European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1990:T024288.19900118 | ||||||||
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Date of decision: | 18 January 1990 | ||||||||
Case number: | T 0242/88 | ||||||||
Application number: | 83103051.5 | ||||||||
IPC class: | C08G 65/44 | ||||||||
Language of proceedings: | EN | ||||||||
Distribution: | |||||||||
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Title of application: | Verfahren zur Herstellung von Polyphenylenethern | ||||||||
Applicant name: | BASF AG | ||||||||
Opponent name: | Hüls AG | ||||||||
Board: | 3.3.01 | ||||||||
Headnote: | - | ||||||||
Relevant legal provisions: |
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Keywords: | novelty - chemical process - new feature higher minimum degree of purity Neuheit (nein) - höherer Mindest-Reinheitsgrad eines Ausgangsmaterials kein neues Merkmal eines chemischen Herstellungsverfahrens |
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Catchwords: |
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Cited decisions: |
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Citing decisions: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Auf die am 28. März 1983 unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. April 1982 eingereichte europäische Patentanmeldung 83 103 051.5 wurde das europäische Patent 91 055 aufgrund von vier Patentansprüchen erteilt. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 11. Juni 1986 im Patentblatt 86/24 veröffentlicht. Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut (zwei Druckfehler korrigiert).
"Verfahren zur Herstellung hochmolekularer Polyphenylenether aus einwertigen Phenolen, die in den beiden ortho-Stellungen oder zusätzlich in einer meta- Position, nicht aber in der para-Stellung Alkylsubstituenten aufweisen, durch oxidative Kupplungsreaktion mit Sauerstoff bei Temperaturen zwischen 10 und 45°C, in Anwesenheit eines Katalysatorkomplexes aus einem Kupfersalz und einem organischen Amin in Gegenwart eines aromatischen C7- bis C 10-Kohlenwasserstoffs als Lösungsmittel im Bereich von 1 : 1 bis 20 : 1 Gewichtsteilen, bezogen auf das monomere Phenol, und gegebenenfalls eines Aktivators, und Abtrennung des Metallkatalysators aus der Polyphenylenetherlösung durch Zugabe einer komplexbildenden Verbindung, dadurch gekennzeichnet, daß das di- oder trisubstituierte Phenol weniger als 0,2 Gew.-%, bezogen auf das einwertige Phenol, an Phenol, monosubstituierten Phenolen und mehrkernigen Phenolen enthält.
II. Gegen die Erteilung dieses Patents wurde am 27. Februar 1987 ein Einspruch eingelegt, mit dem der Widerruf des Patents in vollem Umfang wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit begehrt wurde. Dieser Einspruch stützte sich u. a. auf folgende Druckschriften:
(1) DE-B-1 221 233 (3) EP-A-47 428 (6) DE-B-1 768 730 III. Mit Entscheidung vom 12. April 1988 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen. In der Entscheidung wird ausgeführt, daß Druckschrift (3), die dem Gegenstand des Streitpatents am nächsten komme, ein Verfahren zur Herstellung von Polyphenylenethern gemäß dem Oberbegriff des patentgemäßen Verfahrens betreffe, aber nicht offenbare, daß das di- oder trisubstituierte Phenol weniger als 0,2 Gew.-% an Phenol, monosubstituierten Phenolen und mehrkernigen Phenolen enthalte. Die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe sei demgegenüber darin zu sehen, die Menge der im Polymeren vorhandenen Metallrückstände und Diphenochinon-Nebenprodukte zu vermindern. Diese Aufgabe sei, wie sich aus den Versuchsergebnissen in Spalten 7 und 8 der Streitpatentschrift ergebe, glaubhaft gelöst worden. Von den übrigen Entgegenhaltungen sei keine Anregung ausgegangen, diese Aufgabe durch Einsatz eines besonders reinen Dialkylphenol-Ausgangsmaterials mit weniger als 0,2 % Verunreinigungen zu lösen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 11. Juni 1988 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde erhoben. In der am 5. August 1988 eingegangenen Beschwerdebegründung und einem weiteren am 25. Januar 1988 eingegangenen Schriftsatz wurde u. a. noch auf
