European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T086824.20250506 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 06 Mai 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0868/24 | ||||||||
Anmeldenummer: | 19779764.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01S 7/481 G01S 17/32 G01S 17/42 G01S 17/34 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VORRICHTUNG UND VERFAHREN ZUR SCANNENDEN ABSTANDSERMITTLUNG EINES OBJEKTS | ||||||||
Name des Anmelders: | Carl Zeiss AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.4.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin hat Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Patentanmeldung zurückzuweisen, eingelegt.
II. Dieser Entscheidung war zunächst eine Stellungnahme des Europäischen Patentamts (EPA) als Internationale Recherchenbehörde vom 17. Januar 2020 (im Folgenden: "Stellungnahme") vorangegangen, in der u.a. die Gegenstände der ursprünglichen Ansprüche 1, 3-5, 7-9, 11-13, 19, 21 und 23-27 als nicht neu gegenüber Dokument D1 (US-A-2017/090031) und jene der Ansprüche 2, 6, 10, 14-18 und 22 als nicht erfinderisch im Hinblick auf D1 (und allgemeines Fachwissen) befunden wurden.
III. Nach Eintritt in die regionale Phase vor dem EPA wurde die Anmelderin mit Mitteilung vom 6. Mai 2021 gemäß Regel 161 (1) EPÜ aufgefordert, die in der Stellungnahme aufgezeigten Mängel zu beheben. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2021 reichte jene u.a. überarbeitete Ansprüche 1-14 ein und setzte sich mit den Argumenten in der Stellungnahme zu Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber D1 auseinander.
IV. In einer Mitteilung der Prüfungsabteilung gemäßArtikel 94(3) EPÜ vom 2. November 2022 wurde festgehalten, dass die von der Anmelderin in ihrem Schriftsatz vom 10. Juni 2020 "vorgebrachten Argumente... geprüft und ... berücksichtigt" worden seien. Zugleich wurde Dokument D4 (US-A-2014/233013) in das Verfahren eingeführt. Sämtliche Ansprüche 1-14 seien durch die kombinierte Lehre von D1 und D4 nahegelegt und damit nicht erfinderisch.
V. In der Erwiderung der Anmelderin vom 6. Februar 2023 auf diese Mitteilung wurden die Ansprüche aufrechterhalten und Gegenargumente zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 und in Kombination mit D4 vorgetragen.
VI. Einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellte die Anmelderin im Laufe des Prüfungsverfahrens nicht.
VII. Mit der angefochtenen Entscheidung wurde die Anmeldung zurückgewiesen.
VIII. In deren Begründung wurde der unabhängige Anspruch 1, der auf eine Vorrichtung zur scannenden Abstandsermittlung eines Objekts gerichtet ist, als nicht neu gegenüber D1 erachtet, unter anderem da die Offenbarung "... wavelength channels may be in ... a non-consecutive sequence ..." in D1 das Merkmal "... simultan eine Mehrzahl von Messsignalen zugeführt ..." vorwegnehme. Selbst für den Fall, dass der Begriff "non-consecutive sequence" in D1 nicht eindeutig einem simultanen Zuführen der Mehrzahl von Messsignalen zugeordnet werden könnte, würde Anspruch 1 durch die kombinierte Lehre von D1 und D4 nahegelegt.
Die gleichen Schlussfolgerungen wurden für den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 13 gezogen, der auf ein Verfahren zur scannenden Abstandsermittlung eines Objekts gerichtet ist.
IX. Die abhängigen Ansprüche wurden auch als entweder nicht neu oder nicht erfinderisch befunden.
X. Punkte 14.2 bis 14.4 der angefochtenen Entscheidung schließlich lauten:
14.2 Der obige Einwand gegen Anspruch 1 wurde bereits in der Stellungnahme zur internationalen Recherche von der Prüfungsabteilung unter Artikel 54 EPÜ zu den Ansprüchen (1+25) bzw. (1+25 (letztes Merkmal)) - d.h. dem Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 - erhobenen [sic] und es wurde dem Anmelder erklärt, dass dieser Einwand in seiner Antwort zu berücksichtigen ist. Ferner wurde dem Anmelder mit Bescheid vom 02-11-2022 mitgeteilt, dass der vorliegende Anspruch 1 nicht dem Erfordernis von Artikel 56 EPÜ genügt. Die vorliegende Zurückweisung hat demnach keinen überraschenden Effekt für den Anmelder.
