T 0218/84 () of 13.1.1987

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1987:T021884.19870113
Datum der Entscheidung: 13 Januar 1987
Aktenzeichen: T 0218/84
Anmeldenummer: 79104940.6
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zur Herstellung von formgeschäumten Polyurethan-Kunststoffen
Name des Anmelders: Bayer
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Schlagwörter: Patentanspruch - zulässige Beschränkung des
Erfinderische Tätigkeit - Abwandlung der Aufgabe
Bonuseffekt
claim - admissible delimitation
inventive step - modification of problem
bonus effect
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0979/00
T 0819/06

Sachverhalt und Anträge

I. Auf die europäische Patentanmeldung 79 104 940.6, die am 5. Dezember 1979 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der Voranmeldung vom 16. Dezember 1978 (DE 2 854 384) angemeldet worden war, ist am 7. April 1982 das europäische Patent 12 352 mit 9 Ansprüchen erteilt worden.

II. Gegen das Patent haben die Firmen BASF AG, Ludwigshafen (DE) und KAO Corporation (JA) Einspruch erhoben und Widerruf des Patents mangels Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und genügender Offenbarung beantragt. Die Begründung wurde unter anderem auf neue Entgegenhaltungen gestützt.

III. Durch Entscheidung vom 16. Mai 1984, zur Post gegeben am 16. Juli 1984, hat die Einspruchsabteilung das Patent auf der Grundlage eines eingeschränkten Patentbegehrens widerrufen.

Dort wird ausgeführt, daß die von der Patentinhaberin ursprünglich angegebene Aufgabenstellung - die Optimierung der Eigenschaften von Polyurethanen - nicht gelöst sei und daß die verbleibenden weiteren möglichen Aufgabenstellungen - die Verlängerung der Startzeit durch Katalysatorwahl und die Anwendung des Verfahrens in geschlossenen Formen - in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik hervorgehe.

IV. Gegen die Entscheidung hat die unterlegene Patentinhaberin am 12. September 1984 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 10. November 1984 begründet. Sie macht geltend, daß die erfindungsgemäß eingesetzte Katalysatorkombination im Vergleich zum nächsten Stand der Technik eine erheblich verlängerte Startzeit der Ausgangsmischung bewirkt, wodurch die sichere Herstellung kompliziert gestalteter Polyurethanformteile durch Verschäumung in geschlossenen Formen möglich wird. Die angezogenen Entgegenhaltungen gäben für diese wesentliche Verbesserung keine Anregung, so daß die Erfindung nicht nahegelegen habe.

V. Die Beschwerdegegnerinnen haben diesem Vorbringen widersprochen. Nachdem die Katalysatorkombination A/C (Tetramethylhexa methylendiamin/Pentamethyldietylentriamin) aus DE-A-2 544 567 (4) bekannt gewesen sei und man aus DE-B-1 237 777 (7) wisse, daß die mit C strukturell eng verwandten Polyethylenpolyamin-Katalysatoren Polyurethane mit guten Eigenschaften ergäben, könne im Ersatz der Katalysatorkombination A/C durch A/D (Tetramethylhexamethylendiamin/Heptamethyltetraethylenpen tamin), auf der die vermeintliche Erfindung beruhe, kein erfinderischer Schritt gesehen werden, zumal auch in (7) die mögliche Verwendung von C und D in Katalysatormischungen erwähnt sei.

Selbst wenn man die Auffassung vertreten sollte, daß die patentgemäß etwas verlängerte Startzeit nicht ohne weiteres vorauszusehen war, so sei dieser Effekt nicht patentbegründend, weil er aufgrund theoretischer Überlegungen im erwartbaren allgemeinen Trend liege und sich auch nicht in besseren Eigenschaften der Endprodukte manifestiere.

Im übrigen sei die Startzeit von der Katalysatormenge und dem Verhältnis der beiden Katalysatoren zueinander abhängig, wie der Vergleich jeweils der Tabelle 1 aus dem Streitpatent mit der nach (4) zeige (gemeint ist die Verlängerung der Startzeit von 12 auf 14 Sekunden). Es liege daher überhaupt kein relevanter Vergleichsversuch vor.

Diese Argumentation gelte auch für das Schäumen in geschlossenen Formen, das übrigens im Anspruchsbegehren derzeit keinen Niederschlag gefunden habe.

