T 0196/85 () of 29.9.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T019685.19870929
Datum der Entscheidung: 29 September 1987
Aktenzeichen: T 0196/85
Anmeldenummer: 78100799.2
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung einer lichtempfindlichen Oberflächenschicht auf einer Drucktrommel für elektrostatische Fotokopierverfahren
Name des Anmelders: Siemens
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Nacharbeitung einer vom StdT vorgeschlagenen Lehre
ohne Zweifel am Erfolg
Nacharbeitung/Routinemässige Massnahm
Zusätzliche unerwartete Wirkung
inventive step (no)
adherence to a teaching proposed in the state of the
art without doubt of success
repetition/routine measures
additional unexpected effect
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0687/96

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 31. August 1978 angemeldete europäische Patentanmeldung 78 100 799.2 ist zunächst am 26. November 1980 von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen worden. Im Rahmen einer ersten, am 15. Dezember 1980 eingegangenen Beschwerde der derzeitigen Beschwerdeführerin hat die Kammer die genannte Patentanmeldung am 14. Dezember 1981 an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent mit am 6. November 1981 neu eingereichten Ansprüchen 1 bis 7 zu erteilen. Das europäische Patent 0 001 549 ist am 1. September 1982 auf die genannte Patentanmeldung erteilt worden.

Der einzige unabhängige Patentanspruch 1 lautet:

1. Verfahren zur Herstellung einer lichtempfindlichen, elektrisch aufladbaren Oberflächenschicht auf einer Drucktrommel für elektrostatische Fotokopierverfahren, dadurch gekennzeichnet, daß in ein evakuierbares Gefäß eine Silizium und Wasserstoff enthaltende gasförmige Verbindung eingeleitet wird, daß eine Niederdruck-Glimmentladung zwischen der im Innern des Gefäßes befindlichen, zu beschichtenden Drucktrommel und einer dazu konzentrisch angeordneten Gegenelektrode aufrechterhalten wird, so daß sich unter der Einwirkung des Glimmentladungsplasmas die Silizium und Wasserstoff enthaltende gasförmige Verbindung unter Abscheidung von amorphem Silizium auf der Drucktrommel zersetzt und daß während der Abscheidung die Oberfläche der Drucktrommel auf einer Temperatur von 200 bis 300°C gehalten wird.

Die Ansprüche 2 bis 7 sind von Anspruch 1 abhängig.

II. Gegen die Patenterteilung legten die jetzigen fünf Beschwerdegegnerinnen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit sowie teilweise auch wegen mangelnder Neuheit (Einsprechende: Océ-Nederland B.V., Almagrange Ltd.) Einsprüche ein. Sie stützten sich dabei im Laufe des Einspruchsverfahrens auf insgesamt 38 Veröffentlichungen (zwei weitere wurden von der Beschwerdeführerin genannt), von denen zuletzt noch die folgenden eine Rolle spielten:

Journal of the Electrochemical Society: Solid State Science, 1969, Vol. 116, No. 1, Seiten 77 - 81 (Dokument D3);

6a. C.I.V. Roberts: "Electrophotography" Published by the Royal Photographic Society of Great Britain 1980, Seiten 231 - 241, and the "Preface" (Dokument D6a);

11. The Journal of Photographic Science, May/June 1977, Vol. 25, No. 3, Seiten 127, 128 (Dokument D11);

22. J.H. Dessauer and H.E. Clark: "Xerography and Related Processes", The Focal Press, London and New York 1965, Seite 65 (Dokument D22);

28. Journal "Surface", July 1972, Vol. 10, No. 7, Seiten 406-416 mit der am 31.05.1983 eingegangenen Übersetzung Seiten 1 - 9 (Dokument D28);

38. Thin Solid Films, 1973, Vol. 17, Seiten 223 - 229 (Dokument D38);

39. W.E. Spear: "Amorphous and Liquid Semiconductors" Proceedings of the Seventh International Conference on Amorphous and Liquid Semiconductors, Edinburgh, June 27 - July 1, 1977, published by Centre for Industrial Consultancy and Liaison, University of Edinburgh,1977, Seiten 309 - 322 (Dokument D39);

40. R.M. Schaffert: "Electrophotography", The Focal Press, London and New York 1965, Seite 206 (Dokument D40).

Desweiteren hat die Einsprechende Almagrange Ltd. ein erstes von R.M. Schaffert sowie ein zweites von P.G.

