European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1991:T047289.19910625 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 Juni 1991 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0472/89 | ||||||||
Anmeldenummer: | 82106463.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B03B 9/06 C10L 5/46 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | |||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Aufbereitung der zu brikettierenden brennbaren Fraktion von Hausmüll und Anlage zur Durchführung des Verfahrens | ||||||||
Name des Anmelders: | Mannesmann VEBA Umwelttechnik | ||||||||
Name des Einsprechenden: | ORFA Technology | ||||||||
Kammer: | 3.2.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Inventive step (yes); interpretation of a claim in the light of description and drawings Erfinderische Tätigkeit (bejaht); Auslegung eines Anspruchs im Lichte der Beschreibung und der Zeichnung |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 17. Juli 1982 angemeldete und am 26. Januar 1983 veröffentlichte Patentanmeldung 82 106 463.1 wurde am 15. Oktober 1986 das europäische Patent Nr. 0 070 546 mit drei Ansprüchen erteilt.
II. Die Ansprüche 1 bis 3 des Streitpatents haben folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum Aufbereiten der auf möglichst 8 bis 10 % Restfeuchte getrockneten brennbaren Fraktion von Hausmüll, wobei der Hausmüll zunächst einer Grobzerkleinerung und einer Abtrennung der Schwermaterialien unterworfen wird und anschließend eine Feinsiebung erfolgt, dadurch gekennzeichnet, daß die brennbare Fraktion nach dem Heraussieben der nicht brennbaren Feinanteile im Trockenzustand zerfasert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß nach der Zerfaserung Kunststoffteilchen ausgesiebt werden.
3. Anlage zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie im Anschluß an einen Trockner ein Feinsieb (3), eine Zerfaserungsmaschine (7) und ein Grobsieb (11) aufweist."
III. Gegen das vorgenannte Patent hat die Firma ORFA TECHNOLOGY AG (nachfolgend Beschwerdeführerin) Einspruch eingelegt.
Der Einspruch war gestützt auf die Druckschriften
(D1) CH-A-331 132
(D2) DE-A-2 508 476
(D3) CH-A-620 256 und
(D4) "Recycling Berlin '79", Band 2, Seiten 1039 bis 1048 (E. Freitag, Verlag für Umwelttechnik, Berlin 1979).
Es wurde fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Streitpatentschrift geltend gemacht, und zwar im Lichte des Dokuments (D2) bzw. der Dokumente (D3) und (D4). Zum erteilten Anspruch 2 wurde auf das Dokument (D4) verwiesen und zu Anspruch 3 der Streitpatentschrift wurde festgestellt, daß er nach Fall der übergeordneten erteilten Ansprüche 1 und 2 kein selbständiges Patent rechtfertigen könne.
IV. Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 1989 aufgrund des Artikels 102 (2) EPÜ zurückgewiesen, wobei die schriftlich begründete Entscheidung am 15. Juni 1989 erging.
V. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung richtet sich die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 20. Juli 1989 -die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig entrichtet - die am 16. Oktober 1989 begründet wurde. Es wurde ausgeführt, daß der Inhalt des genannten Standes der Technik und die daraus zu ziehenden Folgerungen seitens der Einspruchsabteilung nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt worden seien. Es sei weiterhin logisch, nichtbrennbare Bestandteile auszuscheiden. Andererseits stellten die Angabe einer Restfeuchte von "möglichst" 8 bis 10 % und die Tatsache der fehlenden Angabe der Kunststoffaussonderung im erteilten Anspruch 1 Unstimmigkeiten dar. Vom Dokument (D1) ausgehend, könne darüber hinaus bei gebührender Berücksichtigung der Dokumente (D4) und (D2) bzw. des Dokuments (D3) im Anspruch 1 bzw. 2 keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden, wobei dann Anspruch 3 ebenfalls fallen müßte.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) widersprach diesem Vorbringen und verteidigt das Patent in seiner erteilten Fassung.
Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11(2) VOBK fand am 25. Juni 1991 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in der die Beteiligten ihre Argumente im wesentlichen wiederholten. Insbesondere machte die Beschwerdeführerin den Klarheitseinwand gemäß Artikel 84 EPÜ geltend - da das Brikettieren im erteilten Anspruch 1 ebenso fehle wie im erteilten Anspruch 3 - ferner den Einwand unter Artikel 56 EPÜ im Hinblick auf das Dokument (D2) bzw. (D4) bzw. auf die Kombination der Dokumente (D2) und (D4), wobei das Dokument (D3) insofern relevant sei, als es hieraus bekannt sei, für das Zerkleinern einer Fraktion des Hausmülls im Sinne eines "Zerfaserns" eine Schneidmühle mit scharfen Messern einzusetzen.
Im Lichte der Dokumente (D2) bis (D4) gesehen, kann nach Auffassung der Beschwerdeführerin eine neue Reihenfolge der an sich bekannten Verfahrensschritte des erteilten Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Mit Blick auf das Dokument (D2) wurde noch dargelegt, daß ein Widerspruch zwar vorliegen möge - Anspruch 5 gegenüber dem restlichen Inhalt des Dokumentes - daß es aber nicht darauf ankommen könne, was dieses Dokument offenbare, sondern darauf, zu was es den Fachmann anrege.
Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen mit dem Hinweis auf die Widersprüchlichkeit des Dokuments (D2) und auf die vom Anspruch 1 abweichenden Zerkleinerungsschritte gemäß den Dokumenten (D4) und (D3), nämlich Zerschneiden bzw. Mahlen anstelle von Zerfasern, sowie auf die Bedeutung der Reihenfolge der im einzelnen beanspruchten Verfahrensschritte. Dem Einwand unter Artikel 84 EPÜ (fehlendes "Brikettieren" im Anspruch 1) wurde Artikel 69 EPÜ entgegengehalten, und diesbezüglich vor allem der Wortlaut der Aufgabenstellung gemäß Streitpatent zitiert.
Die Beschwerdegegnerin bot im Rahmen eines Hilfsantrags an, den erteilten Anspruch 1 um den Verfahrensschnitt "Brikettieren" zu ergänzen, sie beantragt aber gemäß Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde, d. h. den unveränderten Bestand des Streitpatents.
Die Beschwerdeführerin hingegen beantragt weiterhin den Widerruf des Patents.
Nach Beratung verkündete der Vorsitzende die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Artikel 123 EPÜ Anspruch 1 stellt eine Zusammenfassung der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 1 und der ursprünglichen S. 3, Z. 1 bis 4 (zunächst Grobzerkleinerung und Abtrennung von Schwermaterialien) und der ursprünglichen S. 3, Z. 9 bis 11 (anschließende Feinsiebung) dar.
Anspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 2 und Anspruch 3 dem ursprünglichen Anspruch 3.
Das erteilte Schutzbegehren genügt somit den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ und da es in seiner erteilten Fassung verteidigt wird, ergibt sich auch kein Einwand unter Artikel 123 (3) EPÜ.
3. Interpretation des Anspruchs 1:
3.1. Anspruch 1 als unabhängiger Verfahrensanspruch des Streitpatents ist nicht besonders deutlich abgefaßt, zum einen, weil die einzelnen Verfahrensschritte nicht in ihrer tatsächlichen Reihenfolge genannt werden, nämlich:
1) Grobzerkleinerung des Hausmülls
2) Abtrennen der Schwermaterialien (Metall, Glas, Steine ...)
3) Trocknen des verbleibenden Hausmüllanteils, d. h. ohne Schwermaterialien, auf möglichst 8 bis 10 % Restfeuchte
4) Heraussieben der nichtbrennbaren Feinanteile (Asche ...) aus dem Hausmüllanteil ohne Schwermaterialien und
5) Zerfasern der getrockneten, schwermaterialfreien und von unbrennbaren Feinanteilen befreiten Hausmüllkomponente, und zum anderen, weil die Merkmale durch die zweiteilige Fassung dieses Anspruchs auch noch auseinandergerissen werden. Gemäß "Richtlinien" C III, 2.3, insbesondere Abschnitte "i" und "ii", ist klargestellt, daß die zweiteilige Fassung eines Anspruchs, Regel 29 (1) a) und b) EPÜ, dann anzuwenden ist, wenn sie "zweckdienlich" ist. Dies ist im vorliegenden Fall offensichtlich nicht gegeben.
