T 0218/86 () of 22.3.1988

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1988:T021886.19880322
Datum der Entscheidung: 22 März 1988
Aktenzeichen: T 0218/86
Anmeldenummer: 80730047.0
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 755 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Nutzfahrzeugrad für Einzel- und Zwillingsanordnung
Name des Anmelders: Mannesmann Kronprinz AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 114(1)
European Patent Convention 1973 Art 114(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (ja)
Verspätetes Vorbringen (unberücksichtigt)
Eindeutige Definition der Erfindung (Auslegung)
Schutzbereichserweiterung (nein)
Inventive step (yes)
grounds submitted belatedly (unconsidered)
unequivocal definition of the invention (interpretat.)
extension of scope of protection (no)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0391/91

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 023 881, das mit Wirkung vom 11. April 1984 auf die am 3. Juli 1980 angemeldete und am 11. Februar 1981 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 730 047.0 erteilt wurde.

II. Gegen dieses Patent hat die Beschwerdegegnerin Einspruch eingelegt mit der Begründung, daß der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 52 und 56 nicht patentfähig sei, da er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zur Stützung dieser Auffassung verwies sie auf folgende Druckschriften (Numerierung in Übereinstimmung mit derjenigen in der angefochtenen Entscheidung):

(2) DE-A- 2 629 511 (3) DE-A- 2 635 983 (8) ATZ, Automobiltechnische Zeitschrift, 1978, Heft 3, Seiten 107-113 (9) DE-A- 2 636 996 (10) US-A- 1 883 641 (11) US-A- 3 366 421 Außerdem machte sie die offenkundige Vorbenutzung der Radscheiben 5J13 der Firma Lemmerz gemäß den von ihr vorgelegten Fotographien 1-4 geltend.

III. Nachdem der Einspruch durch Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 13. Mai 1986 widerrufen worden war, mit der Begründung, daß die Gegenstände der beiden unabhängigen Ansprüche 1 und 2 jeweils nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, legte die Beschwerdeführerin am 4. Juli 1986 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 13. September 1986 eingereicht. In ihr wird die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des Streitpatents durch den Stand der Technik nicht nahegelegt werde, daß es vielmehr einer erfinderischen Tätigkeit bedurft habe, um zu ihm zu gelangen.

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) widersprach in ihrem Schriftsatz vom 26. Januar 1987 dem Vorbringen der Beschwerdeführerin. Zum Nachweis dafür, daß es bekannt war, dieselben Räder sowohl bei Personenkraftwagen als auch bei Anhängern oder Kombikraftwagen zu benutzen, legte sie einen Katalog der Firma Lemmerz vom 1. September 1977 vor. In einem Ergänzungsschriftsatz vom 24. August 1987 verwies sie ferner erstmals auf die US-A- 2 317 311. Sie hielt ihren im Einspruchsverfahren vertretenen Standpunkt aufrecht, dem Gegenstand des Streitpatents fehle es an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit.

V. Nachdem die Beteiligten in einer die Ladung zur mündlichen Verhandlung begleitenden Mitteilung vom 21. Januar 1988 über Bedenken der Kammer im Hinblick auf die Artikel 123 (2) und 84 EPÜ unterrichtet und auch von dem vorläufigen Standpunkt der Kammer zu einigen Sachfragen im Zusammenhang mit der Prüfung der Patentfähigkeit in Kenntnis gesetzt worden waren, fand am 22. März 1988 eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Im Verlaufe dieser Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, daß sie den erteilten Anspruch 2 nicht aufrecht erhalte. Sie überreichte neue Ansprüche 1 bis 5 sowie eine entsprechend geänderte Beschreibung und eine neue Figur 3.

Die erteilten Figuren 1 und 2 wurden unverändert aufrechterhalten. Sie stellte den Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit den überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten, unter Beibehaltung des Begriffs "Nutzfahrzeug" im Anspruch 1 und in Zeile 1 der Beschreibung.

Die Beschwerdegegnerin hielt ihren Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde aufrecht.