Lecomber unterzeichnetes Affidavit eingereicht. Fernerhaben die Einsprechenden Minolta und Canon ihre Meßwertedes Dunkelwiderstands in von ihnen nach dem Verfahren gemäß Anspruch Anspruch 1 hergestellten Schichten vorgelegt. (Minolta-Canon-Meßdaten).

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) gründete während des Einspruchsverfahrens ihre gegenteilige Auffassung unter anderem auf folgende Dokumente:

36. J.H. Dessauer und H.E. Clark: "Xerography and Related Processes", The Focal Press, London und New York, 1965, Seiten 97 - 101 (Dokument D36);

37. J. Mort and D.M. Pai: "Photoconductivity and Related Phenomena", Elsevier Scientific Publishing Company, Amsterdam-Oxford-New York, 1976, Seiten 458 - 469.

Ferner hat sie eigene Meßwerte des Dunkelwiderstandes in von ihr nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 hergestellten Schichten im Vergleich mit Werten aus Dokument D3, Fig. 3, eingereicht (Siemens-Meßdaten).

In ihrer Entscheidung vom 30. Mai 1985 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen und in ihrer Begründung ausgeführt, daß das Verfahren nach Anspruch 1 insbesondere im Hinblick auf die Dokumente D28, D38, D3 und D39 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 25. Juli 1985 unter rechtzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde erhoben und diese in einem am 29. August 1985 eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten In ihre Argumente für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bezog sie noch folgende Dokumente mit ein:

37'. Wie Dokument D 37, jedoch Seiten 6-8 (Dokument D37');

40'. Wie Dokument D 40, jedoch Seiten 27, 321, 388; sowie die nachveröffentlichten Dokumente:

41. DE-A-2 855 718 (Dokument D41);

42. Y. Hamakawa: "Amorphous Semiconductor Technologies and Devices", North Holland, Amsterdam-New York-Oxford, 1982, Seiten 311-325 (Dokument D42);

43. I. Shimizu: "Problems in a-Si Photoelectric Devices; Photoreceptor and Vidicon"; Materials Research Society Spring Meeting, San Francisco, 1985, Paper F.5.1. (Dokument D43).

IV. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) beantragen die Zurückweisung der Beschwerde, wobei die Einsprechende Standard Electrik Lorenz noch auf folgendes Dokument hinwies:

44. US-A-3 285 740 (Dokument D44).

V. In einer Mitteilung des Berichterstatters gemäß Artikel 11, Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern wurde noch das Dokument:

36' Wie Dokument D 36, jedoch Seiten 93 - 97 (Dokument D 36') in das Verfahren eingeführt, aus dem es über den Oberbegriff des Anspruchs 1 und den im Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 6 - 23 dargelegten allgemeinen Stand der Technik hinaus bekannt ist, während der Abscheidung (der lichtempflindlichen und elektrisch aufladbaren Oberflächenschicht in amorpher Form direkt auf der Drucktrommel) die Drucktrommel auf einer erhöhten Temperatur zu halten. Im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Argumente wurde auf Tatsachen verwiesen, die aus den Dokumenten D22, D28 und D40 bekannt sind. Ferner wurden schwerwiegende Umstände mitgeteilt, die möglicherweise dazu führen könnten, das Verfahren nach Anspruch 1 insbesondere gegenüber den Dokumenten D36', D38, in Verbindung mit dem hierin zitierten Dokument D3, und D39 als naheliegend anzusehen.

VI. In der mündlichen Verhandlung am 29. September 1987 hielten die Parteien ihre ursprünglichen Anträge aufrecht.

VII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) stützte ihren Antrag im wesentlichen auf folgende in ihren Beschwerdeschriftsätzen und während der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente:

a) Der durch die Dokumente D6a und D11 nachgewiesene sachliche Inhalt des mündlichen Standes der Technik gemäß dem Vortrag von Lecomber et al. auf der Konferenz für Elektrophotographie in Cambridge vom 12. bis 17. September 1976 zeige, daß nur auf die Photoleitfähigkeit von amorphem Silizium (a-Si) und damit auf seine Verwendbarkeit in Solarzellen eingegangen worden sei. Es fehle jeglicher explizite Hinweis auf die Verwendbarkeit von a-Si in elektrostatischen Fotokopierverfahren. Darüberhinaus gehe aus der Fig. 4 des Dokuments D6a eindeutig hervor, daß im p-Dotierungsbereich mit hinreichend großen Dunkelwiderständen die Photoleitfähigkeit weit unterhalb der für elektrostatisches Fotokopieren notwendigen Quantenausbeute von 50 % liege.

