T 0185/89 () of 11.12.1990

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1990:T018589.19901211
Datum der Entscheidung: 11 Dezember 1990
Aktenzeichen: T 0185/89
Anmeldenummer: 82111429.5
IPC-Klasse: B01D 13/04
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Makroporöse asymmetrische hydrophile Membran aus synthetischem Polymerisat
Name des Anmelders: Hoechst AG
Name des Einsprechenden: Fresenius AG
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
Schlagwörter: Novelty (yes) - Remittal to the Opposition Division
Neuheit (ja) - Zurückverweisung an die Einspruch-
abteilung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0026/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0597/91

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patens 0 082 433 (Anmeldenummer 82 111 429.5).

II. Auf den von der Firma Fresenius AG erhobenen Einspruch hin wurde das Streitpatent von der Einspruchsabteilung widerrufen. Der Widerruf wurde mit mangelnder Neuheit gegenüber dem sich aus dem Dokument US-A-4 051 300 (D2) ergebenen Stand der Technik begründet.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.

IV. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin fünf weitere Dokumente als Beschwerdeanlage (BA 1 bis BA 5) eingeführt, um ihre Auffassung zu stützen, daß der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 neu sei. Von diesen, sowie anderen im Einspruchsverfahren genannten Dokumenten wird in dieser Entscheidung nur auf folgende hingewiesen:

J. Applied Polymer Science, Vol. 20, Seiten 2377 - 2394, 1976 (D3) Prospekt der Firma GAF über PVP, Kapitel 21, Seiten 1-5 (D6) "The Use of Solubility Parameters for Solvent Selection in Asymmetric Membrane Formation" von Elias Klein und James K. Smith, S. 61-84, in "Reverse Osmosis Membrane Research", Edited by H.K. Lonsdale and H.E. Podall, Plenum Publishing Corporation, 227 West 17th Street, New York, 1972, 10011 (BA 1).

"Response of Complement and Neutrophils to Hydrophilized Synthetic Membranes", R.A. Ward, E. Klein et al., ASAIO TRANSACTIONS, July-September 1988, S. 334-337 (BA 5).

V. In einem Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ wurden seitens der Beschwerdekammer die Dokumente Ullmans Enzyklopädie der Technischen Chemie, Band 16, 1978, Seite 517 (D7) Encyclopedia of Polymer Science and Technology, Volume 14 Wiley (1971), Seite 246 (D8) Encyclopedia of Polymer Science and Engineering, Volume 17, Wiley (1989), Seiten 206, 213 (D8') als Hintergrunddokumentation eingeführt. Nach der vorläufigen Meinung der Kammer war der Gegenstand des Anspruchs 1 (deshalb auch des Anspruchs 7) als neu anzusehen.

VI. Es wurde mündlich verhandelt. Am Ende der Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuverweisen. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, die Sache an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuverweisen.

VII. Anspruch 1 und 7 gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin lauten wie folgt:

1. Asymmetrische makroporöse Membran auf Basis von synthetischem Polymerisat, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus einem Polymerisatgemenge besteht, das im Bereich von 5 bis 70 Gew. % aus Polyvinylpyrrolidon mit Molekulargewicht > 100 000 Dalton und zu 95 bis 30 Gew. % aus Polymerem, ausgewählt aus einer Gruppe, umfassend Polysulfon, Polyethersulfon, aromatischem bzw. araliphatischem Polyamid, besteht, wobei die gewichts-prozentualen Angaben sich jeweils auf das Gesamtgewicht des angegebenen Polymerisatgemenges beziehen und die Membran eine Wasseraufnahmefähigkeit von wenigstens 11 Gew. % Wasser, bezogen auf ihr Gesamtgewicht, bei 100 % relativer Feuchte und 25° C besitzt.

