T 0054/82 (Offenbarung) of 16.5.1983

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1983:T005482.19830516
Datum der Entscheidung: 16 Mai 1983
Aktenzeichen: T 0054/82
Anmeldenummer: 78300423.7
IPC-Klasse: -
Verfahrenssprache: EN
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: -
Name des Anmelders: Mobil
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: Änderungen, bei denen verschiedene Merkmale des ursprünglichen Gegenstands einer Erfindung kombiniert werden, haben nicht zwangsläufig einen Einwand nach Artikel 123(2) zur Folge. Bei der Beurteilung, ob verschiedene Teile der Beschreibung einer Anmeldung eigentlich im Zusammenhang gesehen werden müssen, kann auch der Stand der Technik herangezogen werden.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 R 86
Schlagwörter: Offenbarung
Kombination verschiedener Merkmale
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0449/90
T 0398/92
T 0962/92
T 0862/95
T 0068/99
T 1408/10
T 1007/13
T 2079/13
T 3196/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die am 27. September 1978 eingereichte und am 18. April 1979 unter der Veröffentlichungsnummer 0 001 492 veröffentlichte europäische Patentanmeldung 78 300 423.7, die die Priorität der amerikanischen Anmeldung Nr. 838591 vom 3. Oktober 1977 in Anspruch nimmt, wurde durch Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 26. Oktober 1981 zurückgewiesen. Der Entscheidung lagen die am 21. Mai 1980 eingegangenen Ansprüche 1 und 2 zugrunde.

Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die vorgeschlagene Änderung des Anspruchs 2 gegen Artikel 123(2) verstoße, da sie einen Sachverhalt einführe, der über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.

II. Am 14. Dezember 1981 legte die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung Beschwerde ein. Am 10. Februar 1982 wurde die Beschwerdebegründung nachgereicht. Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht entrichtet. Die am 21. Mai 1980 eingereichten Ansprüche und die am selben Tag geänderte ursprüngliche Beschreibung waren zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde noch immer gültig. Am 17. November 1982 nahm die Anmelderin auf Seite 1, Zeile 8 und Seite 5, Zeile 6 der Beschreibung sowie in Anspruch 1, Zeile 5 eine kleine Änderung vor; dabei wurden die Worte "ein C18-24-dimeres Alkenylsuccinylmonooxazolin" durch "ein Alkenylsuccinylmonooxazolin, dessen Alkenylgruppe 18-24 Kohlenstoffatome enthält" ersetzt. Am 21. Februar 1983 wurde telefonisch vereinbart, die Änderung auf Seite 5, Zeile 6 rückgängig zu machen.

Die jetzigen Ansprüche lauten wie folgt:

1. Schmiermittelzusammensetzung bestehend aus einer größeren Menge eines Öles oder Fettes mit Schmierviskosität und einer kleineren Menge eines Oxazolinzusatzes, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxazolinzusatz ein Alkenylsuccinylmonooxazolin oder ein Alkenylsuccinylbisoxazolin ist, dessen Alkenylgruppe 18-24 Kohlenstoffatome enthält und in einer belastungstragenden Menge vorhanden ist.

2. Zusammensetzung nach Anspruch 1, bei der der Zusatz ein Isooctadecenylsuccinylbisoxazolin ist.

Die ursprünglichen Ansprüche lauteten wie folgt:

1. Schmiermittelzusammensetzung, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus einer größeren Menge eines Öles mit Schmierviskosität oder aus Fetten hiervon und einer belastungstragenden Menge eines aus der Gruppe Naphtenyloxazolin, Alkenylsuccinylmonooxazolin und Alkenylsuccinylbisoxazolin ausgewählten Zusatzes besteht.

2. Zusammensetzung nach Anspruch 1, bei der der Zusatz ein Naphtenyloxazolin ist.

3. Zusammensetzung nach Anspruch 1, bei der der Zusatz ein Isooctadecenylsuccinylbisoxazolin ist.

4. Zusammensetzung nach Anspruch 1, bei der der Zusatz ein C18-24-dimeres Alkenylsuccinylmonooxazolin ist.

III. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beantragt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ. Sie ist somit zulässig.

2. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung beruht auf der Überlegung, daß es nicht zulässig sei, die Offenbarung auf Seite 1 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung - Herstellung der Oxazoline durch Umsetzung von einem Mol der Säure mit einem oder zwei Mol des Aminomethans - mit der Offenbarung in dem ursprünglichen Beispiel 3 - Verwendung einer C18-24-Säure - zu kombinieren. Diese Überlegung geht von der Annahme aus, daß die Prüfung auf unzulässige Änderungen der Neuheitsprüfung entspricht und daß es bei der Beurteilung der Neuheit nicht zulässig ist, verschiedene Informationen, einschließlich verschiedener Teile desselben Dokuments, zu kombinieren. Die Beschwerdeführerin ficht beide Annahmen an. In bestimmten Fällen, so ihre Argumentation, sollte es zulässig sein, verschiedene Informationen zu kombinieren, auch wenn sie aus verschiedenen Dokumenten stammen. Die Auslegung, daß es nicht zulässig sei, verschiedene Teile desselben Dokuments zu kombinieren, werde durch das Übereinkommen nicht gestützt und stehe im Gegensatz zu den für die Auslegung von Dokumenten geltenden Grundsätzen; dazu gehöre auch, daß ein Dokument unvoreingenommen und als Ganzes betrachtet werden müsse.

3. Die Beschwerdekammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, daß das Übereinkommen keine Bestimmung enthält, die es unter allen Umständen verbietet, verschiedene Teile desselben Dokuments im Zusammenhang zu sehen. Die Prüfungsabteilung selbst hat ja in ihrer Entscheidung folgende Feststellung getroffen (Seite 2, Zeile 22-27):

"Eine Änderung wird als Einbringen von Sachverhalten, die über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen, angesehen, wenn die Gesamtveränderung des Inhalts der Anmeldung dazu führt, daß der Fachmann andere Angaben erhält als die zuvor durch die Beschreibung vermittelten." Dies bedeutet zwangsläufig, daß es von der Betrachtungsweise des Fachmanns abhängt, ob es zulässig ist, die Offenbarung zweier verschiedener Teile der Beschreibung zu kombinieren. Aus der obengenannten Feststellung kann daher kein absolutes Verbot einer solchen Kombination abgeleitet werden.

4. Der kennzeichnende Teil des vorliegenden Anspruchs 1 besagt, daß eine Schmiermittelzusammensetzung ein C18-24-Alkenylsuccinylmonooxazolin oder ein C18-24-Alkenylsuccinylbisoxazolin enthält. Hier geht es um das C18-24-Alkenylsuccinylbisoxazolin. In der ursprünglichen Beschreibung werden sowohl Alkenylsuccinylmonooxazoline als auch Alkenylsuccinylbisoxazoline allgemein offenbart. Entsprechend Seite 1, Zeile 13-16 werden sie durch Umsetzung von einem Mol einer C10-50-Alkenylbernsteinsäure mit einem Mol Tris-(hydroxymethyl)aminomethan (oder THAM) (wodurch ein Monooxazolin entsteht) oder zwei Mol THAM (wodurch ein Bisoxazolin entsteht) hergestellt. Im ursprünglichen Beispiel 2 (jetzt Beispiel 1) und im ursprünglichen Anspruch 3 (jetzt Anspruch 2) wird Isooctadecenylsuccinylbisoxaolin, ein C18-Alkenylsuccinylbisoxazolin, besonders erwähnt. In Beispiel 3 (jetzt Beispiel 2) wird die Umsetzung von einem Mol C18-24-dimeres Alkenylbernsteinsäureanhydrid mit einem Mol THAM erwähnt, wodurch ein C18-24-dimeres Alkenylsuccinylmonooxazolin entsteht. Nach Seite 1, Zeile 13-16 des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 17. November 1982 ist dieses Produkt ein Gemisch aus einzelnen C18-24-Verbindungen, wobei der C18-24-Anteil aus einem im Handel erhältlichen Gemisch stammt und das Wort "dimer" dessen Ursprung angibt. In Anspruch 1 wird ein C18-24-Alkenylsuccinylmonooxazolin beansprucht, das alle enthaltenen C18-24-Verbindungen sowie deren Gemische einschließt. Beispiel 3 (jetzt Beispiel 2) wird als tragfähige Grundlage für diesen Teil des Anspruchs angesehen. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Offenbarung eines C18-24-Alkenylsuccinylmonooxazolin in diesem Fall die Offenbarung eines C18-24-Alkenylsuccinylbisoxazolin einschließt, ist zu berücksichtigen, ob zwischen Mono- und Bisoxazolinen unterschieden worden ist. In der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist eine solche Unterscheidung nicht festzustellen.