VI. Der geltende Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Nutzfahrzeugrad aus Blechmaterial für Einzel- und Zwillingsanordnung mit einer an der Radaußenseite und an der Radinnenseite vorhandenen durch Feinbearbeitung eben ausgebildeten Anlagefläche, die aus einer äußeren und einer inneren ringförmigen Anlagefläche (7, 8 bzw. 17, 18) besteht, die durch Vertiefungen an der Spiegelfläche des Rades gebildet sind und von denen die innere Anlagefläche (18) Unterbrechungen (19) aufweist, die im Bereich der Bolzenlöcher (15) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die äußere (7 bzw. 17) ringförmige Anlagefläche Aussparungen (13) bzw. Unterbrechnungen (14) aufweist, die im Bereich der Bolzenlöcher (15) angeordnet sind und radial nach außen gerichtet sind.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.

2.1. Der geltende Anspruch 1 ist inhaltlich durch die ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 in Verbindung mit Seite 9 Absatz 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung (Seite 5, Absatz 2 der veröffentlichten Patentanmeldung) gestützt. Die geltenden Ansprüche 2 bis 5 gehen auf die ursprünglichen Ansprüche 4 bis 7 zurück. Auch die neue Beschreibung hält sich im Rahmen des ursprünglich Offenbarten. Die neue Figur 3 ist mit der ursprünglichen Figur 4 identisch. Es bestehen daher keine Bedenken gegen die neuen Unterlagen im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ.

2.2. Die geltenden Ansprüche 1 bis 5 sind auch nicht in der Weise geändert worden, daß ihr Schutzbereich gegenüber den erteilen Patentansprüchen erweitert wurde, und verstoßen mithin nicht gegen Artikel 123 (3) EPÜ. Die Streichung des Wortes "oder" in der dritten Zeile des Anspruchs 1 stellt vielmehr eine Beschränkung des Schutzbereichs auf eine von drei im erteilten Anspruch 1 enthaltenen Alternativen dar. Auch die Streichung der Worte "sowohl die innere (...) als auch" im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 führt zu keiner Erweiterung des Schutzbereichs, da bereits im Oberbegriff festgelegt ist, daß die innere Anlagefläche Unterbrechungen aufweist. Der Schutzbereich ist nunmehr eindeutig auf ein Nutzfahrzeugrad beschränkt, dessen innere ringförmige Anlagefläche Unterbrechungen aufweist und dessen äußere ringförmige Anlagefläche entweder Unterbrechungen oder Aussparungen hat, und zwar sowohl auf der der Bremstrommel bzw. dem Radnabenflansch zugewandten Radinnenseite als auch auf der Radaußenseite. Es ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß die aufrechterhaltene Figur 2 des Streitpatents mit dem vorstehend definierten Sachverhalt insofern nicht völlig übereinstimmt, als dort im Bereich der innernen ringförmigen Anlagefläche Aussparungen anstatt der nunmehr für die Erfindung obligatorischen Unterbrechungen dargestellt sind. Da jedoch ansonsten Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 besteht und da diese Figur die einzige ist, die die Alter native "Aussparungen" im Bereich der äußeren ringförmigen Anlagefläche zeigt, wurde von ihrer Streichung abgesehen.

