T 0519/88 () of 8.3.1990

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1990:T051988.19900308
Datum der Entscheidung: 08 März 1990
Aktenzeichen: T 0519/88
Anmeldenummer: 82102664.8
IPC-Klasse: C07C 47/02
Verfahrenssprache: DE
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Gewinnung von Aldehyden
Name des Anmelders: BASF
Name des Einsprechenden: Union Carbide
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
Schlagwörter: inventive step - problem - long standing
document - late filed
erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0388/89

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die am 30. März 1982 unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. April 1981 eingereichte europäische Patentanmeldung 82 102 664.8 wurde das europäische Patent 62 282 aufgrund eines einzigen Patentanspruchs erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 12. September 1984 im Patentblatt 84/37 veröffentlicht. Der Patentanspruch hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Gewinnung von Aldehyden aus dem gasförmigen Austrag der Hydroformylierung von olefinisch ungesättigten Verbindungen mittels Rhodium-Katalysatoren, dadurch gekennzeichnet, daß man a) diesen Austrag ohne zu kühlen und ohne zu entspannen in eine Destillationskolonne D einführt, b) die Kopffraktion dieser Kolonne in einem Kühler K so weit kühlt, daß der überwiegende Teil der hierin enthaltenen Aldehyde kondensiert, c) das Kondensat in einem Abscheider A in eine Gasphase und eine Flüssigphase trennt, d) die Gasphase von A nach Abtrennung des Abgases und nach Kompression mittels eines Kompressors P wieder auf Synthesedruck bringt und als Kreisgas in den Reaktor zurückführt, e) die Flüssigphase von A nach D zurückführt, und f) die Aldehyde der Kolonne D als flüssigen Sumpfabzug und/oder dampfförmigen Seitenabzug entnimmt."

II. Gegen die Erteilung dieses Patents wurde am 12. Juni 1985 Einspruch erhoben und der Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen Fehlens erfinderischer Tätigkeit und mangelnder Ausführbarkeit beantragt. Der Einspruch stützte sich unter anderem auf die folgenden Druckschriften:

(1) J. Falbe, New Syntheses with Carbon Monoxide, New York 1980, Seiten 154-155 und 171-172;

(2) J. Falbe, Carbon Monoxide in Organic Synthesis, Springer Verlag, Berlin 1970, Seiten 70-73;

(3) Chemical Engineering, Dezember 1977, Seiten 110-115; Weiterhin wurden drei Figuren 2a bis 2c vorgelegt, die das Verfahren gemäß Streitpatent in seinen drei Varianten gemäß Merkmal f) des Patentanspruchs schematisch erläutern und ergänzen, um es mit dem aus (3) bekannten Verfahren vergleichbar zu machen.

III. Mit Entscheidung vom 28. Juni 1988, schriftlich begründet und zur Post gegeben am 31. August 1988, hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen. Gegenüber (3) als nächstem Stand der Technik - so wird in der Entscheidung ausgeführt - sei das Verfahren gemäß Streitpatent apparativ weniger aufwendig. Dies habe sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stande der Technik ergeben. Der Einwand der Einsprechenden, das Verfahren gemäß Streitpatent benötige u. a. mehr Energie und sei deshalb gegenüber dem Stande der Technik nachteilig, sei weder ausreichend substantiiert noch angesichts der erzielten apparativen Vereinfachung relevant. Die Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Streitpatent werde nicht dadurch widerlegt, daß es nicht mit allen denkbaren Ausgangsmaterialien gleich gut durchführbar sei.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 18. Oktober 1988 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben und diese am 10. Januar 1989 begründet. Am 8. März 1990 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.