Trotzdem kann der Fachmann nach Auffassung der Kammer dem Anspruch 1 die tatsächlich beanspruchte Abfolge der einzelnen Verfahrensschritte in eindeutiger Weise entnehmen.
3.2. Bei unveränderter Verteidigung des Patents (Hauptantrag) ist der Anspruch 1 aber in seiner erteilten Fassung zu beurteilen.
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung zunächst einen Einwand unter Artikel 84 EPÜ (Klarheit) erhoben, weil ihrer Meinung nach das für die Lösung der Aufgabe wesentliche Merkmal "Brikettieren" hätte im unabhängigen Verfahrensanspruch aufgeführt werden müssen. Diesen Einwand hätte die Kammer im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin zu prüfen (Artikel 102(3) i. V. m. Regel 66 (1) EPÜ).
Die Kammer stimmt dieser Auffassung insoweit zu, als dann das Merkmal "Brikettieren" expressis verbis Anspruch 1 entnehmbar wäre. Trotz Fehlen dieses Merkmals im erteilten Anspruch 1 kann die Kammer jedoch einen Klarheitseinwand nicht als berechtigt anerkennen, weil der Anspruch 1 gemäß Artikel 69 (1) EPÜ im Lichte der Beschreibung und der Zeichnung zu sehen ist: Gemäß Sp. 1, Z. 61 ff. der Streitpatentschrift ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die brennbare Fraktion von Hausmüll so aufzubereiten, daß transportfeste und lagerfeste Briketts herstellbar sind (Fettdruck zur Hervorhebung). Damit ist schon der Erfindungsaufgabe das "Brikettieren" als unverzichtbarer Verfahrensschritt entnehmbar; da zudem der Schwerpunkt der Erfindung nicht im Verfahrensschritt "Brikettieren", sondern in der Aufbereitung der brennbaren Fraktion des Hausmülls liegt, ist das Brikettier-Merkmal ohne weiteres aus dem Anspruch 1 weglaßbar - ohne den Fachmann darüber im unklaren zu lassen, was als letzter Verfahrensschritt vorzusehen ist.
Die Beschreibung, vgl. Sp. 2, Z. 64 bis Sp. 3, Z. 15 der Streitpatentschrift, und die Zeichnung, vgl. Bezugszeichen "15" bis "20", erhellen zusätzlich, daß der letzte Verfahrensschritt das "Brikettieren" der brennbaren Hausmüll-Fraktion ist.
Anspruch 1 vermittelt somit eine klare und nachvollziehbare Lehre zum technischen Handeln im Sinne der Artikel 84 und 83 EPÜ, auch wenn in diesem Anspruch eine Zweckbestimmung in Richtung "Herstellung von Briketts" fehlt. Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß von den zwei Aufgabenaspekten, nämlich "Arbeiten ohne Bindemittel" und "hoher Heizwert", nur der letztere gelöst sei, kann daher nicht durchgreifen. Dies gilt auch für den weiteren Einwand, wonach Anspruch 1 auch auf das Herstellen von Platten (anstelle von Briketts) gelesen werden könnte, da Anspruch 1 wiederum im Lichte der Beschreibung und der Zeichnung, Artikel 69 (1) EPÜ, zu interpretieren ist und von daher keine Unklarheit zu sehen ist.
4. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ist neu; die Frage der Neuheit war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nicht mehr strittig, so daß sich weitere Überlegungen zu dieser Frage erübrigen.
5. Damit konzentriert sich die Frage der Patentfähigkeit des Gegenstands gemäß erteiltem Anspruch 1 ganz auf das Vorliegen, bzw. Nichtvorliegen erfinderischer Tätigkeit. In dieser Frage kommt die Kammer zu folgendem Ergebnis:
5.1. Es war unstrittig, daß das Dokument (D1) den gattungsnächsten Stand der Technik darstellt und daß von daher die Aufgabe der Erfindung zu definieren ist. Das Dokument (D1) offenbart ein Verfahren zum Aufbereiten einer brennbaren Fraktion von Hausmüll mit folgenden Verfahrensschritten: Sieben (d. h. Ausscheiden von Metall, Glas ...), Zerkleinern des verbleibenden Hausmüllanteils, ggf. weiteres Sieben, Verpressen (ohne Bindemittel) und ggf. Trocknen der brennbaren Fraktion, vgl. Figur und Patentanspruch sowie Unteransprüche 1 bis 3 des Dokuments (D1).
