T 1577/23 () of 20.5.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T157723.20250520
Datum der Entscheidung: 20 Mai 2025
Aktenzeichen: T 1577/23
Anmeldenummer: 12818870.3
IPC-Klasse: C23C 16/34
C23C 30/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BESCHICHTETER KÖRPER UND VERFAHREN ZUM BESCHICHTEN EINES KÖRPERS
Name des Anmelders: BOEHLERIT GmbH & Co.KG.
Name des Einsprechenden: Ceratizit Austria Gesellschaft m.b.H.
Mitsubishi Materials Corporation
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(3)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 52(2)(a)
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 123(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Neuheit - implizite Offenbarung
Neuheit - ausführbare Offenbarung
Neuheit - frühere europäische Anmeldung
Neuheit - nach Änderung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Patentierbare Erfindung - (ja)
Ausreichende Offenbarung - unzumutbarer Aufwand (nein)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Änderungen - zulässig (ja)
Änderungen - nicht offenbarter Disclaimer
Änderung nach Zustellung der Mitteilung gem. Art. 15(1) VOBK - außergewöhnliche Umstände (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0003/14
T 0517/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das erteilte europäische Patent EP 2 825 686 B1 ("das Patent") wurden zwei Einsprüche eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden:

Artikel 100 b) EPÜ: unzureichende Offenbarung sowie

Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit

- Artikel 52 (2) a) EPÜ: nicht patentierbare Entdeckung - Artikel 54 EPÜ: mangelnde Neuheit und

- Artikel 56 EPÜ: mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht.

II. Die Einspruchsabteilung hat unter anderem entschieden, dass

- die geltend gemachte und durch Zeugenvernehmung

gestützte Vorbenutzung bewiesen wurde,

- der Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt nicht neu

gegenüber der Vorbenutzung ist,

- der Gegenstand von Anspruch 1 jedes der

Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b jeweils nicht neu gegenüber der Vorbenutzung ist,

- der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3

nicht neu ist gegenüber D7 und D8,

- die Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4

und 4a jeweils unklar sind,

- dass das Patent in eingeschränkter Fassung gemäß Hilfsantrag 5 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

Zudem ließ die Einspruchsabteilung unter anderem das im Einspruchsverfahren verspätet eingereichte Dokument D43 nicht zu.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die beiden Einsprechenden jeweils Beschwerde ein. Nachdem alle Verfahrensbeteiligten daher Beschwerdeführerinnen sind, werden sie weiter als Patentinhaberin und Einsprechende 1 und Einsprechende 2 adressiert.

IV. Beweismittel

a) Die folgenden bereits im Einspruchsverfahren zitierten Dokumente sind für diese Entscheidung wesentlich:

D1: |WO 2007/003648 A1 |

D3: |Produktkatalog "Schneidstoff um Jahre voraus" der Boehlerit GmbH & Co. KG vom September 2011|

D4: |Rechnung über die Lieferung von Wendeschneidplatten vom 3.01.2012 |

D5: |Abbildung einer Produktverpackung (Wendeschneidplatten) vom 5.01.2012 |

D6: |TEM- und XRD-Analyseergebnisse von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg |

D7: |WO 2012/126031 A1 |

D8: |WO 2012/126030 A1 |

D9: |I. Endler et al., "Aluminium-rich Ti1-xAlxN Coatings by CVD", EURO PM2006 Congress & Exhibition, (23-25. Oktober 2006), Seiten 219-224|

D10:|I. Endler et al., "Novel Aluminum-Rich Ti1-xAlxN Coatings by LPCVD",ICMCTF San Diego, USA (28.04. - 02.05.2008)|

D22:|R. Pitonak, "The Technology Team High Performance Coating", Kapfenberg 27.06.2014 |

D39:|AT 510 963 A4 (Prioritätsanmeldung zu D8) |

D43:|Erklärung von Dr. Ingolf Endler, 30. Mai 2022 |

b) Zeitrang von D7 und D8

D7 und D8 sind von derselben Anmelderin wie das Patent (D39 ist die Prioritätsanmeldung zu D8), wurden beide am 15. März 2012 eingereicht und am 27. September 2012 veröffentlicht. Unter der unbestrittenen Maßgabe, dass das Patent die Priorität vom 14. März 2012 zu Recht beansprucht, bilden diese Dokumente somit Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ (in Verbindung mit Artikel 153 (5) EPÜ).

c) In der Beschwerdebegründung verwies die Einsprechende 2 unter anderem zusätzlich auf:

D44:|"Fertigungsverfahren 1 Drehen, Fräsen, Bohren", Achte Auflage, 2008, Seiten 139-146|

V. Eine mündliche Verhandlung fand am 20. Mai 2025 in Anwesenheit aller Vertragsbeteiligten statt.

VI. Anträge

Am Schluss der mündlichen Verhandlung bestand folgende Antragslage:

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise beantragte sie, das Patent in eingeschränkter Fassung aufrechtzuerhalten auf Basis eines der Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 4, 4a, 5, 6, 6a oder 6b. Die Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 3, 4, 4a, 5, 6 wurden bereits vor der Einspruchsabteilung eingereicht, wobei diese mit Ausnahme von Hilfsantrag 6 auch schon der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen.

Die Hilfsanträge 6a und 6b wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht (letzterer mit in der Verhandlung eingereichter geänderter Beschreibung).

Die Einsprechenden 1 und 2 beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VII. Wortlaut der Ansprüche

a) Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)

Anspruch 1 inklusive einer in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Merkmalsnummerierung lautet:

1.1 |Körper (1), |

1.1a|insbesondere Schneideinsatz, |

1.2 |der zumindest bereichsweise eine Beschichtung aufweist, |

1.3 |wobei die Beschichtung aus einer oder mehreren Beschichtungslagen (3, 4, 5) gebildet ist, |

1.4 |wobei zumindest eine Beschichtungslage (5) Aluminium, Titan und Stickstoff umfasst oder aus diesen Elementen gebildet ist,dadurch gekennzeichnet, dass|

1.5 |die Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff mittels eines CVD-Verfahrens abgeschieden ist und|

1.6 |in dieser Beschichtungslage (5) zumindest teilweise Lamellen |

1.7 |mit einer Lamellendicke von weniger als 100 nm vorliegen, |

1.8 |wobei die Lamellen aufeinanderfolgende Abschnitte mit unterschiedlichen Phasen umfassen. |

Anspruch 12 inklusive einer in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Merkmalsnummerierung lautet:

