T 0669/89 () of 18.5.1990

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1990:T066989.19900518
Datum der Entscheidung: 18 Mai 1990
Aktenzeichen: T 0669/89
Anmeldenummer: 81108731.1
IPC-Klasse: G01P 3/489
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur Drehzahlerfassung
Name des Anmelders: Siemens
Name des Einsprechenden: Asea Brown Boveri AG
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: inventive step - facts and evidence
clarity - deficiency - opposition proceedings
erfinderische Tätigkeit ja
verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel
Deutlichkeit - Mangel im Einspruchsverfahren
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0122/84
T 0023/86
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0097/91
T 0913/07

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 059 244 (Anmeldenummer 81 108 731.1).

Anspruch 1 dieses Patents lautet:

"1. Vorrichtung zur Drehzahlerfassung einer Drehwelle, mit a) einem digitalen Inkremental-Drehgeber (1), - der ein mit dem Drehwinkel der Drehwelle sich annähernd periodisch, wenigstens abschnittweise stetig änderndes Winkelsignal (Us) erzeugt, dessen jeweilige Periodenlänge ( ) gegeben ist durch die Winkelbereiche zwischen gegeneinander um annähernd gleiche Winkel verdrehten Referenzstellungen ( 0, 0') der Drehwelle und dessen momentane Amplitude jeweils dem momentanen Drehwinkel gegenüber einer Referenzstellung entspricht, und - der jeweils beim Durchgang durch eine Referenzstellung einen Zählimpuls abgibt, und b) einem die innerhalb eines Meßzeitraumes abgegebenen Zählimpulse zählenden Zählwerk (2) zur Bestimmung der durchlaufenen Winkelbereiche, gekennzeichnet durch c) einen Drehgeber-Ausgang (30) für das Winkelsignal (Us), d) einen daran angeschlossenen Speicher (3), in dem die zu Beginn (t1) des Meßzeitraumes mittels eines einleitenden Impulses am das Winkelsignal (Us) führenden Drehgeber-Ausgang (30) abgelesene, dem momentanen Drehwinkel ( '(t1)) entsprechende Amplitude (Us( 1)) des Winkelsignals (Us) bis zum Ende des Meßzeitraumes abgespeichert ist und e) ein an den Speicher (3) angeschlossenes Rechenwerk (4, 6) mit - Mitteln, um am Ende (t2) des Meßzeitraumes mittels eines Endimpulses die dem momentanen Drehwinkel ( '(t2)) entsprechende Amplitude (Us( 2)) des Winkelsignals (Us) abzulesen, und - Mitteln zur Bildung der auf die Maximalamplitude (Uo) des Winkelsignals (Us) normierten Differenz der beiden abgelesenen Amplituden (Us( 1), Us( 2)) oder der auf diese Maximalamplitude (Uo) normierten Differenz der entsprechenden momentanen Drehwinkel als Korrekturgröße und zur Addition der Korrekturgröße und der Zahl (n) der durchlaufenen Winkelbereiche, oder - Mitteln zur Bildung der Differenz der beiden abgelesenen Amplituden (Us( 1), Us( 2)) oder der entsprechenden momentanen Drehwinkel als Korrekturgröße und zur Addition der Korrekturgröße zum Produkt aus der Zahl (n) der durchlaufenen Winkelbereiche und einem dem mittleren Winkelabstand ( ) der Referenzstellungen entsprechenden Winkelsignal, - wobei das Additionsergebnis als Drehzahl-Meßwert abgegriffen ist."

Die Ansprüche 2 bis 8 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.

II. Die Beschwerdeführerin hat unter Nennung der Dokumente:

D1: U. Frühauf: "Grundlagen der elektronischen Meßtechnik", Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., Leipzig 1977, Seiten 261 -275, 281 - 286 und 301; D2: "Elektrotechnik", Bd. 57, Heft Nr. 10, 22. Mai 1975, Seiten 35 und 36; und D3: "Messen + Prüfen/Automatik", Januar/Februar 1976, Seiten 33 - 44, im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ Einspruch erhoben.

III. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch zurückgewiesen. Sie stellte dabei fest, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents neu und erfinderisch sei, insbesondere da Dokument D1 kein Hinweis auf einen Drehgeberausgang für ein periodisches, stetiges Winkelsignal entnommen werden könne, die aus den Dokumenten D2 und D3 bekannten Vorrichtungsmerkmale vor allem bei einer Drehzahlmessung unter Einbezug des Stillstands keine höhere Auflösung bewirken würden, und selbst eine auf einer ex post facto Analyse beruhende Kombination der Inhalte der Dokumente D1 bis D3 noch nicht zur Gesamtheit aller vom Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Vorrichtungsmerkmale führen würde.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde erhoben und in ihrer Beschwerdebegründung zur weiteren Stützung ihrer Argumentation ferner erstmals folgende Dokumente genannt:

D4: DE-A-2 729 697; D5: D. Mende und G. Simon: "Physik, Gleichungen und Tabellen", VEB-Fachbuchverlag, Leipzig, 1971, Seite 68; D6: DE-A-2 046 938.

Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Zur Begründung ihres Antrags trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgende Argumente vor:

a) Der aus Dokument D1, Seite 301, Punkt 4.3.1.2, bekannte digitale Inkrement-Drehgeber liefere durchaus ein sich annähernd periodisch und wenigstens abschnittsweise stetig änderndes Winkelsignal, das ein Fachmann bedarfsweise mit Hilfe des in Dokument D1, Kapitel 4.2, unter anderem beschriebenen Interpolationsverfahren durchaus zur Berücksichtigung des digitalen Restfehlers (Zeitdifferenz zwischen Meßzeitgrenzen und Zählimpulsflanken) verarbeiten würde.

b) Die in Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchten Mittel würden nur eine Vorrichtung zur Erfassung des Drehwinkels charakterisieren. Eine Drehzahl werde erst unter Einbezug der in den kennzeichnenden Teilen der abhängigen Ansprüche 4 und 6 bzw. 4, 5 und 6 enthaltenen Mittel zur Bestimmung der Länge des Meßzeitraumes und des Dividierers zur Bildung des Quotienten, Drehwinkel durch Meßzeitraum, erfaßt.

c) Aus Dokument D4 sei eine Vorrichtung zur Erfassung des Drehwinkels bekannt, die die im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Merkmale a) bis d) aufweise und deren Rechenwerk durch Interpolation eine Korrekturgröße für den digitalen Restfehler ermittelt. Das durch Gleichung 2.43 des Dokuments D5 belegte Fachwissen rege den Fachmann an, zu Beginn und am Ende eines Meßzeitraumes den jeweiligen Drehwinkel mit Hilfe der aus Dokument D4 bekannten Methode zu ermitteln und abzuspeichern, die Drehwinkeldifferenz zu bilden und durch den Meßzeitraum zu dividieren, um über eine weitere Division durch 2 die Drehzahl zu erfassen. Überdies zeige Dokument D6 (Seite 2, Zeilen 6 - 13), daß es allgemeines Fachwissen sei, ein inkrementales Meßsystem sowohl zur Winkel- als auch zur Drehzahlmessung heranzuziehen. Somit gelange ein Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zu der Alternative des Anspruchs 1 des Streitpatents ,die "Mittel zur Bildung der Differenz der entsprechenden momentanen Drehwinkel als Korrekturgröße und zur Addition der Korrekturgröße zum Produkt aus der Zahl der durchlaufenen Winkelbereiche und einem mittleren Winkelabstand der Referenzstellungen entsprechenden Winkelsignal" betrifft.

d) Die Merkmale in den kennzeichnenden Teilen der abhängigen Ansprüche 2 bis 8 seien ebenfalls naheliegend.

VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vertritt demgegenüber im wesentlichen folgende Auffassung:

a) Die aus Dokument D1, Kapitel 4.2, insbesondere Seiten 283 - 285, bekannte Bestimmung des digitalen Restfehlers sei eine zeitliche Interpolation der Restzeiten zwischen Meßzeitpunkten (Anfang und Ende des Meßinterwalls) und den benachbarten Durchgängen durch eine Referenzstellung, bei denen ein Zählimpuls abgegeben werde. Im Anspruch 1 des Streitpatents werde dagegen eine örtliche Interpolation beansprucht, die von der realen Winkellage einer Drehwelle bei Beginn und Ende der Messung ausgeht. Eine derartige örtliche Interpolation sei in Dokument D1 weder vorgesehen noch mit den dort beschriebenen technischen Mitteln möglich.

b) In der Praxis würden Drehzahlen häufig in einem konstanten Takt ermittelt. Bei bekannter und konstanter Länge des Meßintervalls liefere aber die gemäß Anspruch 1 erfaßte Drehwinkeldifferenz direkt ein geeignetes Drehzahlsignal, ohne daß die Drehwinkeldifferenz durch den entsprechenden aktuellen Wert des Meßintervalls dividiert werden müsse.