VI. Am 6. März 1986 hat die Firma BASF ihren Einspruch zurückgezogen.

VII. In der am 13. Januar 1987 durchgeführten mündlichen Verhandlung, haben sich die Beteiligten im wesentlichen nur noch auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:

(1) Kunststoff-Handbuch Band VII, "Polyurethane", R. Vieweg und A. Höchtlen, Carl Hanser Verlag, München 1966, Seiten 96 bis 102, Abs. 2;

(4) DE-A- 2 544 567

(7) DE-B- 1 237 777

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (5 Ansprüche und Beschreibung).

Anspruch 1 lautet:

"Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen durch Umsetzung von mindestens zwei gegenüber Isocyanaten reaktionsfähige Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 - 10 000 mit Polyisocyanaten und gegebenenfalls Kettenverlängerungsmitteln vom Molekulargewicht 32 - 400 in Gegenwart von Wasser und gegebenenfalls organischen Treibmitteln und Schaumstabilisatoren in Gegenwart von Kombinationen von tertiären Stickstoff enthaltenden Vernetzungs- und Treibkatalysatoren, dadurch gekennzeichnet, daß Kombinationen von 0,3 bis 5,0 Gewichtsteilen, bevorzugt 1,0 bis 3,0 Gewichtsteilen, bezogen auf 100 Gewichtsteile der mindestens zwei aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindung von Molekulargewicht 400 - 10 000, an Vernetzungskatalysatoren der allgemeinen Formel (nachfolgend mit "I" bezeichnet)

Formel

in welcher R1, R2, R3, R4 gleiche oder verschiedene C1-C5-Alkylreste bevorzugt CH3- oder C2H5-Reste, R' und R" Wasserstoff oder gleiche oder verschiedene C1-C3-Alkylreste, bevorzugt CH3- oder C2H5-Reste, sind und n eine ganze Zahl von 1 bis 10, bevorzugt 4 - 8 ist, mit 0,1 bis 3,0 Gewichtsteilen, bevorzugt 0,3 - 1,0 Gewichtsteilen, bezogen auf 100 Gewichtsteile der mindestens zwei aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 - 10 000, eines Treibkatalysators der Formel

Formel

(nachfolgend mit "D" bezeichnet) verwendet werden".

Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der gleichfalls in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (1 Anspruch und Beschreibung). Dieser Anspruch lautet:

"Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen durch Umsetzung von Polyisocyanaten mit mindestens zwei gegenüber Isocyanaten reaktionsfähige Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 - 10 000 in Gegenwart von Wasser und von Kombinationen von tertiären Stickstoff enthaltenden Vernetzungs- und Treibkatalysatoren, gegebenenfalls in Gegenwart von Kettenverlängerungsmitteln vom Molekulargewicht 32 - 400 und organischen Treibmitteln und Schaumstabilisatoren, dadurch gekennzeichnet, daß eine Kombination von 0,3 bis 5,0 Gewichtsteilen, bevorzugt 1,0 bis 3,0 Gewichtsteilen, des Vernetzungskatalysators der Formel

Formel

mit 0,1 bis 3,0 Gewichtsteilen, bevorzugt 0,3 bi 1,0 Gewichtsteilen, des Treibkatalyators der Formel

Formel

verwendet wird, wobei die angegebenen Gewichtsteile auf 100 Gewichtsteile der mindestens zwei aktive Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 - 10 000 bezogen sind".

IX. Die Beschwerdegegnerin hingegen beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.

2. Die geltende Anspruchsfassung nach dem Hauptantrag ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Anspruch ergibt sich zweifelsfrei durch Zusammenfassung der Ansprüche 1, 5 und 9 in der ursprünglichen und erteilten Fassung und der Beschreibung der Erstunterlagen Seite 30, Zeile 12 bis Seite 31, Zeile 3 sowie der Patentbeschreibung Seite 10, Zeilen 21-34.

