T 0171/83 () of 29.5.1984

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1984:T017183.19840529
Datum der Entscheidung: 29 Mai 1984
Aktenzeichen: T 0171/83
Anmeldenummer: 80103039.6
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: DE
Verteilung:
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Rückschlagventil
Name des Anmelders: Wabco Westinghouse
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
inventive step
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0324/88

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 31. Mai 1980 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 103 039.6 (Veröffentlichungsnummer 0 022 916) wurde durch Entscheidung der Prüfungsabteilung 118 vom 11. Juli 1983 zurückgewiesen. Die Zurückweisung fußte auf dem Schutzbegehren gemäß dem Hauptantrag, eingelangt am 26. Mai 1982, bestehend aus einem unabhängigen Anspruch und drei davon abhängigen Ansprüchen. Der unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Rückschlagventil, dessen Anordnung in Druckluftanlagen, insbesondere in Ventileinrichtungen von Druckluftbremsanlagen erfolgt, welches folgende Merkmale umfaßt:

a) es sind ein Ventilkörper (2), ein gehäusefester Ventilsitz (3) und eine Feder (4) vorgesehen;

b) es ist wenigstens ein über den Ventilsitz (3) hinausragendes und mit dem Ventilkörper (2) verbundenes federndes Element vorgesehen;

c) das federne Element sützt sich an einem Absatz (6) des Ventilgehäuses unter Vorspannung so ab, daß Strömungswege zum Durchlaß des durch das Ventil strömenden Strömungsmittels gebildet sind;

gekennzeichnet durch folgendes Merkmal:

d) zur Bildung des federnden Elementes ist der Ventilkörper (2) auf wenigstens einem Teil seines Umfanges mit wenigstens einem einstückig mit dem Ventilkörper ausgebildeten Fortsatz (5, 9) versehen, der über den Ventilsitz (3, 6) hinausragt."

II. Die Zurückweisung erfolgte im Grunde des Artikels 52 (1) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ, da der Anmeldungsgegenstand lediglich eine Abänderung des aus der US-A-3 072 143 (Veröffentlichung 1) entnehmbaren Standes der Technik darstelle, die im Einblick auf die Offenbarung der US-A-645 722 (Veröffentlichung 2) für den Fachmann naheliegend gewesen sei.

III. Der Prüfungsabteilung lag ferner ein Hilfsantrag mit zwei unabhängigen Ansprüchen, eingelangt am 08. November 1982, vor. Dieses Schutzbegehren geht auf einen Vorschlag des beauftragten Prüfers zurück; auch die Prüfungsabteilung insgesamt hat im Zurückweisungsbeschluß diese Patentansprüche als gewährbar bezeichnet.

IV. Gegen die Zurückweisung der Anmeldung auf der Basis des Hauptantrages hat die Anmelderin am 19. Juli 1983 Beschwerde erhoben, Aufhebung des Beschlusses und Erteilung des Patentes aufgrund des geltenden Hauptantrages verlangt; hilfsweise wurde Erteilung auf der Basis des am 08. November 1982 eingelangten Hilfsantrages begehrt. Die Beschwerdegebühr und die Begründung der Beschwerde sind rechtzeitig eingegangen.

V. Im Zuge der vorläufigen Prüfung der Beschwerde durch den Berichterstatter hat die Anmelderin auf Einladung eine abgeänderte Fassung der Patentansprüche des Hilfsantrages und an die geltenden Fassungen der Patentansprüche gemäß dem Hauptantrag und dem Hilfsantrag angepaßte Beschreibungsseiten vorgelegt. Die Patentansprüche gemäß dem neuen Hilfsantrag haben folgenden Wortlaut:

