European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T071689.19900222 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 Februar 1990 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0716/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 85303946.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | C12Q 1/14 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | - | ||||||||
Name des Anmelders: | Unilever | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Unilever | ||||||||
Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | Der Grundsatz, wonach die Beteiligten in einem ordnungsgemässen Verfahren Anspruch auf rechtliches Gehör haben, efordert es, dass dem Patentinhaber gemäss Regel 57(1) EPÜ ein Einspruch mitgeteilt wird, bevor die Entscheidung zum Widerruf des Patents ergeht; dies gilt auch dann, wenn der Patentinhaber selbst der Einsprechende ist. | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren Einsprechender ist Patentinhaber Einspruch wird dem Patentinhaber mitgeteilt |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Mit Entscheidung vom 25. Januar 1988 wurde das europäische Patent Nr. 165 001 für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, GB, IT und SE auf die am 4. Juni 1985 eingereichte Euro-PCT-Anmeldung Nr. 85 303 946.9 erteilt.
II. Mit Bescheid vom 13. April 1988 wurde entsprechend Regel 20 EPÜ mitgeteilt, daß das europäische Patent wie beantragt mit Wirkung vom 25. Januar 1988 vom früheren Patentinhaber für den benannten Vertragsstaat GB auf UNILEVER PLC, London und für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, IT und SE auf UNILEVER NV, Rotterdam übertragen und daß der Rechtsübergang in das europäische Patentregister eingetragen und im Europäischen Patentblatt veröffentlicht wurde.
III. Mit Schreiben vom 23. November 1988 legte UNILEVER PLC, London gegen das europäische Patent Einspruch ein und beantragte dessen Widerruf für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, GB und IT. Gleichzeitig entrichtete sie die Einspruchsgebühr. In ihrer Begründung nannte die Einsprechende die am 21. August 1985 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 151 783 mit einer US-Priorität vom 27. Januar 1984, in der die Vertragsstaaten BE, DE, FR, GB und IT benannt waren.
IV. Mit Entscheidung vom 7. September 1989 widerrief die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 165 001 für die benannten Vertragsstaaten DE, FR, GB und IT und hielt es für den benannten Vertragsstaat SE in unveränderter Form aufrecht.
V. Die Einsprechende (UNILEVER PLC) und die Mitinhaberin (UNILEVER NV) legten am 3. November 1989 per Telekopie gegen den Widerruf des Patents Beschwerde ein. In der Beschwerdebegründung erklärten sie, daß sie kurz nach der Patenterteilung eine einschlägige Vorbeschreibung gefunden hätten und ihr Patent gegenüber dieser abgrenzen wollten, um so ein solides Patent mit engerem Umfang zu erhalten. Die Änderungen, die erwogen worden seien, seien nicht zusammen mit der Einspruchsbegründung eingereicht worden, da sonst Dritte aufgrund anderer Vorbeschreibungen Einspruch hätten einlegen können, was weitere Änderungen erforderlich gemacht hätte. Man habe erwartet, daß die Einspruchsabteilung den üblichen Weg gehen und die Beteiligten zur Einreichung von Stellungnahmen auffordern würde (Art. 101 (2), R. 57 (1) und (3) sowie 58 EPÜ). Stattdessen habe sie den Widerruf beschlossen, ohne sich vorher mit den Beteiligten in Verbindung zu setzen. Die angefochtene Entscheidung sollte daher aufgehoben und die Beschwerdegebühr zurückgezahlt werden. Ferner sollte die Sache mit den am 5. Januar 1990 zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten geänderten Ansprüchen an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht Artikel 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.
2. Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Regel 57 (1) EPÜ wendet diesen Grundsatz ausdrücklich auf Einspruchsverfahren an: Die Einspruchsabteilung teilt dem Patentinhaber den Einspruch mit und fordert ihn auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme und gegebenenfalls Änderungen der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen einzureichen. Die Einspruchsabteilung ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Die angefochtene Entscheidung zum Widerruf des Patents wurde unter Verletzung des rechtlichen Gehörs getroffen, auf das die Beteiligten in einem ordnungsgemäßen Verfahren Anspruch haben.
3. Gemäß einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 24. Juli 1985 (G 1/84, ABl. EPA 1985, 299) ist der Patentinhaber berechtigt, Einspruch gegen sein eigenes Patent einzulegen. Die Regel 57 (1) schreibt allgemein vor, daß die Einspruchsabteilung dem Patentinhaber den Einspruch mitteilt und ihn zur Stellungnahme auffordert. Sie sieht keine Ausnahme für den Fall vor, daß der Patentinhaber selbst der Einsprechende ist. Daher ist die Kammer der Auffassung, daß auch in diesem Fall der Patentinhaber über seinen eigenen Einspruch unterrichtet werden muß, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Dies ist wesentlicher Bestandteil des Grundsatzes, daß Beteiligte einen Anspruch auf rechtliches Gehör haben und daß niemandem ein Recht aberkannt werden darf, bevor er nicht Gelegenheit gehabt hat, als Rechtsinhaber - hier also als Patentinhaber - dazu Stellung zu nehmen.
4. Wie die angefochtene Entscheidung zeigt, hatte die Einspruchsabteilung irrtümlich angenommen, daß Einsprechende und Patentinhaberin ein und dieselbe Person seien. Hätte sie jedoch die Patentinhaberin vor ihrer Entscheidung zur Stellungnahme aufgefordert, so wäre der Irrtum - der offensichtlich auf die große Ähnlichkeit der Namen der beiden Patentinhaberinnen zurückzuführen ist - entdeckt worden. Dies zeigt, wie wichtig es ist, allen Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren, bevor eine nachteilige Entscheidung getroffen wird.
5. Im vorliegenden Fall besteht kein Zweifel darüber, daß die Einspruchsabteilung gemäß Regel 57 (1) EPÜ verpflichtet gewesen wäre, den Einspruch den Patentinhaberinnen mitzuteilen, bevor sie die Entscheidung zum Widerruf des Patents traf, da die Einsprechende entgegen ihrer fälschlichen Annahme nicht die alleinige Inhaberin war. Selbst wenn also die Einspruchsabteilung es für unnötig hielt, den Einspruch gemäß Regel 57 (1) EPÜ der einsprechenden Patentinhaberin (UNILEVER PLC) mitzuteilen, hätte sie ihn doch zumindest der zweiten Patentinhaberin (UNILEVER NV) - die keinen Einspruch eingelegt hatte - mitteilen und sie zur Stellungnahme auffordern müssen. Außerdem hatte die Einsprechende in der Einspruchsschrift erklärt, daß das Patent widerrufen werden sollte, "wenn keine Änderung erfolgt, die diese Vorbeschreibung entkräftet". Dies zeigt, daß die Einsprechende vor einer endgültigen Entscheidung eine Mitteilung des Amts erwartete. Da keine solche Mitteilung erfolgt ist, verstößt die Entscheidung gegen Regel 57 (1) EPÜ; die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
6. Die Beschwerdegebühr ist gemäß Regel 67 EPÜ zurückzuzahlen, da die Verletzung des rechtlichen Gehörs einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens auf der Grundlage der am 5. Januar 1990 eingereichten geänderten Ansprüche an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.