(8) DE-A-2 364 319 Bezug genommen und ausgeführt, daß es für den Fachmann selbstverständlich sei, daß der Einsatz reineren Ausgangsmaterials ganz allgemein einen positiven Einfluß auf die Qualität der Produkte chemischer Reaktionen habe. Dies gelte natürlich auch für die Herstellung von Polyphenylenethern, wie insbesondere aus (6), Spalte 1, Zeilen 52 ff. hervorgehe. Dies sei auch aus der Schilderung des Standes der Technik in der Einleitung von (3) zu entnehmen. Demgegenüber habe man nach (3) versucht, durch Änderung der bekannten Polymerisationsbedingungen den Einsatz von Rohmonomeren ohne zu große Verluste an Produktqualität möglich zu machen. Diese Druckschrift könne daher nicht als nächstvergleichbarer Stand der Technik in Betracht kommen. Auszugehen sei vielmehr von Dokument (8), in dem die Reinheit des Ausgangsmaterials nicht ausdrücklich erwähnt sei.
V. Die Kammer hat in einem Zusatz zur Ladung zur mündlichen Verhandlung auf die bisherige Rechtsprechung der Kammer zur Neuheit von Zahlenbereichen sowie auf die Möglichkeit hingewiesen, daß die in (8) mitgeteilten Kupfergehalte im Produkt dafür sprechen könnten, daß dort bereits ebenso reines Ausgangsmaterial wie nach dem Streitpatent verwendet worden ist, womit die Neuheit des Gegenstands des Streitpatents in Frage gestellt sein könnte.
VI. In der mündlichen Verhandlung am 18. Januar 1990 hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) neue Patentanspruche vorgelegt, deren erster sich vom erteilten Anspruch 1 durch das weitere kennzeichnende Merkmal unterscheidet, daß die Abtrennung des Metallkatalysators durch einmalige Zugabe einer komplexbildenden Verbindung erfolgt. Die Ansprüche 2 bis 4 blieben unverändert.
Die Beschwerdegegnerin hat dazu ausgeführt, daß bei der Arbeitsweise nach (8), Beispiel 6, die Abtrennung des Metallkatalysators durch zweimalige Extraktion erfolge. Daher sei der niedrige Kupfergehalt des nach diesem Beispiel erhaltenen Polymeren auch kein Anzeichen dafür, daß dort ein Ausgangsphenol mit weniger als 0,2 % an Verunreinigungen eingesetzt worden sei. Das Verfahren gemäß dem neuen Patentanspruch sei daher neu.
Die Beschwerdeführerin hat erwidert, daß die einmalige Zugabe des komplexbildenden Mittels zur Lehre von (8) gehöre und somit die Neuheit des Verfahrens nach dem geltenden Anspruch 1 nicht begründen könne. Der Umstand, daß in Beispiel 6 von (8) zweimal extrahiert werde, sei auch kein Indiz dafür, daß in diesem Beispiel mit weniger reinem Ausgangsphenol gearbeitet worden sei, da jeweils mit 0.55 Mol-% komplexbildender Verbindung extrahiert, insgesamt also nur 10 % Überschuß an Komplexierungsmittel angewendet worden sei, während in den Beispielen des Streitpatents mit einmaliger Extraktion, aber einem wesentlich höheren Überschuß an komplexbildender Verbindung vergleichbare Ergebnisse erzielt worden seien.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche aufrechtzuerhalten.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 EPÜ sowie der Regel 64; sie ist daher zulässig.
2. Der geltende Patentanspruch 1 erfüllt die Erfordernisse des Art. 123 EPÜ, da er sich auf den ursprünglichen Anspruch 1 in Verbindung mit den Angaben in der ursprünglichen Beschreibung, S. 6, Abs. 2 stützt (vgl. Patentschrift, Spalte 4, Z. 43 - 48) und gegenüber dem erteilten Anspruch 1 durch Aufnahme eines weiteren Merkmals beschränkt worden ist.