b) Der explizite Hinweis auf die Verwendbarkeit von a-Si für elektrostatisches Fotokopieren bei einem hinreichend kleinen Dunkelwiderstand in Dokument D38, Seite 228, Absatz 2 sei eine rein spekulative Zukunftsaussage ohne jegliche konkrete technische Lehre.

c) Der aus Fig. 3 des Dokuments D3 bekannte Dunkelwiderstand von a-Si im Bereich von für eine Photoleitfähigkeit ausreichenden Abscheidungstemperaturen zwischen 200°C und 300°C sei mit ca. 10 hoch 9 Ohm . cm um drei Größenordnungen für elektrostatische Fotokopierverfahren zu klein und überdies mit einer um den Faktor 10 hoch 3 zu kleinen Feldstärke gemessen worden. Der in D3 auf Seite 78, rechte Spalte, Absatz 5 angegebene Meßwert von 2,5 x 10 hoch 14 Ohm.cm beziehe sich auf eine bei 21°C abgeschiedene Schicht, bei der die Photoleitfähigkeit für ein elektrostatisches Fotokopierverfahren nicht ausreiche. Ferner sei der Feldverlauf bei der in Dokument D3 angewandten induktiven Abscheidung anders als bei der kapazitiven Abscheidung gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1.

d) Die aus Dokument D40 bekannten, gegenüber einer Kontaktelektrodenmessung um einen Faktor 10 hoch 3 höheren Meßwerte bei einer Dunkelwiderstandsermittlung über den Abfall des Oberflächenpotentials seien nicht von amorphem Selen auf amorphes Silizium übertragbar. Wie auch Dokument D37', Seite 8, Absatz 2 entnehmbar ist, erwarte der Fachmann bei einem a-Si-Metall-Kontakt keinen injizierenden sondern vielmehr einen sperrenden Übergang, so daß bei einer Messung an a-Si die Kontaktelektroden-Meßmethode den höchstmöglichen Dunkelwiderstandswert liefere.

e) Die aus Dokument D39, Seite 311, letzter Absatz bekannte Eignung der kapazitiven Plasmaentladung für eine großflächige Abscheidung von a-Si sei nur in Zusammenhang mit der Photoleitfähigkeit zu erwarten. Überdies würden die Vorteile der kapazitiven Abscheidung von a-Si in Dokument D39, auf Seite 312, Absatz 1 wieder angezweifelt. Darüberhinaus fehle in Dokument D39 - wie auch in allen anderen im Verfahren genannten Druckschriften - jeglicher Hinweis auf eine konzentrische Anordnung mit einer zylindrischen Elektrode.

f) Desgleichen gebe der Stand der Technik keinerlei Anregung, in die abgeschiedene a-Si-Schicht eine genügende Menge von Wasserstoff einzubauen.

g) Beweisanzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit seien ferner folgende Umstände: Zum Nachweis mangelnder erfinderischer Tätigkeit würde eine sehr große Anzahl von Dokumenten in Verbindung gebracht werden müssen. In dem nachveröffentlichten Dokument D41 sei die Eignung von a-Si für ein elektrostatisches Fotokopierverfahren als überraschend bezeichnet worden, ohne die Vorzüge der kapazitiven Entladung zu erwähnen. In dem nachveröffentlichten Dokument D42 werde in der Bereitstellung von amorphem Silizium mit eingelagertem Wasserstoff ein für elektrostatische Fotokopierverfahren bedeutender Entwicklungsschritt gesehen. In dem nachveröffentlichten Dokument D43 beginne die Darstellung der Entwicklungsgeschichte der a-Si-Schichten für elektrostatische Fotokopierer mit einem Hinweis auf das Streitpatent.