V. Die Beschwerdeführerin hat unter Hinweis auf

(6) Hydrocarbon Processing (April 1970), 112-114 ausgeführt, daß auch apparativ einfache Ausführungsformen der Hydroformylierung bereits zum Stande der Technik gehörten. In der apparativen Vereinfachung könne daher nichts Erfinderisches gesehen werden. Bei der Ausgestaltung gemäß Figur 2c, bei der kein Reinaldehyd aus der Druckdestillationskolonne D gewonnen werde, erfolge lediglich eine nicht erfinderische Umgruppierung der aus (3) bereits bekannten Anlagenbestandteile. In diesem Falle sei auch bei der anschließenden Destillation des Rohaldehyds (Kolonne E in Zeichnung 2c) eine Gasrückführung in den Reaktor vorzusehen. Deren Weglassen, das aus (6) bekannt sei, führe zu einem höheren Olefinverlust. Die Druckdestillation des Reaktoraustrags ohne Zwischenschaltung eines Kühlers und Abscheiders sei bereits aus (2), S. 73, Fig. 12 bekannt gewesen. Außerdem sei aus (1), S. 171 bekannt, daß zur Olefin-Rückführung und zur Kreisgas-Rückführung nur ein einziger Kompressor nötig sei. Es habe daher nahegelegen, das aus (1) bzw. (3) bekannte Verfahren, bei dem der Abscheider und die Entgasungskolonne sowohl unter Synthesedruck oder aber unter einem geringeren Druck stehen könnten, in der im Streitpatent beanspruchten Weise abzuwandeln. Mit dieser Abwandlung sei auch kein überraschender Effekt, etwa Energieeinsparung, verbunden, denn bei den zu vergleichenden Verfahren falle derselbe flüssige Rohaldehyd an. Ob man diesen aus dem gasförmigen Reaktoraustrag durch Kondensation vor oder nach der Kolonne E bzw. D gewinne, sei für die Energiebilanz belanglos.

Die Beschwerdeführerin bestritt weiterhin die Ausführbarkeit des Verfahrens gemäß Streitpatent mit Olefinen mit mehr als fünf Kohlenstoffatomen, da die Siedepunkte der Produkte in diesem Falle deren gasförmige Entnahme aus dem Reaktor nicht mehr zuließen.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat hingegen ausgeführt, (3) sei zwar in bezug auf die apparative Schaltung nächster Stand der Technik, jedoch in verfahrenstechnischer Hinsicht irrelevant, da darin über die Druckverhältnisse in den Anlageteilen A und E (siehe Figur 1 des Streitpatents) keine Angaben gemacht werden. Die Angaben zum Stand der Technik in der Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 51-55 hätten auf Vermutungen beruht, die von der Beschwerdeführerin, einer Betreiberin der in (3) beschriebenen Anlage, im Einspruchsverfahren als unzutreffend bezeichnet worden seien. Obwohl zur Rückführung des Kreisgases gemäß Streitpatent nur ein Kompressor erforderlich sei, handele es sich dabei nicht um eine gegenüber (3) verschlechterte Ausführungsform; vielmehr lägen die Olefinverluste beider Verfahren in derselben Größenordnung. In (3) falle nämlich die Haupt menge des Olefins nicht im Abscheider A, sondern erst in der Entgasungskolonne E an und müsse daher mit einem weiteren Kompressor P2 zurückgeführt werden. Beim Verfahren gemäß Streitpatent (Figur 2) werde in der Druckdestillationskolonne D Kreisgas und Olefin gleichzeitig vom Rohaldehyd getrennt und zurückgeführt. Der im Sumpf der Kolonne D anfallende Rohaldehyd enthalte deshalb nur dieselbe geringe Menge an gelöstem, nicht umgesetztem Olefin wie das Sumpfprodukt der Entgasungskolonne E gemäß dem bekannten Verfahren. Im Gegensatz zu (3) könne der Abscheider A beim Verfahren gemäß Streitpatent klein gehalten werden. Auch beim Verfahren nach (3) müsse die Kolonne E unter Rücklauf betrieben werden. Die gemäß Streitpatent erzielbare Energieeinsparung ergebe sich schon daraus, daß die gemäß (3) erforderliche Kühlung und Wiedererwärmung des gesamten Reaktoraustrags entfalle. Selbst wenn man - zuungunsten der Beschwerdegegnerin - die in der Streitpatentschrift geäußerte Vermutung über die Druckverhältnisse bei dem in (3) beschriebenen Verfahren zugrundelege, habe das Verfahren gemäß Streitpatent nicht nahegelegen. Insbesondere könne von (2) keine Anregung ausgehen, den gasförmigen Reaktoraustrag direkt einer Druckdestillation zuzuführen, da dort kein gasförmiger, sondern ein im wesentlichen flüssiger Reaktoraustrag destilliert werde. Beim Verfahren nach (1) sei zwar nur ein Kompressor zur Rückführung von Kreisgas und Olefin vorgesehen, dafür müsse aber nach Abkühlung des Reaktoraustrags entspannt werden, was nicht zur Verfahrensweise gemäß Streitpatent hinführe.

Zur Ausführbarkeit wurde schließlich vorgetragen, daß bei Durchführung der Hydroformylierung unter geringerem Druck auch höhere Aldehyde abgetrennt werden könnten.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde genügt den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist daher zulässig.