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 unterscheidet sich vom Verfahren nach dem Dokument (D1) durch die andere Reihenfolge der Verfahrensschritte, nämlich Trocknen auf möglichst 8 bis 10 % Restfeuchte, Feinsieben, d. h. Heraussieben der nichtbrennbaren Feinanteile und dem Zerfasern der brennbaren Fraktion.
5.2. Das Verfahren gemäß Dokument (D1) ist insofern nachteilig, als das weitere Sieben (Feinsieben) vor dem Trocknen des Materials erfolgt. Damit wird relativ feuchtes Material gesiebt, was den Nachteil hat, daß die Feinanteile am Trägermaterial haften und nicht separierbar sind. Für das fertige Brikett bedeutet dies wiederum eine Herabsetzung des Heizwertes, da die nichtbrennbaren Feinanteile im Brikett vorliegen.
Bedingt durch den sehr spät vorgenommenen Trocknungsvorgang beim Verfahren gemäß Dokument (D1) können die noch vorhandenen Feinanteile (Asche) als Bindemittel beim Brikettieren wirken.
5.3. Hiervon ausgehend liegt der Erfindung gemäß Sp. 1, Z. 61 bis Sp. 2, Z. 4 der Streitpatentschrift die folgende objektiv verbleibende technische Aufgabe zugrunde:
Aufbereiten des Hausmülls in Richtung Schwerstofffreiheit und Schaffung der Voraussetzungen für das Verpressen der trockenen und brennbaren Fraktion ohne Zugabe von Bindemitteln.
5.4. Erkennbar ist diese vorgenannte Aufgabe mit der Verfahrensfolge des erteilten Anspruchs 1 dadurch gelöst, daß erst getrocknet wird, daß dann die getrocknete Masse einem Feinsieben unterworfen wird, d. h. Absondern der nichtbrennbaren Feinanteile wie Asche usw., und daß schließlich die trockene und von nichtbrennbaren Feinanteilen befreite Fraktion zerfasert wird.
5.5. Damit wird die Wirkung erzielt, daß das Zerfasern in trockenem Zustand ausführbar ist, was zu langen Fasern der brennbaren Fraktion führt, so daß gleichzeitig die Voraussetzungen dafür geschaffen sind, ohne Bindemittel verpressen zu können. Hintergrund ist dabei, daß lange Fasern zu einem genügenden Verhaken der Teilchen der brennbaren Fraktion führen können, so daß damit Zusatzbindestoffe entbehrlich sind. Die Wirkung des Feinsiebens nach dem Trocknen und vor dem Zerfasern ist darin zu sehen, daß damit die nichtbrennbaren Feinanteile aus dem Material entnommen sind, d. h. weder beim Zerfasern stören, noch im Brikett den Heizwert negativ beeinflussen können. Anspruch 1 gibt somit eine vollständige und brauchbare Lösung der gestellten Aufgabe an.
5.6. Es ist nun zu untersuchen, ob dieses Vorgehen durch den im Beschwerdeverfahren diskutieren Stand der Technik, d. h. den Dokumenten (D1) bis (D4), nahegelegt ist oder nicht:
Das Verfahren gemäß Dokument (D1) kann schon deshalb keinen Hinweis auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 geben, weil dort der Verfahrensablauf nicht zu langfaserigen, brennbaren Teilchen hohen Heizwertes führt wie im Abschnitt 5.5 ausgeführt wurde.