1. Rückschlagventil, dessen Anordnung in Druckluftanlagen, insbesondere in Ventileinrichtungen von Druckluftbremsanlagen erfolgt, welches folgende Merkmale umfaßt:

a) es ist ein im Ventilgehäuse verschiebbarer, von einer Feder (4) gegen einen gehäusefesten Ventilsitz (3) belasteter Ventilkörper (2) vorgesehen;

b) es ist ein über den Ventilsitz (3) radial hinausragendes und mit dem Ventilkörper (2) verbundenes federndes Element vorgesehen;

c) das federnde Element stützt sich an einem Absatz (6) des Ventilgehäuses unter Vorspannung ab, wobei Strömungswege zum Durchlaß des durch das Ventil strömenden Strömungsmittels gebildet sind;

gekennzeichnet durch folgende Merkmale:

d) zur Bildung des federnden Elementes weist der Ventilkörper (2) einen einstückig über den Ventilsitz hinausragenden umlaufenden Wulst (5) auf;

e) zur Abstützung des Wulstes (5) weist das Ventilgehäuse nach innen weisende Rippen (6) auf, die so um den Ventilsitz herum angeordnet sind, daß der Wulst (5) unter leichter Vorspannung an den Rippen (6) anliegt.

2. Rückschlagventil, dessen Anordnung in Druckluftanlagen, insbesondere in Ventileinrichtungen von Druckluftbremsanlagen erfolgt, welches folgende Merkmale umfaßt:

a) es ist ein im Ventilgeäuse verschiebbarer von einer Feder (4) gegen einen gehäusefesten Ventilsitz (8) belasterer Ventilkörper (7) vorgesehen;

b) es sind mehrere radial über den Ventilsitz (8) hinausragende, mit dem Ventilkörper (7) verbundene federnde Elemente (9) vorgesehen;

c) die fendernden Elemente (9) stützen sich an dem Ventilgehäuse unter Vorspannung ab, wobei Strömungswege zum Durchlaß des durch das Ventil strömenden Strömungsmittels gebildet sind;

gekennzeichnet durch folgendes Merkmal:

d) als federnde Elemente (9) dienen einstückig mit dem Ventilkörper (7) ausgebildete und in Umfangsrichtung des Ventilkörpers (7) gebogene Fortsätze (9).

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Abänderungen entsprechen den Anforderungen des Artikels 123 (2) EPÜ; sie sind daher nicht zu beanstanden.

3. Die Merkmale des einleitenden Teils des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag sind aus (1) bekannt. Gemäß dieser Veröffentlichung sind federnde Elemente vorgesehen, die in Führungen des Ventilkörpers aufgenommen sind und die gegen die Wand des Ventils einen Druck ausüben. Dadurch wird eine Reibungsdämpfung geschaffen, die unerwünschten Schwingungen des Ventils entgegenwirkt.

Gemäß dem kennzeichnenden Teil ist das Neue am Anmeldungsgegenstand darin zu erblicken, daß zur Bildung des (als bekannt vorausgesetzten) federnden Elementes der Ventilkörper auf wenigstens einem Teil seines Umfanges mit wenigstens einem einstückig mit dem Ventilkörper ausgebildeten Fortsatz versehen ist, der über den Ventilsitz hinausragt.

4. Der Hinweis auf das Hinausragen des Fortsatzes über den Ventilsitz ist sinngemäß eine Wiederholung eines bereits im einleitenden Teil des Anspruches angeführten Merkmales ("über den Ventilsitz hinausragendes ... federndes Element"). In der Tat ist dieses Hinausragen lediglich eine Konsequenz der Tatsache, daß anmeldungsgemäß ebenso wie beim Stande der Technik gemäß (1) die Dämpfungselemente abströmseitig vorgesehen sind und daß notwendigerweise der Durchmesser des Ventilgehäuses auf der Abströmseite zur Bildung des Ventilsitzes größer ist als der Durchmesser des Ventilkörpers, während auf der Zuströmseite die Verhältnisse umgekehrt sind.

5. Für die Ausgestaltung des federnden Elementes und der hiefür vorgesehenen Führungen im Ventilkörper sind in der Veröffentlichung (1) zahlreiche Varianten vorgesehen. Allen Ausführungsformen ist gemeinsam, daß für das System Ventilkörper - federndes Element mindestens zwei getrennte Teile verwendet werden. So liegt das Neue am Gegenstand des Anspruches 1 in dem Gedanken, das zwei- oder mehrteilige System zu ersetzen durch ein einteiliges System, in dem das federnde Element und der Ventilkörper einstückig ausgebildet werden.

