European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T048889.19910621 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Juni 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0488/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82103216.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16K 3/08 F16K 27/00 F16K 11/06 C04B 35/36 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Ventilscheibe | ||||||||
Name des Anmelders: | Hoechst Ceram Tec AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | 1) Feldmühle AG 2) Didier-Werke AG |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Clear and complete disclosure (yes) Remittance to the Opposition Division Deutliche und vollständige Offenbarung (bejaht) Zuruckverweisung an die Einspruchsabteilung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 82 103 216.6, die am 16. April 1982 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung vom 28. April 1981 (DE-3 116 801) angemeldet worden war, wurde das europäische Patent Nr. 0 063 762 erteilt. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 3. Juli 1985 bekanntgemacht.
II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 01 und 02) am 26. März 1986 bzw. am 1. April 1986 Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da dessen Gegenstand den Voraussetzungen des Artikels 100 a) EPÜ nicht entspreche.
III. In der Widerrufsentscheidung vom 5. Juni 1989 wurde beanstandet, daß die Angaben der Ansprüche 1 und 2 nicht miteinander in Einklang seien, weil die in Anspruch 2 definierte Dichte von 2,95 und 3,05 g/cm3 bei Siliciumgehalten von 8 bis 30 Gew.-%, wie in Anspruch 1 definiert, nicht realisierbar seien. Insbesondere stimme dabei die definierte Untergrenze des Siliciumgehaltes von 8 Gew.-% nicht mit der definierten Obergrenze der Dichte von 3,05 g/cm3 überein. Somit wisse der Fachmann nicht, welche Erfindung nun geschützt werde, und folglich könne er eine derartige Erfindung nicht ausführen. Das Patent wurde daher wegen mangelnder Ausführbarkeit gemäß Artikel 100 b) EPÜ widerrufen.
IV. Der der Widerrufsentscheidung zugrunde liegende Anspruch 1 des angefochtenen Patents hat folgenden Wortlaut:
"Ventilscheibe aus Siliciumcarbidmaterial für Steuerelemente zur Regulierung von Flüssigkeitsströmen, insbesondere für sanitäre Mischventile, dadurch gekennzeichnet, daß das Siliciumcarbidmaterial aus 70 bis 90 Gew.-% Siliciumcarbid und 8 bis 30 Gew.-% Silicium mit einem Gehalt an freiem Kohlenstoff von maximal 0,2 Gew.-% besteht und einen Volumenanteil an geschlossenen Poren von maximal 0,1 % enthält."
Anspruch 2, der im Verfahren ebenfalls eine Rolle spielt, lautet wie folgt:
"Ventilscheibe nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Siliciumcarbidmaterial im gesinterten Zustand eine Dichte von 2,95 bis 3,05 g/cm3 aufweist."
V. Gegen den Widerruf des Patents hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr am 21. Juli 1989 Beschwerde eingelegt.
In der am 1. September 1989 eingereichten Beschwerdebegründung trug sie vor, daß im vorliegenden Anspruch 1 ein Widerspruch nicht enthalten sei, denn darin sei lediglich die Gewichtsverteilung von Siliciumcarbid und Silicium angegeben, und es könne somit keine Rede davon sein, daß der Fachmann nicht wisse, welche Erfindung geschützt sei.
Ein Widerspruch zwischen Anspruch 1 und Anspruch 2 bestehe ebenfalls nicht. Der im Anspruch 2 angegebene Dichtebereich des Siliciumcarbidmaterials im gesinterten Zustand von 2,95 bis 3,05 g/cm3 liege klar innerhalb des Dichtebereichs, der durch die Mengenangaben im Anspruch 1 definiert sei. Es sei im Anspruch 2 demnach ein kleinerer Bereich aus dem durch den Anspruch 1 gegebenen größeren Bereich herausgegriffen. Hier liege der klassische Fall eines Unteranspruchs vor, der einen engeren Umfang als der Anspruch 1 aufweise und eine bevorzugte Ausgestaltung des Gegenstands des Anspruchs 1 beinhalte.
Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den erteilten Ansprüchen aufrechtzuerhalten.