Die Beschwerdegegnerin kann nicht mit dem Einwand gehört werden, daß eine Kombination dieser Offenbarungsquellen nicht zulässig sei. Durch den Rückbezug der Ansprüche 5 und 9 unter anderem auf Anspruch 1 ist der erforderliche Zusammenhang der Gegenstände dieser Ansprüche hergestellt. Die von der Beschwerdegegnerin zitierte nationale Entscheidung des 16. Senats des Bundespatentgerichts vom 14.08.80, abgedruckt in GRUR 1983, 735 stützt ihre gegenteilige Auffassung nicht. Dort wurde das willkürliche Auffüllen einer ursprünglich breit offenbarten Strukturformel mit an anderer Stelle, nämlich in den Beispielen offenbarten Strukturelementen als unzulässig angesehen und gefordert, daß bei einer solchen Einschränkung die Gesamtheit der beschränkenden Merkmale ursprünglich deutlich hervorgehoben sein müssen, d.h. ohne weiteres mühevolles Nachdenken und Auswählen erkennbar sind. Auch die Kammer wendet hier diesen Grundsatz an mit der Folge, daß die Verbindung D nach Anspruch 5 aus der Gruppe möglicher Treibkatalysatoren deutlich hervor gehoben wurde und deren bevorzugte Verwendung zusammen mit dem in Anspruch 1 breit definierten Typ von Vernetzungskatalysatoren schon ursprünglich offenbart war.

Auch die Angabe auf Seite 10, Zeilen 21-22, wonach bei der Schaumstoffherstellung erfindungsgemäß die Verschäumung auch in geschlossenen Formen durchgeführt werden kann und insbesondere Seite 10, Zeile 33, wonach die Formverschäumung bevorzugt ist, wird vom Fachmann als generelle Anweisung für das Verschäumen aller vom Hauptanspruch umfaßten polyurethanbildenden Gemische verstanden, welche die erfindungsgemäß eingesetzten beiden Katalysatoren, auch in ihren bevorzugten Ausführungsformen enthalten.

2.1. Der Anspruch nach dem Hilfsantrag ergibt sich zweifelsfrei durch Zusammenfassung der Ansprüche 1,3,5 und 9 in der ursprünglichen und erteilten Fassung und der Beschreibung der Erstunterlagen Seite 30, Zeile 12 bis Seite 31, Zeile 3 sowie der Patentbeschreibung Seite 10, Zeilen 21 - 34.

3. Die Verfahren gemäß Haupt- und Hilfsantrag sind - wie die Prüfung der vorliegenden Druckschriften durch die Kammer ergeben hat - nicht vorbeschrieben, also neu. Nähere Ausführungen zur Neuheit erübrigen sich, da dieser Sachverhalt im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten wurde.

4. Die Erfindung betrifft gemäß dem Hauptantrag ein Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen durch Umsetzung von mindestens zwei gegenüber Isocyanaten reaktionsfähige Wasserstoffatome aufweisenden Verbindungen vom Molekulargewicht 400 - 10 000 mit Polyisocyanten in Gegenwart von Wasser sowie einer Kombination von tertiären Stickstoff enthaltenden Vernetzungs- und Treibkatalysatoren.

Ein Verfahren dieser Art ist aus (4) bekannt (vgl. Seite 11, Zeile 18 -Seite 17, Zeile 7, insbesondere Seite 15 im Zusammenhang mit Seite 17, Zeilen 5 - 6). Dabei werden aus Polyisocyanaten und Polyätherpolyolen mittels der Katalysatorkombination A/C (Tetramethylhexamethylen-diamin/Pentamethyldiethylentriamin) Polyurethanschäume mit guten physikalischen Eigenschaften hergestellt (vgl. Seite 15 -16, Tabelle 1).

Dieses Verfahren ist beim Verschäumen in geschlossenen Formen insofern unbefriedigend, als - bedingt durch die zu kurze Startzeit (cream time) im Verhältnis zur Abbindezeit - nicht sichergestellt ist, daß bei komplizierten Formen das Reaktionsgemisch genügend Zeit hat, um bis zum Aushärten in alle auszuschäumenden Ecken und Kanten vorzudringen.

5. Diesem nächsten Stand der Technik gegenüber ist daher die patentgemäß bestehende technische Aufgabe darin zu sehen, ein Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen anzugeben, das ohne Einbuße an erwünschten physikalischen Eigenschaften und vorgegebener Abbindezeit eine deutlich verlängerte Startzeit aufweist.