VIII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechende) trugen im wesentlichen folgendes vor:

a) Die aus den Dokumenten D36' und D6a bekannten Maßnahmen würden - allenfalls noch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Dokuments D39 - in naheliegender Weise zum Verfahren nach Anspruch 1 führen. Die in Figur3 und 4 des Dokuments D6a angegebenen Meßwerte für dotiertes a-Si seien für den Fachmann kein Hinderungsgrund, a-Si in einem elektrostatischen Fotokopierverfahren zu verwenden, da auch die Lehre des Streitpatents Dotierungen umfasse, was aus Anspruch 5 ersichtlich sei. Wie bereits der Titel der Konferenz zeige, wandten sich die 1976 in Cambridge gehaltenen Vorträge eindeutig an den Fachmann für Elektrophotographie und stellten a-Si als eine für elektrostatisches Fotokopieren möglicherweise geeignete Substanz vor, so daß zumindest Versuche mit a-Si nahegelegt würden.

b) Der in Dokument D38, Seite 228, Absatz 2, enthaltene Hinweis, daß für eine Verwendung von a-Si in einem elektrostatischen Fotokopierverfahren noch seine Leitfähigkeit herabzusetzen sei, beziehe sich auf die in diesem Dokument ausschließlich erörterte Abscheidungsart durch Aufdampfen, vgl. S. 227, Absatz 2. Das Zitat des Dokuments D3 hinter den Worten "if o can be reduced sufficiently" (Seite 228, Absatz 2) interpretiere ein Fachmann dahingehend, daß der Autor des Dokuments D38 die in Dokument D3 veröffentlichten Werte des Dunkelwiderstands als für die Elektrophotographie hinreichend ansehe. Damit sei durch das Dokument D38 ein klarer Vorschlag gemacht, über die Plasmazersetzung in einer Gasentladung abgeschiedenes a-Si in einem elektrostatischen Fotokopierverfahren zu verwenden.

c) Aufgrund der unterschiedlichen Meßwerte des Dunkelwiderstandes einer unter gleichen Bedingungen hergestellten a-Si-Schicht mit parallel voneinander beabstandeten Elektroden und mit Sandwichelektroden in Dokument D3, Seite 78, rechte Spalte, Absatz 4 und 5 erkenne der Fachmann auch die in Fig. 3 veröffentlichten Werte des Dunkelwiderstandes als von der Meßmethode abhängig. Der auf Seite 78, rechte Spalte, Absatz 5 angegebene Meßwert des Dunkelwiderstands von 2,5x10 hoch 14 Ohm.cm sei um den Faktor 10 hoch 2 größer als der von der Fachwelt allgemein geforderte Mindestwert und weise somit direkt auf die Eignung des in der Gasentladung abgeschiedenen a-Si für ein elektrostatisches Fotokopierverfahren hin.

d) Dokument D40 gebe dem Fachmann die von der zu messenden Substanz unabhängige Lehre, daß eine Kontaktelektrodenmessung gegenüber einer Potentialabfallmessung Störeffekte aufweise, die zu sehr viel kleineren Meßwerten des Dunkelwiderstandes führe. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Auffassung, daß der Fachmann bei einer Kontaktelektrodenmessung an Silizium die höchstmöglichen Meßwerte des Dunkelwiderstandes erwarte, stehe im Widerspruch zu ihren anderen Argumenten. Insbesondere widerspreche sie dem Argument der Beschwerdeführerin, die Kontaktelektrodenmessung an den von den Einsprechenden Minolta und Canon nach der Lehre des Streitpatents hergestellten Schichten sei der Grund, daß die von der Beschwerdeführerin gemessenen Dunkelwiderstandswerte nicht nachgearbeitet werden konnten. Jedenfalls zeige der Vergleich der Canon-Minolta-Meßdaten mit den aus Dokument D3 bekannten Meßdaten, die alle auf die gleiche Weise mit Kontaktelektroden gemessen wurden, daß die Abscheidung von a-Si durch Plasmazersetzung in einer Gasentladung mit kapazitiver Energieeinkopplung zu identischen Dunkelwiderstandswerten führe wie in einer Gasentladung mit induktiver Energieeinkopplung. Hingegen seien die Siemens-Meßdaten mit den aus Dokument D3 bekannten Meßdaten aufgrund der unterschiedlichen Meßmethode nicht vergleichbar und damit kein experimenteller Nachweis, daß die Abscheidung von a-Si in einer kapazitiven Gasentladung zu höheren Dunkelwiderstandswerten führe als in einer induktiven Gasentladung.

e) Dokument D39 umfasse alle über Dokument D36' hinausgehenden technischen Maßnahmen des Verfahrens nach Anspruch 1 des Streitpatents, außer der Änderung der Geometrie. Die Verwendung einer (zylindrischen) Elektrode konzentrisch zu einer Drucktrommel sei aber der einzige technisch mögliche Weg, eine diese Drucktrommel umfassende Gasentladung zu erzeugen, um a-Si auf ihr abzuscheiden. Diese Anpassung der Lehre des Dokuments D39 von einer planen an eine zylindrische Abscheidungsfläche liege im Rahmen des normalen fachmännischen Könnens und setze keine erfinderische Tätigkeit voraus.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde genügt den Vorschriften der Artikel 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.

