T 0040/89 () of 5.5.1993

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1993:T004089.19930505
Datum der Entscheidung: 05 Mai 1993
Aktenzeichen: T 0040/89
Anmeldenummer: 80103584.1
IPC-Klasse: C08I 67/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hochschlagzähes Polybutylenterephthalat
Name des Anmelders: BAYER AG
Name des Einsprechenden: BASF Aktiengesellschaft
HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Inventive step (yes)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0496/02

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 22 216 wurde am 2. November 1983 auf die Anmeldung Nr. 80 103 584.1 erteilt, die am 25. Juni 1980 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Anmeldung Nr. 2 927 576 vom 7. Juli 1979 eingereicht worden war. Die erteilte Fassung des einzigen unabhängigen Anspruchs (Anspruch 1) ergibt sich durch Weglassung der in eckige Klammern gesetzten Zahlenangaben aus dem folgenden Text.

Hochschlagzähe Polybutylenterephthalat-Formmassen, bestehend aus Mischungen aus A. 65 - 99 [70 - 80] Gew.-% Polybutylenterephthalat und B. 1 - 35 [20 - 30] Gew.-% ABS-Pfropfpolymerisat, wobei sich die obigen Prozentangaben auf die Summe A + B beziehen und das Pfropfpolymerisat B durch Pfropfreaktion von

1. 10 - 40 Gew.-%, bezogen auf B, eines Gemisches aus

a) 10 - 35 Gew.-%, bezogen auf die Summe a + b, Acrylnitril und

b) 65 - 90 Gew.-%, bezogen auf die Summe a + b, Styrol auf

2. 60 - 90 Gew.-%, bezogen auf B, eines vernetzten Butadien-Polymerisats mit mindestens 70 80 Gew.-%, bezogen auf II, Butadienresten als Pfropfgrundlage erhältlich ist, dadurch gekennzeichnet, daß der Gelanteil der Pfropfgrundlage II ã 70 % (in Toluol gemessen), der Pfropfgrad G 0,15 - 0,55 und der mittlere Teilchendurchmesser d50 des ABS-Pfropfpolymerisats B 0,2 - 0,6 0,4 µm betragen."

II. Am 9. März und am 1. August 1984 legten die beiden jetzigen Beschwerdegegnerinnen jeweils gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ Einspruch ein, wobei sie mangelnde Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) geltend machten. Die Einsprechenden stützten sich u. a. auf folgende Dokumente:

(2) DE-A-2 636 135

(4) US-A-3 238 275

(6) DE-A-2 523 010.

III. In einem langwierigen Einspruchsverfahren legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) als verlangten Nachweis dafür, daß die Anspruchsmerkmale tatsächlich die behauptete Verbesserung der mehraxialen Schlagzähigkeit besäßen am 24. Juni 1985 Versuchsergebnisse an glasfaserverstarkten Produkten vor, gegen deren Aussagekraft die Einsprechenden (Beschwerdegegnerinnen) einwandten, daß ein eventueller, aber bestrittener Effekt durch die Glasfasern verschleiert werde. Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 4. Februar 1986 anerkannte die Einspruchsabteilung die Neuheit allein auf Grund des mindestens 70%igen Gelgehaltes der Pfropfgrundlage, forderte aber als Voraussetzungen für die Anerkennung erfinderischer Tätigkeit die Einreichung aussagekräftiger Vergleichsversuche. Die Aussagekraft der daraufhin vorgelegten Daten wurde erneut bestritten, und es wurden abermalig experimentelle Ergebnisse eingereicht, deren Nachprüfbarkeit jedoch von den Beschwerdegegnerinnen wegen unzureichender Identifizierung des verwendeten Ausgangsmaterials bestritten wurde.

IV. In ihrer Entscheidung vom 22. Dezember 1988 ließ die Einspruchsabteilung die Neuheitsfrage unbeantwortet und widerrief das Streitpatent wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit. Der geltend gemachte technische Effekt auf Grund des höheren Gelanteils der Pfropfgrundlage sei nicht nachgewiesen worden. Auch die zuletzt eingereichten Versuchsberichte ermöglichten nämlich mangels genauer Angaben zu den verwendeten Ausgangsprodukten und Bedingungen keine problemlose Nacharbeitung, weshalb ihre Ergebnisse außer Betracht bleiben müßten.