5.1. Die Beschwerdegegnerin hält diese Verschiebung der technischen Aufgabe nicht für zulässig, weil sie durch Herausgreifen der Startzeit zustande kommt, ohne daß dieser Parameter in den ursprünglichen Unterlagen in den Rahmen der zu lösenden Aufgabe gestellt worden ist. Diese Auffassung verkennt, daß es für die Ermittlung der Aufgabe nicht entscheidend ist, wie der Erfindermehr oder weniger subjektiv die Aufgabe in der Patentanmeldung dargestellt hat, vielmehr ist auf seine objektive Leistung abzustellen (vgl. z. B. T 1/80 und T 24/81, Abl. EPA 1981, 206 und 1983, 133 sowie T 162/83 Krupp Polysius AG vom 19. April 1984, Seite 10, unveröffentlicht). Diese manifestiert sich beim Vergleich der Erfindung mit dem nächsten Stand der Technik durch den tatsächlich erreichten technischen Erfolg. Aus diesem Grunde qualifiziert sich bei der Frage nach der Aufgabe auch ein in einer Patentanmeldung nicht ausdrücklich angegebener, sich aber bei der Befolgung der erfindungsgemäßen Lehre einstellender technischer Erfolg. In Anwendung dieses Grundsatzes hat die Kammer auch wiederholt eine Änderung der technischen Aufgabe zugelassen (vgl. z. B. T 1/80 aaO und T 184/82, Abl. EPA 1984, 261).

5.2. Es ist daher unschädlich, wenn laut Patentbeschreibung die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens darin gesehen werden, daß hierdurch erstmalig ein Verfahren zur Herstellung von Polyurethan-Kunststoffen mit guten Eigenschaften in Bezug auf sehr kurze Formverweilzeit, geringe Sprödigkeit, gute Haftung an Deckschichten, Geruchsarmut, hervorragendes Fließvermögen und niedrige Rohdichte, zur Verfügung gestellt wird. Diese guten Eigenschaften, die nach Kenntnis eines neuen Standes der Technik nicht mehr als Vorteile geltend gemacht werden können, sollen auch nach wie vor den Verfahrensprodukten zukommen; sie gehen somit mit der - jetzt allerdings untergeordneten Zielrichtung - "ohne Einbuße an diesen physikalischen Eigenschaften" in die Aufgabe ein. Zudem ist im vorliegenden Fall der Parameter Startzeit nicht nur erwähnt, es ist vielmehr für den Fachmann sogar eine Verlängerung der Startzeit und damit die Grundlage für die oben definierte Aufgabe, jedenfalls für die Katalysatorkombination A/D aus Tabelle 1 ohne weiteres abzulesen, sobald Beispiel 2 mit dem Katalysatorsystem A/C als dem Stand der Technik zuzurechnend erkannt ist.

5.3. Zur Lösung der o.g. Aufgabe schlägt die Patentanmeldung gemäß Hauptantrag die Kombination von Diaminen der allgemeinen Formel I als Vernetzungskatalysator mit dem Treibkatalysator der Formel D vor.

5.4. Nach Auffassung der Kammer wird hierdurch jedoch die technische Aufgabe nicht glaubhaft gelöst. Zwar wird durch Vergleich der Beispiele 2 und 3 der Patentschrift belegt, daß die Katalysatorkombination A/D bei gleichbleibender Abbindezeit von 100 sek. eine um 30% längere Startzeit aufweist als die Katalysatorkombination A/C, es ist jedoch nicht glaubhaft gemacht worden, daß das Ergebnis des Beispiels 3 auf alle Katalysatorkombinationen nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag verallgemeinert werden kann. Im Gegenteil geht aus einem Vergleich der Beispiele 2, 4 und 5 der Patentschrift hervor, daß die bloße Änderung des Vernetzungskatalysators (A,H,I) bei gleichbleibendem Treibkatalysator (c) und gleichbleibender Abbindezeit einen erheblichen Einfluß auf die Startzeit des Gemisches ausübt. Dieses durch die Versuche der Patentinhaberin untermauerte Argument ist ihr bereits im Einspruchsverfahren mitgeteilt worden (Eingabe der BASF AG vom 19. September 1983, Seite 2), ohne daß sie dazu Stellung genommen, geschweige denn den Gegenbeweis angetreten hat.

5.5. Nachdem die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Aufgabe nicht glaubhaft gelöst worden ist und damit bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens gemäß Hauptantrag auszuscheiden hat (vgl. T 20/81, Abl. EPA 1982, S. 217), kann die bestehende Aufgabe nur darin gesehen werden, ein weiteres Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen ohne Einbuße an guten Eigenschaften wie Abbindezeit, Oberflächensprödigkeit, Fließhöhe, Rohdichteverteilung und Mindestformverweilzeit anzugeben; denn diese Aufgabe ist tatsächlich gelöst (vgl. die Beispiele).