c) Entgegen Merkmal d) des Anspruchs 1 des Streitpatents würden die in der Vorrichtung gemäß Dokument D4 verwendeten Speicher das Winkelsignal nicht bis zum Ende eines Meßzeitraumes speichern, der sich von einer ersten Winkelstellung einer Drehwelle bis zu einer zweiten Winkelstellung der Drehwelle erstreckt, sondern nur solange, bis das der ersten Winkelstellung der Drehwelle entsprechende Winkelsignal zur Berechnung dieses momentanen Winkels in den Rechner eingelesen sei und verarbeitet werden könne. Insbesondere fehle Dokument D4 ein Hinweis auf ein fortlaufendes Abtasten des Winkelsignals. In Kenntnis der in Dokument D5 angegebenen Formel für die Winkelgeschwindigkeit würde ein Fachmann den mit niedrigeren Frequenzen größer werdenden digitalen Restfehler auf die zunehmende zeitliche Abweichung zwischen einem Durchgang durch eine Referenzstellung (mit Zählimpulsabgabe) und Anfang bzw. Ende des Meßintervalls zurückführen und durch eine interpolierende Zeiterfassung beseitigen. Hingegen hätte er keine Veranlassung und Anregung, die aus Dokument D4 bekannte Vorrichtung zur Erfassung der Drehzahl bei niedrigen Frequenzen gemäß Anspruch 1 des Streitpatents abzuändern. Die in Dokument D6 beschriebene Regelung der Drehgeschwindigkeit sei ohne sachlichen Bezug zum Gegenstand des Streitpatents.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die vorliegenden Unterlagen des Patents in der erteilten Fassung sind im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu beanstanden. Insbesondere ist der Inhalt der erteilten Ansprüche 1 bis 8 durch die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 8 offenbart.

3. Die vorliegende Bezeichnung des Gegenstands des Anspruchs 1 als "Vorrichtung zur Drehzahlerfassung" anstelle einer das sachliche Ergebnis wiedergegebenden Formulierung - Vorrichtung zur Drehwinkeldifferenzerfassung - ist allenfalls ein Mangel an Deutlichkeit (Art. 84 EPÜ), der im Einspruchsverfahren aber nur dann zu prüfen ist, wenn der Patentinhaber Änderungen gemäß Artikel 102 (3) EPÜ vorgenommen hat, was nicht der Fall ist; vgl. auch die Entscheidung der Kammer T 23/86, ABl. EPA 1987, 316. Überdies ist es nach Auffassung der Kammer eine -auch den weiteren Anmeldungsunterlagen entnehmbare - glatte Selbstverständlichkeit, daß sich die Drehzahl aus der Drehwinkeldifferenz durch Division durch die Meßzeit ergibt; vgl. Pkt. VI-b. Ferner ist ein Fachmann ohne weiteres in der Lage zu erkennen, daß im Anspruch 1 des Streitpatents, Spalte 11, Zeile 53, statt "diese Maximalamplitude (Uo)" zu lesen ist "die Periodenlänge (o)".

4. Die in der Beschwerdebegründung von der Beschwerdeführerin neu entgegengehaltenen Dokumente D4, D5 und D6 werden nicht von Amts wegen in das Verfahren eingeführt. Eine Überprüfung hat ergeben, daß deren Berücksichtigung zu keiner anderen Entscheidung führen würde. Auf dieses verspätete Vorbringen braucht deshalb in den folgenden Entscheidungsgründen nicht näher eingegangen zu werden; vgl. T 122/84, ABl. EPA 1987, 177, insb. Nr. 13. Dokument D4 betrifft nämlich die Berechnung der momentanen Winkellage einer Drehwelle aus den um 90° phasenversetzten Signalen zweier Drehgeber und offenbart vor allem nicht, daß der momentane Drehwinkel gegenüber einer Referenzstellung mit Hilfe der momentanen Amplitude eines einzigen digitalen Inkremental-Drehgebers erfaßbar ist. Dokument D5 weist nur die Definition der Winkelgeschwindigkeit nach, ohne die Winkeldifferenz zweier Drehwellenlagen in Beziehung mit dem digitalen Restfehler zu bringen. In der Vorrichtung gemäß Dokuemnt D6 wird die momentane Amplitude des Drehgebers nicht zur Erfassung des digitalen Restfehlers gespeichert, sondern sofort zur Regelung der Drehgeschwindigkeit mit einem vorgegebenen Sollwert verglichen.