V. Am 11. Januar 1989 wurde gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr entrichtet; die Beschwerdebegründung wurde am 6. März 1989 nachgereicht. Darin ergänzte die Beschwerdeführerin ihre (bereits am 21. März 1988 eingereichten) Versuchsdaten vom 15. März 1988 durch die Bestimmung der beiden in ihren Versuchen verwendeten Polybutadien-Pfropfgrundlagen als BAYER-LATEX 2004 vom Typ A 1 und B 1.

VI. Die Beschwerdegegnerin 1 verwendete die genannten Ausgangsstoffe in Versuchen, die Gegenstand eines am 5. Februar 1992 eingereichten Berichts sind.

Aus den Ergebnissen dieses Berichts zog die Beschwerdegegnerin 1 den Schluß, daß die mehraxiale Schlagzähigkeit nicht wesentlich anders ei, wenn eine Pfropfgrundlage mit einem Gelgehalt innerhalb der Grenzen von Anspruch 1 an Stelle einer Pfropfgrundlage, deren Gelgehalt unterhalb diese Grenze liegt, verwendet wird.

VII. Am 17. Juli 1992 wurden sowohl ein neuer Anspruchsatz (Ansprüche 1 bis 5) als auch ein weiterer, zur Stützung der Patentierbarkeit des Anspruchs 1 dienender Versuchsbericht eingereicht.

Im Laufe der am 5. Mai 1993 durchgeführten mündlichen Verhandlung überreichte die Beschwerdeführerin einen weiteren Anspruchsatz (Ansprüche 1 bis 5). Der Wortlaut des Anspruchs 1 ist oben unter I widergegeben bei Berücksichtigung der eckigen Klammern.

VIII. Bezüglich der am 5. Mai 1993 überreichten Ansprüche haben die Beschwerdegegnerinnen im wesentlichen Argumente vorgebracht:

i) Das in dem obengenannten weiteren Versuchsbericht angegebene Schlagzähigkeitsergebnis, auf welches sich die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung stützte, stehe im Widerspruch mit dem am 16. Juli 1986 eingereichten, unter fast identischen Versuchsbedingungen erzielten aber trotzdem erheblich schlechteren Schlagzähigkeitswert. Der einzige bedeutende Unterschied zwischen den früheren und den späteren Versuchsbedingungen bestünde in dem mittleren Teilchendurchmesser d50 des ABS- Pfropfpolymerisats, welcher im ersten Fall bei 0,34 µm, im letzteren Fall dagegen bei 0,4 µm lag; sollte jedoch dieser Unterschied als Unterstützung eines technischen Effekts herangezogen werden, so müßte der bezifferte Wert des Parameters d50 im Anspruch 1 entsprechend ang ausgelegt werden. Eine diesbezügliche Erklärung sei erforderlich.

ii) Es gebe einen Widespruch zwischen den Ansprüchen und der Beschreibung, da in den Beispielen gemäß Streitpatent ein mittlerer Teilchendurchmesser d50 von 0,4 µm schon für die Pfropfgrundlage angegeben wurde, d. h. bevor die Pfropfhülle dazu kam. Daraus wurde gefolgert, daß der mittlere Teilchendurchmesser d50 des fertigen ABS- Pfropfpolymerisats erheblich größer sein müßte.

iii) Nach der Lehre des Dokuments (2), könnten die Schlazähigkeitseigenschaften von Polyestern durch den Zusatz von ABS-Pfropfcopolymeren verbessert werden, wobei spezifisch auf die im Dokument (4) angegebenen Herstellungsmethoden vewiesen wurde. Obwohl dort keine ausdrückliche Offenbarung eines Gelgehalts vorkäme, hätte der Fachmann auf jeden Fall nach möglichst hohem Vernetzungsgrad der Pfropfgrundlage gestrebt. Eine Nacharbeitung des Beispiels 3 dieses Dokuments durch die Beschwerdegegnerin 2 hätte weiterhin gezeigt, daß dieser Gelgehalt bei über 80 % lag, so daß das resultierende ABS-Pfropfpolymere eindeutig unter den Anspruch 1 fiele. Daher könne es nicht erfinderisch sein, das bekannte Pfropfpolymere zur Verbesserung der Eigenschaften der beanspruchten Polyster zu verwenden.