6. Die hiebei zu lösende Aufgabe besteht somit, wie sich auch aus der geltenden Beschreibungseinleitung gemäß dem Hauptantrag ergibt, darin, mit "relativ einfachen Mitteln ohne zusätzliche Teile" das Schwingen des Ventilkörpers zu vermeiden. Die Aufgabe liegt also auf dem Gebiet der Vereinfachung der Konstruktion und Verbilligung der Herstellung, nicht aber, wie aus der ursprünglichen Beschreibung, die ohne Berücksichtigung des einschlägigen Standes der Technik abgefaßt wurde, abgeleitet werden könnte, darin, die Schwingungen als solche zu vermeiden. Diese Aufgabe ist vielmehr unter Verwendung desselben Lösungsprinzips, nämlich der Einführung einer Reibungsdämpfung, die über Federkraft erzeugt wird, gemäß dem bekannten Stande der Technik gelöst.

7.. Die anmeldungsgemäße Aufgabe der Vereinfachung und Verbilligung entspricht einer allgemeinen Tendenz der technisch-wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist daher davon auszugehen, daß diese Tendenz dem Fachmann bei seiner täglichen Berufsarbeit stets vorschwebt. Demnach liegt die Stellung der Aufgabe als solche nahe; es ist lediglich zu untersuchen, ob die Lösung die Erfindungsqualität begründen kann.

8. Bei der Beurteilung der Veröffentlichung (2) ist zunächst festzuhalten, daß diese Patentschrift ebenso Teil des absoluten Standes der Technik ist wie die Veröffentlichung (1). Überlegungen derart, ob der Fachmann Veranlassung hatte, ausgehend vom Studium der Veröffentlichung (1) die Patentschrift (2) zu finden, sind im Sinne der Vorschrift des Artikels 56 EPÜ überflüssig. Es ist vielmehr unmittelbar davon auszugehen, daß der Fachmann die zwei in Rede stehenden Dokumente kennt und sie entsprechend seinem Fachwissen verwertet.

9. Die Veröffentlichung (2) zeigt ein Überdruck-Ventil, bei dem, ebenso wie beim Anmeldungsgegenstand, nachteilige Schwingungen dadurch vermieden werden, daß der Ventilkörper federnde Elemente aufweist, die sich an die Wandung des Ventils anlegen. Dabei sind mehrere konstruktive Ausgestaltungen vorgesehen. Eine (Figur 3 und Figur 4) beruht auf demselben Prinzip wie eine der zahlreichen Ausgestaltungen, die in der Patentschrift (1) angegeben sind: Mit Hilfe von radial angeordneten Schraubenfedern werden Elemente gegen die Ventilwandung gedrückt. Eine andere konstruktive Lösung gemäß (2) besteht aus einem Ventilkörper, der einstückig mit ihm ausgebildete federnde Fortsätze aufweist (Fig. 1, 2 und 7).

10. Für den Fachmann, der mit Kenntnis der Veröffentlichung (1) und unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung und Verbilligung (siehe oben Punkt 7) die Patentschrift (2) studiert, ergibt sich zunächst aus der erstgenannten Ausführungsform eine unmittelbare Verknüpfung zu der entsprechenden Ausführungsform gemäß (1) und aus der zweitgenannten Ausführungsform, ebenfalls unmittelbar, das Lösungsprinzip, das im kennzeichnenden Teil des Anspruches 1 umrissen wird, nämlich der Gedanken das federnde Element mit dem Ventilkörper aus einem Stück auszubilden.