Aber auch das Dokument (D2) vermag den vor der vorstehend genannten Aufgabe stehenden Fachmann nicht auf das Verfahren gemäß erteiltem Anspruch 1 hinzulenken. Wie die einzige Figur und der Anspruch 1 dieses Dokuments klar ausweisen, ist folgender Verfahrensablauf vorgesehen: Sichten im Zentripetal-Windsichter "5", d. h. Trennen in eine vegetabile Fraktion (in der Zeichnung linker Weg) und in eine anorganische Fraktion (in der Zeichnung rechter Weg), sodann Zerfasern im Bauteil "14" und schließlich Trocknen bei "12". Damit ist die Aufbereitung abgeschlossen; es folgt lediglich noch die Brikettierpresse "13". Die Auswertung dieses Verfahrensablaufs läßt erkennen, daß feuchtes Gut zerfasert wird, da das Trocknen erst nach dem Zerfasern eingeschaltet ist. Eine Feinsiebung getrockneten Gutes ist beim Verfahren gemäß Dokument (D2) zudem nicht vorgesehen, so daß davon ausgegangen werden muß, daß die nichtbrennbaren Feinanteile (Asche) im Verfahrensablauf mitgeschleppt werden und die Einrichtungen zum Zerfasern, zum Trocknen und zum Brikettieren durchlaufen, und zwar mit den im Zusammenhang mit dem Dokument (D1) genannten Nachteilen (u. a. Heizwertherabsetzung ...).
Die Beschwerdeführerin hat nun besonders auf Anspruch 5 des Dokuments (D2) abgestellt und aus der dortigen Aussage, daß das Trocknen vor dem leichten Zerfasern erfolgen könne, gefolgert, daß der Fachmann dies als Anregung dahingehend verstehen würde, diese Schrittfolge auf den Gegenstand des Dokuments (D1) zu übertragen.
Die Kammer vermag dieser Ansicht der Beschwerdeführerin - in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung -nicht zu folgen. Erkennbar ist Anspruch 5 des Dokuments (D2) nicht isoliert zu sehen, da er ein abhängiger Anspruch ist, der über Anspruch 4 auf Anspruch 1 rückbezogen ist. Anspruch 1 des Dokuments (D2) (als "Patentanspruch" bezeichnet) lehrt in enger Anlehnung an die Zeichnung und Beschreibung des Dokuments (D2) aber die Reihenfolge Windsichten in "5", Feinzerkleinern in "14" und Trocknen in "12" und mithin das Zerfasern vor dem Trocknen, vgl. auch Anspruch 20 des Dokuments (D2) bzw. S. 8, letzter Absatz (Zerfasern, Trocknen, Brikettieren ...) bzw. Zeichnung Bezugszeichen "5", "14" und "12". Auch die von der Beschwerdeführerin besonders angesprochene Textstelle gemäß S. 7, Abs. 2 gibt nichts anderes her, als das Sichten und dann das Trocknen, was insgesamt wiederum im Gegensatz zur Lehre des Anspruchs 1 steht.
Zusammenfassend stellt sich somit die Frage, wie Anspruch 5 des Dokuments (D2) zu werten ist: als Ausreißer oder als Anregung zu technischem Handeln, wie die Beschwerdeführerin vortrug.
In Anbetracht der Gesamtoffenbarung des Dokuments (D2) scheint die Version "Anregung" auf einer ex post- Betrachtungsweise dieses Dokuments zu basieren, für die das Dokument bei fachmännischer Auslegung dergestalt, daß nach der für den Fachmann entnehmbaren Lehre gefragt wird, keine Stütze bietet. Die Kammer kommt damit zu dem Ergebnis, daß vom Dokument (D2) keine Anregung in Richtung der im erteilten Anspruch 1 gegebenen Verfahrensfolge ausgehen konnte.
Selbst wenn aber Anspruch 5 des Dokuments (D2) als "Anregung für den Fachmann" aufgefaßt würde, würde immer noch die Feinsiebung nach dem Trocknen fehlen, d. h. die nichtbrennbaren Feinteilchen verblieben in der Fraktion und würden den Heizwert des Briketts herabsetzen. Genau dies ist aber gemäß Aufgabenstellung des Streitpatents zu vermeiden. Dieser Sachverhalt ist ein weiteres Indiz dafür, daß Dokument (D2) die Lehre des Anspruchs 1 nicht nahelegen kann.
5.7. Die weiter zu berücksichtigenden Dokumente (D3) und (D4) sind ebenfalls nicht dazu angetan, den Fachmann auf die Lehre des Anspruchs 1 hinzulenken.