2. Nach Überzeugung der Kammer ist das Verfahren gemäß Streitpatent im gesamten beanspruchten Umfang ausführbar. Aus dem geltenden Patentanspruch geht nämlich klar hervor, daß ausschließlich ein Verfahren zur Gewinnung von Aldehyden aus dem gasförmigen Austrag der Hydroformylierung beansprucht wird. Wenn, wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, höhere Aldehyde mit mehr als 5 Kohlenstoffatomen nicht mehr gasförmig ausgetragen werden können, so wird ihre Gewinnung vom Anspruchswortlaut auch nicht umfaßt. Dies gilt umso mehr, als die Anzahl der Kohlenstoffatome der Aldehyde, bis zu der diese noch gasförmig austragbar sind, vom Synthesedruck abhängt, so daß ihre zahlenmäßige Festlegung im Patentanspruch nicht sachgerecht wäre.

3. Keine der Entgegenhaltungen beschreibt ein Verfahren zur Gewinnung von Aldehyden aus dem gasförmigen Austrag der Hydroformylierung von Olefinen, bei dem der Austrag ohne vorherige Kühlung einer Druckdestillation unterworfen wird. Das Verfahren gemäß Streitpatent ist somit neu. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

4. Es ist somit noch zu untersuchen, ob das Verfahren gemäß Streitpatent auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

4.1. In Übereinstimmung mit den Angaben des Streitpatents, Spalte 1, Zeilen 10 bis 62 kann das aus (3) bekannte Verfahren als nächster Stand der Technik angesehen werden. Diese Druckschrift beschreibt das Niederdruck-Oxoverfahren mittels Rhodiumkatalysatoren, wie es schematisch in Figur 1 der Streitpatentschrift dargestellt ist. Die Reaktionsprodukte verlassen den Reaktor gasförmig und werden anschließend (im Kühler K) gekühlt. In einem Abscheider A wird sodann eine flüssige Phase gesammelt, die das Aldehyd-Produkt und, darin gelöst, den größeren Teil des nicht umgesetzten Olefins enthält. Die übrigen nicht umgesetzten gasförmigen Ausgangsmaterialien Wasserstoff, Kohlenmonoxid und ein Teil des Olefins werden aus dem Abscheider mittels der Pumpe P1 in den Reaktor zurückgeführt. Die flüsse Phase aus dem Abscheider wird einer Entgasungskolonne E zugeführt, in der das gelöste Olefin abgetrennt wird, das über die Pumpe P2 wieder in den Reaktor zurückkehrt. Der gesamte Rohaldehyd fällt als Sumpfprodukt der Kolonne E an und wird wie üblich destillativ gereinigt. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 51 bis 55 ist die Beschwerdegegnerin davon ausgegangen, daß bei diesem Verfahren der Abscheider A und die Kolonne E unter Synthesedruck stehen. Diese Annahme findet allerdings, wie die Beschwerdegegnerin zu Recht feststellt, in (3) mangels Angaben über die Druckverhältnisse keine Stütze. Trotzdem war die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung bereit, dem weiteren Verfahren die genannten Angaben in der Streitpatentschrift zugrunde zu legen.

Dies gilt allerdings nicht für das in (1), S. 171, Fig. 1.6.9 schematisch dargestellte ähnliche Verfahren, das sich von dem aus (3) bekannten weiterhin dadurch unterscheidet, daß für die Rückführung von Kreisgas und Olefinen nur ein einziger Kompressor vorgesehen ist. Auch dieser Druckschrift läßt sich nicht entnehmen, welche Anlagenteile unter Druck stehen. Aus dem Umstand, daß in dieser stark vereinfachten Figur keine Entspannungsventile eingezeichnet sind, kann nämlich nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, geschlossen werden, daß die ganze Anlage unter Hydroformylierungsdruck stehen müsse; denn derartige Details sind in einer groben Schemazeichnung generell nicht enthalten. Da beide Parteien nicht in der Lage waren, über die tatsächlichen Druckverhältnisse bei dem in (1) beschriebenen Verfahren nähere Angaben zu machen, sondern vielmehr übereinstimmend erklärten, daß es sich dabei um im allgemeinen der Öffentlichkeit nicht zugängliche Betriebsdaten handele, liegt hier ein Fall vor, in dem sich die Tatsachenbehauptungen der Parteien widersprechen, ohne daß es der Kammer möglich ist, von Amts wegen den Sachverhalt aufzuklären. Aus den in der Entscheidung T 219/83 (ABl. EPA 1986, 211) dargelegten Gründen geht dieser Widerspruch zu Lasten der Beschwerdeführerin. Aus diesem Grunde kann (1) nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, als nächster Stand der Technik angesehen werden.