12.1 |Verfahren zum Beschichten eines Körpers (1), |

12.1a|insbesondere eines Schneideinsatzes, |

12.2 |wobei zumindest bereichsweise eine Beschichtung aufgebracht wird, |

12.3 |die aus einer oder mehreren Beschichtungslagen (3, 4, 5) gebildet wird, |

12.4 |wobei zumindest eine Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff gebildet wird,dadurch gekennzeichnet, dass|

12.5 |die Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff mittels eines CVD-Verfahrens|

12.6 |und zumindest teilweise mit einer lamellenartigen Struktur mit Lamellen |

12.7 |mit einer Lamellendicke von weniger als 100 nm und |

12.8 |aufeinanderfolgenden Abschnitten mit unterschiedlichen Phasen abgeschieden wird. |

b) Hilfsantrag 1

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 entsprechen den Ansprüchen 1 und 12 gemäß Hauptantrag, die jeweils um das folgende Merkmal gemäß Anspruch 4 wie erteilt ergänzt wurden:

"wobei die Lamellen mit wechselweise ersten Abschnitten, die überwiegend oder ausschließlich aus einer kubischen Phase bestehen, und zweiten Abschnitten, die überwiegend oder ausschließlich aus einer hexagonalen Phase bestehen, gebildet sind".

c) Hilfsantrag 1a

Die Ansprüche 1-10 des Hilfsantrags 1a entsprechen den Ansprüchen 1-10 gemäß Hilfsantrag 1 (die Verfahrensansprüche wurden gestrichen).

d) Hilfsantrag 1b

Die Ansprüche 1-10 des Hilfsantrags 1b entsprechen den Ansprüchen 1-10 gemäß Hilfsantrag 1 (die Verfahrensansprüche wurden gestrichen) wobei in Merkmal 1.4 die folgende Änderung vorgenommen wurde:

1.4|wobei zumindest eine Beschichtungslage (5) aus den Elementen Aluminium, Titan und Stickstoff [deleted: umfasst oder] [deleted: aus diesen Elementen] gebildet ist,dadurch gekennzeichnet, dass|

e) Hilfsantrag 2

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 entsprechen den Ansprüchen 1 und 11 gemäß Hilfsantrag 1, die jeweils um das folgende Merkmal gemäß Anspruch 7 wie erteilt ergänzt wurden:

"wobei die ersten Abschnitte in einem Querschnitt dünner als die zweiten Abschnitte ausgebildet sind."

f) Hilfsantrag 2a

Die Ansprüche 1-9 des Hilfsantrags 2a entsprechen den Ansprüchen 1-9 gemäß Hilfsantrag 2 (die Verfahrensansprüche wurden gestrichen).

g) Hilfsantrag 2b

Die Ansprüche 1-9 des Hilfsantrags 2b entsprechen den Ansprüchen 1-9 gemäß Hilfsantrag 2a wobei in Merkmal 1.4 die gleiche Änderung wie in Hilfsantrag 1b vorgenommen wurde.

h) Hilfsantrag 3

Die Ansprüche 1-7 entsprechen den Ansprüchen 12-18 wie erteilt (die Produktansprüche wurden gestrichen).

i) Hilfsantrag 4

Die Ansprüche 1-7 entsprechen den Ansprüchen 10-16 gemäß Hilfsantrag 2 (die Produktansprüche wurden gestrichen).

j) Hilfsantrag 4a

Anspruch 1 beruht auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4, der um folgende Merkmale ergänzt wurde:

"wobei die zumindest eine Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff bei einem Druck von 20 bis 80 mbar und bei einer Temperatur von 800 °C bis 830 °C abgeschieden wird."

k) Hilfsantrag 5

Anspruch 1 beruht auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, der um folgende Merkmale ergänzt wurde:

"wobei die zumindest eine Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff bei einem Druck von 20 mbar bis 80 mbar und bei einer Temperatur von 800 °C bis 830 °C abgeschieden wird und wobei die zumindest eine Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff gleichzeitig auf einer Vielzahl von Körpern (1) abgeschieden wird und wobei das Beschichten in einer Anlage erfolgt, in welche die Körper (1) gleichzeitig eingebracht werden."

l) Hilfsantrag 6

Anspruch 1 beruht auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, der um folgendes Merkmal

"wobei die zumindest eine Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff bei einem Druck von 20 mbar bis 80 mbar und bei einer Temperatur von 800 °C bis 830 °C abgeschieden wird"

und folgenden Disclaimer ergänzt wurde:

"und wobei keine weitere Beschichtungslage abgeschieden wird, die mit Aluminium, Sauerstoff und Stickstoff sowie optional Kohlenstoff gebildet wird, wobei Aluminium optional teilweise durch ein anderes Metall ersetzt ist,

und wobei keine mehrlagige Beschichtung abgeschieden wird, die zumindest eine Beschichtungslage mit AlxTi1-xN aufweist, wobei diese Beschichtungslage mit AlxTi1-xN auf einer TiCN-Beschichtungslage mit länglichen Kristallen von TiCN abgeschieden wird, bei der Titan optional bis zu 40 Mol-% durch Aluminium ersetzt sein kann."

m) Hilfsantrag 6a

Anspruch 1 beruht auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6, bei dem die beiden Disclaimer durch den folgenden Disclaimer ersetzt wurde:

"wobei keine Beschichtungslage mit AlxTi1-xN mit

x = 0,85 - 0,98 mit einem Gasfluss HCl-AlCl3 von

2,7-0,9 l/min, TiCl4 von 0,3 ml/min, NH3-N2 von

0,9-4,5 l/min und H2 64 l/min abgeschieden wird."

n) Hilfsantrag 6b

Anspruch 1 beruht auf Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6a, wobei im Disclaimer nach Auflistung der einzelnen Gasflüsse folgendes Merkmal eingeschoben wurde:

"bei einem Druck von 20 mbar bis 40 mbar"

VIII. Das für diese Entscheidung wesentliche schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Neuheit

Eine Fachperson verstehe die Angaben zum Gasfluss von "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min in Tabelle 1 des Patents auf Grund der Verwendung eines Gedankenstrichs so, dass dort für AlCl3 nicht ein Gasflussbereich im Sinne von "AlCl3/2,7 bis 0,7 l/min" angegeben werde. Vielmehr verstehe eine Fachperson die Angaben in Tabelle 1 des Patents als konkrete Einzelwerte der beiden Gase im Sinne von "HCl/2,7 l/min und AlCl3/0,7 l/min". Entsprechend interpretiere eine Fachperson die Angaben in Tabelle 1 von D8. Der Aluminiumanteil sei daher gemäß Patent bewusst auf 0,7 l/min abgesenkt worden. Folglich werde im Ausführungsbeispiel des Patents ein anderes Verhältnis von Aluminium zu Titan eingesetzt als in dem Verfahren nach D8. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass bei dem in D8 beschriebenen Verfahren zwingend eine Beschichtung gemäß Anspruch 1 erhalten werde.