11. Das Dokument (2) verliert seine erfindungszerstörende Wirkung nicht dadurch, daß es ein Überdruckventil und nicht ein Rückschlagventil betrifft und daß die federnden Elemente zuströmseitig und nicht abströmseitig abgeordnet sind, so daß der Durchmesser des Ventilgehäuses, an dem die federnden Elemente anliegen, kleiner und nicht größer als der Ventilsitz ist. Denn der Vervendungszweck und die spezielle Bauart haben keinen Einfluß auf den Grundgedanken der Vereinfachung und Verbilligung durch einstückige Ausbildung.

Ebensowenig ist es auch von Belang, daß die federnden Elemente im Zusammenhang mit Flügeln des Ventilkörpers angeordnet sind, die zur Führung des Ventilkörpers dienen. Patentanspruch 1 gemäß dem Hauptantrag enthält nur eine Aussage über das Vorhandensein von federnden Elementen, nicht aber über das Nichtvorhandensein von Führungselementen, so daß diesbezüglich kein Unterschied definiert ist.

12. Entscheidend aber ist die Überlegung, daß der Fachmann die Veröffentlichung (2) gar nicht in Hinblick auf eine etwaige Verbesserung der dynamischen Vorgänge bei der Durchströmung (Schwingungsverhalten und Geräuschentstehung) auszuwerten hat, sondern, gemäß der obigen Analyse der Aufgabe, lediglich im Hinblick auf eine Vereinfachung der Konstruktion und Verbilligung der Herstellung. Die Frage, ob tatsächlich Unterschiede in bezug auf die Schwingungsvorgänge vorhanden sind oder nicht, wird vom Fachmann, als von vornherein außerhalb des Rahmens der Aufgabe gelegen, gar nicht aufgeworfen werden; dementsprechend ist sie auch für die vorliegende Entscheidung ohne Gewicht.

13. Die oben erwähnte Einschränkung der ursprünglich in der Beschreibung angegebenen Aufgabe aufgrund des nachgewiesenen Standes der Technik und die unter dem Blickwinkel der eingeschränkten Aufgabe vorgenommene Auswertung dieses Standes der Technik ist nicht eine unzulässige ex post-Betrachtung, wie die Prüfungsabteilung zu Recht festgestellt hat, sondern vielmehr geradezu die Voraussetzung einer objektiven Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.

14. Aus den vorgetragenen Gründen beruht der Gegenstand des Anspruches 1 gemäß dem Hauptantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne der Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.

Der Hauptantrag ist daher zur Gänze nicht gewährbar.

15. Die gültigen Patentansprüche gemäß dem Hilfsantrag unterscheiden sich von den zuletzt bei der Prüfungsabteilung vorgelegten Patentansprüchen des Hilfsantrages lediglich darin, daß im Merkmal c) des einleitenden Teils der Patentansprüche 1 und 2 die Worte "so ab, daß" durch die Worte "ab, wobei" ersetzt wurden und ferner dadurch, daß in Patentanspruch 1 im Merkmal d) des kennzeichnenden Teiles vor "über den Ventilsitz hinausragenden umlaufenden Wulst" das Wort "einstückig" eingefügt wurde. Diese Abänderungen stellen lediglich Präzisierungen dar, die dasjenige, was bereits in der vorhergehenden Fassung gemeint war, deutlicher zum Ausdruck bringen; die Basis der Beurteilung wird hierdurch nicht berührt.

16. Die Beschwerdekammer teilt die auch im Zurückweisungsbeschluß zum Ausdruck gebrachte Beurteilung des Hilfsantrages durch die Prüfungsabteilung.

Da die Patentansprüche 1 und 2 demnach auf eine nicht naheliegende Ausgestaltung des an sich bekannten einstückigen Ventilkörpers gerichtet sind, ist der Hilfsantrag gewährbar (Artikel 52 (1) und Artikel 56 EPÜ).

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein europäisches Patent auf folgenden Grundlagen zu erteilen:

ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, 3 und 4,

Beschreibung, Seite 2, eingelangt am 17. November 1981,

Beschreibung, Seite 2a gemäß Hilfsantrag, eingelangt am 31. März 1984,

Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag, eingelangt am 31. März 1984 und ursprüngliche Zeichnungen.

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