7. Verfahren zur Herstellung einer Membran nach Anspruch 1 bis 4, bei dem man von einer Polymerisatlösung ausgeht, die ein Polymerisatgemenge gelöst enthält und aus der Polymerisatlösung durch Einwirkung von Fällflüssigkeit eine makroporöse asymmetrische Membran ausbildet, dadurch gekennzeichnet, daß man eine Polymerenlösung einsetzt, die als gelösten Anteil ein Polymerisatgemisch enthält, das zu 5 bis 70 Gew. % aus Polyvinylpyrrolidon mit Molekulargewicht > 100 000 Dalton und zu 95 bis 30 Gew. % aus Polymerem, ausgewählt aus einer Gruppe umfassend Polysulfon, Polyethersulfon sowie aromatischem bzw. araliphatischem Polyamid, jeweils bezogen auf das Gesamtgewicht des gelösten Polymerisatanteils, besteht.

VIII. Was die Neuheit der Ansprüche 1 bzw. 7 betrifft, trug die Beschwerdeführerin im schriftlichen und mündlichen Verfahren im wesentlichen folgendes vor:

Das Streitpatent einerseits und D2 andererseits beschrieben zwei unterschiedliche Membrantypen, nämlich integrale Membranen bzw. Compositmembranen. Die Einsprechende müsse D2 mit BA 1, die Einspruchsabteilung D2 mit D3 kombinieren, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.

IX. Die Beschwerdegegnerin vertrat im wesentlichen folgende Auffassung:

Bei der in D2 beschriebenen Membran handele es sich um eine asymmetrische makroporöse Membran im Sinne des Wortlauts des Anspruchs 1 des Streitpatents, weil diese Membran unter Anwendung der Lehre von BA 1 hergestellt werde, welches Dokument mit asymmetrischen Membranen zu tun habe. Zwar enthalte D2 den Vorbehalt, daß die Bedingungen für skin-Bildung minimiert würden; hierdurch sei aber eine Asymmetrie der Membran nicht auszuschließen.

Ferner werde bei dem in D2 beschriebenen Verfahren Polyvinylpyrrolidon (PVP) mit einem Molekulargewichtsbereich von mindestens 2000 offenbart; es werde keine obere Grenze erwähnt. Ferner sei PVP nur in einigen diskreten Chargen von mittleren Molekulargewichten im Handel erhältlich, z. B. bei GAF die Typen K15, K30, K60 und K90. Zwar seien in D2 die im Streitpatent beanspruchten hohen Molekulargewichtsbereiche nicht expressis verbis beschrieben; letzteres Merkmal stelle aber einen im Rahmen der bestehenden Lehre frei wählbaren Parameter dar, der nicht geeignet sei, den Patentgegenstand zu kennzeichen. D2 enthalte ferner keine begründete Feststellung, die den Fachmann davon abhalten würde, die technische Lehre in einem bestimmten überschneidenden Teil des offenbarten Bereichs auszuführen (vgl. T 26/85 ABl. EPA 1990, 22). Darüber hinaus enthielten PVP-Chargen mit niedrigen mittleren Molekulargewichten einen bedeutsamen Anteil von Molekülen mit einem Molekulargewicht über 100 000 Dalton.

Aus D2 sei ferner nicht zu entnehmen, daß alle PVP ausgewaschen werde, sondern lediglich daß "non-fiber forming material" ausgewaschen wird. Eine Verfestigung eines Teils des PVPs in der Membran sei nicht ausgeschlossen; die Waschbarkeit des PVPs sei nämlich durch die Waschbedingungen bestimmt. Die Wasseraufnahmefähigkeit der Membran gemäß dem Streitpatent werde durch die anderen Merkmale des Anspruchs 1 bestimmt und sei nicht als ein Unterscheidungsmerkmal zu betrachten. Vergleichsversuche hätten ferner gezeigt, daß hinsichtlich auf einer Wasseraufnahmefähigkeit von wenigstens 11 % die Wiederholbarkeit der Lehre des Streitpatents in Frage gestellt sei. Was das Molekulargewicht des verwendeten PVPs und dessen Auswaschen betreffe, werde auf die Deklarationen des Professors Klein (eines der Erfinder des Streitpatents) vom 30. November 1988 und 22. November 1990 hingewiesen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Patent wurde lediglich wegen mangelnder Neuheit gegenüber D2 widerrufen. Das Beschwerdeverfahren ist daher auf die Frage der Neuheit beschränkt worden, weil die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit oder der anderen Voraussetzungen des EPÜs nicht eingegangen ist.