2.3. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist die Kammer überzeugt, daß der Anspruch 1 das, was unter Schutz gestellt sein soll, mit der nötigen Klarheit zum Ausdruck bringt. Es trifft zwar zu, daß der in diesem Zusammenhang beanstandete Begriff "Nutzfahrzeugrad" - für sich allein betrachtet - nicht eindeutig ist. Wie aus der Druckschrift (8) Seite 107, linke Spalte, Absatz 4 der Einleitung zu entnehmen ist, werden Radscheiben einer bestimmten Art (siehe auch das dortige Bild 1, linke Abbildung) sowohl für Personenwagen als auch für Transporter, Leichtlastwagen und Landmaschinen, d.h. für Nutzfahrzeuge im weiteren Sinne verwendet, so daß insofern eine gewisse Überschneidung der Begriffe gegeben ist. Andererseits geht jedoch nach Überzeugung der Kammer aus dem Gesamtinhalt des Streitpatents, insbesondere aus dem Anspruch 1 selbst sowie aus der zur Auslegung des Begriffs "Nutzfahrzeug" heranzuziehenden Beschreibung und Zeichnung für den Fachmann eindeutig hervor, daß sich das Streitpatent ausschließlich auf solche Räder bezieht, die der in der Druckschrift (8), Seite 107, linke Spalte, Absatz 5 der Einleitung genannten und in Bild 1 rechts dargestellten zweiten Kategorie entsprechen, welche Radscheiben großer Blechdicke für Lastwagen, Omnibusse oder dgl. mit einer planen Spiegelpartie betrifft, die zur Ermöglichung der Zwillingsmontage in axialer Richtung weit gegenüber der Felgenmitte versetzt ist (vgl. radiale Einpreßtiefe in Bild 2 von (8)). Dies folgt einerseits daraus, daß im Anspruch 1 angegeben ist, daß das Nutzfahrzeugrad "für Einzel- und Zwillingsanordnung" geeignet sein soll. Ferner wird in Spalte 1 des Streitpatents zum Stand der Technik der "gattungsgemäßen Art" ausschließlich auf Druckschriften Bezug genommen, die sich eindeutig auf Radscheiben für LKW oder Omnibusse oder ähnliche Schwerlast-Nutzfahrzeuge beziehen. Auch aus der zeichnerischen Darstellung in Fig. 1 des Streitpatents, die mit der gemäß Bild 1, rechte Abbildung der Druckschrift (8)weitgehend übereinstimmt, geht für den Fachmann klar hervor, daß es sich bei dem Nutzfahrzeugrad gemäß dem Streitpatent um ein solches nach der in (8), Seite 107, linke Spalte, Absatz 5 genannten Kategorie handelt. Der Anspruch 1 entspricht mithin auch dem Artikel 84 EPÜ.

3.1. Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ liegt die Entscheidung darüber, ob ein verspätetes Vorbringen bei der Prüfung der Frage der Patentfähigkeit zu berücksichtigen ist, im pflichtgemäßen Ermessen der entscheidenden Instanz, d.h. im vorliegenden Fall der Beschwerdekammer, wobei nach Artikel 114 (1) EPÜ von Amts wegen überprüft werden muß, ob das betreffende Vorbringen für die zu treffende Entscheidung erheblich ist, d.h. zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der Frage der Erteilung oder der Rechtsbeständigkeit eines Patents führen würde als sie ohne dieses Vorbringen zu treffen wäre.

3.2. Im vorliegenden Fall sind sowohl die US-A- 2 317 311 als auch der Katalog der Firma Lemmerz vom 1. September 1977 als verspätet eingereicht zu betrachten, da sie nach Ablauf der Einspruchsfrist (nämlich erst im Beschwerdeverfahren) genannt wurden, ohne daß hierfür eine sachliche Notwendigkeit - etwa wegen einer erheblich geänderten Fassung des Patentbegehrens - bestanden hätte. Die Überprüfung durch die Kammer hat ferner ergeben, daß dieses Material nicht entscheidungserheblich im vorstehend definierten Sinne ist. Es ist daher, wie in Punkt 5.6 der Mitteilung der Kammer vom 21. Januar 1988 angekündigt und in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden mitgeteilt wurde, nicht zu berücksichtigen. Auf eine weitere Begründung hierzu besteht kein Rechtsanspruch.

4. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 ist von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten worden. Auch die Überprüfung durch die Kammer hat zu dem Ergebnis geführt, daß keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften und auch nicht die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung gemäß den vorgelegten Fotografien 1 bis 4 ein Nutzfahrzeugrad mit sämtlichen im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen zeigt. Mangels eines diesbezüglichen Vorbringens bedarf es keines weiteren Eingehens auf diese Frage.