14.3 Der Anmelder hat weder versucht die bestehenden Einwände unter Artikel 54 EPÜ bzw. Artikel 56 EPÜ mit Hilfe einer Änderung auszuräumen bzw. es ist ihm nicht gelungen die Einwände argumentativ zu entkräften, noch hat er eine mündliche Verhandlung beantragt.
14.4 Ein weiterer Bescheid würde lediglich zu einer Wiederholung der bestehenden Einwände führen.
XI. Die Anmelderin als Beschwerdeführerin beantragt in ihrer Beschwerde, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und in deren Abänderung ein Patent gemäß Hauptantrag zu erteilen. Der Hauptantrag entspricht den am 10. Juni 2021 eingereichten Ansprüchen 1-14. Hilfsweise beantragt sie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage eines mit der Beschwerdebegründung neu eingereichten Hilfsantrags.
XII. Sie beantragt zudem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103(1)(a) EPÜ, weil die angefochtene Entscheidung auf Gründe (zu fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit) gestützt worden sei, zu denen sie sich nicht habe äußern können; zudem habe sich die Entscheidung nicht mit im Verfahren vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt.
XIII. Zur Begründung trägt sie dazu vor, die Prüfungsabteilung habe sich zu den Ansprüchen gemäß Hauptantrag nur in der (einzigen) Mitteilung vom 2. November 2022 geäußert. Dort sei kein Einwand wegen fehlender Neuheit, sondern das Dokument D4 neu in das Verfahren eingeführt und der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit auf der Grundlage von D1 und D4 erhoben worden. Die Prüfungsabteilung habe den Einwand fehlender Neuheit gegen die ihr vorliegenden Ansprüche (gegenwärtiger Hauptantrag) erstmals in der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung erhoben und damit den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt. Dass die Zurückweisung hilfsweise mit dem bereits zuvor geltend gemachten Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit auf der Grundlage der Kombination der Dokumente D1 und D4 begründet worden sei, ändere daran nichts. Außerdem - und obwohl der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit auf die gleiche Kombination von Dokumenten gestützt gewesen sei - sei darin gegenüber der Mitteilung vom 2. November 2022 die objektive Aufgabe neu definiert worden. Auch dazu habe sich die Beschwerdeführerin nicht äußern können. Letztlich sei die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung mit keinem Satz auf die Argumente der Beschwerdeführerin eingegangen, die sie mit ihrer Erwiderung vom 6. Februar 2023 auf die Mitteilung vom 2. November 2022 vorgetragen habe. Die Prüfungsabteilung habe damit auch gegen die Begründungspflicht gemäß Regel 111(2) EPÜ verstoßen, was einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel darstelle.
Entscheidungsgründe
Rechtliches Gehör - Vorbemerkungen
1. Entscheidungen des EPA können nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (rechtliches Gehör, Artikel 113(1) EPÜ). Unter Gründen sind im Sinne dieser Bestimmung diejenigen wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe zu verstehen, auf die sich die Entscheidung stützt (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, III-B-2.3.2).
2. Die Wahrung des rechtlichen Gehörs erfordert dabei grundsätzlich, dass Beteiligte sich zu allen Entscheidungsgründen vorab äußern können (T 802/97, Catchword, Gründe 3.).
3. Die angefochtene Entscheidung beruht auf zwei unterschiedlichen Gründen: die Prüfungsabteilung befand zum einen, dass die Gegenstände der Ansprüche 1 und 13 nicht neu gegenüber D1 seien und, zum anderen, auch nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D1 und D4.
