T 0443/89 () of 5.7.1991

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1991:T044389.19910705
Datum der Entscheidung: 05 Juli 1991
Aktenzeichen: T 0443/89
Anmeldenummer: 82810368.9
IPC-Klasse: A01F 25/20
B26D 7/01
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Silagegutschneider sowie landwirtschaftliches Gerät, das einen solchen Silagegutschneider aufweist
Name des Anmelders: Trioliet Mullos B.V.
Name des Einsprechenden: 1) Emil Hegemann
2) C. van der Lely N.V.
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Removal of feature from drawing (affirmed)
inadmissible broadening, extension of protection
(denied) inventive step (affirmed)
Merkmalsentnahme aus der Zeichnung (bejaht)
unzulässige Erweiterung, Erweiterung des Schutz-
bereichs (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0169/83
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0551/90
T 0359/96

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 3. September 1982 angemeldete und am am 14. März 1984 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 82 810 368.9 ist am 8. Januar 1986 das europäische Patent Nr. 0 102 437 erteilt worden.

II. Gegen das erteilte Patent haben u. a. die Beschwerdeführerinnen I (Einsprechende III) und II (Einsprechende IV) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 52 bis 57 bzw. 100 c) EPÜ nicht patentfähig sei.

Zur Stützung ihrer Einsprüche verwiesen sie im wesentlichen auf die Druckschriften

(D1) GB-A-2 054 357

(D4) DE-A-2 918 650

(D5) DE-A-3 023 986

(D6) DE-A-2 817 901

(D7) DE-A-2 357 723

(D8) DE-A-2 824 964

(D9) AU-B-416 478

(D10) Prospekt "Blockschneider BS1 Diadem" der Fa. Heinrich Wilhelm Dreyer vom Frühjahr 1982 und

(D11) GB-A-1 456 666.

Darüber hinaus wurde offenkundige Vorbenutzung eines Silagegutschneiders geltend gemacht und durch Vorlage von Fotografien und von eidesstattlichen Erklärungen untermauert.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erkannte die geltendgemachte offenkundige Vorbenutzung an, vgl. Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 14. Juli 1988, und legte mit Schreiben vom 23. Dezember 1988 einen neuen Anspruch 1 vor, der vom Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung ausgeht und im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 21. Februar 1989 noch umformuliert wurde und folgenden Wortlaut hat:

"1. Silagegutschneider (11) mit einem Gestell (12), das einen aufrechten Gestellteil (14) und einen wenigstens annähernd horizontalen Querbalken (15), an dem mehrere Tragzinken (16) befestigt sind, umfaßt, und mit einer oberhalb der Tragzinken (16) und annähernd parallel zu den Tragzinken am Gestell (12) angeordneten Schneidvorrichtung, die ein auf-und niederbewegbares L- oder U-förmiges Tragorgan (1) mit einem oder zwei rechtwinklig zum Gestell (12) ausgerichteten Seitenschenkeln (1'') und einem zum Gestell parallelen Mittelschenkel (1') aufweist, wobei an jedem der Schenkel (1', 1'') und längs diesem durch Antriebsmittel oszillierend hin- und herbewegbar ein starres, sägeblattartig Zähne (2) aufweisendes Messerelement geführt ist, so daß die Messerelemente auf der Außenseite des Tragorgans ein gleichfalls U- oder L-förmiges Messerorgan (3) bilden, wobei das eine Ende jedes einem Seitenschenkel (1'') zugeordneten Messerelementes mit einem benachbarten Ende des dem Mittelschenkel (1') zugeordneten Messerelementes durch ein über die zugehörige Ecke des Tragorganes (1) geführtes biegsames Verbindungselement (8) gekoppelt ist, und wobei ein Antriebsmittel (26) an jedem der beiden nicht mit einem biegsamen Verbindungselement gekoppelten Enden des U- bzw. L-förmigen Messerorgans (3) angreift, dadurch gekennzeichnet, daß das Verbindungselement (8) in einem solchen Abstand von der Endkante des vorderen Messerelements befestigt ist, daß die geradlinige Schnittbahn des vorderen Messerelements beidseitig über die Grenzen des Mittelschenkels (1') hinausläuft."