3. Dem Verfahren des geltenden Patentanspruchs 1 fehlt jedoch gegenüber (8) die Neuheit im Sinne von Artikel 54 (1) EPÜ.
3.1. Diese Druckschrift betrifft gemäß Anspruch 1 ein Verfahren zur Abtrennung des metallischen Katalysator-Rückstandes bei der Bildung eines Polyphenylenäthers durch oxydative Kupplungsreaktion in Anwesenheit eines Metallion-Amin- Komplexkatalysators durch Hindurchleiten eines sauerstoffhaltigen Gases durch eine Reaktionslösung aus einem Phenol und dem Katalysator, bei dem die Reaktionslösung mit einem Chelatisierungsmittel für die Metallionenkomponente des Katalysators in Kontakt gebracht wird und die Metallchelatverbindung aus der Reaktionslösung durch flüssig-flüssig-Extraktion in ein wässriges Medium abgetrennt wird. Nach Anspruch 10 enthält die Reaktionslösung ein Phenol, einen Kupfersalz- Aminkomplexkatalysator und ein aromatisches Lösungsmittel. Dieses ist gemäß der Beschreibung, S. 5, Zeile 4 von unten, bevorzugt Toluol oder Benzol. Das einzige in der Beschreibung konkret erwähnte Phenol ist das auch in den Beispielen des Streitpatents verwendete 2,6- Dimethylphenol. Die Reaktionstemperatur beträgt 25-50° C (S. 6, Z. 4). Nach der Ausführungsform des Anspruchs 13 wird das Kontaktieren mit dem Chelatisierungsmittel in wenigstens zwei separaten Stufen ausgeführt. Die Kammer schließt daraus, daß die einzige Ausführungsform gemäß Anspruch 1, die über den Gegenstand des Anspruchs 13 hinausgeht, das einmalige Kontaktieren mit dem Chelatisierungsmittel ist. Diese Folgerung steht im Einklang mit den Angaben auf S. 7 der Beschreibung, erster vollständiger Absatz und der Arbeitsweise gemäß Beispiel 1, bei dem Benzol als Lösungsmittel dient. Nach der Arbeitsweise dieses Beispiels wird auch in den Beispielen des Streitpatents verfahren, in denen als Lösungsmittel Toluol verwendet wird. Aufgrund dieser Angaben ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, daß alle Maßnahmen des geltenden Patentanspruchs 1 außer dem Reinheitsgrad des Ausgangsmaterials aus (8) im Zusammenhang expressis verbis entnommen werden können.
3.2. Der im Streitpatent genannte Mindestwert für die Reinheit des Ausgangsmaterials stellt jedoch nach Überzeugung der Kammer im vorliegenden Fall kein Merkmal dar, das das Verfahren gemäß Streitpatent von diesem Stande der Technik unterscheidet. Wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen, versteht der Fachmann nämlich unter einer durch ihre chemische Bezeichnung beschriebenen Verbindung ohne besondere Angaben über deren Reinheit das praktisch vollständig reine Produkt. Demgegenüber könnte die Reinheitsangabe im Streitpatent, die nur einen Minimal- und keinen Maximalwert definiert, und somit dieses reine Produkt einschließt, nur dann als neu gelten, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß in (8) - im Gegensatz zum üblichen Verständnis des Fachmanns - nur die Verwendung eines weniger reinen Ausgangsmaterials gemeint ist. In diesem Zusammenhang kommt es zunächst nicht darauf an, daß gemäß Streitpatent nur die Anwesenheit bestimmter Verunreinigungen, nämlich von Phenol, monosubstituierten Phenolen und mehrkernigen Phenolen, begrenzt werden soll, da die Menge an diesen Verunreinigungen nicht größer sein kann, als die Gesamtmenge aller Verunreinigungen.