Auf die Bedeutung des "Zerfaserns" beim Verfahren gemäß erteiltem Anspruch 1 wurde im Zusammenhang mit dessen vorteilhaften Wirkungen vorstehend schon hingewiesen. Etwas ganz anderes, nämlich ein "Zerschneiden" in scharfkantige Plättchen lehrt das Dokument (D3), vgl. S. 2, Z. 37 und S. 3, Z. 15 bis 18 und Z. 42 bis 44 bzw. Figur Bezugszeichen "16", und steht schon deshalb in krassem Widerspruch zur Lehre des erteilten Anspruchs 1. Da weiterhin auch erst das Zerteilen in der Einheit "16" und dann das Trocknen in der Einheit "18" vorgenommen wird, sind auch diese Verfahrensschritte gegenüber dem erteilten Anspruch 1 vertauscht. Da es aber auf die Einhaltung der Verfahrensfolge entscheidend ankommt, kann vom Dokument (D3) im Gegensatz zum Vortrag der Beschwerdeführerin keine Anregung zum Auffinden der Lehre des Anspruchs 1 ausgehen.
Es verbleibt auf das Dokument (D4) einzugehen. Dieses ist ganz klar auf zwei unterschiedliche Verfahren abgestellt, nämlich dasjenige, welches in S. 1039 bis 1042 und dasjenige, welches in S. 1043 bis 1045 aufgezeigt ist.
Das erstgenannte Verfahren arbeitet mit Versprödungsmittelzudosierung, vgl. S. 1040, Abs. 6 und Vermahlung zu Staub, vgl. S. 1042, Z. 3; zwischen dem Trocknen und Mahlen, vgl. Bild gemäß S. 1041 fehlt erkennbar das Aussieben einer nichtbrennbaren Fraktion. Was das Dokument (D4) also lehrt ist nicht das in Anspruch 1 beanspruchte Verfahren, da dort nicht versprödet und gemahlen wird (Staubbildung), sondern im Gegenteil Partikel mit Faserstruktur angestrebt werden.
Das zweitgenannte Verfahren gemäß Dokument (D4) arbeitet wiederum mit einer anderen Reihenfolge der Verfahrensschritte, nämlich Feinzerkleinern und dann erst Trocknen, vgl. S. 1043, letzter Absatz und zugehöriges Bild auf S. 1044 mit dem Ausschnitt "RDF-Anlage", insbesondere Bezugszeichen "30" (Schneidmühle), "32" (Stromtrockner) und "37" (Pelletpresse).
Da es sich um zwei völlig verschiedene Verfahren handelt, dürfen diese nicht in Kombination gesehen werden, dergestalt, daß die Beschreibung des einen auf das Stoffflußdiagramm des anderen projiziert wird.
Aber auch die Kombination von Dokument (D4) und (D3) führt nicht zum Verfahren des Anspruchs 1, da in beiden Fällen das Gut zerschnitten bzw. gemahlen und nicht zerfasert wird. Auch wenn in der Streitpatentschrift, vgl. Sp. 2, Z. 46 bis 50 bzw. Z. 51 bis 57, von einer rotierenden Walze 9, "die mit scharfen Werkzeugen bestückt ist" die Rede ist, erhellt das Streitpatent dennoch, daß ganz eindeutig zerfasert werden muß, um faserige Ränder zu schaffen, die widerstandsfähig genug sind, auf dem weiteren Transportweg größtenteils erhalten zu bleiben, d. h. sie stehen für den abschließenden Bindevorgang zur Verfügung, so daß zusätzliche Bindemittel entbehrlich sind (vgl. Aufgabe der Streitpatentschrift).
Die bloße Ähnlichkeit der Werkzeuge beim Streitpatent und bei den Dokumenten (D4) und (D3) darf aber nicht zu dem Fehlschluß verleiten, daß auch die Zerkleinerungsprinzipien übereinstimmend wären, da beim Dokument (D3) ganz eindeutig ein Zerschneiden und da beim Dokument (D3) in der ersten Verfahrensvariante ganz eindeutig ein Mahlen vorliegt.
Bei dieser Sachlage vermögen somit auch die Dokumente (D3) und (D4) nicht als nacharbeitbare Vorbilder zur Schaffung des Verfahrens gemäß erteiltem Anspruch 1 zu dienen.
5.8. Vorstehende Überlegungen verdeutlichen, daß die Dokumente (D1) bis (D4) nicht auf den Gegenstand des Anspruchs 1 hinführen.