Dieser Anspruch 1 wurde im Lichte der Artikel 123 und 56 EPÜ diskutiert, vgl. Abschnitte 9 bis 12 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, wobei die Einspruchsabteilung zu dem Schluß gelangt ist, daß den in der mündlichen Verhandlung insgesamt vorgelegten Unterlagen Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstehen.

III. Das Verfahren nach Regel 58 (4) EPÜ wurde mit der entsprechenden Mitteilung vom 29. März 1989 durchgeführt. Beide Beschwerdeführerinnen waren mit dieser Fassung nicht einverstanden, so daß die Einspruchsabteilung am 16. Juni 1989 eine Zwischenentscheidung im Sinne von Artikel 106 (3) EPÜ erließ.

IV. Gegen diese Zwischenentscheidung haben die Beschwerdeführerinnen I und II am 21. Juni 1989 bzw. 7. August 1989 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese mit den am 12. Oktober 1989 bzw. 2. Oktober 1989 eingegangenen Schreiben begründet.

Die Beschwerdeführerinnen I und II beantragen jeweils die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Zur Begründung führen sie an, daß Anspruch 1 gegen Artikel 123 EPÜ verstoße und daß die in der Entscheidung T 169/83, ABl. EPA 1985, 193 entwickelten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht korrekt angewendet worden seien. Darüber hinaus wird auch noch die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, wobei in diesem Zusammenhang die im Recherchenbericht enthaltene FR-A-2 323 608 erstmals streifend erwähnt wurde.

V. Die Beschwerdegegnerin widersprach diesen Ausführungen und beantragt die Zurückweisung der Beschwerden.

Sie verteidigt die Fassung des Streitpatents gemäß Mitteilung nach Regel 58 (4) EPÜ vom 29. März 1989 mit dem Hinweis darauf, daß die strittigen Merkmale des Anspruchs 1, nämlich "starres" Messerorgan bzw. Hinauslaufen des vorderen Messerelements über die beidseitigen Grenzen des Mittelschenkels, nur Präzisierungen des Anspruchs 1 seien und weder einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) noch einen Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ beinhalteten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch aus der Sicht der erfinderischen Tätigkeit nicht angreifbar. Bezugszeichen im Anspruch dürften gemäß Regel 29 (7) EPÜ nicht einschränkend ausgelegt werden; eine zeichnerische Merkmalsoffenbarung sei darüber hinaus im EPÜ nicht ausgeschlossen, auch wenn nationale Rechtssysteme dem entgegenstünden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerden entsprechen den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie sind zulässig.

2. Artikel 123 EPÜ

2.1. Die Einwände der beiden Beschwerdeführerinnen unter Artikel 123 EPÜ wurden bereits im Einspruchsverfahren vorgetragen, vgl. vor allem Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom vom 21. Februar 1989, Abschnitte 6 und 9, sowie angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 16. Juni 1989 "Entscheidungsgründe", Abschnitt 2. Sie richten sich gegen den geltenden Anspruch 1 und hier insbesondere gegen das Adjektiv "starr" (Z. 12 im Oberbegriff des Anspruchs 1) und gegen das letzte Merkmal des Anspruchs 1, vgl. Kennzeichenteil "daß das Verbindungselement (8) ... über die Grenzen des Mittelschenkels (1') hinausläuft".

2.2. Die Kammer gelangt nach Abwägung der Argumente der Beschwerdeführerinnen und der Beschwerdegegnerin diesbezüglich zu folgendem Ergebnis:

2.2.1. Zunächst soll auf das Attribut "starr" eingegangen werden. Unmittelbar klar ist, daß "starr" ein relativer Begriff ist, genauso wie etwa "groß", "klein", "hart", "weich" usw., da eine Dimensionsangabe fehlt. Dennoch ist dieses Attribut technisch aussagekräftig. Dazu ist der Aufbau und die Funktion des Messerorgans "3" gemäß den Ursprungsunterlagen zu untersuchen. Wie z. B. Fig. 1/2 zeigt, liegt das Messerorgan "3" mit seiner Hauptfläche am Tragorgan "1" vollflächig an; gemäß Fig. 3 wird über das Antriebselement "26" die Hin- und Herbewegung (Schnittbewegung) in das Messerorgan "3" eingeleitet. Das Messerorgan "3" ist gemäß Fig. 3 im Bereich des Schenkels "1" nur an vier Punkten gegen Ausbeulen abgestützt, nämlich durch die jeweils zwei Bauteile "6" in seinem oberen Bereich und durch die jeweils zwei Bauteile "7'" in seinem Zentralbereich. So gesehen liegen also erhebliche unabgestützte Bereiche des Messerorganes vor. Ein wesentliches Ausbeulen des Messerorgans "3" würde schon im Leerlauf desselben -d. h. reine Hin- und Herbewegung ohne Schneidvorgang - zu Verkantungen in den geführten Bereichen "6, 6" und "7', 7'" führen und einer ordnungsgemäßen Hin- und Herbewegung im Wege stehen. Bestimmungsgemäß ist aber das Messerorgan "3" zum Zerschneiden des Silagegutes vorgesehen; bei diesem Vorgang wirken erkennbar eine Vielzahl von Kräften aus den unterschiedlichsten Richtungen auf das Messerorgan "3", da dieses nicht nur in der Horizontalen hin- und herbewegt wird, sondern auch noch eine vertikale Bewegung mitgeteilt bekommt, wie dies am besten aus den ursprünglichen Fig. 12 bis 15 hervorgeht, nämlich dergestalt, daß das Messerorgan "3" von seiner Obenstellung unter gleichzeitiger Ausübung seiner eigentlichen Schneidbewegung absenkbar ist in Richtung auf die Tragzinken "16", die die Untenstellung des Messerorganes bestimmen.

2.2.2. Die Kammer ist der Auffassung, daß der Fachmann, der die Ursprungsunterlagen vor Augen hat, dem Messerorgan "3" aus den vorstehenden Überlegungen heraus das Attribut "starr" zuordnet, ob dieses Wort nun expressis verbis in den Ursprungsunterlagen vorkommt oder nicht. Eine eindeutige implizite Offenbarung eines Merkmals kann grundsätzlich keinen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ darstellen.

2.2.3. Im Vorverfahren und auch im Beschwerdeverfahren war und ist die Aussage und Tragweite der Entscheidung T 169/83, ABl. EPA 1985, 193 strittig. Die Kammer ist nach Überprüfung der Parteienvorträge zu der Überzeugung gelangt - in Übereinstimmung mit der Auffassung der Einspruchsabteilung gemäß angefochtener Entscheidung - daß die Hereinnahme des Attributes "starr" in den geltenden Anspruch 1 nicht gegen die Prinzipien der vorgenannten Entscheidung verstößt.

Zunächst ist aber festzuhalten, daß Fragen des Artikels 123 (2) EPÜ, d. h. Entscheidungen darüber, ob beanspruchte Sachverhalte durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckt sind oder nicht, Tatfragen sind, d. h. von Fall zu Fall zu entscheiden sind. Die Klärung dieser Frage ist, auf den vorliegenden Fall abgestellt, im vorstehenden Abschnitt 2.2 erfolgt. Es soll somit nur noch dargelegt werden, daß auch kein Widerspruch zur Aussage der Entscheidung T 169/83 vorliegt:

Als Randbedingungen für die zeichnerische Offenbarung eines Merkmals (und damit für das Bejahen der Frage der Beanspruchbarkeit dieses Merkmals in einem späteren Stadium) werden genannt:

a) das Merkmal muß in den Zeichnungen eindeutig enthalten sein bzw.

b) das Merkmal muß bezüglich Struktur und Funktion vollständig und unmittelbar in klarer und eindeutiger Weise vom Fachmann (Fettdruck zur Hervorhebung) in Einklang mit dem Gesamtinhalt der Beschreibung der Zeichnung als zur Erfindung gehörend entnommen werden können.

2.2.4. Es fällt auf, daß auch die Kammer, die die Entscheidung T 169/83 erlassen hat auf den Fachmann abstellt. Im weiteren Sinne bedeutet dies aber nur, daß grundsätzlich der Rahmen der wörtlichen Offenbarung gesprengt und in Richtung der impliziten Offenbarung ausgeweitet werden kann.