4. In Anwendung der oben dargestellten Grundsätze setzt die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin voraus, dass sie sowohl mit dem Einwand fehlender Neuheit als auch mit jenem fehlender erfinderischer Tätigkeit im Rahmen des Prüfungsverfahrens vor dem EPA konfrontiert wurde und Gelegenheit hatte, sich diesbezüglich zu äußern.
5. Zum Erfordernis des rechtlichen Gehörs gehört zudem gemäß Regel 111(2) EPÜ, dass Entscheidungen des EPA, die mit Beschwerde angefochten werden können, zu begründen sind. Sie sollen dabei nicht nur eine Begründung enthalten, die in logischer Kette die vorgebrachten wesentlichen Argumente darlegt, auf denen die Entscheidung basiert, sondern sich auch mit den relevanten Argumenten der Parteien auseinandersetzen (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, III-B-2.4.1, T 70/02, Gründe 7; T 246/08, Gründe 2). Nur anhand einer derart vollständigen Begründung kann überprüft werden, ob der Vortrag einer Partei tatsächlich berücksichtigt wurde, so dass die Erfordernisse des Artikels 113(1) EPÜ erfüllt sind.
Rechtliches Gehör - Neuheit gegenüber Dokument D1
6. Nach ständiger Praxis vor dem EPA gilt der vorläufige internationale Prüfungsbericht (IPER) des EPA als Gutachten für die Prüfung in der regionalen Phase (siehe Richtlinien für die Prüfung vor dem EPA, E-IX, 4.3.3). Damit dessen Inhalt in der anschließenden Prüfung berücksichtigt werden kann, muss sich die Prüfungsabteilung dabei aber grundsätzlich auf ihn stützen.
7. Im vorliegenden Fall enthält die (einzige inhaltliche) Mitteilung der Prüfungsabteilung vom 2. November 2022 keinen Verweis auf den IPER oder die Stellungnahme. Lediglich auf die in Auseinandersetzung mit der Stellungnahme überreichte Eingabe der Beschwerdeführerin vom 10. Juni 2021 wird insoweit kursorisch verwiesen: die darin enthaltenen Argumente seien "geprüft ... und berücksichtigt" worden.
8. Die Ausführungen der Prüfungsabteilung unter Punkt 14.2 der angefochtenen Entscheidung, der Einwand fehlender Neuheit gegen Anspruch 1 sei bereits von der Prüfungsabteilung in der Stellungnahme zum ursprünglichen Anspruch 25 erhoben worden, greift daher zu kurz. Ungeachtet der Tatsache, dass sich der Einwand in der Stellungnahme auf die ursprünglichen und nicht auf die vorliegenden Ansprüche bezieht, wurde die Stellungnahme von der internationalen Recherchebehörde verfasst und nicht, wie argumentiert, von der in der europäischen Phase zuständigen Prüfungsabteilung. Außerdem wurde der Einwand im Prüfungsverfahren nicht aufrechterhalten, womit die Beschwerdeführerin davon ausgehen durfte, dass er durch die mit ihrem Schriftsatz vom 10. Juni 2021 vorgelegten neuen Ansprüche gegenstandslos geworden war (vgl. T 70/02, Gründe 4.2.4).
9. Auf der Grundlage der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Änderungen in Anspruch 1 und der von ihr vorgetragenen Argumente gelangte die Prüfungsabteilung in ihrer Mitteilung vom 2. November 2022 zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich vom Stand der Technik in naheliegender Weise ergäbe. Zu jenem Zeitpunkt musste die Beschwerdeführerin davon ausgehen, dass die Änderungen in Anspruch 1 zusammen mit den von ihr vorgetragenen Argumenten zur Neuheitsfrage die Prüfungsabteilung überzeugt hatten, da diese ihre ursprüngliche Auffassung zur Neuheit revidiert und aufgrund der von ihr identifizierten Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem ursprünglich als neuheitsschädlich erachteten Dokument D1 nun einen Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit erhoben hatte.