2. In formeller Hinsicht ist der unverändert aufrecht gehaltene veröffentlichte Anspruch 1 des Streitpatents nicht zu beanstanden. Sein sachlicher Inhalt ist durch die ursprüngliche Offenbarung im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ gedeckt.

3. Keines der zu berücksichtigenden vorveröffentlichten Dokumente beschreibt ein Verfahren zur Herstellung einer lichtempfindlichen, elektrisch aufladbaren Oberflächenschicht auf einer Drucktrommel für elektrostatische Fotokopierverfahren, bei dem sich eine Silizium und Wasserstoff enthaltende gasförmige Verbindung durch Einwirkung eines Glimmentladungsplasmas unter Abscheidung von a-Si auf der Drucktrommel zersetzt. Bei den aus den Dokumenten D22, D28, D36' und D40 bekannten Verfahren wird amorphes Selen, nicht Silizium auf der Drucktrommel des Fotokopierers abgeschieden. Bei den aus den Dokumenten D3, D38 und D39 bekannten Abscheidungsverfahren von a-Si ist die Abscheidungsfläche keine Oberfläche einer Drucktrommel für elektrostatische Fotokopierverfahren. Die übrigen im Verfahren befindlichen oder im Recherchenbericht genannten Druckschriften liegen vom Verfahren des Streitpatents weiter ab und können deshalb bei der Beurteilung der Neuheit unberücksichtigt bleiben. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist somit neu.

4. Im Folgenden ist zu erörtern, ob das Verfahren nach Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

4.1. Ausgehend von Dokument D36' ist die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe objektiv darin erkennbar, die beim Stand der Technik aus Selen bestehende Oberflächenschicht der Drucktrommel eines elektrostatischen Fotokopierers durch eine Oberflächenschicht aus einem anderen Material zu ersetzen, das eine hohe Lichtempfindlichkeit, einen Dunkelwiderstand = > 10 hoch 12 Ohm . cm sowie eine für das Kopieren ausreichende Abriebfestigkeit aufweist und ermüdungsfrei arbeitet; vgl. auch das Streitpatent, Spalte1, Zeilen 24 bis 41. Die an das Oberflächenmaterial der Drucktrommel eines elektrostatischen Fotokopierers zu stellenden Forderungen einer hohen Lichtempfindlichkeit und einer ausreichenden Abriebfestigkeit sind aus Dokument D22 und die Notwendigkeit eines Dunkelwiderstands = > 10 hoch 12 Ohm . cm aus Dokument D28 bekannt. Die Forderung der Ermüdungsfreiheit erscheint der Kammer als glatte Selbstverständlichkeit. Somit liefert die Aufgabenstellung keinen Hinweis für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit.

4.2. Zur Lösung dieser Aufgabe hat der Fachmann gemäß der Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents das aus Dokument D36' bekannte Verfahren derart abzuwandeln, daß das Aufdampfen von amorphem Selen durch die Abscheidung von a-Si mit Hilfe der nachstehenden Maßnahmegruppen ersetzt wird:

a) daß in ein evakuierbares Gefäß eine Silizium und Wasserstoff enthaltende Verbindung eingeleitet wird, daß eine Niederdruck-Glimmentladung aufrechterhalten wird, so daß sich unter der Einwirkung des Glimmentladungsplasmas die Silizium und Wasserstoff enthaltende gasförmige Verbindung unter Abscheidung von a-Si zersetzt;

b) daß während der Abscheidung die Oberfläche der Drucktrommel auf einer Temperatur von 200 bis 300° C gehalten wird, und

c) daß die Entladung "zwischen der im Inneren des Gefäßes befindlichen zu beschichtenden Drucktrommel und einer dazu konzentrisch angeordneten Gegenelektrode" aufrechterhalten wird.