Das Attribut "starr" zeichnerisch darzustellen und noch dazu in Schemazeichnungen, wie sie im Patentwesen allgemein üblich sind, ist nicht möglich. Es kommt somit auf die Auslegung der gewählten zeichnerischen Darstellung durch den Fachmann an. Wie dieser aber das Merkmal "starr" beurteilen wird, wurde vorstehend bereits erläutert. Die Randbedingung a) der in Rede stehenden Entscheidung ist in vorliegendem Falle nicht verletzt.

Zur Randbedingung b) gemäß Abschnitt 2.2.3 wurde vorstehend ebenfalls unter Einbeziehung des Fachmanns schon Stellung genommen, mit dem vorstehend erläuterten Ergebnis.

2.2.5. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die in Abschnitt 2.2.3 genannten Randbedingungen bezüglich der in Rede stehenden Entscheidung nicht verletzt werden, wenn man im hier zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis kommt, daß das Attribut "starr" in den Ursprungsunterlagen (für den Fachmann) in impliziter Form offenbart ist und demzufolge in einem späteren Stadium beanspruchbar ist.

2.2.6. Das weiterhin strittige Merkmal ist das Merkmal gemäß Kennzeichenteil des Anspruchs 1, welches dem Sinne nach aussagt, daß die Anlenkungspunkte des Verbindungselementes "8" von der Eckkante so weit zurückgesetzt sind, daß der Hub des vorderen Messerelementes beidseitig über die Grenzen des Mittelschenkels "1'" hinausgeht.

Wiederum in Übereinstimmung mit den Ausführungen der angefochtenen Entscheidung ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, daß auch dieses Merkmal des Anspruchs 1 aus den ursprünglichen Unterlagen in eindeutiger Weise offenbart ist, vgl. Fig. 3, 4 und 11.

Aus der ursprünglichen Fig. 3 z. B. ist eine Stellung der Messerelemente entnehmbar, die als "extrem" zu werten ist, da die Antriebskolbenstange "26'" offensichtlich ganz eingezogen ist, was zur Folge hat, daß das links dargestellte Messerorgan "3" ganz nach hinten verschoben ist, daß das mittlere Messerorgan seine linke und daß das rechts dargestellte Messerorgan seine vordere Stellung eingenommen hat. Wie die am linken Ende des mittleren Messerorgans dargestellte Zacke erkennen läßt, steht diese über den Seitenschenkel "1''" über. Zu verweisen ist auch auf das im linken Bereich des Mittelschenkels "1'" dargestellte, aber nicht mit Bezugszeichen versehene Verbindungselement der Fig. 3, welches wiederum für den Fachmann klar aussagt, daß die Kolbenstange "26'" eingezogen ist, d. h. der linke Seitenschenkel "1''" nach hinten verschoben ist. Auch aus der ursprünglichen Fig. 11 ist das strittige Kennzeichenmerkmal des Anspruchs 1 entnehmbar.

2.2.7. Zusammenfassend ist somit auch gegen das Kennzeichen des Anspruchs 1 geltender Fassung aus der Sicht des Artikels 123 (2) EPÜ nichts einzuwenden.

2.2.8. Das gleichfalls in den Anspruch 1 erst im Einspruchsstadium aufgenommene Oberbegriffsmerkmal "auf der Außenseite des Tragorganes" (vgl. handschriftliche Einfügung im Anspruch 1, Z. 14) ist unstrittig, wohl deshalb, weil es u. a. der ursprünglichen S. 5, Z. 9/10 entnehmbar ist.

2.3. Die in Abschnitt 2.2.8 diskutierte Einfügung im Anspruch 1 (im erteilten Anspruch 1 noch nicht vorhanden) ist ebenso einschränkender Art, wie das gegenüber der erteilten Fassung des Anspruchs 1 hinzugekommene Merkmal des Kennzeichenteils des geltenden Anspruchs 1. Der Schutzumfang des geltenden Anspruchs 1 wurde mit Blick auf den erteilten Anspruch 1 somit nicht erweitert, sondern eingeschränkt. Das Erfordernis des Artikels 123 (3) EPÜ ist damit erfüllt.

