T 0323/89 (Photographisches Material) of 24.9.1990

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1990:T032389.19900924
Datum der Entscheidung: 24 September 1990
Aktenzeichen: T 0323/89
Anmeldenummer: 82306970.3
IPC-Klasse: G03C 7/26
Verfahrenssprache: EN
Verteilung:
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Konishiroku
Name des Einsprechenden: Agfa Gevaert
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: 1. Die Angabe eines Stands der Technik zur Stützung eines Antrags stellt eine "Beweisaufnahme" im Sinne des Artikels 104 EPÜ dar (im Anschluß an T 117/86, ABl. EPA 1989, 401).
2. Eine Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ ist auch in der Weise möglich, daß ein Beteiligter einen festen Betrag zu zahlen hat.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 104
European Patent Convention 1973 R 63
Schlagwörter: Kostenverteilung - fester Kostenbetrag
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0695/89
T 0314/90
T 0338/90
T 0348/94
T 0042/99
T 1062/01
T 0179/02
T 0212/07
T 1402/13
T 1781/13
T 1484/19

Sachverhalt und Anträge

I. Am 13. August 1986 wurde der Beschwerdegegnerin auf ihre Anmeldung Nr. 82 306 970.3 das europäische Patent Nr. 083 239 mit der Bezeichnung "Mehrschichtiges lichtempfindliches silberhalogenides farbphotographisches Material" erteilt.

II. Die Beschwerdeführerin legte gegen dieses Patent Einspruch ein und beantragte seinen Widerruf mit der Begründung, die Erfindung erfülle nicht die Erfordernisse der Artikel 52, 54 und 56 EPÜ.

III. Die Einspruchsabteilung wies den Einspruch nach Artikel 102 (2) EPÜ zurück.

IV. Die Beschwerdeführerin legte am 10. Mai 1989 gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und gab in ihrer Beschwerdebegründung einen weiteren Stand der Technik an. Zum Beweis der Herstellung von Emulsion verwies sie auf ihren eigenen farbphotographischen Super-8-Film, der unter der internen Bezeichnung CK 17-6e geführt und im Handel unter der Bezeichnung Agfamoviechrome 40 bzw. AM 40 vertrieben worden sei. Sie legte ferner zwei Produktblätter vom 9. März 1978, die Möller-Kurve der Emulsion SUK vom 29. Januar 1979 und ein internes Schreiben vom 23. November 1979 vor.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die in der Beschwerdebegründung angeführten neuen Unterlagen nicht zu berücksichtigen, weil sie verspätet vorgebracht worden seien. Sie bestritt die analytischen Daten mit der Begründung, es sei höchst unwahrscheinlich, daß man sie aus dem Handelsprodukt habe gewinnen können.

VI. Ein am 18. Januar 1990 eingegangener Antrag der Beschwerdeführerin vom 16. Januar 1990 hatte folgenden Wortlaut:

"Unseren Einspruch gegen das vorstehend genannte Patent ziehen wir hiermit zurück."

Auf telefonische Anfrage erklärte die Beschwerdeführerin, daß die Beschwerde, was sie anbelange, erledigt sei.

VII. Die Beschwerdegegnerin stellte daraufhin einen Kostenantrag nach Artikel 104 (1) EPÜ, da ihr beträchtliche Kosten entstanden seien. Die Beschwerdeführerin, die von diesem Antrag unterrichtet und auf die Entscheidung T 117/86 (ABl. EPA 1989, 401) aufmerksam gemacht wurde, äußerte sich hierzu nicht.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Zurücknahme des Einspruchs durch die Beschwerdeführerin und ihre Erklärung, daß die Beschwerde, was sie anbelange, erledigt sei, wird von der Kammer als Zurücknahme der Beschwerde gewertet; die Einwände gegen die Aufrechterhaltung des europäischen Patents brauchen somit nicht mehr geprüft zu werden. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch, wie unter Nummer VII dargelegt, im Beschwerdeverfahren einen Antrag auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten nach Artikel 104 und Regel 63 EPÜ gestellt, über den die Kammer noch entscheiden muß.