5. In ihrer Beschwerdebegründung gibt die Beschwerdeführerin - zu Recht, wie die Kammer meint - an, daß zur Beantwortung dieser Frage auch der Stand der Technik herangezogen werden könne. Dem Stand der Technik ist nur zu entnehmen, daß Alkenylsuccinylmono- und -bisoxazoline Hand in Hand gehen. In der französischen Patentschrift Nr. 2 281 423 wird die Umsetzung von einem Mol Alkenylsuccinylanhydrid und einem Mol THAM zu Monooxazolin (Beispiel 2) und mit 2 Mol THAM zu Bisoxazolin (Beispiel 3) beschrieben. Nach Seite 2, Zeile 27-28 kann die Menge des THAM sogar zwischen 0,05 und 5 Mol liegen. Die US-Patentschrift Nr. 4 035 309 erwähnt die Herstellung von Mono- und Bisoxazolin (Anspruch 1, Spalte 3, Zeile 55-59). Ein aus THAM abgeleitetes Monooxazolin, (Spalte 3, Zeile 49-59) wird in Anspruch 8 (siehe auch Spalte 5, Zeile 16 bis 20) und ein äquivalentes Bisoxazolin in den Ansprüchen 2,6 und 10 offenbart.

6. Nur das Argument der Beschwerdeführerin, daß die Offenbarung von C10-50 auch die Offenbarung von C18-24 einschließe, ist nicht stichhaltig. Die Offenbarung von C10-50 enthält zwar alle Glieder der Reihe C10...C11... C50. Der Unterschied liegt jedoch darin, daß C18-24 alle Glieder der Reihe C18... C19... C24 unter Ausschluß der außerhalb dieser Reihe liegenden Verbindungen offenbart, während C10-50 alle Glieder dieser Reihe ohne Ausnahme offenbart.

7. Tatsächlich ist Anspruch 1 weiter gefaßt als der Anspruch 1, der zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde gültig war, da bei dem Begriff "ein C18-24-dimeres Alkenylsuccinylmonooxazolin" nunmehr das Wort "dimeres" gestrichen worden ist. Dies wird von der Kammer als zulässige Berichtigung eines offensichtlichen Fehlers zugelassen. Wie in dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 27. November 1982 auf Seite 1, Zeile 13-16 angegeben, deutet der Begriff "dimer" auf die Ableitung des Gemisches und nicht auf seine Endstruktur hin. Da Mono- und Bisoxazoline Hand in Hand gehen, ist eine derartige Unterscheidung zwischen beiden nicht logisch.

8. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann angeordnet werden, wenn der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht (R. 67 EPÜ). Da die Entscheidung der Prüfungsabteilung nur auf einer unrichtigen Annahme beruht, kann nicht von einem Verfahrensfehler gesprochen werden. Der in der Beschwerdebegründung vom 10. Februar 1982 gestellte Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kammer ist zu der Auffassung gelangt, daß die Änderung des Anspruchs 1 keine Verletzung des Artikels 123(2) EPÜ darstellt und der Beschwerde stattzugeben ist.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 26. Oktober 1981 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, eine neue Entscheidung auf der Grundlage der Entscheidung der Beschwerdekammer zu treffen. Als gültige Unterlagen sind dabei anzusehen: die am 19. November 1982 eingereichten Seiten 1 und 5, die am 21. Mai 1980 eingereichten Seiten 2-4 mit der Maßgabe, daß der Ausdruck "dimeres" auf Seite 5, Zeile 6 wieder eingefügt werden muß.

3. Der in der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 1982 gestellte Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

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