3. Die Beschwerdekammer hat D7 in das Verfahren eingeführt, weil dieses Dokument eine Zusammenfassung von Membrantypen und ihren Eigenschaften enthält, die im wesentlichen mit dem Inhalt der im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren genannten Dokumente übereinstimmt.

Laut D7 haben asymmetrische Membranen eine dichte dünne Haut, die von einem porösen Unterbau getragen ist. Lediglich diese dünne Schicht ist für den Permeationswiderstand verantwortlich; wird sie entfernt, verliert die Membran ihre Eigenschaften. Solche Membranen werden auch als integrale Membranen bezeichnet. Neben diesen läßt sich aber die Asymmetrie auch durch den Aufbau einer Mehrschichten-Membran (Composit-Membran) erhalten, wobei auf einer porösen Unterlage, die zumeist Membraneigenschaften besitzt, eine dünne Schicht als eigentliche Membran aufgetragen wird. Der Ausdruck Composit-Membran scheint aber für beide Membrantypen zu gelten. Nach der Meinung der Kammer handelt es sich beim Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents um eine integrale Membran, bei D2 jedoch um eine poröse Unterlage, die für den Aufbau einer Mehrschichten-Membran geeignet ist.

4. Die Kammer kann aber der Beschwerdegegnerin zustimmen, daß durch eine Minimierung von "skin"-Bildung (D2, Spalte 4, Zeilen 23 bis 25) Asymmetrie der Membran nicht ausgeschlossen ist. Die Asymmetrie der Membran gemäß Anspruch 1 ist daher nicht als Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Offenbarung in D2 zu betrachten.

5. Gemäß Anspruch 1 des Streitpatents soll die Membran aus einem Polymerisatgemenge bestehen, das im Bereich von 5 bis 70 Gew. % aus PVP mit Molekulargewicht von mindestens 100 000 Dalton besteht. In D2 wird die Verwendung von PVP mit einem Molekulargewicht von mindestens 2000 als Ausgangsmaterial offenbart. In Spalte 4, Zeile 42 wird auf PVP GAF K40 hingewiesen, dessen Molekulargewicht durch die Angaben in D6, Kapitel 21, Seite 4, Zeilen 1, 2 als ca. 71 000 ausgerechnet werden kann, nämlich 40 000 (K60) x (40/30)2 oder 160 000 (K90) x (40/60)2. In den Beispielen von D2 werden ferner nur Molekulargewichtsangaben von 40 000 (Beispiele 7, 9) und 10 000 (Beispiel 8) erwähnt. D2 enthält daher keine Offenbarung von der Verwendung von PVP mit einem Molekulargewicht von mindestens 100 000 Dalton als Ausgangsmaterial, geschweige denn als Bestandteil der hergestellten Membran.

Die der Kammer zugängliche Kopie von D6 enthält keine Information über ihr Veröffentlichungsdatum. Unter den Parteien ist es aber nicht bestritten, daß die auf Seite 4 angegebene Übereinstimmung zwischen Molekulargewicht und K-Nummer richtig ist.