10. Der explizite Einwand mangelnder Neuheit des Vorrichtungsanspruchs 1 und des Verfahrensanspruchs 13, jeweils im Hinblick auf Dokument D1, wurde erstmals von der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung erhoben, und nicht schon während des Prüfungsverfahrens, sohin ohne der Beschwerdeführerin vorab Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
11. Die Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 (nach wie vor) nicht neu gegenüber D1 sei, steht sohin insbesondere mit der in der Mitteilung vom 2. November 2022 vorgetragenen Auffassung in Widerspruch und war im Hinblick auf den Verfahrensablauf für die Beschwerdeführerin überraschend.
12. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (Artikel 113(1) EPÜ). Schon vor diesem Hintergrund kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben.
Rechtliches Gehör - Erfinderische Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination von D1 und D4
13. Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen Ansprüche 1 und 13 wurde - wie gezeigt - zum ersten Mal mit der Mitteilung vom 2. November 2022 erhoben. Basierend auf den von der Beschwerdeführerin im kennzeichnenden Teil hinzugefügten Merkmalen, dass die dispersive Scan-Einrichtung dazu eingerichtet ist, simultan eine Mehrzahl von Messsignalen zugeführt zu bekommen, und dass sich diese Messsignale in ihrem zeitabhängigen Frequenzverlauf voneinander unterscheiden, erachtete die Prüfungsabteilung den Gegenstand des Anspruchs 1 als nicht erfinderisch, im Hinblick auf die Kombination von D1 und D4. Das Gleiche gelte für Verfahrensanspruch 13, der sich von Anspruch 1 nur durch die Art des Anspruchs unterscheide: Verfahrensanspruch gegenüber Vorrichtungsanspruch.
14. Bezugnehmend auf den ersten Absatz auf Seite 4 der Beschreibung, demzufolge eine Aufgabe der Erfindung darin liegt, eine genaue, zuverlässige und vor allem schnelle Abstandsmessung zu ermöglichen, sah die Prüfungsabteilung in ihrer Mitteilung die objektive Aufgabe der Erfindung darin, die sequenziellen Messungen der D1 schneller ausführen zu können. Eine Lösung für diese Aufgabe hätte die Fachperson in Dokument D4 gefunden.
15. In der angefochtenen Entscheidung wurde die objektive Aufgabe demgegenüber neu definiert, wie von der Beschwerdeführerin zutreffend bemängelt. Ausgehend von Dokument D1 hätte die Fachperson demnach vor der objektiven Aufgabe gestanden, die gesamte Sendeleistung bzw. die gesamte Empfangsleistung des Systems zu erhöhen. Ob und inwiefern die neu formulierte Aufgabe mit der in der Mitteilung formulierten (vormaligen) Aufgabe oder mit den Argumenten der Anmelderin zusammenhängt, wurde nicht thematisiert. Ein direkter (impliziter) Zusammenhang zwischen den beiden objektiven Aufgaben ist auch nicht ersichtlich. Wie beispielsweise in der Entscheidung T 763/07 betont wurde, impliziert das Recht auf rechtliches Gehör, dass alle relevanten Gründe und Argumente in der schriftlichen Begründung zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für die Berücksichtigung der Tatsachen und Argumente, die ein Anmelder zur Stützung seines Anliegens vorbringt (vgl. T 763/04, Gründe 4.3). Im vorliegenden Fall ist auch kein Zusammenhang zwischen dieser neu formulierten Aufgabe und den von der Beschwerdeführerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Prüfungsabteilung angesprochenen Aufgaben ersichtlich, etwa dass Messungen schneller ausgeführt oder das Signal-Rausch-Verhältnis im System verbessert werden könnten.
16. Die neue Begründung, warum die Fachperson ausgehend von D1 die Lehre von D4 berücksichtigt hätte und somit zur beanspruchten Vorrichtung gelangt wäre, weicht somit in einem wesentlichen Punkt von der in der Mitteilung vom 2. November 2022 dargestellten Begründung ab. Die der Entscheidung zugrundeliegende neu formulierte Aufgabe spielt eine wesentliche Rolle in der Aufgabe-Lösungs-Analyse, indem sie in der Folge bestimmt, ob und welchen Stand der Technik zur Lösung der Aufgabe berücksichtigt und herangezogen wird; auch dazu konnte die Beschwerdeführerin nicht vortragen.