IX. Die Beschwerdeführerin dagegen argumentierte wie folgt:

i) Der Unterschied zwischen den im Versuchsbericht vom 16. Juli 1986 und den im Bericht vom 17. Juli 1992 gemessenen Werte der mehraxialen Schlagzähigkeit wäre tatsächlich auf den Unterschied des mittleren Teilchendurchmessers des Pfropfpolymerisats zurückzuführen, was fast 20 % ausmache. Somit gebe es keinen Widerspruch zwischen den beiden Versuchsberichten. Die zuletzt vorgelegten Versuchsergebnisse, die nicht mit einem Vergleich gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik zu verwechseln wären, zeigten mithin, daß eine erhebliche Verbesserung der mehraxialen Schlagzähigkeit durch eine Zusammensetzung zu erreichen wäre, die alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, im Vergleich mit einer Veriante, die sich von diesem lediglich durch den obenerwähnten mittleren Teilchendurchmesser unterscheidet.

ii) Die Tatsache, daß der gleiche mittlere Teilchendurchmesser d50 sowohl für die in den Beispielen des Streitpatents angesprochene Pfropfgrundlage, als auch für das in Anspruch 1 definierte fertige Pfropfpolymer angegeben wurde, deute nicht auf einen Widerspruch hin, weil der Beitrag der Pfropfhülle zum mittleren Teilchendurchmesser geringfügig sei.

iii) Die in Dokument (2) offenbarten Polyester seien zwangsläufig amorph. Die patentgemäßen Polybutylenterephthalate seien dagegen nicht amorph. Die Tatsache, daß gemäß dem Streitpatent ein geringer Anteil anderer Monomeren zugelassen würde, bedeute nicht, daß der krystalline Charakter dieses Polymeren verloren gehe (siehe Spalte 2, Zeilen 20 ff). Es gebe weiterhin keinen Grund davon auszugehen, daß die Pfropfgrundlagen gemäß dem Stand der Technik hochverntzt sein müssen. Dies wäre aus Beispiel 7 des Dokuments (4) ersichtlich, welches ein lösliches Produkt offenbare. Daher müsse eine Kombination von (2) mit (4) nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

X. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 5. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Änderungen

Anspruch 1 ist durch den ursprünglichen Anspruch 1 sowie die ersten zwei Absätze der ursprünglichen Beschreibung gestützt. Die spezifischen Werte für den Gelgehalt bzw. den mittleren Teilchendurchmesser d50 ergeben sich aus Ansprüchen 7 und 9 der ursprünglich eingereichten Fassung. Die obere Grenze des ABS-Copolymerenanteils von 30 % ist als bevorzugte Obergrenze in dem ursprünglichen Anspruch 2 offenbart, während die Untergrenze von 20 % sich aus den Beispielen 3 sowie 6 der ursprünglich eingereichten Fassung ergibt. Nach Meinung der Kammer ist letzterer Wert mit den übrigen Merkmalen der Beispiele nicht so eng verbunden, daß er dem Beispiel als Eckwert des bestehenden Bereiches des Anspruchs 1 nicht entnommen werden darf.

Ansprüche 2, 3, 4 und 5 sind durch Ansprüche 4, 5, 6 bzw. 10 der ursprünglichen Fassung gestützt.

Die beanspruchten Bereiche sind darüber hinaus in erheblichem Maße gegenüber der erteilten Fassung beschränkt worden.

Die Kammer ist daher der Überzeugung, daß die vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen der Artikel 123 (2) sowie (3) EPÜ entsprechen.

3. Die Aufgabe

3.1. Das Streitpatent betrifft hochschlagzähe Formmassen auf der Basis von Polybutylenterephthalat (hiernach "PBT"). Solche Formmassen sind dem Stand der Technik bekannt, z. B. aus Dokument (6), das einvernehmlich den nächstkommenden Stand der Technik darstellte.

3.2. Das Dokument (6) bezieht sich auf eine feuerfeste thermoplastische Polyesterharz-Zusammensetzung, bestehend aus (A) einem aromatischen Polyesterharz, (B) einem Pfropf-Copolymeren aus einem Butadienpolymeren-Vinylmonomeren, (C) einem feuerhemmenden Mittel, (D) einer Glasfaser und (E) mindestens einem Zusatzstoff (Siehe Anspruch 1).