b) Hilfsantragsgruppen 1 und 2, Hilfsantrag 3 - Neuheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsantragsgruppen 1 und 2 sowie des Hilfsantrags 3 sei aus den für den Hauptantrag dargelegten Gründen neu.

c) Hilfsanträge 4 und 4a - Neuheit

Das Verfahren nach Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 4a werde nicht nur durch die entsprechenden Verfahrensmerkmale definiert sondern inhärent auch durch die Merkmale des herzustellenden Produkts.

d) Hilfsantrag 5 - Zulassung und Neuheit

Der Gegenstand des Hilfsantrags 5 beruhe auf einer Kombination erteilter Ansprüche. Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen bei der Zulassung dieses Antrags korrekt ausgeübt.

D8 offenbare nicht, wie viele Schneidkörper in dem Beschichtungsverfahren des Ausführungsbeispiels der Tabellen 1 und 2 auf einmal beschichtet werden.

Das Argument der Einsprechenden, wonach dort zwingend gleichzeitig eine Vielzahl von Schneidkörpern in einen Reaktor eingebracht und beschichtet würden, beruhe auf reiner Spekulation.

e) Hilfsantrag 6 - Änderungen

Der Disclaimer in Anspruch 1 beruhe auf dem jeweiligen Anspruch 1 der Dokumente D7 und D8 und nehme daher nur den Gegenstand dieser Dokumente aus. Der Disclaimer erfülle daher die in G 1/03 definierten Bedingungen für einen nicht-offenbarten Disclaimer.

f) Hilfsantrag 6a - Zulassung

Die Einreichung von Hilfsantrag 6a stelle eine direkte Reaktion auf die erstmals während der Verhandlung vor der Kammer im Detail dargelegte Argumentation dar, wonach der Disclaimer gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 zu breit formuliert sei, da er einerseits auch D7 ausschließe und zudem nicht auf das Ausführungsbeispiel gemäß Tabelle 1 von D8 gerichtet sei. Daher lägen außergewöhnliche Umstände für die Zulassung des Hilfsantrags 6a vor.

Der Disclaimer gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 6a sei auf das Ausführungsbeispiel gemäß Tabelle 1 von D8 gerichtet und damit unter Artikel 123 (2) EPÜ zulässig. Auch in Bezug auf die übrigen vorgebrachten Einwände unter Artikel 83, 84, 52 (2) a) EPÜ sei der Antrag prima facie gewährbar.

g) Hilfsantrag 6a - Änderungen

Die Änderungen in Anspruch 1 stellten einen Disclaimer in Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Tabelle 1 von D8 dar. Das in dem vom Disclaimer ausgeschlossene Verfahren werde implizit durch die weiteren Druckangaben in Anspruch 1 (20 bis 80 mbar) definiert.

h) Hilfsantrag 6b - Zulassung

Hilfsantrag 6b sei aus den für Hilfsantrag 6a dargelegten Gründen zuzulassen. Erst während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer habe sich im Rahmen der detaillierten und vertieften Diskussion des Wortlauts des Disclaimers in Hinblick auf die Erfordernisse nach Artikel 123 (2) EPÜ herauskristallisiert, dass auch der in Ergänzung zum Ausführungsbeispiel in D8 allgemein angegebene Betriebsdruck (20 bis 40 mbar) im Disclaimer definiert werden müsse, um die Gewährbarkeit des Disclaimers herzustellen.

i) Hilfsantrag 6b - Änderungen

Der in Anspruch 1 eingeführte Disclaimer beruhe auf der neuheitsschädlichen Offenbarung in D8 und erfülle daher die in G 1/03 definierten Bedingungen für einen nicht-offenbarten Disclaimer. Zudem sei ein Disclaimer angebracht, da es nicht möglich sei, sich durch positive Merkmale von der Offenbarung in D8 abzugrenzen.

j) Hilfsantrag 6b - Klarheit

Mit Ausnahme des Disclaimers beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer Kombination erteilter Ansprüche. Eine Diskussion der Klarheit sei gemäß G 3/14 daher nicht statthaft, sowohl hinsichtlich der Klarheit einzelner Begriffe als auch hinsichtlich der Frage, ob alle essentiellen Merkmale in Anspruch 1 definiert seien.

Auch der Wortlaut des Disclaimers führe zu keiner Unklarheit. Dort werde explizit angegeben, bei welchen konkreten Bedingungen das Verfahren nicht unter den Anspruch 1 falle. Zwar seien dort mehrere Gasflussmengen und auch ein Druckbereich genannt. Diese seien allerdings jeder für sich klar definiert und auch in Kombination für eine Fachperson klar.

Auch die unterschiedlichen Einheiten (ml/min bzw.

l/min) für die einzelnen Gasflüsse generierten für eine Fachperson keine Unklarheit. Einerseits wisse eine Fachperson, dass TiCl4 bei Raumtemperatur flüssig sei. Andererseits erkenne die Fachperson auch aus der anschließenden Definition zur Zusammensetzung der Beschichtung, dass sich die Angabe zum Gasfluss auf TiCl4 in flüssiger Form beziehen müsse.

Zudem sei die Offenbarung der Gasflüsse auch in D8 in Bezug auf die Neuheit als eindeutig und klar angesehen worden, um zu dem Schluss zu kommen, dass damit ein in Anspruch 1 wie erteilt definiertes Produkt mit der darin angegebenen Struktur zwingend erhalten werde. Daher müsse dieser Maßstab an die erforderliche Klarheit auch in Bezug auf den Wortlaut des Disclaimers gelten, der exakt der Offenbarung in D8 entspreche.

k) Hilfsantrag 6b - Ausführbarkeit

Die Offenbarung in D8 in Bezug auf das Beschichtungsverfahren weise den gleichen Detailgrad auf wie das angefochtene Patent.

Wenn D8 die Erfindung für eine Fachperson ausreichend genug offenbare, um zu dem Schluss zu gelangen, dass damit ein in Anspruch 1 wie erteilt definiertes Produkt zwingend erhalten werde, dann müsse auch das Patent die Erfindung ausreichend offenbaren. Der Maßstab für die Bestimmung, ob die Erfindung ausreichend offenbart sei, müsse in Bezug auf den Stand der Technik und das Patent identisch sein.

l) Hilfsantrag 6b - Entdeckung/Nichterfindung

Anspruch 1 betreffe ein technisches Verfahren zur Herstellung eines beschichteten Körpers, das durch technische Merkmale charakterisiert werde.