5. Hinsichtlich der in der angefochtenen Entscheidung negativ beurteilten und auch von der Beschwerdegegnerin verneinten Frage der erfinderischen Tätigkeit ist folgendes auszuführen:

5.1. Übereinstimmend mit den Beteiligten sieht die Kammer als nächstkommenden Stand der Technik denjenigen gemäß der Druckschrift (3) an, auf den sich der Oberbegriff des Anspruchs 1 bezieht. Bei diesem bekannten Nutzfahrzeugrad ist die für die Kraftübertragung wesentliche äußere ringförmige Anlagefläche (vgl. Seite 6, letzter Satz dieser Druckschrift, aber auch Seite 2, Absatz 2 der Entgegenhaltung (9)) durchgehend ausgebildet. Die innere ringförmige Anlagefläche kann zur Vermeidung der Verformung des Mittenlochs bei sehr starkem Festspannen der Räder im Bereich der Bolzenlöcher Unterbrechnungen aufweisen.

5.2. Ausgehend von einem derartigen Stand der Technik wird die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen, die Anlageverhältnisse im Spiegelbereich der Radscheibe so zu verbessern, daß die Dauerfestigkeit erhöht und damit eine erhöhte Lebensdauer der Radscheibe erreicht wird.

Gemäß dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 soll dies dadurch erreicht werden, daß die äußere ringförmige Anlagefläche im Bereich der Bolzenlöcher radial ausgerichtete Aussparungen oder Unterbrechungen im Bereich der Bolzenlöcher aufweist. Hierdurch werden die für die Kraftübertragung zur Verfügung stehenden Flächen auf segmentartige Abschnitte beschränkt, was zu einer erhöhten Flächenpressung führt. Es erscheint glaubhaft, daß hierdurch die Abstandsveränderungen zwischen den Anlageflächen (sog. "Atmen") vermindert und dadurch wegen der geringeren Korrosion eine Erhöhung der Lebensdauer erreicht wird. Auch die Gefahr von aufretenden Unebenheiten oder Verziehungen der Anlageflächen dürfte sich hierdurch verringern, da die Kraftübertragung über eindeutig definierte Anlagebereiche erfolgt. Dies gilt auch für die Alternative mit den Aussparungen, die nach den Angaben der Beschwerdeführerin für den Fall vorgesehen ist, daß die der äußeren ringförmigen Anlageflächen gegenüberliegende Anlagefläche der Bremstrommel bzw. des Radnabenflansches sich radial nur bis zum radial äußeren Ende der Aussparungen erstreckt, so daß auch hier voneinander getrennte segmentartige Anlagebereiche bestehen.

5.3. Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, daß für das Stellen der Aufgabe kein erfinderisches Zutun nötig war. Wie aus den Druckschriften (3), (9) und insbesondere (2) und (8) hervorgeht, war der Fachmann schon bisher bestrebt, die Anlageverhältnisse im Spiegelbereich von Nutzfahrzeugrädern zu verbessern, um dadurch nachteilige Erscheinungen, wie zum Beispiel das Verziehen der Bremstrommel oder das Lockern der Radbefestigung zu beseitigen bzw. die Erhöhung der Lebensdauer der Radscheibe zu bewirken.

5.4. Es trifft auch zu, daß der Fachmann durch die Druckschriften (3) Seite 6, letzter Satz sowie (9) Seite 2, Absatz 2 und (8) Seite 113, letzter Absatz darauf hingewiesen wird, daß es im Zusammenhang mit der Lösung der gestellten Aufgabe speziell auf die Anlageverhältnisse im Bereiche der äußeren ringförmigen Anlagefläche ankommt, während der inneren ringförmigen Anlagefläche bezüglich der Kraftübertragung nur eine geringe Bedeutung zukommt. Im Stand der Technik läßt sich jedoch entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin keine Anregung dahingehend finden, zur Verbesserung der Anlageverhältnisse im Sinne der Erhöhung der Dauerfestigkeit Unterbrechnungen der Aussparungen an einer ebenen, feinbearbeiteten äußeren ringförmigen Anlagefläche eines Nutzfahrzeugrads gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 vorzusehen.

5.5. Diejenigen Entgegenhaltungen, die sich mit Nutzfahrzeugrädern mit durch Feinbearbeitung ebenen ringförmigen inneren und äußeren Anlageflächen befassen, nämlich die Druckschriften (2), (3) und (8), vermitteln jeweils die technische Lehre, die äußere ringförmige Anlagefläche mit durchgehend gleichbleibender Breite auszubilden.

