T 0078/85 () of 1.10.1986

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1986:T007885.19861001
Datum der Entscheidung: 01 October 1986
Aktenzeichen: T 0078/85
Anmeldenummer: 80104163.3
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Mischung von optischen Aufhellern und deren Verwendung
Name des Anmelders: Hoechst
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit bejaht
Vergleichsversuche
Anspruchsbreite
inventive step (yes)
comparative tests
scope of claims
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0298/90

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 80 104 163.3, die am 16. Juli 1980 mit deutscher Priorität vom 21. Juli 1979 eingereicht worden war, wurde am 15. Dezember 1982 das europäische Patent Nr. 23 028 auf Grund von acht Ansprüchen erteilt, deren erster in durch Weglassen entbehrlicher Definitionen gekürzter Form, wie folgt, lautet:

"Mischungen von optischen Aufhellern bestehend aus A) 0,05 bis 0,95 Gew.-Teilen eines Gemisches bestehend aus 0 bis 80 Gew.-% der Verbindung der Formel 1

(FORMULA)

20 bis 100 Gew.-% der Verbindung der Formel 2

(FORMULA) und 0 bis 80 Gew.-% der Verbindung der Formel 3

(FORMULA)

sowie

B) 0,95 bis 0,05 Gew.-Teilen einer oder mehrerer Verbindungen der Formeln 4, 5, 6, 7 oder 8

(FORMULA)

R3 und R4 gleich oder verschieden sein können und Wasserstoff, Alkyl, Cycloalkyl, Alkoxy, Hydroxyalkoxyethyl, Halogenalkyl, Aralkyl, Aryl oder N,N-Di-alkylamin bedeuten oder R3 und R4 bilden zusammen einen fünfgliedrigen Heterocyclus mit 1 bis 3 Heteroatomen, vorzugsweise N-Atomen,

R5 geradkettige oder verzweigtes Alkyl, Alkoxyalkyl, Dialkylaminoalkyl oder einen Rest der Formel

(FORMULA) An hiervon abhängige Ansprüche 2 bis 7 schließt sich der folgende Anspruch 8 an:

"Verwendung der Aufheller-Mischungen nach Anspruch 1 bis 7 zum Aufhellen von Polyesterfasern."

II. Gegen die Patenterteilung legte die jetzige Beschwerdeführerin am 9. August 1983 Einspruch ein. Außer auf die nach Ablauf der Einspruchsfrist angezogenen Dokumente

(1) Melliand Textilberichte 7(1972), 798 ff. und

(2) BAYER-Farbenrevue, Sonderheft 7 (Januar 1966), 48 - 57 stützte sie sich dabei insbesondere auf die Informationsschriften

(3) Blankophor 42 017 (Blankophor EBM flüssig), August 1977, und (4) Blankophor ERM flüssig, April 1979.

Die Patentinhaberin und jetzige Beschwerdegegnerin bezog sich ihrerseits auf

(5) FR-A-1 415 977 und

(6) Chem. Abstracts, Vol. 83, No. 8 (1975), 165, Referat 61504c.

III. Durch Entscheidung vom 24. Januar 1985 wies die Einspruchsabteilung den Einspruch zurück und führte dazu im wesentlichen aus:

Der Patentgegenstand sei nicht nur unbestritten neu; er beruhe auch auf erfinderischer Tätigkeit, da durch die Angaben auf Seiten 14 bis 19 der Streitpatentschrift und die am 27.1.1982 und 9.2.1984 vorgelegten Versuchsberichte eine verbesserte Aufhellerwirkung der beanspruchten, verglichen mit den bekannten Aufhellermischungen nachgewiesen sei. Entgegen der Meinung der Einsprechenden sei diese verbesserte Wirkung auch überraschend; insbesondere habe der Fachmann weder durch die Erwähnung eines der patentgemäßen Komponente A entsprechenden Gemisches in Beispiel 7 von (5), noch durch die Erwähnung eines Gemisches des Bestandteils 3 von Komponente A einerseits und einer Verbindung gemäß Formel 5 von Komponente B andererseits im einzigen Beispiel von (6) eine Anregung dazu erhalten, eine weiter verbesserte Aufhellerwirkung von einer Mischung zu erwarten, die - wie gemäß Streitpatent - aus der Komponente A (mit dem obligatorischen Bestandteil 2) und einer Verbindung gemäß einer der Formeln 4 bis 8 von Komponente B besteht.

IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 5. März 1985 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 22. Mai 1985 begründet. Sie macht geltend, der behauptete Effekt sei, soweit überhaupt reproduzierbar und signifikant, weder synergistischer Natur, noch überraschend und vor allem im Hinblick auf die große Breite des Anspruchs 1 höchst unglaubwürdig. Zur Stützung ihrer These von der Vorhersehbarkeit der Mischungseffekte verweist sie auf

(7) J. Opt. Soc. Am. 54, 506 ff (1964).