V. Die Beschwerdegegnerin I (Einsprechende 01) beantragt mit der Eingabe vom 7. November 1989, die Beschwerde zurückzuweisen und den Widerruf des Patents Nr. 63 762 zu bestätigen.
Sie macht geltend, daß der Gegenstand des Patents, wie er in den Ansprüchen definiert ist, neuheitsschädlich von der mit dem Einspruchsschriftsatz vom 20. März 1986 dokumentierten offenkundigen Vorbenutzung getroffen sei. Er werde ferner nahegelegt durch die Entgegenhaltungen
(1) US-A-3 837 356
(2) Ceranox CS. Prospekt des Annawerkes vom Janur 1980
(3) ANNASIBID Siliziumkarbid, Technisches Merkblatt, Ausgabe 9/76
(4) TRG-Report 2588 (s), "The fabrication of REFEL SILICON CARBIDE components by isostatic pressing" vom 21. Juni 1974 Die Beschwerdegegnerin II (Einsprechende 02) hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
VI. Mit Bescheid vom 7. Februar 1991 hat die Beschwerdekammer den Parteien mitgeteilt, daß sie der Ansicht sei, daß der von der Einspruchsabteilung vorgebrachte Widerrufsgrund nicht zutreffe. Da die Einspruchsabteilung die materiellen Patentierbarkeitserfordernisse noch nicht geprüft habe, erachte die Kammer es als angebracht, die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Fehler im Anspruch 1 und in der Beschreibung des Patents
2.1. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung wurde mit Bezug auf die ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung festgestellt, daß das Patent EP-B-63 762 zwei Fehler enthalte, und zwar sollte in Anspruch 1 die Obergrenze des Siliciumcarbidgehalts statt 90 Gew.-%, 92 Gew.-% lauten und in der Beschreibung die Obergrenze der Dichte des Siliciumcarbidmaterials in gesintertem Zustand statt 3,06 g/cm3, 3,05 g/cm3, wie im Anspruch 2 definiert, angegeben sein, (siehe den Berichtungsantrag vom 17. Dezember 1986 und die Bescheide vom 4. August 1987 bzw. 1. Juni 1988, Punkt 3).
2.2. Daß Anspruch 1 des Streitpatents einen Fehler enthält, erkennt der Fachmann nach Auffassung der Kammer ohne weiteres beim Lesen des Anspruchs, denn die Obergrenze des Siliciumcarbidgehalts von 90 Gew.-% und die Untergrenze des Siliciumgehalts von 8 Gew.-% summieren sich nicht zu 100 %.
Obwohl die Beschreibung des Patents keine direkte Information zur Beseitigung dieses durch einen Schreibfehler entstandenen Widerspruchs enthält, wird in Spalte 1, Zeilen 29 bis 31 auf die Parallelanmeldung EP-A- 64 606 hingewiesen (am 17. November 1982 veröffentlicht), die "einen homogenen Fremdkörper aus einem Siliciumcarbidmaterial gemäß der vorliegenden Erfindung offenbart". Dieser Hinweis erlaubt es dem Fachmann ohne weiteres aus dieser Veröffentlichung festzustellen, daß 92 Gew.-% statt 90 Gew.-% die richtige Obergrenze des Siliziumgehalts darstellt (siehe Anspruch 1 der EP-A- 64 606), wie dies auch in den ursprünglichen Unterlagen angegeben war.
Bei diesem Fehler handelt es sich daher um einen offensichtlichen Fehler, dessen eventueller Berichtigung nach Regel 88 EPÜ nichts im Wege stünde, wenn das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten wäre.
2.3. Was den Widerspruch der Obergrenze der Dichte in der Beschreibung und Anspruch 2 anbelangt, stellt die Kammer fest, daß er auf einen Fehler beim Druck der Patentschrift zurückgeht, der nach Regel 89 EPÜ ohne weiteres berichtigt werden kann.