Mithin falle der Gegenstand von Anspruch 1 nicht unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) a) EPÜ.

m) Hilfsantrag 6b - Neuheit

Neuheit über das Dokument D8 werde durch den Disclaimer hergestellt. Keines der weiteren Dokumente D1, D9, D10 offenbare ein Beschichtungsverfahren bei dem die Abscheidung in einem Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C und bei einem Druck von 20 bis 80 mbar erfolge. Zudem offenbare keines dieser Dokumente eine Beschichtung mit der in Anspruch 1 definierten Lamellenstruktur.

n) Hilfsantrag 6b - erfinderische Tätigkeit

Ausgehend von D9 bestehe keine Veranlassung, die Abscheidung ausgerechnet in einem Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C und bei einem Druck von 20 bis 80 mbar so durchzuführen, dass eine Beschichtung mit einer Lamellenstruktur gemäß Anspruch 1 erhalten werde, die auf Schneideinsätzen deutlich erhöhte Standzeiten ermögliche. D9 ziele vielmehr darauf ab, eine Beschichtung mit monophasiger, kubischer Struktur zu erhalten.

IX. Das entsprechende Vorbringen der Einsprechenden 1 und 2 lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

a) Hauptantrag - Neuheit

D8 offenbare in Tabelle 1 einen Beschichtungsprozess, der unter den gleichen Bedingungen durchgeführt werde, die auch im Ausführungsbeispiel gemäß Tabelle 1 des Patents zum Einsatz gelangten. Eine Fachperson verstehe die Angaben zum Gasfluss von "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min in Tabelle 1 des Patents als einen Gasflussbereich für HCl-AlCl3 im Sinne von "HCl-AlCl3/2,7 bis 0,7 l/min". Dies werde insbesondere aus der unmittelbar nachfolgenden Tabelle 2 deutlich, da dort der Aluminiumanteil in der Beschichtung, die unter den Bedingungen nach Tabelle 1 hergestellt werde, ebenfalls als Bereich angegeben werde. D8 offenbare daher den gleichen Beschichtungsprozess wie das Patent und folglich müsse bei dem in D8 beschriebenen Verfahren zwingend ein Körper mit einer Beschichtung gemäß Anspruch 1 erhalten werden.

b) Hilfsantragsgruppen 1 und 2, Hilfsantrag 3 - Neuheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsantragsgruppen 1 und 2 sowie des Hilfsantrags 3 sei aus den für den Hauptantrag dargelegten Gründen nicht neu.

c) Hilfsanträge 4 und 4a - Neuheit

Das Verfahren nach Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 4a entspreche dem in D8 offenbarten Verfahren. Da ein identisches Verfahren auch zu identischen Produkten führe, könne das beanspruchte Verfahren nicht durch die Eigenschaften des zu erzielenden Produkts von der Offenbarung in D8 abgegrenzt werden.

d) Hilfsantrag 5 - Zulassung und Neuheit

Die Einsprechenden seien durch die Einreichung des Hilfsantrags 5 während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung überrascht worden. Hilfsantrag 5 wäre daher nicht zuzulassen gewesen.

D8 ziele explizit darauf ab, Körper in einem großtechnischen Reaktor zu beschichten. Auch wenn das Ausführungsbeispiel von D8 nicht explizit offenbare, dass eine Vielzahl von Körpern gleichzeitig beschichtet werde, so lese dies eine Fachperson aufgrund des auf Seite 3, Zeilen 16ff offenbarten, mit der Erfindung zu erzielenden Vorteil inhärent in D8 mit.

e) Hilfsantrag 6 - Änderungen

Der Disclaimer in Anspruch 1 nehme mehr aus, als erforderlich, um sich von D8 abzugrenzen, und sei daher nicht gewährbar. In Bezug auf D7 nehme der Disclaimer beispielsweise die Anwesenheit einer zweiten AlO(C)N-Schicht aus, die allerdings nicht für den Gegenstand von Anspruch 1 relevant sei.

f) Hilfsantrag 6a - Zulassung

Die Zulässigkeit des Disclaimers in Hilfsantrag 6 sei bereits in der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden 2 in Frage gestellt worden, weil dieser mehr ausnehme, als erforderlich sei.

Es lägen daher keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zulassung des Hilfsantrags 6a rechtfertigen könnten, um diesen bereits seit lange bekannten Einwand zu beheben. Im Übrigen wäre ein entsprechende Antrag bereits im Einspruchsverfahren einzureichen gewesen.

Zudem sei der Disclaimer gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 6a prima facie nicht gewährbar, da der beanspruchte Gegenstand prima facie nicht die Erfordernisse von Artikel 84, 83, 52 (2) a) und 123 (2) EPÜ erfülle. Der Wortlaut des Disclaimers sei unklar in Bezug auf die angegebenen Gasflüsse. Zudem fehlten essentielle Merkmale. Weiterhin umfasse der Disclaimer nicht die in Tabelle 1 von D7 und D8 angegebenen Temperaturbereiche. Im Übrigen sei das beanspruchte Verfahren nicht ausführbar, da beispielsweise nicht angegeben werde, welche Anlagen verwendet und welche Substrate beschichtet werden könnten. Zudem falle das beanspruchte Verfahren unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) a) EPÜ.

g) Hilfsantrag 6a - Änderungen

Der Disclaimer in Anspruch 1 spiegele nicht die breiteren Temperaturbereiche in der jeweiligen Tabelle 1 der Dokumente D7 und D8 wider.

Zusätzlich zu den bei der Zulassungsdiskussion bereits erwähnten Temperaturbereichen, fehle im Disclaimer der allgemein in D8 angegebene Druckbereich, bei dem das Verfahren durchgeführt werde. Somit nehme der Disclaimer bezüglich des Druckbereichs weiterhin mehr aus als gerechtfertigt.

h) Hilfsantrag 6b - Zulassung

Die Zulässigkeit des Disclaimers in Hilfsantrag 6 sei bereits in der Erwiderung auf der Beschwerde von der Einsprechenden 2 dahingehend in Frage gestellt worden, dass dieser mehr ausnehme, als erforderlich sei. Auch seien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bereits Einwände zur Gewährbarkeit des Hilfsantrags 6 erhoben worden. Die Patentinhaberin hätte auf alle diese Einwände schon beim Einreichen des Hilfsantrags 6a reagieren müssen.

Es lägen daher keine außergewöhnlichen Umstände vor, die die Zulassung des weiteren Hilfsantrags 6b rechtfertigen könnten.