Sie sieht von einer schriftlichen Diskussion angesichts "der Kompliziertheit dieser Materie" ab, erklärt sich zunächst zu einer solchen im Rahmen einer - hilfsweise beantragten - mündlichen Verhandlung bereit (Beschwerdebegründung Seite 4, Zeilen 7 bis 18), beantragt dann aber mit einem am 14.04.1986 eingegangenen Schreiben Entscheidung nach Aktenlage.

V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) bestreitet die Ausführungen der Beschwerdeführerin. Zum Beleg dafür, daß die Lehre des Streitpatents zu insbesondere gegenüber (6) verbesserten Aufhellermischungen führt, hat sie am 5. Juni 1986 die Ergebnisse weiterer Vergleichsversuche vorgelegt. Sie erstrebt die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Die Erfindung betrifft nach Anspruch 1 Mischungen von optischen Aufhellern und nach dem zweiten unabhängigen Anspruch, Anspruch 8, die Verwendung solcher Mischungen zum Aufhellen von Polyesterfasern. Da sich die erfinderische Tätigkeit der Stoffmischungen auf deren Verwendung gemäß Anspruch 8 stützt, können die Ansprüche 1 und 8 zusammen betrachtet werden.

3. Nächster Stand der Technik ist nach Auffassung der Kammer (6). Dort sind bereits für das Aufhellen von polyester-haltigen Faserprodukten empfohlene synergistisch wirkende Mischungen aus Stoffen beschrieben, die der Formel 5 von Komponente B gemäß Anspruch 1 des Streitpatents entsprechen (B5), und aus solchen, unter deren allgemeine Formel (II) die Verbindungen 1 bis 3 von Komponente A gemäß Anspruch 1 des Streitpatents fallen (a1, a2 bzw. a3). Konkret wird in (6) eine Mischung aus a3 und aus einer solchen Verbindung B5, worin R3 = H und R4 = Butoxy sind (im folgenden b5) genannt. Aus der Originalliteratur zu (6) geht hervor, daß mit "Butoxy" die n-Butoxygruppe gemeint ist.

4. Ausgehend von (6) wird die technische Aufgabe des Streitpatents darin gesehen, weiter verbesserte Aufhellerkombinationen vorzuschlagen.

5. Nach den Ansprüchen 1 und 8 des Streitpatentes werden zur Lösung dieser Aufgabe Mischungen bereitgestellt, die sich, wie folgt, zusammensetzen:

A) 0,05 bis 0,95 Gewichtsteile eines Gemisches aus 0 bis 80 Gewichtsprozent a1, aus 20 bis 100 Gewichtsprozent a2 und aus 0 bis 80 Gewichtsprozent a3 (a2 ist also ein obligatorischer, a2 und a3 sind fakultative Bestandteile); B) 0,95 bis 0,05 Gewichtsteile einer oder mehrerer der Verbindungen B4, B5, B6, B7 und B8.

6. Spätestens durch die am 5. Juni 1986 vorgelegten Vergleichsversuche ist jedenfalls unwiderlegt dargetan, daß die bestehende Aufgabe durch die spezifische Kombination a2 + b5 gelöst ist. Die früheren Vergleichsversuchsergebnisse (vom 27.1.1982, 9.2.1984 und 28.10.1985), die sich auch auf Verbindungen der allgemeinen Formeln 4 und 6 bis 8 des Anspruchs 1 beziehen, waren zwar für sich allein genommen nicht ausreichend, da sie nicht den Grundsätzen der Entscheidung "Spiroverbindungen Ciba-Geigy" (Abl. EPA 1984/9, 401) entsprachen; denn den patentgemäßen Mischungen wurden dort nicht solche Vergleichsmischungen gegenübergestellt, die in individualisierter Form dem Stand der Technik (6) angehören (vgl. insbesondere die Ergebnisse 14 und 15 einerseits sowie 19 und 20 andererseits auf Seite3 der Vergleichsversuche vom 27.1.1982). In Verbindung mit den Ergebnissen vom 5.6.1986 und den auf den Seiten 14 bis 19 der Streitpatentschrift wiedergegebenen Meßwerten reichen sie jedoch nach Auffassung der Kammer aus, um die tatsächlich erzielte Aufgabenlösung auch in dieser Breite glaubhaft zu machen. Diese Glaubhaftigkeit kann durch die unsubstantiierte und unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin nicht erschüttert werden, die geltend gemachten Effekte seien "allein im Hinblick auf die große Breite des Anspruchs 1 ... unglaubwürdig" (Eingabe vom 22.5.1985, Seite 2, Punkt 7) und es sei "allein von der Wahrscheinlichkeit her im höchsten Maße unglaubwürdig, daß nun in allen Fällen ... ein Synergismus auftreten soll" (Eingabe vom 10.7.1984, Seite 4, Absatz 2). In diesem Zusammenhang sei auch auf den ersten Leitsatz der Entscheidung "Zeolithe/BASF" T 219/83 vom 26.11.1985 verwiesen (Abl. EPA 7/1986, 211), wonach entgegengesetzte Tatsachenbehauptungen der Beteiligten in einem Einspruchsverfahren zu Lasten des Einsprechenden gehen, wenn das EPA den Sachverhalt von Amts wegen nicht ermitteln kann.