Bei der Druckschrift (3) weist die innere ringförmige Anlagefläche Unterbrechungen auf, doch dienen diese, wie bereits erwähnt, der Vermeidung der Verformung des Mittenlochs bei starkem Festspannen der Radbefestigungen. Zugleich wird dort der Fachmann, wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, darauf hingewiesen, daß der inneren ringförmigen Anlagefläche für die Kraftübertragung nur eine kleine Bedeutung zukommt, d.h. die Kraftübertragung hauptsächlich über die ununterbrochen ausgebildete äußere ringförmige Anlagefläche erfolgt. Auf Grund dieser unterschiedlichen Gegebenheiten lag es für den Fachmann nicht nahe, die für die innere Anlagefläche bekannten Unterbrechungen auch an der äußeren Anlagefläche auszubilden.

Der zur Begründung des Naheliegens der beanspruchten Gestaltung von der Beschwerdegegnerin besonders hervorgehobenen Entgegenhaltung (8) läßt sich diesbezüglich entnehmen, daß ringförmige Anlageflächen entsprechend Bild 6 auf Seite 109 sich am günstigsten hinsichtlich der Lebensdauer verhalten. Auf Seite 111 wird zwar darauf hingewiesen, daß die Güte der Ebenheit der Anlageflächen von deren Größe abhängt, zugleich wird aber indirekt von einer Verkleinerung abgeraten, indem auf den negativen Einfluß auf die Lebensdauer bei der in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen Sternform der Anlageflächen hingewiesen wird. Im übrigen ist verkleinern der Anlageflächen nicht gleichbedeutend mit der Anordnung von Unterbrechungen oder Aussparungen.

5.6. Gemäß der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung der in den Fotografien 1 bis 4 dargestellten Radscheiben 5J13 der Firma Lemmerz, die von der Beschwerdeführerin als Stand der Technik anerkannt worden ist, und auch aus der Druckschrift (11) sind Radscheiben bekannt, die innere und äußere ringförmige Anlagebereiche aufweisen, die im Bereich der Bolzenlöcher unterbrochen sind (vgl. hinsichtlich (11) das Bezugszeichen 22 in den Fig. 1 und 3 zusammen mit Spalte 2, Zeilen 29 bis 34).

Bei diesen bekannten Rädern handelt es sich jedoch nicht um dieselbe Kategorie von Nutzfahrzeugrädern, die durch die vorliegende Erfindung verbessert werden sollen (vgl. Punkt 2.3). Vielmehr gehören diese Räder offensichtlich der in der Entgegenhaltung (8) auf Seite 107, linke Spalte zuerst genannten Kategorie von Radscheiben aus relativ dünnen Blechen mit durch Tiefziehen stark verformter Radschüssel an (siehe Bild 1 in (8), linke Darstellung), die für Personenwagen oder leichte Nutzfahrzeuge verwendet werden sollen und in Einzelanordnung montiert werden. Daß es sich um PKW-Räder handelt, ist für die offenkundig vorbenutzten Rädern von der Beschwerdegegnerin im übrigen ausdrücklich bestätigt worden und auch aus der Druckschrift (11) läßt sich nichts anderes entnehmen, wobei besonders auf die stark verformte Ausbildung der Radschüssel und auf die Angabe in Spalte 1, Zeile 1 hinzuweisen ist, daß dieses Rad für die Einzelmontage bestimmt ist.

5.7. Die Kammer ist allerdings ebenso wie die Beschwerdegegnerin der Auffassung, daß sich der mit der Konstruktion von Radscheiben befaßte Fachmann auch dann, wenn speziell Nutzfahrzeugräder verbessert werden sollen, auch bei den Rädern für Personenwagen nach möglichen Anregungen umsehen wird. Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Fall, bei dem es sich um ringförmige Anlageflächen handelt, bei denen bezüglich der auftretenden Beanspruchungen weitgehend übereinstimmende Verhältnisse bei Nutzfahrzeug- und Personenfahrzeugrädern bestehen, wie der Fachmann aus der Entgegenhaltung (8) Heft 3, Seite 112, linke Spalte, Zeile 16 bis rechte Spalte, Zeile 5 entnimmt.