Im Übrigen konvergiere der Gegenstand von Hilfsantrag 6b nicht mit dem Gegenstand von Hilfsantrag 6a.

i) Hilfsantrag 6b - Änderungen

Der Disclaimer umfasse nicht die in Tabelle 1 von D7 und D8 jeweils angegebenen Temperaturbereiche. Zudem sei der Disclaimer nicht gemäß G 1/03 zulässig, da der beanspruchte Gegenstand auch durch positive Merkmale von der Offenbarung in D8 hätte abgegrenzt werden können.

j) Hilfsantrag 6b - Klarheit

In der Definition des Verfahrens nach Anspruch 1 fehlten essentielle Merkmale, um das beanspruchte Verfahren klar zu charakterisieren und das in Anspruch 1 genannte Produkt zu erhalten.

Der Wortlaut des Disclaimers definiere eine Vielzahl von Parametern, für die eine Fachperson nicht erkennen könne, wie diese zu wählen seien. Im Übrigen sei der Wortlaut des Disclaimers unklar in Bezug auf die angegebenen Gasflüsse aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Einheiten. Zudem mache der Disclaimer nicht klar, welche Schicht die angegebenen Verfahrensschritte beträfen.

k) Hilfsantrag 6b - Ausführbarkeit

Anspruch 1 definiere keine konkreten Prozesseinstellungen oder Schichtdicken und sei daher nicht über seine gesamte Breite ausführbar. Zudem liefere das Patent keine konkreten Angaben zu geeigneten Substraten, Zwischenschichten und Reaktoren. Die Tabellen 1 und 2 des Patents enthielten widersprüchliche Angaben zum Ti/Al-Verhältnis aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Einheiten für den Gasfluss und vermittelten daher keine nacharbeitbare Lehre für eine Fachperson. Das Patent gebe der Fachperson nicht genügend Informationen an die Hand, um ein Produkt mit der in Anspruch 1 genannten Lamellenstruktur abwechselnder Phasen zu erhalten.

l) Hilfsantrag 6b - Entdeckung/Nichterfindung

Der beanspruchte Gegenstand stelle keine Erfindung, sondern eine Entdeckung dar, da die lamellare Struktur inhärent schon in D1, D2 und D8 vorhanden gewesen sei. Die Patentinhaberin habe diese also lediglich entdeckt.

m) Hilfsantrag 6b - Neuheit

D1 offenbare ein Verfahren zum Beschichten, bei dem wie von D43 durch die TEM-Aufnahme in Figur 2 belegt, bereits eine Beschichtungslage von AlxTi1-xN mit der von Anspruch 1 definierten Lamellenstruktur erhalten werde. Die in D1 offenbarten Temperatur- und Druckbereiche für das Abscheidungsverfahren umfassten die in Anspruch 1 definierten Bereiche.

D9 und D10 offenbarten jeweils ein Beschichtungsverfahren mit der eine Beschichtungslage von AlxTi1-xN erzielt werde. Die in D9 und D10 offenbarten Druck- und Temperaturbedingungen umfassten die in Anspruch 1 definierten Bereiche.

n) Hilfsantrag 6b - erfinderische Tätigkeit

D9 offenbare ein Verfahren zum Abscheiden einer TiAlN-Schicht. Das Patent zeige nicht, dass die mittels des in Anspruch 1 definierten Verfahrens hergestellten Körper bessere Eigenschaften aufwiesen als die gemäß D9 hergestellten Körper. Insbesondere sei nicht belegt, dass ein gemäß Anspruch 1 beschichteter Schneideinsatz eine bessere Standzeit aufweise als ein nach D9 hergestellter Schneideinsatz.

Das Verfahren nach Anspruch 1 stelle daher lediglich eine Alternative zu dem in D9 beschriebenen Verfahren dar.

Die Variation von Betriebsparametern und die damit einhergehende Variation der Struktur der Beschichtung liege im Rahmen der üblichen Vorgehensweise einer Fachperson zur Bereitstellung einer einfachen Alternative.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit

1.1 D8 (siehe das generische Ausführungsbeispiel gemäß den Tabellen 1 und 2) offenbart ein Verfahren zur Herstellung eines hartstoffbeschichteten Körpers. Die Beschichtung weist unterschiedliche Phasen auf (siehe D8, Seite 8, Zeilen 27 bis 29) und hat eine lamellenartige Struktur mit einer Lamellendicke von weniger als 25 nm (siehe D8, Seite 10, Zeilen 4 bis 8). Die Prozessparameter umfassen im Wesentlichen die im Ausführungsbeispiel des Patents vorgeschlagenen Parameter, vergleiche

Patent, Tabelle 1

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

und D8, Tabelle 1:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Der in der Tabelle 1 von D8 offenbarte breite Temperaturbereich wird in Anspruch 8 von D8:

"dass die Beschichtungslage (2) mit AlxTi1-xN bei einer Temperatur von 800 °C bis 830 °C abgeschieden wird"

und auch im konkretisierten Ausführungsbeispiel auf Seite 9, Zeilen 10 bis 11 von D8:

"wird schließlich die Beschichtungslage 2 mit

AlxTi1-xN aufgebracht, wofür die Temperatur auf etwa 800 °C bis 825 °C gesenkt wird"

weiter eingeschränkt und entspricht dem in Tabelle 1 des Patents angegebenen Temperaturbereich.

Damit offenbart D8 ein Verfahren nach Anspruch 12 gemäß Hauptantrag, bei dem im Wesentlichen die identischen Prozessparameter eingesetzt werden, mit denen auch gemäß Patent (siehe auch dort Tabelle 1) gearbeitet werden soll.

Somit muss nach D8 zwangsläufig auch eine Beschichtung mit der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierten Struktur erhalten werden.

1.2 Die Patentinhaberin wendet sich gegen diese Ansicht und argumentiert, dass die Prozessparameter im Patent bewusst anders gewählt worden seien. Sie begründet diese Ansicht damit, dass eine Fachperson die Angaben zum Gasfluss von "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min in Tabelle 1 des Patents nicht so verstehe, dass dort ein Gasflussbereich im Sinne von "2,7 bis 0,7 l/min" angegeben werde. Vielmehr verstehe eine Fachperson die Gasflusswerte in Tabelle 1 des Patents aufgrund der Verwendung eines Gedankenstrichs anstelle eines Bindestrichs als Angabe konkreter Einzelwerte der beiden Gase im Sinne von "HCl/2,7 l/min und AlCl3/0,7 l/min". Der Aluminiumanteil sei daher gemäß Patent bewusst auf 0,7 l/min abgesenkt worden. Entsprechend interpretiere eine Fachperson die Angaben in Tabelle 1 von D8. Folglich werde im Ausführungsbeispiel des Patents aufgrund des unterschiedlichen Gasflusses von AlCl3 ein anderes Verhältnis von Aluminium zu Titan eingesetzt als in D8. Da das in D8 beschriebene Beschichtungsverfahren daher unter anderen Bedingungen als im Ausführungsbeispiel des Patents durchgeführt werde, könne nicht zweifelsfrei aus D8 geschlossen werden, dass in D8 eine Beschichtung mit einer lamellenartigen Struktur mit Lamellen mit einer Lamellendicke von weniger als 100 nm und aufeinanderfolgenden Abschnitten mit unterschiedlichen Phasen abgeschieden werde.

Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht.

1.3 Der in Tabelle 1 des Patents und von D8 angegebene Gasfluss für HCl-AlCl3 stellt aus Sicht der Kammer für eine Fachperson im weiteren Kontext des Patents einen Mengenbereich, im Sinne von "von ... bis ... " dar.

Das Verständnis der Angaben "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min im Sinne von "2,7 bis 0,7 l/min" deckt sich mit der üblichen Verwendung eines Strichs zwischen Mengenangaben. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Gedanken- oder Bindestrich handelt und ob dabei die Zahlenwerte durch ein Freizeichen von diesem Strich getrennt werden.

1.4 Selbst wenn eine Fachperson bei isolierter Betrachtung den Ausdruck "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min in Tabelle 1 des Patents auch so verstehen könnte, dass damit konkrete Einzelwerte für den Gasfluss für die beiden Gase HCl und AlCl3 im Sinne von "HCl/2,7 l/min" und "AlCl3/0,7 l/min" angegeben werden könnten, so stünde diese vermeintlich ebenso mögliche Auslegung des Ausdrucks in Tabelle 1 im Widerspruch zu dem weiteren technischen Zusammenhang, in dem Tabelle 1 im Patent präsentiert wird.

Tabelle 1 wird in Absatz [0029] zusammen mit Tabelle 2 offenbart. Absatz [0029] verdeutlicht im einleitenden Satz, dass in den nachfolgenden Tabellen typische Prozessparameter offenbart sind. Mittels dieser typischen Parameter sollen gemäß Tabelle 2 Beschichtungslagen abgeschieden werden, deren Aluminiumgehalt variiert:

AlxTi1-xN, x = 0,80 - 0,99

Die Angaben in Tabelle 2 des Patents sind nur zu realisieren, wenn bei einem gemäß Tabelle 1 zweifelsfrei konkret festgelegten TiCl4-Gasfluss ("TiCl4/0,3") zumindest der Aluminiumgasfluss variiert wird.

Die mittels der Definition des Aluminiumanteils x in Tabelle 2 verdeutlichte mögliche Variabilität im Verhältnis von Ti zu Al in der Beschichtungslage wird auch durch die übrige Lehre des Patents bestätigt, siehe beispielsweise Absatz [0023] des Patents, wonach "ein molares Verhältnis von Aluminium zu Titan kleiner als 5,0, vorzugsweise kleiner als 4,5, insbesondere 2,5 bis 4,2" bevorzugt ist.

1.5 Zudem findet sich im Patent auch keine Offenbarung dahingehend, dass der Gasfluss von AlCl3 konkret auf 0,7 l/min abgesenkt sein muss und die Angabe

"HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min in Tabelle 1 des Patents - trotz des auf Anhieb erkennbaren Widerspruchs zu den weiteren Angaben in Tabelle 2 - als eine Angabe konkreter Einzelwerte aufzufassen ist.

1.6 Das in Bezug auf die Angaben in Tabelle 1 des Patents dargelegte Verständnis des Ausdrucks "HCl-AlCl3/2,7-0,7" l/min gilt entsprechend für die komplementären Angaben in D8.

HCl-AlCl3 wird in D8 folglich in dem generischen Ausführungsbeispiel der Tabellen 1 und 2 in einer Menge von 2,7 bis 0,9 l/min eingesetzt. Dieser Mengenbereich wird von dem im Patent angegebenen Bereich von 2,7 bis 0,7 l/min eingeschlossen.

Das in D8 beschriebene Verfahren entspricht daher dem in Anspruch 12 wie erteilt offenbarten Verfahren.

1.7 Da die in Anspruch 1 definierte Struktur der Beschichtungslage (Lamellen mit einer Lamellendicke von weniger als 100 nm, wobei die Lamellen aufeinanderfolgende Abschnitte mit unterschiedlichen Phasen umfassen) soweit unstreitig lediglich von der Verfahrensführung abhängt und diese in D8 und im Patent identisch ist, muss der mittels D8 hergestellte beschichtete Körper zwingend auch die in Anspruch 1 definierte Struktur aufweisen.

1.8 Die Kammer kommt daher in Übereinstimmung mit der Begründung in Punkt II.4.3.4 der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 12 wie erteilt gemäß Hauptantrag nicht neu gegenüber der Offenbarung in D8 ist (Artikel 54 (3) EPÜ).

Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents daher entgegen.

2. Hilfsantragsgruppen 1 und 2, Hilfsantrag 3 - Neuheit

Die zusätzlichen Merkmale im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsantragsgruppen 1 und 2 betreffen die Phasenmorphologie und relativen Dicken der ersten und zweiten Abschnitte der Lamellen der AlxTi1-xN-Beschichtungslage.

Diese weiteren in Anspruch 1 definierten Eigenschaften werden unstreitig durch das verwendete Beschichtungsverfahren erzielt.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 entspricht Anspruch 12 wie erteilt.

Wie oben in Bezug zu den Ansprüchen 1 und 12 gemäß Hauptantrag festgestellt, offenbart D8 ein Beschichtungsverfahren, das unter den gleichen Bedingungen durchgeführt wird, wie das in Tabelle 1 des Patents beschriebene Verfahren und folglich auch das gleiche Produkt erzielt.

Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b und 3 nicht neu gegenüber D8 (Artikel 54 (3) EPÜ). Angesichts der fehlenden Neuheit bedarf es keiner weiteren Diskussion zu der im Verfahren ebenfalls in Frage gestellten Zulassung der Hilfsanträge 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b und 3.