Das Polymere (A) kann PBT sein. Das bevorzugte Copolymere (B) ist aus einem als Pfropfgrundlage dienenden Butadienpolymeren, das vorzugsweise 40 bis 80 Gewichts-% des gesamten Copolymeren ausmacht, und einem Vinylmonomeren gebildet, mit einem bevorzugten Pfropfverhältnis von 0,3 - 1,2. In einer Ausführungsform, wird eine Kombination von Styrol (70 ± 5 Mol-%) und Acrylnitril (30 ± 5 Mol-%) als Vinylmonomere verwendet. Der durchschnittliche Teilchendurchmesser kann im Bereich von 1 µm bis 0,01 µm liegen (vgl. Seite 5, letzter Absatz - Seite 7, zweiter Absatz).

Der Gelgehalt der Pfropfgrundlage wird dabei nicht angesprochen.

3.3. Ausgehend von diesem Stand der Technik, könnte die Aufgabe in der Bereitstellung einer Formmasse mit verbesserten Schlagzähigkeitseigenschaften bestehen, insbesondere im Hinblick auf die mehraxiale Schlagzähigkeit, ohne die übrigen wünschenswerten Eigenschaften von PBT-Polymeren, wie thermische Belastbarkeit, Steifigkeit und Härte zu beeinträchtigen.

3.4. Diese Aufgabe wird patentgemäß gelöst durch eine Mischung aus PBT und einem ABS-Propfpolymerisat, das gekennzeichnet ist durch eine bestimmte Zusammensetzung, einen bestimmten Gelanteil der Pfropfgrundlage und einen bestimmten Pfropfgrad (G), sowie durch eine eng definierte mittlere Teilchengrösse d50, wie im Anspruch 1 des Streitpatents ausgeführt.

3.5. Der zuletzt von der Beschwerdeführerin mit der Eingabe vom 17. Juli 1992 eingereichte Versuchsbericht zeigt einen mehraxialen Schlagzähigkeitswert von 90,7 Joule, für eine Formmasse, die alle Merkmale des Anspruchs 1 aufweist.

Die Nacharbeitbarkeit sowie die Genauigkeit der Versuchsergebnisse blieben in diesem Fall unbestritten. Der erreichte Wert von 90,7 Joule ist höher als sämtliche in diesem Verfahren angegebenen Werte, die hauptsächlich in dem Bereich 40 bis 60 Joule liegen. Der höchste Wert der mehraxialen Schlagzähigkeit, der in Zusammenhang mit einem nicht patentgemäßen Produkt angegeben wurde, war 74,7 Joule, und zwar für eine Zusammensetzung, die sich von dem patentgemäßen Produkt lediglich durch einen anderen mittleren Teilchendurchmesser d50 des verwendeten ABS-Pfropfcopolymeren unterscheidet. Dieser sei 0,34 µm statt des patentgemäßen Wertes von 0,4 µm.

3.6. Nach einer früheren Entscheidung (T 35/85 vom 16. Dezember 1986, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, zitiert in Schulte-Kartei EPÜ 52.6, Nr. 40) kann der Beweispflicht dadurch nachgekommen werden, daß Vergleichsversuche mit nachgestellten Varianten vorgelegt werden, bei denen die mit der Erfindung gemeinsamen Merkmale insoweit identisch gemacht sind, daß eine der Erfindung nahe kommende Variante vorhanden ist, damit die mit den unterscheidenden Merkmalen verbundene vorteilhafte Wirkung noch deutlicher dargestellt wird. (Siehe Punkt 4 der Begründung).

Die Kammer sieht in dem vorliegenden Fall keinen zwingenden Grund, weitere Vergleichsversuche mit tatsächlich vorveröffentlichten Formmassen zu verlangen, zumal solche Zusammensetzungen auf jeden Fall dem beanspruchten Gegenstand ferner liegen würden, als die von den bisher angebotenen Vergleichsversuchen.

Die Kammer betrachtet daher die zuletzt genannten Versuchsergebnisse als geeignete Grundlage für die Ermittlung der Patentierbarkeit.