3. Die Argumente der Beschwerdeführerinnen können demgegenüber nicht überzeugen:

3.1. Die Beschwerdeführerinnen haben an mehreren Stellen von der "Zäsur" des Verfahrens gesprochen. Wie vorstehend aber ausgeführt wurde, ist gegen die Zäsurwirkung der Erteilung nicht verstoßen worden, weil der geltende Anspruch 1 im Schutzbereich gegenüber dem erteilten Anspruch 1 nicht erweitert worden ist.

3.2. Mit Blick auf die Beschwerdeführerin II ist festzustellen, daß Bezugszeichen in Ansprüchen nicht zur einschränkenden Auslegung des bzw. der Anspruches/Ansprüche herangezogen werden dürfen.

3.3. Es wurde vorstehend aufgezeigt, daß und weshalb Anspruch 1 Artikel 123 (2) und (3) EPÜ nicht verletzt. Der von der Beschwerdeführerin I angestellte Vergleich des geltenden Anspruchs 1 mit einer früheren, nicht mängelfreien Fassung des Anspruchs 1 ist somit nicht hilfreich und der Hinweis auf Artikel 82 EPÜ nicht relevant.

3.4. Nach Auffassung der Kammer erfüllen die ursprünglichen Unterlagen in impliziter Form die Erfordernisse "Aufgabe, Lösung, Vorteile", so daß die Grundsätze der Entscheidung T 169/83 nicht negiert wurden, wie die Beschwerdeführerin I meint.

3.5. Weitere von den Beschwerdeführerinnen I und II vorgebrachte Argumente zu Artikel 123 (2) und (3) EPÜ wurden bei der Diskussion des Gegenstandes des Anspruchs 1 im Lichte der ursprünglichen bzw. der erteilten Fassung mitabgehandelt, so daß sich ein separates Eingehen hierauf erübrigt.

4. Die Beschwerdeführerinnen I und II haben die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 nicht in Zweifel gezogen, wohl aber die Auffassung vertreten, daß es diesem an erfinderischer Tätigkeit fehle.

4.1. Ausgangspunkt der Erfindung gemäß Anspruch 1 ist der als offenkundig vorbenutzt anerkannte Silagegutschneider, der die Merkmale des Anspruch 1-Oberbegriffes aufweist.

4.2. Dessen Nachteile und die demgegenüber zu lösende Aufgabe sind in der geltenden S. 1 angegeben und auch in der angefochtenen Entscheidung herausgearbeitet worden, vgl. Entscheidungsgründe Abschnitt 4.

4.3. In der angefochtenen Entscheidung ist dargelegt worden, daß (D1) bis (D11) und der offenkundig vorbenutzte Silagegutschneider den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahelegen können. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, da die Kammer die diesbezüglichen Ausführungen voll teilt.

4.4. Der Hinweis der Beschwerdeführerin II, vgl. Schreiben vom vom 28. September 1989, S. 7 auf die (D12) ist insofern nicht dazu angetan eine neue Sachlage zu ergeben, als (D12) - sofern sie in diesem späten Stadium des Verfahrens überhaupt zum Verfahren zugelassen werden sollte (fehlende Relevanz!) - nicht über (D7) hinausgeht, wie die "oder"- Verknüpfung im besagten Schriftsatz (Lösung "A") eindeutig erkennen läßt. (D7) wurde aber in der angegriffenen Entscheidung behandelt.

4.5. Die Kammer teilt unter Berücksichtigung des Vorgesagten die Schlußfolgerung der Einspruchsabteilung, wonach vor allem die Kombination von (D10) und (D11) den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht nahelegen kann.

Zu (D5) ist festzustellen, daß sie in der angefochtenen Entscheidung diskutiert wurde, so daß sich die Kammer dem Einwand der Beschwerdeführerin I nicht anschließen kann, vgl. angefochtene Entscheidung Abschnitt 4, letzter Absatz.

5. Zu den weiteren Argumenten der Beschwerdeführerinnen ergibt sich folgends:

5.1. Die Beschwerdeführerin II hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 28. September 1989, vgl. S. 7 und S. 8, Abs. 1 und 2 festgestellt, daß es nur zwei Lösungen gebe, nämlich A) Rundschnitt mittels endlosem Schneidgerät bzw.

