spezialgebiete nebeneinander in einem unabhängigen Anspruch diese beiden Gebiete zu "Nachbargebieten" im Sinne der Entscheidung T 176/84 (Möbius, ABl. EPA 1986, 50).

Das Dokument D2b, Seite 2, linke Spalte, Abs. 1, entnehmbare "Gesamtprogramm" macht deutlich, daß die Dokumente D2a und D2b jeweils Komponenten einer das gesamte Gebiet der Elektrotechnik umfassenden Gerätesammlung - d. h. Baukastenelemente der gleichen Experimentiervorrichtung - beschreiben und damit einen einzigen, technisch zusammenhängenden Gegenstand des Standes der Technik beschreiben.

Aus den vorstehenden Gründen vermag die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Pkt. VII-a nicht zu folgen und ist überzeugt, daß der für das Streitpatent zuständige Fachmann die Lehren der Dokumente D2a und D2b auf der Suche nach einer Lösung der objektiven Aufgabe des Streitpatents auffinden und berücksichtigen würde.

1.4. Die wesentlichen Lösungsmerkmale der in Pkt. 1.2 angegebenen Aufgabe sind dem aus Dokument D2a in Verbindung mit Dokument D2b bekannten variablen zweidimensionalen Anordnungsraster mit austauschbaren Tragplatinen für die jeweils eine funktionelle Einheit bildenden Grundbausteine der zu demonstrierenden Versuche zu entnehmen, d. h. im einzelnen folgende durch den Wortlaut des Anspruchs 1 definierten

"ein mit Platten versehener Tragrahmen mit durch mindestens eine horizontale Strebe gebildeten Rasterhohlräumen; in mindestens einen der Rasteranordnungen einsetzbare, an Tragplatinen angeordnete Geräte und/oder Bauelemente (vgl. D2a und D2b, jeweils Seite 1)"; sowie ferner: "daß die Tragplatinen am Tragrahmen oder an der Strebe lösbar festlegbar sind (D2a, Seite 2, linke Spalte, Abs. 4); daß an den Tragplatinen mindestens ein Gerät und/oder Bauelement frontseitig angeordnet ist (Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin in Pkt. VII-c ist dieser Sachverhalt eindeutig Dokument D2a, Bild P. 3.10 und Dokument D2b, Bild P 9.23 entnehmbar), daß Verbindungskabel auf der Vorderseite der Experimentiervorrichtung angeordnet sind (Dokument D2a und D2b, jeweils Seite 1) und der Tragrahmen durch die Platten verkleidet ist (D2a, Seite 7, mittleres Bild)".

1.5. Neben der analogen Anwendung der Lehre der Dokumente D2a und D2b bei der Experimentiervorrichtung gemäß Dokument D1 sind noch eine Reihe von Anpassungsmaßnahmen erforderlich, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen:

1.5.1. Daß bei dieser Anwendung die Geräte und/oder Bauelemente "kälte- bzw. klimatechnisch" sind, ist selbstverständlich.

1.5.2. Es liegt ferner auf der Hand, sämtliche Verbindungsleitungen für das flüssige Medium (Kältemittel) als flexible, kältemittelbeständige Schlauchleitungen auszuführen und sie analog zu den (elektrischen) Verbindungskabeln auf der Vorderseite der Experimentiervorrichtung anzuordnen, um das bekannte Visualisierungsprinzip des elektrischen Stromkreises auf das flüssige Medium auszudehnen.

1.5.3. In der Praxis gegebenenfalls ohne weiteres beobachtbare Kippmomente an den Tragplatinen legen dem Fachmann nahe, die Führungsnuten gemäß den Dokumenten D2a und D2b durch andere Festlegungsmittel zu ersetzen. Ihren Austausch gegen die beanspruchten "Schnellverschlüsse, insbesondere Druckverschlüsse" erachtet die Kammer als einen im Rahmen des normalen handwerklichen Könnens liegenden Einsatz allgemein bekannter Konstruktionselemente, zumal auch das Streitpatent keinerlei Ausführungsbeispiele für derartige Verschlüsse offenbart.

1.5.4. Der Schutz der experimentierenden Lehrgangsteilnehmer vor Kälteverletzungen führt den Fachmann automatisch zu einer "wärmeisolierenden" Ausführung der Schlauchleitungen.

1.5.5. Auch der Auslauf von Kältemittel aus den Schlauchleitungen ist ein sich aus der Praxis ergebender Mangel. Ihn durch "in die Enden der Schlauchleitungen eingebaute Ventile" zu vermeiden, stellt nach Auffassung der Kammer keine erfinderische Leistung dar, da der einer breiten Öffentlichkeit zugängliche allgemeine Stand der Technik - wie Zapfsäulen von Tankstellen oder Gartenbewässerungsschläuche - hierfür hinreichend Anregung bietet.

1.6. Wie oben dargelegt, ist jede der in Pkt. 1.5.1 bis 1.5.5 beschriebenen Anpassungen jeweils für sich eine für den Fachmann naheliegende Einzelmaßnahme. Die Kammer vermag nicht der sinngemäßen Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Pkt. VII-d zu folgen, daß eine Vielzahl nahe- liegender Schritte einen erfinderischen Abstand zum Stand der Technik schafft. Zwar ist der Beschwerdeführerin insoweit zuzustimmen, daß alle Einzelschritte einem gemeinsamen technischem Ziel dienen. Jedoch ist jeder dieser Einzelschritte vom anderen technisch unabhängig und trägt zur Lösung der gemeinsamen Gesamtaufgabe nur die von ihm erwartete Einzelwirkung bei. Da die Vielzahl naheliegender Maßnahmen darüber hinaus im vorliegenden Fall aus einem gemeinsamen naheliegenden Ziel resultiert d. h. die aus Dokument D2a, D2b bekannte Technologie an kälte-bzw. klimatechnische Versuche anzupassen - kann hierin auch kein Beweisanzeichen für erfinderische Tätigkeit gesehen werden; vgl. auch die frühere Entscheidung der Kammer T 26/85 (unveröffentlicht) insbes. Pkt. 4.7. Vor allem aber vermag die Tatsache, daß alle naheliegenden Einzelschritte zur Lösung der gleichen ebenfalls naheliegenden Aufgabe dienen, nicht eine unerwartet auftretende synergistische Gesamtwirkung naheliegender Einzelmaßnahmen zu ersetzen, die den erfinderischen Charakter einer Kombinationserfindung bedingt.

1.7. Somit gelangt der Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 durch eine als naheliegend anzusehende analoge Anwendung der Lehre der Dokumente D2a und D2b auf die aus Dokument D1 bekannte Experimentiervorrichtung in Verbindung mit teils rein logischen teils sich aus der Praxis zwangs- läufig ergebenden Anpassungsmaßnahmen, die alle im Rahmen seines normalen fachmännischen Könnens liegen.

2. Wie oben in Pkt. 1.1 bis 1.7 im einzelnen dargelegt, genügt der Anspruch 1 des Streitpatents nicht den Erfordernissen des Artikels 52 (1) i. V. m. Artikel 56 EPÜ. Das Patent kann daher mit diesem Anspruch nicht aufrechterhalten werden. Mit Anspruch 1 fallen auch die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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