3.7. Die angegebene Verbesserung der mehraxialen Schlagzähigkeit gegenüber der eng verwandten Variante ist nach Meinung der Kammer erheblich, und da keine Beeinträchtigung der übrigen relevanten Eigenschaften behauptet bzw. zu erwarten ist, ist es glaubhaft, daß die beanspruchten Maßnahmen eine wirkungsvolle Lösung der gestellten Aufgabe darstellen.

4. Auslegung des Anspruchs 1

Nach Auffassung der Kammer, muß der Wert 0,4 µm für den mittleren Teilchendurchmesser d50 des gepfropften Copolymers in Anspruch 1 auf jeden Fall so eng ausgelegt werden, daß eine klare und wirkungsvolle Unterscheidung gegenüber dem Wert des Vergleichsversuchsberichts vom 16. Juli 1986 von 0,34 µm gewährleistet ist. Die von der Beschwerdegegnerin 1 verlangte Beschränkung auf einen Spielraum von ± 2 % in der Definition des mittleren Teilchendurchmessers d50 ist in dieser Hinsicht als geeignet anzusehen. Ein solcher Spielraum ist auch notwendig, um zu berücksichtigen, daß der mittlere Teilchendurchmesser d50 der Pfropfgrundlage in den Beispielen des Streitpatents ebenfalls mit 0,4 µm angegeben ist.

Der Wert des mittleren Teilchendurchmessers d50 in Anspruch 1 wird daher in dieser Entscheidung dahingehend ausgelegt, daß er 0,4 ± 2 % µm beträgt.

5. Neuheit

Die Neuheit des beanspruchten Gegenstands wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten. Die Kammer hat trotzdem alle im Verfahren befindlichen Druckschriften überprüft, und ist zur Schlußfolgerung gelangt, daß keines von diesen Dokumenten alle Merkmale der im Anspruch 1 beanspruchten Zusammensetzungen offenbart.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu.

6. Erfinderische Tätigkeit

Bei der Ermittlung der Patentierbarkeit stellt sich zunächst die Frage, ob der Fachmann, ausgehend von einer nach Dokument 6) hergestellten Formmasse und mit der Aufgabe, die Schlagzähigkeitseigenschaften, insbesondere im Hinblick auf die mehraxiale Schlagzähigkeit zu verbessern, ohne weiteres auf die Idee gekommen wäre, bei der beanspruchten Zusammensetzung die Parameter des Gelanteils der ABS-Pfropfgrundlage, dessen Pfropfgrad sowie den eng definierten mittleren Teilchendurchmesser so zu wählen, wie sie die Lösung der Aufgabe verlangt.

Diese Frage muß verneint werden.

6.1. Obwohl in Dokument (6) eine verbesserte Schlagzähigkeit allgemein angesprochen wird, (Siehe Seite 3, Zeilen 18-19), gibt es keinen Hinweis auf mehraxiale Schlagzähigkeit.

Die Argumentation der Beschwerdegegnerin 2, daß ein direkter Zusammenhang zwischen der Kerbschlagzähigkeit und der mehraxialen Schlagzähigkeit bestehe (vgl. Eingabe der zweiten Beschwerdegegnerin vom 15. Februar 1985, Seiten 2 - 3 sowie vom 30. Juli 1985, Seiten 1 - 2), ist nicht überzeugend, da sie kein quantitatives Verhältnis zwischen der Kerbschlagzähigkeit und der mehraxialen Schlagzähigkeit herstellt.

Abgesehen von diesem Aspekt, gibt es in Dokument (6) keine Offenbarung eines bestimmten Gelanteils des Pfropfcopolymeren, geschweige denn des patentgemäßen Werts von ã 80 %; ebensowenig gibt es einen Hinweis darauf, daß der mittlere Teilchendurchmesser, der gemäß Dokument (6) innerhalb eines Bereichs von 0,01 - 1 µm (0,2 µm und 0,05 µm in den Beispielen) vorkommen muß, vorteilhaft als 0,4 µm gewählt wird (vgl. Seite 7 der ursprünglichen Numerierung, zweiten Absatz; Seite 16, erster und zweite Absatz).

Daher gibt Dokument (6) keine Anregung, die auf die wesentlichen Aspekte der Lösung der Aufgabe hindeutet.