3. Hilfsantrag 4 - Neuheit

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist auf ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 gerichtet, wobei weitere strukturelle Merkmale des herzustellenden Erzeugnisses ergänzt wurden ("wobei die Lamellen mit wechselweise ersten Abschnitten, die überwiegend oder ausschließlich aus einer kubischen Phase bestehen, und zweiten Abschnitten, die überwiegend oder ausschließlich aus einer hexagonalen Phase bestehen, gebildet sind, wobei die ersten Abschnitte in einem Querschnitt dünner als die zweiten Abschnitte ausgebildet sind").

Wie oben zum Hauptantrag dargelegt, offenbart D8 im Ausführungsbeispiel der Tabellen 1 und 2 ein Verfahren zur Herstellung eines hartstoffbeschichteten Körpers, bei dem die Prozessparameter im Wesentlichen identisch mit dem im Ausführungsbeispiel des Patents vorgeschlagenen Prozessparametern sind.

Somit müssen sich zwingend auch bei dem Beschichtungsverfahren nach D8 implizit Lamellen mit kubischen und hexagonalen Phasen mit unterschiedlichen Dicken ausbilden, wie sie in Anspruch 1 definiert werden.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist daher nicht neu gegenüber der Offenbarung von D8 (Artikel 54 (3) EPÜ). Angesichts der fehlenden Neuheit bedarf es keiner weiteren Diskussion zu der im Verfahren ebenfalls in Frage gestellten Zulassung des Hilfsantrags 4.

4. Hilfsantrag 4a

In Bezug auf Hilfsantrag 4a gelten im Wesentlichen die gleichen Überlegungen wie für Hilfsantrag 4.

Zwar werden in Anspruch 1 Bedingungen für den Abscheidungsprozess genannt:

Druckbereich von 20 bis 80 mbar und

Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C.

Allerdings liest die Fachperson die Angaben zu dem generischen Ausführungsbeispiel in Tabelle 1 von D8 im weiteren Gesamtzusammenhang von D8 mit. Dort offenbart D8 als alleinige Optionen für den Betriebsdruck einen Druckbereich von 20 bis 40 mbar, siehe Anspruch 10 bzw. Seite 5, Zeile 7.

Weiterhin offenbart D8 der Fachperson im konkretisierten Ausführungsbeispiel auf Seite 9, Zeilen 10 bis 11, dass die Abscheidung zur Steigerung der Härte der Beschichtungslage mit AlxTi1-xN bei einer Temperatur von 800 °C bis 825 °C durchgeführt werden kann. Eine im Wesentlichen entsprechende Temperaturangabe offeriert auch Anspruch 8 von D8.

D8 offenbart somit ein Verfahren nach Anspruch 1 von Hilfsantrag 4a.

Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4a ist mithin nicht neu gegenüber der Offenbarung von D8 (Artikel 54 (3) EPÜ). Daher erübrigt sich eine weitere Diskussion zur Zulassung von Hilfsantrag 4a.

5. Hilfsantrag 5 - Neuheit

5.1 Anspruch 1 erfordert, dass mittels des beanspruchten Verfahrens eine Beschichtung "gleichzeitig auf einer Vielzahl von Körpern (1) abgeschieden wird" und das Beschichten in einer Anlage erfolgt, in welche die Körper gleichzeitig eingebracht werden.

Diese Merkmale liest eine Fachperson in D8 nach Auffassung der Kammer zwangsläufig mit.

5.2 Zwar offenbart D8 nicht explizit, ob die in der allgemeinen Beschreibung und in Tabelle 1 genannten Prozessparameter für einen großtechnischen Reaktor zur gleichzeitigen Beschichtung einer Vielzahl von Körpern oder für einen Reaktor im Labormaßstab zur Beschichtung eines einzelnen Körpers gelten sollen.

Allerdings berücksichtigt eine Fachperson die Offenbarung von D8 in ihrem technischen Gesamtzusammenhang. D8 zielt explizit darauf ab, Schneideinsätze in einem großtechnischen Reaktor zu beschichten, siehe Seite 2, Zeile 28 bis Seite 3, Zeile 3 und insbesondere Seite 3, Zeilen 16 bis 21:

"Ein mit der Erfindung erzielter Vorteil ist darin zu sehen, dass ein Abscheiden einer Beschichtungslage aus TiCN mit länglichen Kristallen von TiCN in einem Temperaturfenster erfolgen kann, das bei einem großtechnischen Reaktor unter gleichzeitiger Abscheidung dieser Beschichtungslage eine Abkühlung auf eine erforderliche Temperatur für eine nachfolgende Abscheidung der Beschichtungslage mit AlxTi1-xN ermöglicht" (Hervorhebungen durch die Kammer).

Somit ist für eine Fachperson direkt und unmittelbar erkennbar, dass die in D8 offenbarten Prozessparameter für einen großtechnischen Reaktor gelten sollen, bei dem eine Vielzahl von Körpern in den Reaktor gleichzeitig eingebracht und beschichtet werden.

5.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist mithin auch nicht neu gegenüber der Offenbarung von D8 (Artikel 54 (3) EPÜ). Daher erübrigt sich eine weitere Diskussion der Argumente der Einsprechenden zur Zulassung von Hilfsantrag 5, der bereits der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag.

6. Hilfsantrag 6 - Änderungen

6.1 Der Disclaimer in Anspruch 1 dient zur Abgrenzung gegenüber dem Gegenstand des jeweiligen Anspruch 1 der Dokumente D7 und D8 (jeweils Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ).

Anspruch 1 von D7 und D8 ist jeweils auf einen Körper gerichtet. Damit ist der Gegenstand von Anspruch 1 der Dokumente D7 und D8 nicht neuheitsschädlich für den auf ein Verfahren gerichteten Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6 wenn man dessen Wortlaut ohne Disclaimer betrachtet.

6.2 Zudem ist der erste Teil des Disclaimers, der in Anspruch 1 eingefügt wurde, um diesen von der Offenbarung in Dokument D7 abzugrenzen, auch allgemein nicht notwendig, denn D7 offenbart im Gegensatz zu D8 auch in seiner Gesamtheit nicht zwingend die Kombination der übrigen in Anspruch 1 definierten Prozessparameter. D7 offenbart zwar in Tabelle 1 ("750 °C bis 850 °C") und auf Seite 7, Zeile 13 ("780 °C bis 840 °C") jeweils einen Temperaturbereich, der den in Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 definierten Temperaturbereich mit umfasst. Allerdings offenbart D7 nicht direkt und unmittelbar, dass die Abscheidung in dem engen Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C erfolgen soll. Folglich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem Verfahren nach D7 zwingend eine in Anspruch 1 definierte lamellenartige Struktur erzielt wird.