B) Schneidvorrichtungen mit flachen Messern für lotrechte Ecken.

In diesem Zusammenhang wird stellvertretend auf (D7) und auf (D5) bzw. (D10) verwiesen und gefolgert, daß man auch bei der Variante "B" das Messerorgan nicht an den Ecken befestigen könne, sondern in einigem Abstand, so daß man automatisch zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 komme.

5.2. Die Kammer ist der Auffassung, daß dieses Argument ex post ist, d. h. in Kenntnis der Erfindung. Die Druckschriften (D1) bis (D11) bzw. der Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung regen nämlich, wie die Einspruchsabteilung in ihrem Beschluß dargelegt hat, den Fachmann nicht dazu an, einen Silagegutschneider mit den Merkmalen des Anspruchs 1 zu schaffen.

5.3. Die Beschwerdeführerin I hat in ihrer Beschwerdebegründung vom 11. Oktober 1989 in Pkt. 3 bzw. S. 4, Abs. 1 ausgeführt, daß mit dem geltenden Anspruch 1 etwas unter Schutz gestellt werden sollte, was zur Ablehnung einer früheren Fassung des Anspruchs 1 geführt habe. Hierzu ist festzustellen, daß der geltende Anspruch 1 zu prüfen ist und nicht eine vorhergehende Variante. Die Prüfung des geltenden Anspruchs 1 hat aber ergeben, daß dieser rechtsbeständig ist.

Dem steht auch nicht das weitere Argument der Beschwerdeführerin I entgegen, wonach der geltende Anspruch 1 über die Schnittbahnen der seitlichen Messer nichts aussage, da zumindest bei Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen, Artikel 69 (1) EPÜ, über die Linearität der Schnittbahnen der seitlichen Messer kein Zweifel bestehen kann. Bei Heranziehung der Beschreibung und der Zeichnungen ist auch unmittelbar klar, daß sich beim Betrieb des Silageschneiders die gekoppelten Messerelemente ständig kreuzen, indem einmal der Seitenschenkel und beim nächsten Hub der Mittenschenkel über das "U" bzw. "L" vortritt.

Der unter Punkt 5 der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I vorgetragene Sachverhalt berührt wiederum Artikel 123 (2) EPÜ und stellt vor allem auf die fehlende Abstützung der Schnittbahnen der Messerelemente durch die Beschreibung bzw. die Ansprüche ab. Artikel 123 (2) EPÜ ist aber vorstehend schon abgehandelt worden, so daß an dieser Stelle ein Hinweis auf den Fachmann genügen mag, der bei Auswertung, z. B. der Zeichnungen, eindeutig zu der Erkenntnis kommt, daß die Seitenbereiche sauber ausgeschnitten werden. Zum Vorwurf "nicht zu einer Lehre gehörendes Beiwerk" ist zu bemerken, daß dies eine reine Behauptung darstellt, die sachlich nicht gerechtfertigt ist, weil die Lehre des geltenden Anspruchs 1 zu jedem Zeitpunkt der Anmeldung bzw. des Patents zumindest in den Zeichnungen implizit vorhanden war und demzufolge auch zum Inhalt eines Patentanspruchs gemacht werden konnte, ohne gegen Artikel 123 (2) EPÜ zu verstoßen.

6. In der Zusammenfassung vorstehender Überlegungen ergibt sich, daß Anspruch 1 weder aus formalen (Artikel 123 EPÜ) noch aus sachlichen Gründen (Artikel 54 und 56 EPÜ) angreifbar ist, so daß dieser unabhängige Anspruch den Rechtsbestand des Patents in eingeschränkter Fassung begründen kann.

Diesem Anspruch können sich die nicht im einzelnen angegriffenen abhängigen Ansprüche 2 bis 41 unverändert anschließen.

7. Die geltende Beschreibung entspricht ebenfalls den Forderungen des EPÜ, sie ist somit ebenfalls für die Aufrechterhaltung des Patents in eingeschränkter Fassung geeignet.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

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