Bei dem in (3) beschriebenen Verfahren hat es die Beschwerdegegnerin als nachteilig angesehen, daß der gesamte Reaktoraustrag zunächst kondensiert und anschließend in der Entgasungskolonne unter zusätzlichem Energieaufwand wieder verdampft werden muß (Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeilen 51-62). Ferner hat sie festgestellt, daß dieses Verfahren apparativ aufwendig ist (Streitpatentschrift, Spalte 1, Zeile 65 bis Spalte 2, Zeile 2).

4.2. Die dem Streitpatent zugrundeliegende technische Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren zur Gewinnung von Aldehyden aus dem gasförmigen Reaktoraustrag anzugeben, das Energieeinsparungen und apparative Vereinfachungen ermöglicht.

Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß Streitpatent im wesentlichen vorgeschlagen, den gasförmigen Reaktoraustrag nicht zu kühlen und/oder zu entspannen, sondern direkt einer Destillationskolonne zuzuführen. Nach den Angaben im Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 26 bis 30 sollen hierbei bis zur Stufe des von Gasen befreiten Aldehyds bis zu 30 % Energie eingespart werden können.

Zwar bestreitet die Beschwerdeführerin, daß mit der Variante gemäß Figur 2c eine Energieersparnis erzielt wird; eine solche ist jedoch wahrscheinlich, da der Einwand, daß bei der Ausführungsform gemäß Figur 2c, bei der der gesamte Rohaldehyd als Sumpfprodukt der Druckdestillation gewonnen wird, ebenso wie bei der bekannten Verfahrensweise nach Figur 1 der gesamte Rohaldehyd letztendlich kondensiert werde und der dabei anfallende Energieverlust gleich groß sei, nicht überzeugen kann. Diese Betrachtungsweise läßt nämlich außer Acht, daß der Wärmeinhalt des gasförmigen Reaktoraustrags gemäß Streitpatent direkt zur Destillation zur Verfügung steht, und nicht wie in (3) durch Kühlung verloren geht und durch Wiedererhitzen erneut aufgebracht werden muß. Die gemäß Figur 1 beim Kühlen des Reaktoraustrags anfallende Wärme kann auch wegen des unzureichenden Temperaturniveaus nicht ohne weiteres zum Wiedererhitzen der aus dem Abscheider entnommenen Flüssigkeit in der Kolonne E gemäß Figur 1 benutzt werden.

Die Kammer hält ferner die Ausführungen der Beschwerdegegnerin für glaubhaft, wonach die Kolonne E in Figur 1 ebenso unter Rücklauf betrieben werden muß wie die Kolonne D in Figur 2c, da die Beschwerdeführerin zuletzt nicht mehr bestritten hat, daß unter praktisch identischen Bedingungen etwa gleiche Olefinmengen vom Rohaldehyd abgetrennt werden. Es ist daher kein plausibler Grund erkennbar, warum beim bekannten Verfahren unter sonst gleichen Bedingungen zur Olefinabtrennung keine Kühlung des Kopfprodukts der Kolonne E und Rückführung des Kondensats erforderlich sein soll. Die Beschwerdeführerin hat demzufolge nicht glaubhaft dargelegt, daß dem durch Wegfall der Verflüssigung des Reaktoraustrags vermiedenen Energieverlust ein höherer Energieaufwand in der Kolonne D gegenübersteht.

Aufgrund der Ausführungen der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung sieht es die Kammer auch als glaubhaft an, daß die aufgabengemäße apparative Vereinfachung nicht nur in der Einsparung einer Pumpe besteht, sondern auch im Wegfall des Kühlers K und des Abscheiders A, denn der Kühler K und der Abscheider A gemäß Fig. 2 des Streitpatents erfüllen lediglich die Funktion der der Kolonne E gemäß Fig. 1 gedanklich hinzuzufügenden entsprechenden Anlageteile.

Die Kammer kann schließlich auch der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht folgen, die Einsparung eines Kompressors gegenüber dem aus (3) bekannten Verfahren werde durch eine verminderte Rückgewinnung des nicht umgesetzten Olefins erkauft, da, wie die Beschwerdeführerin zuletzt nicht mehr bestritten hat, der in den Kolonnen E (Fig. 1) bzw. D (Fig. 2) als Sumpfprodukt anfallende Rohaldehyd vergleichbar geringe Olefinmengen enthält.

Die Kammer hält es daher auch angesichts der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente für glaubhaft, daß die bestehende technische Aufgabe durch das Verfahren gemäß Streitpatent tatsächlich gelöst worden ist.