Die Maßnahmengruppe a) ist unbestritten aus Dokument D3 bekannt. Die Maßnahmengruppe b) für sich ist nach Auffassung der Kammer durch Dokument D3 nahegelegt, da die Meßergebnisse der Fig. 3 von D3 bei Substrattemperaturen zwischen 200° C und 300° C auf eine optimale Photoleitfähigkeit bei möglichst hohem Dunkelwiderstand hinweisen. Zur Maßnahmengruppe c) für sich allein gelangt der Fachmann entsprechend der Meinung der Kammer durch eine im Bereich des Routinekönnens des Fachmanns liegende Anpassung der aus Dokument D39 bekannten kapazitiven Gasentladung an eine zylindrische Abscheidungsoberfläche. Somit begründen die Maßnahmengruppen a), b) und c) jede für sich allein genommen keine erfinderische Tätigkeit. Im folgenden wird überprüft, ob die Kombination der Merkmalsgruppen a), b) und c) mit dem aus Dokument D36' bekannten Oberbegriff des Anspruchs 1 naheliegend ist.

4.3. Es bleibt somit im wesentlichen zu untersuchen, ob die gemeinsame Anwendung der den Dokumenten D3 und D 38 jeweils entnehmbaren technischen Lehren bei der aus Dokument D36' bekannten Drucktrommel naheliegend ist, d.h. ob die Materialauswahl von a-Si für die Oberflächenschicht der Drucktrommel eines elektrostatischen Fotokopierers und ihre Beschichtung mit Hilfe einer konzentrischen Gegenelektrode für den Fachmann durch den Stand der Technik vorgezeichnet war.

4.3.1. Ausgehend von dem auf der Tagung für Elektrophotographie 1976 in Cambridge gehaltenen Vortrags (Dokumente D6a und D11) müßte die Frage entschieden werden, ob die vorgetragenen Materialeigenschaften den Fachmann zur Anwendung des a-Si in einem elektrostatischen Fotokopierverfahren anregen. Dokument D38 nimmt dem Fachmann die geistige Leistung ab, anhand bekannter Eigenschaften des a-Si seine Eignung als lichtempfindliche und elektrisch aufladbare Oberflächenschicht auf der Drucktrommel eines elektrostatischen Fotokopierers zu erkennen, indem es explizit auf eine solche Verwendung hinweist, vgl. Seite 228, Zeilen 18 und 19. Über die Materialeignung hinaus wird der Fachmann durch das in diese Textstelle eingeführte Zitat aus Dokument D3 in Verbindung mit einer notwendigen hinreichenden Reduzierung des Dunkelwiderstands auch auf die erforderliche Abscheidungstechnik (Plasmazersetzung anstelle von Aufdampfen) gemäß den Merkmalsgruppen a) und b) hingewiesen.

4.3.2. Die Kammer vermag der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, daß der obige Hinweis rein spekulativ zu werten sei; vgl. oben Pkt. VII-b. Der in Dokument D38 eingefügte Hinweis auf Dokument D3 macht den Vorschlag in Dokument D38 technisch überprüfbar. Der in Dokument D3 publizierte Meßwert des Dunkelwiderstandes von 2.5 x 1014 Ohm . cm bei einer Abscheidungstemperatur von 21° C läßt den Fachmann unter Berücksichtigung des aus Fig. 3 ersichtlichen Abfalls des Dunkelwiderstandes um ca. eine Größenordnung bei Erhöhung der Abscheidungstemperatur von 21° C auf 200 -300° C immerhin noch im Bereich ausreichender Photoleitfähigkeit einen Dunkelwiderstand von 1013 Ohm . cm erwarten. Ein derartiger Wert liegt eine Größenordnung über der Minimalforderung und gibt damit dem Vorschlag in Dokument D38 eine realistische Basis.

4.3.3. Entgegen der Auffassung der oben in Pkt. VII-c dargelegten Meinung der Beschwerdeführerin leitet der Fachmann nach Auffassung der Kammer aus den in Fig. 3 des Dokuments D3 angegebenen Dunkelwiderständen von 109 Ohm . cm bei Abscheidungstemperaturen zwischen 200 und 300° C keine mangelnde Eignung des a-Si für elektrostatisches Fotokopieren her, sondern führt diese niedrigen Werte ohne weiteres auf die verwendete Meßmethode zurück. Denn einmal gehört es zu seinem Fachwissen, daß eine Kontaktelektrodenmessung gegenüber einer berührungslosen Messung zu kleine Widerstandswerte liefert; vgl. Dokument D40. Zum anderen zwingen ihn die in D3 für die gleiche Abscheidungstemperatur von 21° C um einen Faktor 104 voneinander abweichenden Ergebnisse bei einer Messung mit Sandwichelektroden und bei einer Messung mit parallel voneinander beabstandeten Kontaktelektroden, sich mit dem Einfluß der angewandten Meßmethoden auf den ermittelten Meßwert auseinanderzusetzen.