3. Deutliche und vollständige Offenbarung der Erfindung
3.1. Die Einspruchsabteilung hat in der Widerrufsentscheidung beanstandet, daß aufgrund der Tatsache, daß ein Minimum- Siliciumgehalt von 8 Gew.-% einer Dichte von 3,116 g/cm3 entspricht, die definierte Untergrenze des Siliciumgehalts von 8 Gew.-% nicht mit der in Anspruch 2 definierten Obergrenze der Dichte von 3,05 g/cm3 übereinstimmt. Der Fachmann wisse daher nicht, ob nun die Untergrenze von 8 Gew.-% Silicium richtig sei oder ob die Angabe der Dichte von 3,05 g/cm3 (was einem Siliciumgehalt von mehr als 8 Gew.-% entspricht) richtig sei.
Somit wisse der Fachmann nicht, welche Erfindung nun geschützt wird, und folglich könne er eine derartige Erfindung nicht ausführen.
3.2. Die Kammer stellt fest, daß Anspruch 1 für sich gesehen keinen Zweifel über die Ausführbarkeit aufkommen läßt, denn er beschreibt eine Zusammensetzung eines Siliciumcarbidmaterials unter Angabe eines vom Fachmann ohne weiteres realisierbaren Gehalts an freiem Kohlenstoff im Silicium und Beschränkung auf einen Volumenanteil an geschlossenen Poren im (gesinterten) Siliciumcarbidmaterial, dessen Verwirklichung dem Fachmann ebenfalls möglich sein dürfte. Von den Einsprechenden wurden diesbezüglich jedenfalls keine Einwände erhoben. Der von der Einspruchsabteilung vorgebrachte Einwand kann daher nur so verstanden werden, daß Anspruch 2 die Richtigkeit der Angaben in Anspruch 1 im Hinblick auf das Erreichen bestimmter Eigenschaften in Frage stellt.
Abgesehen davon, ob ein solcher Einwand die Ausführbarkeit der in Anspruch 1 definierten Erfindung berühren könnte, kann die Kammer den seitens der Einspruchsabteilung festgestellten Widerspruch zwischen Anspruch 1 und Anspruch 2 nicht sehen.
Wie bei der Abfassung von Patentansprüchen üblich, können zu jedem Patentanspruch, der die wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergibt, ein oder mehrere Patentansprüche aufgestellt werden, die sich auf besondere Ausführungsarten dieser Erfindung beziehen (Regel 29 (3) EPÜ).
Nach Auffassung der Kammer ist die in Anspruch 2 definierte Dichte, wie auch von der Beschwerdeführerin vorgebracht, klar als bevorzugte Ausgestaltung des Gegenstands nach Anspruch 1 zu verstehen, wobei der angegebene Dichtebereich von 2,95 bis 3,05 g/cm3 für den Fachmann offensichtlich innerhalb des Dichtebereichs liegt, der durch die Angaben in Anspruch 1 definiert ist. In diesem Zusammenhang kann auf die von der Beschwerdegegnerin (Einsprechende 01) im Einspruchsverfahren genannten Dokumente 2 und 3 hingewiesen werden, die offenbaren, daß bei Materialien mit einer im beanspruchten Bereich liegenden Gewichtsverteilung Dichten von 3 bis 3,05 g/cm3 bzw. 2,9 bis 3,1 üblich sind.
Von einer Unvereinbarkeit der Angaben in den Ansprüchen 1 und 2, die möglicherweise den Inhalt des Anspruchs 1 und die in Anspruch 1 definierte Erfindung fragwürdig erscheinen lassen würden, kann daher ebenfalls nicht die Rede sein.
3.3. Da auch sonst nichts ersichtlich ist, das die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung in Zweifel ziehen könnte, erfüllt das Patent nach Auffassung der Kammer die Erfordernisse des Artikels 100 b) EPÜ. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben.
4. Die Kammer stellt ferner fest, daß im vorliegenden Fall die Einspruchsabteilung die materiellen Patentierbarkeitserfordernisse, insbesondere die der Artikel 54 und 56 EPÜ, noch nicht geprüft hat. Sie erachtet es daher zur Vermeidung eines Instanzenverlustes für notwendig, die Sache gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zur Durchführung dieser Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Erstinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Einspruchsverfahren fortzusetzen.