Anders als die Beschwerdegegnerin kommt die Kammer jedoch zu dem Ergebnis, daß auch dieser Stand der Technik es dem Fachmann nicht nahelegen konnte, bei Nutzfahrzeugrädern der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Gattung die äußere ringförmige Anlagefläche mit Unterbrechungen oder Aussparungen zu versehen.

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, daß bei diesen bekannten Rädern die ringförmigen Anlageflächen nicht durch Feinbearbeitung ebene Flächen sind, sondern rippenförmige Ausformungen, die an der gegenüberliegenden Anlagefläche mehr oder weniger linienförmig anliegen, so daß genau definierte Anlagebereiche wie sie bei der Erfindung angestrebt werden, dort ohnehin nicht gegeben sind und auch durch die dortigen Unterbrechnungen nicht erreicht werden können. Insbesondere gibt dieser Stand der Technik dem Fachmann keinen Hinweis dahingehend, daß die dort vorhandenen Unterbrechungen irgendeine günstige Auswirkung auf die Dauerfestigkeit der Radscheiben haben. Sie konnten daher den nach einer Möglichkeit zur Verbesserung der Dauerfestigkeit bei Nutzfahrzeugrädern der in Frage stehenden Gattung suchenden Fachmann nicht dazu anregen, entgegen der den Druckschriften (2), (3) und (8) entnehmbaren technischen Lehre, wonach sich eine durchgehende ringförmige Anlagefläche zur Übertragung der auftretenden Kräfte am besten eignet, an den hierfür im wesentlichen wirksamen äußeren Anlageflächen derartige Unterbrechungen vorzusehen.

Allgemeine fachmännische Überlegungen führen ebenfalls nicht zu der aufgefundenen Lösung. Vielmehr mußte der Fachmann im Hinblick auf die durch die Unterbrechungen oder Aussparungen zu erwartende Kerbwirkung und die damit verbundenen möglichen Spannungsspitzen Bedenken gegen eine solche Lösung haben und auch der relativ hohe Herstellungsaufwand für die beanspruchte Gestaltung der äußeren Anlagefläche (vgl. Spalte 2, Zeilen 29 bis 36 der Streitpatentschrift) spricht gegen das Naheliegen der betreffenden Maßnahmen, zumal der im Ergebnis diesen Aufwand rechtfertigende Erfolg hinsichtlich der Dauerfestigkeit nicht vorhersehbar war.

5.8. Die übrigen im Einspruch genannten bzw. auf der Titelseite des Streitpatents angegebenen Druckschriften liegen weiter vom Gegenstand der Erfindung entfernt als die vorstehend im einzelnen behandelten Entgegenhaltungen und konnten weder für sich noch in Verbindung mit letzerem etwas zur Auffindung der beanspruchten Lösung beitragen.

5.9. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß auch eine Zusammenfassung der dem Stand der Technik zu entnehmenden Lehren dem Fachmann keine Anregung geben konnte, aufgrund deren er ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Nutzfahrzeugrad gemäß Anspruch 1 hätte gelangen können.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

6. Der Anspruch 1 und die auf ihn rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5, die auf besondere Ausführungsarten des Rads nach dem Anspruch 1 gerichtet sind, haben deshalb Bestand.

7. Die Beschreibung ist an das geltende Begehren angepaßt und redaktionell berichtigt worden. Sie entspricht den Vorschriften des EPÜ.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Erstinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufgrund folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Ansprüche 1 bis 5 und Beschreibung Spalten 1 bis 4 sowie Fig. 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 1988, unter Beibehaltung des Begriffs "Nutzfahrzeugrad" im Anspruch 1 und in Spalte 1, Zeile 1 der Beschreibung;

Figuren 1 und 2 gemäß Streitpatentschrift.

Quick Navigation