3.3. Ein solcher konkreter Anhaltspunkt dafür, daß die Verwendung reinen Ausgangsmaterials in (8) nicht gemeint sein kann, könnte zum Beispiel dann gegeben sein, wenn solche reinen Ausgangsverbindungen am Prioritätstag von (8) nicht verfügbar oder zumindest völlig unüblich gewesen wären. Dies ist jedoch von der Beschwerdegegnerin nicht dargetan worden, die nicht bestritten hat, daß üblicherweise das Ausgangsmaterial einen Reinheitsgrad von mindestens 99 % hatte. Dies wird auch durch die - gutachtlich herangezogenen - Angaben zum Stande der Technik in (3), S. 1, Zeile 30 bis S. 2, Zeile 5 erhärtet, wo auf den vor dem Prioritätstag von (3) bekannten Stand der Technik Bezug genommen wird. Die Beschwerdegegnerin hat ferner nicht bestritten, daß - belegt durch (1) und (6) - vor dem Prioritätstag von (8) 2,6-Dimethylphenol mit einem Reinheitsgrad bekannt war, der noch wesentlich höher ist als der gemäß Streitpatent mindestens geforderte. Somit ist kein Grund ersichtlich, wieso derart reines Ausgangsmaterial im Verfahren gemäß (8) nicht verwendet worden sein sollte.
3.4. Ein konkreter Anhaltspunkt für die Verwendung eines weniger reinen Ausgangsmaterials in (8) könnte weiterhin dann gegeben sein, wenn gemäß dem dortigen Stande der Technik bei sonst identischer Arbeitsweise weniger reine Verfahrensprodukte erhalten würden. Auch dies hat die Beschwerdegegnerin jedoch nicht dargetan. Sie hat zwar vorgetragen, daß der Kupfergehalt im Produkt gemäß Beispiel 6 aus (8) das Ergebnis einer zweimaligen Extraktion mit einem komplexbildenden Mittel sei, während gemäß Streitpatent ein vergleichbarer Reinheitsgrad des Produkts bereits mit einmaliger Extraktion erzielt werde. Ein ähnlich niedriger Kupfergehalt wird gemäß (8), Beispiel 1, jedoch auch bei bloß einmaliger Extraktion unter praktisch denselben Bedingungen wie gemäß Streitpatent, wenn auch unter Verwendung von Benzol als Lösungsmittel erzielt. Die Beschwerdegegnerin hat keinen Grund dafür vorgetragen, warum der Übergang von Benzol auf Toluol als Lösungsmittel einen wesentlichen Einfluß auf den Kupfergehalt nach der Extraktion haben sollte. Außerdem wird in Beispiel 6 die Extraktion zwar zweistufig, aber mit einer wesentlich geringeren Gesamtmenge an komplexbildendem Mittel (1.1 Mol pro Mol Kupfer) durchgeführt. Im Gegensatz hierzu wird gemäß Streitpatent eine Menge von 4 g Ethylendiamintetraessigsäure zur Extraktion des Kupfergehalts von 1,3 g Kupfer(i)bromid angewendet. Dies entspricht einer Menge von etwa 1,5 Mol komplexbildendem Mittel pro Mol Kupfer. Demnach ist auch aus diesem Sachverhalt nichts herzuleiten, was dafür sprechen könnte, daß in dem aus (8) bekannten Verfahren weniger reines Ausgangsmaterial als nach Streitpatent eingesetzt worden wäre.
4. Die Verfahren gemäß den abhängigen Patentansprüchen 2 bis 4 unterscheiden sich von demjenigen nach Anspruch 1 nur durch andere Mindestreinheitsgrade der Ausgangsprodukte. Sie fallen schon deshalb mit Anspruch 1, weil eine Ausrechterhaltung des Patents im auf den Gegenstand eines oder mehrerer dieser Ansprüche eingeschränkten Umfang nicht beantragt worden ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.