4.3.5. Die in Dokument D3 veröffentlichten Meßwerte des Dunkelwiderstandes einer bei 21° C abgeschiedenen Si-Schicht von 10 hoch 14 Ohm . cm bei Sandwichelektrodenmessung und von 10 hoch 10 Ohm . cm bei einer Messung mit parallel voneinander beabstandeten Kontaktelektroden widerlegen auch die oben in Pkt. VII-d dargelegte Ansicht der Beschwerdeführerin, daß ein Fachmann bei dieser Kontaktelektrodenmessung an Silizium die höchstmöglichen Dunkelwiderstandswerte erwarte. Ferner ist es nach Auffassung der Kammer auch nicht erheblich, daß - anders als bei einem Se/Me-Kontakt - der Fachmann aufgrund der Hinweise in D37' bei einem Si/Me-Kontakt einen sperrenden Übergang erwarte. Bei der Erklärung der Störeinflüsse einer Meßmethode wird der Fachmann nämlich nicht auf die Ergebnisse der theoretischen Physik zurückgreifen, sondern sein experimentelles Fachwissen zu Rate ziehen. Die Kammer erachtet den Fachmann für fähig, die höheren Dunkelwiderstandswerte bei der Al-Si-Al-Sandwichmessung in Dokument D3 auf die die Siliziumoberfläche passivierende Wirkung der Al-Elektroden zurückzuführen. Denn bei der Kontaktelektrodenmessung liegt die a-Si-Oberfläche frei und kann durch Adsorption von Restgasmolekülen oder gar Luftfeuchtigkeit verunreinigt werden. Derartige, den Widerstand herabsetzende Verunreinigungen läßt das geschlossene Sandwich-System nicht zu. Aus diesem Grunde ist die Kammer überzeugt, daß sich der Fachmann in bezug auf die Eignung des gemäß Dokument D3 hergestellten a-Si für elektrostatische Fotokopierverfahren am Sandwich-Meßwert des Dunkelwiderstands von 2.5 x 10 hoch 14 Ohm . cm orientiert. Zwar sind die Dunkelwiderstände in Dokument D3 mit einer Feldstärke von 100 V/cm gemessen worden, doch sind physikalische Effekte, die bei den für Fotokopierer erforderlichen Feldstärken von 10 hoch V/cm einen niedrigeren Dunkelwiderstand ergeben würden, von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht worden.

4.3.6. Es ist von der Beschwerdeführerin weder nachgewiesen worden, daß zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents in der Fachwelt ein allgemeines Vorurteil gegen die Verwendung von a-Si in elektrostatischen Fotokopierern herrschte, noch sind - wie oben in Pkt. 4.3.2 bis 4.3.5 dargelegt - aus dem Stand der Technik Umstände ersichtlich, die den Fachmann zweifeln lassen, daß die durch das Dokument D38 in Verbindung mit Dokument D3 gegebene Lehre - für die Oberflächenschicht einer Drucktrommel eines elektrostatischen Photokopierers durch Zersetzung in einem Glimmentladungsplasma abgeschiedenes a-Si zu verwenden - zum Erfolg führt.