5. Neuheit

5.1. Das Streitpatent geht davon aus, daß eine Vorrichtung zur Drehzahlerfassung einer Drehwelle mit dem im ersten Teil des Anspruchs 1 genannten Merkmalen a) und b) zu einem druckschriftlich nicht belegten Stand der Technik gehört. Eine derartige Vorrichtung ist aber aus dem im Recherchenbericht genannten Dokument US-A-3 757 167 (D7) bekannt; vgl. die Figur 4, den digitalen Inkremental-Drehgeber 3, 4 und das Zählwerk 8. Dieser bekannten Vorrichtung fehlen die Merkmale c) bis e) des Anspruchs 1. Sie ermittelt vielmehr die Drehzahl aus der gezählten Anzahl n der Periodenlängen (d. h. aus der Anzahl von Zählimpulsen beim Durchlaufen von Referenzstellungen) und aus der Zeit, die zum Durchlaufen der vollen Anzahl n von Periodenlängen am Drehgeber gebraucht wird. Dazu werden über eine Torschaltung von der Flanke des ersten bis zur Flanke des n + 1-ten Zählimpulses Taktgeberpulse (13, 15, 10) gezählt.

5.2. Aus Dokument D1 ist eine Vorrichtung zur Drehwinkelmessung bekannt, die das Merkmal a) und, abgesehen von der Erfassung eines Meßzeitraums, das Merkmal b) des Anspruchs 1 aufweist; vgl. Bild 4.34 und 4.35 auf Seite 301. Dabei kann offen bleiben, ob diese bekannte Lichtstrahltaktung mit Hilfe einer Lochscheibe am Ausgang der Photodiode FD zu einem sich "wenigstens abschnittsweise stetig ändernden Winkelsignal" führt, "dessen momentane Amplitude jeweils dem momentanen Drehwinkel gegenüber einer Referenzstellung entspricht". Die Merkmale c) bis e) des Anspruchs 1 sind hieraus nicht bekannt. Jedoch ist aus dem Dokument D1, insbesondere Seite 274, 275 und 283 bis 285 in Verbindung mit Bild 4.18 und 4.23 ein Interpolationsverfahren zur Berücksichtigung des digitalen Restfehlers bei einer Frequenzmessung bekannt, bei dem aber weder ein Speicher gemäß Merkmal d) noch ein Rechenwerk gemäß Merkmal e) des Anspruchs 1 benutzt werden. Vielmehr werden die Zeitintervalle der zu Meßbeginn und -ende nicht voll durchlaufenen Periodenlängen (digitaler Restfehler) nach Meßende über eine zeitproportionale Auf-und Entladung von Kondensatoren mit unterschiedlicher Zeitkonstante um einen vorgebbaren Faktor gedehnt; anschließend mit Hilfe der zu messenden Frequenz ausgezählt und durch den Dehnungsfaktor dividiert.

5.3. Dokument D3 beschreibt nur die Verwendung der Merkmale a) und b) des Anspruchs 1 bei digitalen Längenmeßverfahren (vgl. D3, Bild 9-11) und geht bei der Behandlung des digitalen Restfehlers nicht über den allgemeinen Hinweis hinaus, unterhalb des digitalen Meßschritts eine analoge Messung vorzunehmen; vgl. Seite 40, Kapitel 4.

Dokument D2 erläutert einige digitale Inkremental-Drehgeber gemäß Merkmal a) des Anspruchs 1 und beschränkt sich hinsichtlich der Weiterverwendung des Winkelsignals (Drehgeberausgang) auf die Angabe, daß ein Sinussignal gegenüber einem Rechtecksignal erlaubt, durch Interpolation eine höhere Auflösung zu erreichen (vgl. D2, Seite 35, linke Spalte, Abs. 2) ohne jedoch aufzuzeigen, wie die Interpolation im einzelnen vorzunehmen ist.

5.4. Aus dem in der Beschreibung des Streitpatents gewürdigten Dokument US-A-3 829 785 (D8) ist keines der Merkmale a) bis e) des Anspruchs 1 bekannt. Dieses Dokument behandelt eine digitale Frequenzmessung mit zwei Zählern, von denen einer - ähnlich wie in Dokument D1 - die Zeitintervalle der zu Meßbeginn und -ende nicht voll durchlaufenen Periodenlängen mißt, und zwar durch Zählung der Pulse eines Taktgebers, dessen Frequenz sehr viel größer als die auszumessende Frequenz ist; vgl. D8, Fig. 1 und 2.