6. Es ist daher zu untersuchen, ob es für den Fachmann angesichts dieser wenig anspruchsvollen Aufgabe nahelag, hierfür das Verfahren gemäß Anspruch 1 nach dem Hauptantrag vorzuschlagen.

6.1. Dokument (4) lehrt bereits die Verwendung der Katalysatorkombination A/C in einem Verfahren zur Herstellung von Polyurethanschäumen mit diesen wertvollen physikalischen Eigenschaften (vgl Tabelle 1 auf Seiten 15, 16 und 17).

Aus Dokument (7) ist ein Verfahren zur Herstellung von Polyurethanschaumstoffen bekannt, in welchem als Katalysatoren, gegebenenfalls neben weiteren tertiären Aminen (vgl. Spalte 6, Zeile 45 - 62), Polyethylenpolyamine der allgemeinen Formel

Formel

verwendet werden. Für diesen Zweck werden alle drei von der Formel erfaßten Katalysatoren als wirksam angesehen und als etwa äquivalent ausgewiesen (vgl. letzte Tabelle in Spalte 3 und Spalte 4, Zeilen 42 -47).

6.2. Angesichts der Aufgabe, lediglich ein weiteres Verfahren zur Herstellung von in geschlossenen Formen geschäumten Polyurethan-Kunststoffen mit vergleichbaren Eigenschaften bereitzustellen, lag es für den Fachmann nahe, in der bekannten Katalysatorkombination A/C die Komponente C (Polyethylenpolyamine der obigen Formel mit n=1) durch sein Homologes D (n=3) zu ersetzen, weil, wie aus (7) bekannt, C und D äquivalente Katalysatoren sind.

7. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher nicht alle Voraussetzungen der Patentfähigkeit. Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, fallen mit dem Hauptanspruch auch die hierauf rückbezogenen Unteransprüche. Demnach beruht das Verfahren nach dem Hauptantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

8. Anders zu beurteilen ist hingegen das Verfahren gemäß dem Hilfsantrag; denn nach Überzeugung der Kammer ist es glaubhaft, daß die unter Abschnitt 5 definierte anspruchsvolle Aufgabe durch den Einsatz der Katalysatorkombination A/D in dem eingangs genannten Verfahren tatsächlich gelöst wird, vgl. hierzu die Beispiele 2 und 3 der Patentschrift sowie die Ausführungen im Abschnitt 5.4.

8.1. Dies wird von der Beschwerdegegnerin bestritten mit dem Hinweis, daß ein Vergleich dieser Beispiele nicht zulässig sei, weil unterschiedliche Mengen an Vernetzungskatalysatoren eingesetzt wurden. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht, weil diese Beispiele - wie auch alle übrigen - auf die gleiche Abbindezeit von 100 sec ausgerichtet sind. Erst diese Normierung der - wie vorgetragen -wirtschaftlich bedeutenden Abbindezeit, ermöglicht einen Vergleich der Ergebnisse unter praxisgerechten Bedingungen nach den Beispielen und belegt, daß nach der Erfindung eine wesentlich verlängerte Startzeit erzielt werden kann.

8.2. Die Beschwerdegegnerin führt weiter aus, daß das Verfahren gemäß Hilfsantrag die genannte Aufgabe nicht für alle dort beanspruchten gegenüber Isocyanaten reaktionsfähigen Verbindungen löst. Aus (1) (vgl. Seite 97) sei nämlich bekannt, daß verschiedene Alkohole mit Isocyanaten verschieden schnell reagieren. Die Beschwerdegegnerin schließt hieraus, daß die Ergebnisse des Beispiels 3 der Patentschrift nicht verallgemeinert werden können und nicht auf jede beliebige von Anspruch 1 umfaßte, gegenüber der Isocyanatgruppe reaktive Verbindung übertragen werden dürfen. Die Beschwerdegegnerin hat jedoch keine Versuchsergebnisse für ihre diesbezügliche Behauptung vorgelegt.