4.4. Aus (3) erhält der Fachmann keinerlei Anregung, in welcher Richtung das bekannte Verfahren modifiziert werden könnte, um zu apparativer Vereinfachung und Energieeinsparung zu kommen. Er muß im Gegenteil aus dem die Seiten 112 und 113 überbrückenden Absatz schließen, daß das bekannte zweistufige Gas-Rückführungssystem ein wesentliches Merkmal des bekannten Verfahrens ist, das einen bemerkenswert einfachen Anlageaufbau ermöglicht, also bereits eine optimale Lösung für die Aufarbeitung des Reaktoraustrags darstellt.

Die in (2), Seite 73 für den sogenannten "Shell-Prozeß" beschriebene Druckdestillation dient zur Aufarbeitung eines im wesentlichen flüssigen Reaktoraustrags, da hierbei die Abtrennung des nicht flüchtigen Cobalt- Katalysators von den Reaktionsprodukten erfolgt. Von diesem Stande der Technik konnte daher ebenfalls keine Anregung ausgehen, zur weiteren Optimierung des aus (3) bekannten Verfahrens den Reaktoraustrag, im Gegensatz zur in (3) gegebenen Lehre, gasförmig der Druckdestillation zuzuführen. Ebenso wenig kann die in (1), Seite 171 (Fig. 1.6.9) beschriebene Anlage hierzu eine Anregung bieten, da auch hierbei der gasförmige Reaktoraustrag kondensiert wird. Dasselbe gilt für die Anlage gemäß Fig. 1.6.2 (S. 155), weil aus den zugehörigen Ausführungen auf S. 154 und 155 weder hervorgeht, daß der Reaktoraustrag gasförmig der Destillationskolonne zugeführt wird, noch daß die Destillation unter Druck erfolgt. Die erst im Beschwerdeverfahren, also verspätet, genannte Druckschrift (6) zeigt auf Seite 112 schematisch den Aufbau einer Anlage, bei der die Reaktionsprodukte in flüssigem Zustand entnommen, sodann entgast und mehrfach destilliert werden (vgl. den die Seiten 112 und 113 überbrückenden Absatz). Zudem ist nicht ersichtlich, welche Teile der Anlage unter Synthesedruck stehen und welche nicht. Diese Druckschrift enthält also gegenüber dem aus (2) und (3) Bekannten keinerlei wesentliche zusätzliche Informationen und kann daher gemäß Artikel 114 (2) EPÜ unberücksichtigt bleiben.

4.5. Die Kammer hat außerdem von sich aus geprüft, ob der Fachmann auch ohne ein eigentliches Vorbild im Stande der Technik erkennen konnte, daß zur Lösung der Aufgabe die gemäß (3) vorgesehene Abkühlung und Phasentrennung des Reaktoraustrags entbehrlich war. Bei dieser Prüfung ist nach Überzeugung der Kammer besondere Sorgfalt geboten, um eine unzulässige rückschauende Betrachtungsweise auszuschließen. Allein der Umstand, daß die aufgabengemäß angestrebten Vorteile bei Kenntnis des Streitpatents einleuchten, besagt noch nicht, daß sich die hierzu notwendigen Maßnahmen dem Fachmann anboten. Im vorliegenden Falle ist die Kammer vor allem deshalb zu dem Ergebnis gekommen, daß die an sich einfach aussehende Lösung der Aufgabe nicht nahegelegen haben kann, weil sich die Fachwelt seit Ende 1972 intensiv um die Kommerzialisierung des rhodiumkatalysierten Oxo-Verfahrens bemüht hat und nach 5 Jahren aufwendiger Forschung den in (3) als besonders kostengünstig bezeichneten Weg eingeschlagen hat, ohne die mit dem Verfahren nach Streitpatent verbundenen weiteren Vorteile zu erkennen (siehe S. 115 ab linke Spalte, Absatz 3 und den die Seiten 114 und 115 überbrückenden Absatz). Da auch die gemäß Streitpatent erzielte Energieeinsparung und apparative Vereinfachung nichts anderes bezweckt als eine Senkung der Kosten, zieht die Kammer hieraus den Schluß, daß die Fachkreise, die um die Kostenoptimierung dieses großtechnischen Verfahrens bemüht waren, am Vorschlag des Streitpatents vorbeigegangen sind, was auf dessen erfinderische Qualität hindeutet.

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin waren daher nicht geeignet, den hinsichtlich des im Streitpatent beanspruchten Verfahrens geltend gemachten Mangel an erfinderischer Tätigkeit glaubhaft darzutun.

5. Da das europäische Patent demnach in unveränderter Form aufrechterhalten werden kann, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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