Das ferner im Recherchenbericht genannte Dokument US-A-3 882 402 (D9) betrifft die Verwendung der Ausgangssignale eines digitalen Drehgebers zur allmählichen Abbremsung eines Stellkopfs auf seine Soll-Lage (vgl. D9, Sp. 1, Z. 28-35) und liegt somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 weiter entfernt.

5.5. Der Gegenstand des Anspruchs des Streitpatents ist somit im Sinne von Artikel 54 EPÜ neu.

6. Erfinderische Tätigkeit

6.1. Nach Auffassung der Kammer stellt Dokument US-A-3 757 167 (D7) den dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommenden Stand der Technik dar, insbesondere da diese Vorrichtung eine nicht mit einem digitalen Restfehler im Sinne von Punkt VI a) behaftete Drehzahl erfaßt. Ausgehend von Dokument D7 liegt dem Streitpatent objektiv die Aufgabe zugrunde, eine Vorrichtung zu schaffen, die es ermöglicht, auch dann eine hochgenaue Drehzahl zu messen, wenn die Drehwelle während der Meßzeit zum Stillstand kommt; vgl. das Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 50-54. Bei der aus Dokument D7 bekannten Vorrichtung ist nämlich die korrekte Erfassung der Drehzahl daran gebunden, daß die Drehwelle ihre Winkelgeschwindigkeit nach Durchlaufen der letzten vollen innerhalb der Meßzeit liegenden Periodenlänge eines Zählimpulses auch über die Meßzeit hinaus konstant beibehält. Denn die Zeitspanne zum Durchlaufen dieser letzten vollem Periodenlänge wird um einen Zählimpuls verzögert, um das über die Meßzeit hinausgehende Zeitintervall bis zum nächsten Zählimpuls, d. h. bis zum Erreichen des auf das Meßzeitende folgenden nächsten Durchlaufs einer vollen Periodenlänge zu bestimmen; vgl. D7, Fig. 3 in Verbindung mit Sp. 2, Z. 51 bis Sp. 3, Z. 18. Kommt die Drehwelle gegen Ende der Meßzeit zum Stillstand, geht die Zeitspanne zum Durchlaufen der letzten vollen Periodenlänge gegen unendlich und das Meßprinzip der aus Dokument D7 bekannten Vorrichtung versagt.

6.2. Die vorstehend genannte Aufgabe wird durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 definierten Merkmale d) bis e) gelöst. Das bedeutet im Hinblick auf das Meßprinzip gegenüber der aus Dokument D7 bekannten Vorrichtung, daß die Ergänzung der Meßzeit auf volle Periodenlängen ersetzt wird durch eine örtliche Interpolation der realen Winkellagen der Drehwelle bei Meßbeginn und -ende. Die Winkellage einer Drehwelle ist auch bei ihrem Stillstand zu Beginn und Ende der Messzeit eindeutig abtastbar. Dem im vorliegenden Verfahren genannten Stand der Technik ist - wie nachfolgend gezeigt wird - keinerlei Hinweis zu entnehmen, die auf die Referenzstellungen bezogenen Drehwinkel (bzw. die Amplituden des Ausgangssignals des Drehgebers) zu Meßbeginn und -ende abzufragen und aus ihrer Differenz eine Korrekturgröße für den digitalen Restfehler zu bilden, die zur Anzahl der Zählimpulse für voll durchlaufene Periodenlängen hinzuzuaddieren ist.

6.3. Die im Dokument D1 in Verbindung mit den Bildern 4.18 auf Seite 274 und 4.23 auf Seite 284 beschriebene Korrektur des digitalen Restfehlers ist ebenfalls ein zeitliches Interpolationsverfahren.