6.2. Dokument (2) betrifft thermoplastische Formmassen auf der Basis von amorphen C3 - 10 Alkylenglykolbenzoldicarbonsäure Polyester. Nach der Lehre dieses Dokuments können die Schlagfestigkeitseigenschaften solcher Polyester durch Zusatz bestimmter Pfropfpolymere verbessert werden, die nach einer Ausführungsform ABS-Pfropfcopolymeren sein können. Einem allgemeinen Hinweis in diesem Dokument entsprechend, seien Herstellungsmethoden für solche Pfropfcopolymere aus dem Dokument (4) bekannt (Siehe Seite 4 der ursprünglichen Numerierung, erster Absatz).

6.2.1. Dokument (4) beschreibt die Herstellung von Kunstharzen, die hervorragende Schlagfestigkeit bei niedriger Temperatur aufweisen, wobei ca. 40 - 80 Gewichtsteile einer Mischung aus Styrol und Acrylnitril auf ca. 60 - 20 Gewichtsteile eines kautschukartigen Polybutadienlatex gepfropft werden (vgl. Anspruch 1). Nach Beispiel 3, wurden 175 Gewichsteile Butadien so weitgehend polymerisiert, daß Restbutadien durch Geruch bzw. Druck bei Öffnung des Behälters nicht mehr festgestellt werden konnte, und weiter mit einer Mischung aus 50 Gewichtsteilen Styrol und 20 Gewichtsteilen Acrylnitril reagiert.

Eine Nacharbeitung des Beispiels 3 durch die Beschwerdegegnerin 2 ergab einen festgestellten Gelanteil des Butadienlatex von über 80 % (vgl. Eingabe vom 22. Oktober 1986, Seite 2).

6.2.2. Eine nähere Überprüfung dieser Offenbarung zeigt jedoch, daß das gemäß eines anderen Beispiels (Beispiel 7) dieses Dokuments hergestellte Copolymer als lösliches Produkt gekennzeichnet ist, d. h. keinen hohen Gelanteil haben kann, und trotzdem eine hervorragende Schlagzähigkeit aufweist (Siehe Spalte 6, Zeile 52 - Spalte 7, Zeile 30).

Daher kann dem Dokument (4) keine allgemeine Lehre der Notwendigkeit eines hohen Gelanteils der Pfropfgrundlage entnommen werden.

Abgesehen davon, gibt es keinen Hinweis auf den wesentlichen Parameter des mittleren Teilchendurchmessers d50 des verwendeten Copolymers.

Es wurde auch seitens der Beschwerdegegnerinnen keinerlei Beweis erbracht, daß der mittlere Teilchendurchmesser d50 dem beanspruchten Wert entsprechen müßte.

Somit fallen die im Dokument (4) beschriebenen ABS-Copolymeren nicht eindeutig unter den Anspruch 1.

6.2.3. Auch schließt Dokument (2) Polyester nach Anspruch 1 des Streitpatents implizit aus, da dieses Dokument auf amorphe Polyester gerichtet ist und gleichzeitig PBT Homopolymere als krystallin bezeichnet (vgl. Seite 3, Absatz 2). Die Tatsache, daß nach dem Streitpatent bis zu 10 % anderer Monomeren in dem PBT zugelassen werden kann, bedeutet nicht, daß der im wesentlichen krystalline Character des PBT nicht erhalten bleibt.

Aus diesem Grunde führt eine Kombination von den ABS-Pfropfcopolymeren nach Dokument (4) mit den Polyestern nach Dokument (2) nicht zu der Lösung der technischen Aufgabe nach Anspruch 1 des Streitpatents.

6.3. Aus obengenannten Gründen würde auch eine Kombination der Polymeren nach Dokument (4) mit Dokument (6) nicht zu einem Produkt nach Anspruch 1 führen.

6.4. Die übrigen im Verfahren befindlichen Dokumente liegen dem beanspruchten Gegenstand noch ferner.

Daher ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus der Gesamtheit der Dokumente des Stands der Technik.

6.5. Außerdem muß die erhebliche Verbesserung der mehraxialen Schlagzähigkeit als überraschend angesehen werden.

Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 sind daher ebenfalls neu und beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 - 5 und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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