17. Die Beschwerdeführerin wurde daher auch insoweit mit neuem Vorbringen konfrontiert, zu dem sie sich nicht äußern konnte). Dies stellt einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel dar (Artikel 113 EPÜ).
Rechtliches Gehör - Begründung (Regel 111(2) EPÜ)
18. Die Begründung für die Zurückweisung der Anmeldung (Seite 4 der Entscheidung, ab dem zweiten vollständigen Absatz: Selbst für den Fall...) besteht aus einer knappen, aber an sich logischen Kette von Argumenten. Ausgehend von Dokument D1 hätte die Fachperson demnach zur Lösung der Aufgabe, die Gesamtsendeleistung bzw. Gesamtempfangsleistung des Systems von D1 erhöhen zu können, die Lösung in D4 gefunden, und somit die "non-consecutive sequence" aus D1 im Lichte der D4 als Simultanbetrieb der Mehrzahl von Messsignalen angestrebt. Dies entspreche der beanspruchten Erfindung, die daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das Gleiche gelte für den entsprechenden Verfahrensanspruch 13.
19. Eine Entscheidungsbegründung kann aber nur dann vollständig sein, wenn sie sich zusätzlich zu der nachvollziehbaren Abfolge von Argumenten, auf die sie sich stützt, mit den relevanten Gegenargumenten der unterlegenen Partei auseinandersetzt.
20. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrer Erwiderung vom 6. Februar 2023 auf den Einwand der Prüfungsabteilung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von D1 mit D4 sei (Mitteilung vom 2. November 2022), Argumente vorgetragen, denen zufolge die Fachperson Dokument D4 nicht in Betracht gezogen hätte. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätte die Fachperson aufgrund der grundsätzlichen technischen Inkompatibilität das Dokument D4 nicht mit dem Dokument D1 kombiniert.
21. Mit diesen Argumenten der Beschwerdeführerin hat sich die Prüfungsabteilung in der Begründung ihrer Entscheidung, wie von jener ebenfalls zutreffend moniert, nicht auseinandergesetzt.
22. Die Prüfungsabteilung ist zwar nicht verpflichtet, sich mit jedem einzelnen Argument der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen. Sie muss aber zu den für die Entscheidung relevanten Streitpunkten Stellung nehmen und darlegen, warum deren Vorbringen insgesamt als nicht als überzeugend angesehen wird vgl. R 19/10, Gründe 6.2; T 1557/07, Gründe 2.6; T 70/02, Gründe 7; T 763/04, Gründe 4.3).
23. Die Tatsache, dass der neu formulierte Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit weiterhin auf die Kombination von D1 mit D4 gestützt war, ändert daran nichts. Die Entscheidung hätte sich mit den wesentlichen Argumenten hinsichtlich der behaupteten Inkompatibilität von D4 und D1 auseinandersetzen müssen. Die neue Definition der Aufgabe in der Entscheidung gegenüber der Definition in der Mitteilung vom 2. November 2022 ändert daran ebenfalls nichts, da das Argument hinsichtlich Inkompatibilität unabhängig von der Definition der zu lösenden Aufgabe für die Relevanz von Dokument D4 im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung ist.
24. Auch auf das Argument, dass die Kombination von D1 mit D4 nicht zum beanspruchten Gegenstand führen könne, hätte die Prüfungsabteilung in ihrer Entscheidung eingehen müssen.
25. Auch in diesem Hinsicht liegt ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Zusammenfassung
26. Das rechtliche Gehör (Artikel 113(1) EPÜ) der Beschwerdeführerin wurde verletzt, was die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt (Regel 103(1)(a) EPÜ).
27. Die Angelegenheit ist zur Behebung der aufgezeigten Mängel und zur neuerlichen Entscheidung unter Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen (Artikel 11 VOBK).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur neuerlichen Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.