Es mißt die Bruchteile der unvollständigen Periodenlängen vor und nach den während der Meßzeit vollständig erfaßten Periodenlängen einer zu bestimmenden unbekannten Frequenz, in dem es diese Bruchteile um einen festen Faktor zeitlich dehnt, mit der zu bestimmenden Frequenz auszählt und diesen Zählwert durch den Dehnungsfaktor dividiert. Dieses Interpolationsverfahren setzt also voraus, daß die zu bestimmende unbekannte Frequenz nicht nur während der Meßzeit sondern auch anschließend beim Auszählen der gedehnten Bruchteile zeitlich konstant bleibt. Nach Auffassung der Kammer ist dem Fachmann klar, daß dieses aus Dokument D1 bekannte Korrekturprinzip bei der Drehzahlerfassung mit Hilfe der in Figur 4.34 auf Seite 301 von Dokument D1 dargestellten Vorrichtung nur dann einsetzbar ist, wenn die Winkelgeschwindigkeit der Drehwelle während der Meßzeit und anschließend zum Auszählen der gedehnten Bruchteile zeitlich konstant bleibt. Somit vermag Dokument D1 entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin (siehe Pkt. VI-a) dem Fachmann keine Anregung zu geben, wie bei einer zeitlich variablen oder gar - in Analogie zum Drehwellenstillstand - bei einer gegen null gehenden zu bestimmenden Frequenz der digitale Restfehler zu korrigieren ist.

6.4. Zwar gibt Dokument D3 auf S. 40 den allgemeinen Hinweis, unterhalb eines digitalen Meßschritts durch analoge Messung die Meßgenauigkeit zu erhöhen, erwähnt aber als analoge Winkelmeßverfahren nur Drehmelder nach dem Tacho-Dynamo-Prinzip (vgl. D3, Bild 14), die - wie in der Beschreibungseinleitung, Spalte 1, Zeilen 22-36, dargelegt - bei niedrigen Drehzahlen ungenau sind. Vor allem aber vermittelt Dokument D3 die Lehre, daß das analoge Signal "innerhalb einer jeden Periode" auszuwerten ist (vgl. D3, Seite 43, linke Spalte, Abs. 1) und lenkt damit nach Auffassung der Kammer den Fachmann davon ab, die Analogmessung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents auf Beginn und Ende der Meßzeit zu beschränken.

6.5. Des weiteren vermag die Kammer dem Argument der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, daß ein Fachmann aus der zu seinem Fachwissen gehörenden Definition der Winkelgeschwindigkeit in naheliegender Weise zu folgern vermag, den digitalen Restfehler durch die Winkeldifferenz der Drehwellenlage bei Meßbeginn und -ende zu korrigieren (siehe Punkt VI-b). In der Definitionsgleichung der Winkelgeschwindigkeit charakterisiert die Winkeldifferenz die während der Meßzeit insgesamt zurückgelegte Wegstrecke. Vor allem aber legt nach Meinung der Kammer die Definitionsgleichung der Winkelgeschwindigkeit einem Fachmann nicht nahe, bei Beginn und Ende der Messung Momentanwerte der Winkellage einer Drehwelle abzutasten, um ein Interpolationsverfahren für den digitalen Restfehler zu schaffen, das auch mit hoher Genauigkeit anwendbar ist, wenn die Drehwelle während der Meßzeit zum Stillstand kommt.

6.6. Dieses Korrekturprinzip ist auch aus den weiteren im Einspruchsverfahren oder Recherchenbericht genannten Dokumenten nicht herzuleiten. Die Dokument D2 entnehmbare Lehre geht über den allgemeinen Hinweis nicht hinaus, zur Erhöhung der Meßgenauigkeit einen Drehgeber mit Sinusausgang zu verwenden. Die aus Dokument US-A-3 829 785 (D8) bekannte Vorrichtung mißt die vor und nach den vollen Periodenlängen liegenden Bruchteile der unvollständigen Perioden mit Hilfe eines zusätzlichen Taktgebers auf einem zweiten Zähler separat aus, um die bei langen Meßzeiten notwendige hohe Zählerkapazität herabzusetzen. Die aus Dokument US-A-3 882 402 (D9) bekannte Vorrichtung steuert mit Hilfe eines Drehgebers die allmähliche Abbremsung eines Stellkopfs auf seine Soll-Lage. Hieraus sind somit offensichtlich keine Anregungen in Richtung der beanspruchten Lösung der oben definierten Aufgabe zu gewinnen.

6.7. Aus den vorstehend genannten Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.

7. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 und sind die Gegenstände der von ihm abhängigen Ansprüche 2 bis 8 patentfähig (Artikel 52 EPÜ).

8. Es ist auch nicht ersichtlich, daß etwa ein anderer der in Artikel 100 EPÜ aufgeführten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in unveränderter Form entgegen stünde.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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