Die Beschwerdegegnerin behauptet in ihrem Schriftsatz vom 20. Dezember 1989, Seite 14, daß auch bei PVP Kollidon K30 (mittleres Molekulargewicht von 40 000) ca. 20 % der Teilchen mit ihrem Molekulargewicht über 100 000 liegen, wobei auf einen anläßlich der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung überreichten Versuchsbericht hingewiesen wird. Die Angaben dieses Berichts stehen aber im Widerspruch zu denen von D8, D8'. Gemäß D8, Table 5, hat PVP GAF K30 einen Molekulargewichtsbereich von K26-35, d. h., ein Maximum von ca. 55 000. Der entsprechende Bereich für GAF K40 (D2, Spalte 4, Zeile 42) kann als K35-45 geschätzt werden, d. h. ein Maximum von ca. 90 000. Die Angaben für PVP K 30 in Table 5 von D8 (1971) bleiben in D8', (der aus dem Jahr 1989 stammenden Ausgabe von D8), Seite 213, Table 7 unverändert. Zu bemerken ist, daß sich die Angaben im Versuchsbericht auf BASF-Kollidon-Typen beziehen und ausschließlich auf die Rohstoffe, hingegen diejenigen in D8 auf GAF PVP "commercial Types", und in D8' auf "Technical Grade". D8' Seite 206 ist ferner zu entnehmen, daß die Verteilungskurve um so enger ist, je niedriger das Molekulargewicht ist. Diese Behauptung der Beschwerdegegnerin kann daher nicht als bewiesen angesehen werden.

6. In D2 wird ferner ein Unterschied zwischen einem "fiber-forming polymer" und einem "second polymer consisting of polyvinylpyrrolidone" gemacht (Anspruch 1, Schritt a), wobei (Schritt d) die Hohlfasermembran durch Auswaschen von "non fiber forming material" (deshalb PVP) freigemacht wird. Im Gegensatz dazu verfestigt sich PVP gemäß dem Streitpatent (Seite 5, Zeilen 51 bis 54) in der Membran. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, daß auch in D2 ein Teil des PVPs verfestigt wird. Diese Auffassung ist D2 nicht zu entnehmen. Auch die entsprechende Aussage von Professor Klein steht im Widerspruch zu der Offenbarung in D3. Dieses Dokument ist eine spätere Veröffentlichung von Professor Klein, die mit ähnlichen Membranen wie D2 zu tun hat, was seitens der Beschwerdegegnerin nicht bestritten worden ist.

Gemäß dieser Offenbarung scheint es sich nur um Spurmengen von PVP in der Membran zu handeln (Seite 2390 "traces of PVP"). Erst in BA5 (1988) wird in einer Veröffentlichung von Professor Klein von einer Verfestigung von PVP unter Verwendung von Plasdone K90 GAF (MW 360 000) in der Membran gesprochen.

7. Nach Auffassung der Kammer folgt es daher, daß die in D2 offenbarte Membran nicht aus einem Polymerisatgemenge besteht, das im Bereich von 5 bis 70 Gew. % aus PVP mit Molekulargewicht von mindestens 100 000 Dalton besteht.

8. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ. Anspruch 7, obwohl als unabhängig zu betrachten, ist so mit Anspruch 1 verbunden, daß für ihn das gleiche gilt; sein Gegenstand ist deshalb auch neu.

9. Durch die oben in Absatz 7 abgegebene Neuheitsbegründung unterscheidet sich dieser Fall von demjenigen gemäß Entscheidung T 26/85 (vgl. Absatz IX oben), der im wesentlichen lediglich mit sich überschneidenden Bereichen zu tun hat.

10. Angesichts des Vorhergehenden erübrigt es sich, bei der Erörterung der Neuheit auf das Merkmal der Wasseraufnahmefähigkeit der Membranen einzugehen. Der beanspruchte Wert ist auf jeden Fall in D2 nicht offenbart. Ebensowenig ist eine Stellungnahme der Kammer zu einem eventuellen genauen Unterschied zwischen einer makroporösen und einer mikroporösen Membran oder zur Frage der Wiederholbarkeit der Erfindung erforderlich.

11. Die Einspruchsabteilung hatte infolge ihrer negativen Beurteilung der Neuheit zur Frage der erfinderischen Tätigkeit nicht Stellung zu nehmen und hat auch nicht Stellung genommen. Unter diesen Umständen hat die Kammer beschlossen, von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch zu machen und die Sache an die Einspruchsabteilung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zurückzuverweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.

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