Die Beschwerdeführerin vertritt hingegen die Auffassung, daß sich die unterschiedliche Reaktionsfähigkeit dieser Verbindungen etwa gleich auf die Start- und Abbindezeit auswirkt. Die Kammer verfügt über kein eigenes Fachwissen, ob und wie die Reaktivität der zur Urethanbildung benötigten Komponenten die Start- und Abbindezeit beeinflußt. Bei diesem Sachverhalt wendet die Kammer den in der Entscheidung T 219/83, abgedruckt in ABl. EPA 1986, 211, ausgesprochenen Grundsatz an. Danach geht der Nachteil, daß die Beteiligten im Einspruchsverfahren unterschiedliche, nicht belegbare Tatsachenbehauptungen aufstellen, ohne daß die Kammer den wahren Sachverhalt von Amts wegen ermitteln kann, zu Lasten des Einsprechenden. Der Einwand mangelnder Lösung der Aufgabe kann daher nicht Platz greifen.

9. Was die erfinderische Tätigkeit anlangt, so geht zwar aus (7) hervor, daß der erfindungsgemäß verwendete Treibkatalysator (d) mit dem aus (4) in Kombination mit (a) beschriebenen Katalysator (c) äquivalent ist. Diese Entgegenhaltung befaßt sich aber - ohne daß die Startzeit überhaupt erwähnt ist - mit einem anderen Problem, nämlich der Verkürzung der Reaktionszeit durch die Bereitstellung aktiverer Katalysatoren. Hiervon geht keine Anregung aus, daß die aufgabengemäß anvisierte Verlängerung der Startzeit gerade durch den Austausch der als gleich wirksam angesehenen Verbindung C durch D in der aus (4) bekannten Katalysatorkombination A/C realisiert werden könnte.

9.1. Die Kammer teilt auch nicht die in der angefochtenen Entscheidung geäußerte Auffassung, wonach die erfindungsgemäß erzielte Verlängerung der Startzeit aufgrund einfacher kinetischer Überlegungen erwartbar gewesen sei; danach soll beim Austausch des Treibkatalysators C durch D in Kombination mit dem unveränderten Vernetzungskatalysator A nach der Gesetzmäßigkeit "größere Moleküle reagieren langsamer als kleinere" mit längerer Reaktionszeit und damit mit verlängerter Startzeit zu rechnen gewesen sein. Es ist aber nicht belegt worden, daß derartige, reichlich übersimplifiziert anmutende Überlegungen gerade auf dem komplizierten und noch weitgehend von Empirie beherrschten Katalysatorsektor vom Fachmann als maßgeblich die Katalysatorreaktivität bestimmend angesehen werden. Gleiches gilt für Betrachtungen der Beschwerdegegnerin zur Basizität von C und D.

9.2. Auch der auf die Entscheidung T 21/81, Abl. EPA 1983, 15 gestützte Einwand der Beschwerdegegnerin stößt ins Leere, wonach die Feststellung einer verlängerten Startzeit nach dem Streitpatent die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nicht tragen könne, weil dieser zusätzliche Effekt dem durch (4) und (7) zum naheliegenden Einsatz von A/D angeregten Fachmann in den Schoß fallen mußte. Mit dieser Betrachtungsweise bringt die Beschwerdegegnerin erneut die bereits an anderer Stelle (vgl. unter 5.1) widerlegte Auffassung zum Ausdruck, daß sich die Patentinhaberin an ihrer ursprünglich offenbarten Aufgabenstellung festhalten lassen muß. Nur durch diese Fehlbeurteilung ist es möglich, die objektiv im Vordergrund stehende Zielrichtung zum bloßen Nebeneffekt zu degradieren. Zu Unrecht wird dabei außer Acht gelassen, daß der wesentliche Teil der Aufgabe nicht in der Erhaltung wünschenswerter physikalischer Eigenschaften der fertigen Verfahrensprodukte bestand, sondern darin, das Verfahren so zu verbessern, daß die Fließfähigkeit des polymerisationsfähigen Gemisches trotz sofort nach dem Mischen einsetzender Polymerisation über einen Zeitraum gewährleistet ist, der eine völlige Ausfüllung kompliziert gestalteter, geschlossener Formen erlaubt; genau diese ambitionierte Aufgabe verbirgt sich nämlich hinter dem eher schlichten Ausdruck "Verlängerung der Startzeit".

9.3. Zusammenfassend ist festzustellen, daß das Verfahren nach dem Anspruch gemäß dem Hilfsantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 1987 überreichten Unterlagen nach demHilfsantrag (1 Patentanspruch, Beschreibung) aufrechtzuerhalten.

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