4.4. Dokument D39 vermittelt dem Fachmann die Lehre, daß sich die für einen höheren Dunkelwiderstand günstigere a-Si-Abscheidung durch Zersetzung einer Silizium und Wasserstoff enthaltenden gasförmigen Verbindung in einem Glimmentladungsplasma sowohl durch induktive als auch durch kapazitive Energieeinleitung realisieren läßt, wobei der kapazitiven Energieeinleitung bei großflächigen Substraten der Vorrang zu geben ist; vgl. insbesondere Seite 311, letzter Absatz. Die in Dokument D39 auf S. 312 in Absatz 1 enthaltenen Angaben stellen nach Auffassung der Kammer entgegen der oben in Pkt. VII-e vertretenen Meinung der Beschwerdeführerin die Vorzüge der kapazitiven Entladung für großflächige Abscheidungen nicht in Frage. Dem Fachmann ist es nämlich geläufig, daß sich bei großen Abscheidungsflächen eine einheitliche, örtlich konstante Schichtdicke nur mit einer örtlich konstanten Dekompositionsrate realisieren läßt, wie sie die homogene Energiedichte des Kondensatorfeldes aufgrund seiner geometrischen Symmetrie mit sich bringt. Die in Dokument D39, Seite 312, Absatz 1 enthaltenen Angaben betreffen jedoch nicht die homogene Energiedichte des Kondensatorfeldes sondern den Zusammenhang zwischen der Größe der Feldstärke und dem bge- abgeschiedenen Anteil an unvollständig zersetzten Ionen der Siliziumverbindung. Zwar ist in Dokument D39 nur die Photoleitfähigkeit des kapazitiv abgeschiedenen a-Si abgehandelt, doch über eine räumlich konstante Abscheidungsrate hinausgehende Unterschiede zwischen kapazitiver und induktiver Energieeinkopplung - etwa in bezug auf die physikalischen Eigenschaften der abgeschiedenen Schicht - erwartet der Fachmann nicht. Er wird sich somit aufgrund der Größe der Drucktrommel für eine kapazitive Energieeinkopplung entscheiden. Beim Übergang von einer ebenen zu einer zylindrischen Abscheidungsfläche - wie sie durch die Drucktrommel zwangsläufig vorgegeben ist - stellt es nach Auffassung der Kammer eine für den Fachmann naheliegende Anpassungsmaßnahme dar, die bekannte ebene Gegenelektrode in eine konzentrische (zylindrische) Gegenelektrode umzuformen, um den Vorteil der homogenen Energiedichte des Kondensatorfeldes beizubehalten.

4.5. Der Wortlaut des Anspruchs 1 ist explizit auf die Abscheidung von "amorphem Silizium" abgestellt und sieht somit nicht einen zusätzlichen Einbau von Wasserstoffatomen vor, wie er im Streitpatent in Spalte 3, Zeilen 5 bis 27 angegeben ist. Aus diesem Grunde ist die von der Beschwerdeführerin oben in Punkt VII-f geltend gemachte "genügende Menge von Wasserstoff" zur Stützung einer durch den sachlichen Inhalt des Anspruches 1 bedingten erfinderischen Tätigkeit gegenstandslos.

4.6. Wenn das Naheliegen der Lösung einer ersten Teilaufgabe (Materialauswahl) aus zwei über ein Zitat verknüpften Druckschriften (D3, D 38) und das Naheliegen der Lösung einer weiteren Teilaufgabe (Schichtherstellung) aus einer weiteren Druckschrift (D 39) hervorgeht, kann nach Auffassung der Kammer entgegen der oben in Pkt. VII-g dargelegten Meinung der Beschwerdeführerin von einer großen Anzahl mit Dokument D 36' in Verbindung zu bringender Druckschriften nicht die Rede sein.

4.7. Aus den oben in Punkt 4.1 bis 4.6 dargelegten Gründen ist die Kammer überzeugt, daß es keiner erfinderischen Leistung bedarf, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Nacharbeitung einer vom Stand der Technik vorgeschlagenen technischen Lehre tatsächlich zum Erfolg führt, und sich bei der Nacharbeitung zwangsläufig ergebende Maßnahmen durch das Routinekönnen des Fachmanns erledigen lassen.

4.8. Wenn sich ergibt, daß es einem Fachmann möglich ist, in naheliegender Weise zu einer technischen Lehre zu gelangen, kann die gemäß Artikel 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit für einen Patentanspruch auf diese Lehre nach Auffassung der Kammer nicht mehr aus einer (möglicherweise unerwarteten) zusätzlichen Wirkung dieser Lehre hergeleitet werden, vgl. auch die Entscheidung T 21/81, ABl. EPA, 1983, 15. Damit wird es für die im vorliegenden Fall vorzunehmende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit unerheblich, ob die kapazitive Energieeinkopplung gegenüber der induktiven Energieeinkopplung eine Erhöhung des Dunkelwiderstandes bewirkt.

4.9. Die Kammer erachtet die Darstellungsweise des sachlichen Inhalts des Anspruchs 1 in den nachveröffentlichten Dokumenten D41, D42 und D43 als eine rein subjektive Beurteilung technischer Maßnahmen, aus der keine konkreten Beweisanzeichen für eine erfinderische Tätigkeit herleitbarsind.

5. Aus den vorstehend genannten Gründen beruht das Verfahren nach Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Anspruch 1 kann daher im Hinblick auf Artikel 52 EPÜ nicht Bestand haben.

Mit Anspruch 1 entfallen auch die von diesem abhängigen Ansprüche 2 bis 7.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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