Die bestehende Aufgabe ist daher als in der ganzen Breite der Ansprüche 1 und 8 gelöst anzusehen.

7. Die - unbestrittene - Neuheit des Patentgegenstandes ist aus den von der Vorinstanz genannten Gründen zu bejahen.

8. Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von (6) auszugehen.

8.1. Dokument (6) umfaßt zwar von der Definition her (allgemeine Formel II, entsprechend der patentgemäßen Komponente A) neben der konkret genannten Verbindung a3 auch eine Reihe anderer Möglichkeiten, einschließlich der patentgemäß erforderlichen Verbindung a2; es gibt dem Fachmann aber keine Anregung, zur weiteren Verbesserung der Aufhellerwirkung, d.h. zur Lösung der bestehenden Aufgabe, gerade a2 herauszugreifen und dieses mit weiteren optischen Aufhellern zu kombinieren. Eine solche Anregung vermag die Kammer auch der von der Beschwerdegegnerin am 5.6.1986 vorgelegten deutschen Übersetzung des japanischen Originaldokuments nicht zu entnehmen.

8.2. Aus (5) sind - gleichfalls zur Verwendung als optische Aufheller von Polyesterstoffen - verschiedene Derivate des 1,4-Bisstyrylbenzols bekannt. Solche Verbindungen dieses Typs, die in den Stellungen 2 und 4 der äußeren Ringe durch die Cyanogruppe substituiert sind, werden als besonders geeignet bezeichnet (Seite 1, rechte Spalte, Zeilen 16 bis 14 von unten); solche, die in beiden äußeren Ringen in gleicher Weise durch 2-, 3- oder 4-Cyanogruppen substituiert sind, werden unter den Nummern 6 bis 8 in der Tabelle auf Seite 2 aufgeführt. Nach Beispiel 7, auf das die Beschwerdeführerin besonders hinweist, wird schließlich ein Gemisch entsprechend der erfindungsgemäßen Komponente A, bestehend aus 25 % a1, 50 % a2 und 25 % a3, verwendet. Es werden jedoch weder Mischungen eines der genannten Bisstyrylbenzolderivate mit anderen Aufhellern (entsprechend Komponente B gemäß Streitpatent) erwähnt, noch ist (5) eine Präferenz gerade für a2 innerhalb der Gruppe der "besonders geeigneten" cyansubstituierten Verbindungen zu entnehmen; vielmehr werden in den Beispielen 3, 5 und 6 die - nach dem Streitpatent nicht obligatorischen - symmetrischen Verbindungen a1 und a3 sowie das - nach dem Streitpatent nicht vorgesehene - 3,3'-Bis-cyanostyrylbenzol eingesetzt. Dementsprechend geht von (5) für den Fachmann, der auf die aufgabengemäße Verbesserung der Aufhellermischungen nach (6) abzielte, keine Anregung aus, dies gerade durch Verwendung des Isomeren a2, geschweige denn unter weiterem Zusatz der Komponente B nach Streitpatent, zu versuchen. Auch (5) in Verbindung mit (6) legt daher die beanspruchte Aufgabenlösung nicht nahe.

8.3. Die übrigen entgegengehaltenen Dokumente kommen dem Patentgegenstand sämtlich nicht näher als (5) und (6). Im einzelnen bestehen die offenkundig vorbenutzten Aufheller gemäß (3) und (4) nach Angabe der Beschwerdeführerin aus Mischungen von Verbindung a3 mit der Komponente B entsprechenden Verbindungen, während sich (1) und (2) nur mit der einschlägigen Meßtechnik, (7) mit der Entwicklung von Gleichungen zur Berechnung der Fluoreszenz befaßt, ohne daß erkennbar wird, daß hierdurch Voraussagen über die patentgemäß erzielte Verbesserung möglich sind.

8.4. Die Mischungen gemäß Anspruch 1 und ihre Verwendung nach Anspruch 8 beruhen daher auf erfinderischer Tätigkeit.

9. Die Ansprüche 2 bis 7 betreffen bevorzugte Ausführungsformen der Mischungen nach Anspruch 1 hinsichtlich struktureller und prozentueller Zusammensetzung und werden daher von dessen Patentfähigkeit getragen.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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