3. Nach Artikel 104 (1) EPÜ trägt im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte in der Regel seine Kosten selbst, soweit nicht die Kammer, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht, über eine Verteilung der Kosten, die durch eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme verursacht worden sind, anders entscheidet. Eine solche Ausnahme von dem in Artikel 104 (1) EPÜ aufgestellten Grundsatz ist nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall gerechtfertigt, denn die Beschwerdeführerin hat erst in ihrer Beschwerdebegründung auf einen weiteren Stand der Technik in Form eines bestimmten photographischen Films, der von ihr selbst hergestellt und vertrieben wurde, und auf verschiedene zur Stützung ihres Vorbringens angezogene Dokumente hingewiesen. Die Einführung dieses neuen Stands der Technik mehr als zwei Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist bedeutete, daß die Beschwerdegegnerin/Patentinhaberin erneut Zeit und Energie aufwenden mußte, um Einwänden zu begegnen, die die Beschwerdeführerin ohne weiteres innerhalb der Einspruchsfrist hätte vorbringen können. Dadurch sind der Patentinhaberin zusätzliche Kosten entstanden, denn sich zu Behauptungen zu äußern, die innerhalb einer kurzen Zeitspanne während des Einspruchsverfahrens aufgestellt werden, ist weniger kostspielig, als wenn man die Unterlagen sporadisch über mehrere Jahre hinweg prüfen muß.

4. Diese zusätzlichen Kosten sind im Zusammenhang mit der "Beweisaufnahme" im Sinne des Artikels 104 (1) EPÜ entstanden. Der Begriff "Beweisaufnahme" hat im EPÜ zwei Bedeutungen. Manchmal bezeichnet er das Verfahren, das in Gang gesetzt wird, wenn das EPA nach Regel 72 EPÜ entscheidet, daß die Vernehmung von Beteiligten, Zeugen oder Sachverständigen oder eine Augenscheinseinnahme erforderlich ist. In dieser Bedeutung wird der Begriff "Beweisaufnahme" in Artikel 104 (1) EPÜ aber nicht verwendet; dort bezieht er sich auf die in Artikel 117 (1) EPÜ genannten Beweismittel (siehe auch T 117/86, siehe oben; T 416/87 vom 29. Juni 1989, ABl. EPA 1990, 415; T 101/87 vom 25. Januar 1990, unveröffentlicht).

5. Eine Entscheidung über die Erstattung von Kosten nach Artikel 104 (1) EPÜ wird als Ausnahme von dem Grundsatz, daß jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt, nur dann getroffen, wenn die besonderen Umstände des Falls dies erfordern. Die Kammer ist der Auffassung, daß Kosten zu erstatten sind, wenn davon ausgegangen werden kann, daß ein Verfahrensbeteiligter unnötige Ausgaben verursacht hat, die bei Anwendung der üblichen Sorgfalt durchaus vermeidbar gewesen wären. Ihrer Meinung nach sind diese Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, denn die Beschwerdeführerin hätte ohne weiteres schon während der Einspruchsfrist auf den vorstehend genannten Stand der Technik hinweisen können - zumal es schließlich um eine Vorbenutzung durch sie selbst ging -, anstatt dies erst in ihrer Beschwerdebegründung zu tun. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht erläutert, warum der neue Stand der Technik erst so spät genannt wurde. Es erscheint daher billig, die Erstattung eines Teils der der Beschwerdegegnerin erwachsenen zusätzlichen Kosten durch die Beschwerdeführerin anzuordnen.

6. Nach Regel 63 (1) EPÜ wird die Kostenverteilung in der Entscheidung angeordnet. Die zusätzlichen Kosten können hierbei vollständig oder teilweise (wie in T 117/86, ABl. EPA 1989, 401) dem Verfahrensbeteiligten auferlegt werden, der sie verursacht hat. Im vorliegenden Fall kann die Kammer diese zusätzlichen Kosten mehr oder weniger abschätzen, denn die Beschwerdegegnerin hat auf lediglich 1 1/2 Schreibmaschinenseiten relativ kurz zum neuen Stand der Technik Stellung genommen. Bei dieser Sachlage hält die Kammer die Festsetzung eines festen Betrags, der im Wege der Kostenerstattung an die Beschwerdegegnerin zu zahlen ist, für angebracht. Dies hat auch den Vorteil, und zwar sowohl für die Beteiligten als auch für das EPA, daß die Kosten nicht nach Regel 63 (2) EPÜ glaubhaft gemacht werden müssen. Die Kammer hält es für billig, daß die Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin 200 DEM zahlt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerdeführerin trägt einen Teil der Kosten der Beschwerdegegnerin und zahlt an diese einen Betrag von 200 DEM.

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