Sie offenbaren wohl Teilmerkmale des erteilten Anspruchs 1, mehr nicht. Da Anspruch 1 aber ganz klar auf die Kombination von Merkmalen im Sinne einer unbedingten Einhaltung der Reihenfolge der einzelnen Verfahrensschritte abgestellt ist, ist dieser Umstand unbeachtlich.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht damit auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ und der erteilte Anspruch 1 ist somit rechtsbeständig. Gleiches gilt für den abhängigen Verfahrensanspruch, welcher vom erteilten Anspruch 1 mitgetragen wird.
5.9. Der erteilte Anspruch 3 (Vorrichtungsanspruch) gibt die wesentlichen Vorrichtungsmerkmale zur Durchführung des Verfahrens nach dem erteilten Anspruch 2, nämlich Trockner, Feinsieb, Zerfaserungsmaschine und Grobsieb, an. Es ist erkennbar, daß damit die Verfahrenslehren von Anspruch 1 und 2 ausführbar sind, so daß Anspruch 3 ebenfalls Rechtsbestand haben kann, da keine ins einzelne gehenden, nachvollziehbaren Argumente vorgetragen wurden, die seine Patentfähigkeit in Frage stellten. Da dieser Anspruch ebenfalls in der erteilten Fassung verteidigt wird, war der Kammer die Möglichkeit genommen, eine bessere Formulierung desselben anzustreben, weil Artikel 84 EPÜ keinen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ darstellt.
5.10. Zu den schriftlich vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführerin ist folgendes festzustellen:
Es trifft zu, daß die Formulierung des Trocknens "auf möglichst 8 bis 10 % Restfeuchte" keinen absoluten Trockenzustand des Materials definiert. Es ist aber andererseits ohne weiteres glaubhaft, daß dieses - wenn auch nicht vollständige - Trocknen die Bindung der Feinanteile an die Trägermaterialien so weit herabsetzt, daß ein wirksames Feinsieben ausführbar ist und daß das Zerfasern der Restfraktion mit einem Material ohne Feinanteile recht wirksam zu bewerkstelligen ist.
Die Beschwerdeführerin führte weiter an, daß Anspruch 1 das Vorhandensein von Kunststoffteilchen nicht ausschließe, da das Abtrennen der Kunststoffteilchen erst im erteilten Anspruch 2 angesprochen sei. Diesem Argument ist aber entgegenzuhalten, daß die Reihenfolge der Verfahrensschritte Trocknen-Feinsieben-Zerfasern für sich bereits eine gute Bindefähigkeit der brennbaren Fraktion garantiert und daß Anspruch 2 nur auf eine Erhöhung dieser Bindefähigkeit hinausläuft. Anspruch 1 erteilter Fassung gibt also schon eine vollständige Lehre zu technischem Handeln an.
In der Beschwerdebegründung, vgl. S. 6, Abs. 2, wurde noch ausgeführt, daß die Arbeitsweise der Ansprüche 4/5 des Dokuments (D2) für sich zu betrachten sei und daß es unzulässig sei nur auf den Umstand des Widerspruchs zu dem sonstigen Inhalt des Dokuments zu verweisen. Die Kammer kann diesem Argument aus zwei Gründen nicht zustimmen, da einerseits Anspruch 5 durchaus auch summarisch gesehen werden kann, nämlich daß "für Feuerungszwecke" Trocknen- Zerfasern-Brikettieren vorzusehen sind, und zwar ohne Einhaltung einer besonderen Reihenfolge von Trocknen und Zerfasern und da andererseits auch der Fall untersucht wurde, daß Anspruch 5 des Dokuments (D2) tatsächlich als Anregung für den Fachmann dienen könnte, vgl. vorstehenden Abschnitt 5.6.
5.11. In der Zusammenfassung der vorstehenden Überlegungen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß die erteilten Ansprüche 1 bis 3 Rechtsbestand haben können, so daß dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin (erteiltes Patent) stattzugeben war.
6. Bei gewährbarem Hauptantrag war der Hilfsantrag, der im Anspruch 1 noch das Merkmal des Brikettierens umfaßt hätte, nicht mehr zu diskutieren.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.