6.3 Der Disclaimer erfüllt mithin nicht die in G 1/03 (siehe Punkt 2.2 der Entscheidungsformel) definierten Bedingungen an einen nicht-offenbarten Disclaimer, wonach dieser nicht mehr ausschließen darf als nötig, um die Neuheit gegenüber einem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ herzustellen.

Die Änderungen in Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 erfüllen somit nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ. Daher erübrigt sich eine weitere Diskussion zur Zulassung von Hilfsantrag 6.

7. Hilfsantrag 6a - Zulassung

7.1 Hilfsantrag 6a beruht auf Hilfsantrag 6, der bereits im Einspruchsverfahren eingereicht wurde und der eine Reaktion auf die Einwände fehlender Neuheit gegenüber D7 und D8 darstellen soll (siehe Punkt 16.1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung). Der Hilfsantrag 6 war also bereits vor der Einspruchsabteilung in zulässiger Weise vorgebracht worden und wurde zudem erneut bereits mit der Beschwerdebegründung eingereicht.

7.2 Die Einreichung von Hilfsantrag 6a stellt eine direkte Reaktion auf die erstmals während der Verhandlung vor der Kammer im Detail dargelegte Argumentation dar, wonach der Disclaimer gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 zu breit formuliert ist, da er einerseits aus Sicht der Kammer unnötigerweise auch D7 ausschließt und zudem nicht auf das generische Ausführungsbeispiel von D8 gerichtet ist. Zwar hatte die Einsprechende 2 auf Seite 5 ihrer Erwiderung auf die Beschwerde bereits allgemein argumentiert, dass der Disclaimer in Anspruch 1 mehr ausnehme als nötig. Dies wurde aber im schriftlichen Verfahren lediglich damit begründet, dass der Disclaimer in Bezug auf D7 die Möglichkeit einer zweiten AlO(C)N-Schicht ausschließe.

7.3 Die Kammer stellt somit fest, dass der Einwand im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer anders begründet wurde als im schriftlichen Verfahren. Im speziellen Fall einer Diskussion eines Disclaimers hat eine derartige Änderung der Argumentation auch unmittelbar Einfluss auf die erforderliche Formulierungen des Disclaimers.

Eine während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geänderte Argumentation im Sinne einer "Nachschärfung", "Vertiefung" bzw. "Konkretisierung" eines Einwands zur Zulässigkeit von Änderungen seitens der Einsprechenden bzw. der Kammer hat daher im vorliegenden Fall der Formulierung eines Disclaimers zu einem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ zur Folge, dass auch eine Patentinhaberin ihre Änderungen gegebenenfalls entsprechend durch weitere "Konkretisierung" anpassen kann, um auf dieses geänderte Vorbringen zu reagieren.

Zudem wurde der Hilfsantrag 6, der die Basis für die Einreichung des Hilfsantrags 6a bildet, weder im Einspruchsverfahren abschließend diskutiert noch hatte die Kammer es auf Grundlage der in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK den Parteien kommunizierten vorläufigen Meinung für erforderlich erachtet, diesen Hilfsantrag zu diskutieren.

7.4 Eine konkrete Veranlassung, weitere Hilfsanträge mit weiteren Disclaimern bereits im Einspruchsverfahren oder in einer früheren Phase des Beschwerdeverfahrens einzureichen, bestand daher für die Patentinhaberin im vorliegenden konkreten Fall nicht.

Daher kam die Kammer zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Zulassung des Hilfsantrags 6a rechtfertigen.

7.5 Bei der Ausübung ihres Ermessens zur Zulassung des Antrags berücksichtigte die Kammer auch die Einwände der Einsprechenden, wonach der beanspruchte Gegenstand prima facie nicht gewährbar sei in Hinblick auf die Erfordernisse der Artikel 123 (2), 83, 84 und 52 (2) a) EPÜ.

7.5.1 Hinsichtlich der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ argumentierten die Einsprechenden im Rahmen der prima facie Zulässigkeit des Disclaimers und damit der Gewährbarkeit des Anspruchs unter Artikel 123 (2) EPÜ, dass dieser nicht die Temperaturbereiche aus D7 und D8 wiedergebe und daher immer noch mehr ausnehme, als nötig sei.

Dieses Argument überzeugt nicht.

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6a definiert bereits, dass die Abscheidung der Beschichtungslage mit Aluminium, Titan und Stickstoff (TiAlN) bei einer Temperatur von 800 °C bis 830 °C erfolgt.

Eine Wiederholung dieses Temperaturbereichs im Disclaimer auf Basis von D8 ist daher redundant und somit nicht erforderlich, da der in D8 offenbarte Temperaturbereich im Wesentlichen identisch ist (siehe Anspruch 8: "800 °C bis 830 °C" bzw. Seite 9, Zeilen 10 bis 11: "800 °C bis 825 °C").

Auch ist eine Angabe der in D7 offenbarten breiteren Temperaturbereiche (Tabelle 1: "750 °C bis 850 °C"; Seite 7, Zeile 13: "780 °C bis 840 °C") weder in Hinblick auf die in Anspruch 1 ohnehin enger definierten Temperaturbereich ("800 °C bis 830 °C") technisch sinnvoll, noch überhaupt erforderlich, da aufgrund der breiteren Temperaturangabe in D7 nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass gemäß D7 eine Beschichtung mit der in Anspruch 1 definierten lamellaren Struktur erhalten werden kann.

7.5.2 In Bezug auf die weiteren Einwände zur prima facie Gewährbarkeit unter Artikel 83, 84 und 52 (2) a) EPÜ wird auf die nachfolgenden entsprechenden Ausführungen zu Hilfsantrag 6b verwiesen.

7.6 Die Kammer entschied daher, den Hilfsantrag 6a ins Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (2) VOBK).

8. Hilfsantrag 6a - Änderungen

8.1 Die Änderungen in Anspruch 1 stellen einen Disclaimer in Bezug auf das generische Ausführungsbeispiel gemäß Tabelle 1 von D8 dar. Die Angaben in Tabelle 1 von D8 sind wie in Punkt 4 oben dargelegt im weiteren Gesamtzusammenhang von D8 zu verstehen. Die für den Gegenstand von Anspruch 1 relevante Offenbarung in D8 ist daher auf ein Verfahren gerichtet, bei dem der Druck gemäß den allgemeinen Angaben in Anspruch 10 bzw. Seite 5, Zeile 7 bei 20 bis 40 mbar liegt.

Damit nimmt der Disclaimer bei vertiefter Prüfung von Hilfsantrag 6a mehr aus als für die Erzielung eines neuen Gegenstands in Bezug auf die Offenbarung von D8 erforderlich ist, entgegen den in G 1/03 festgelegten Bedingungen (siehe Punkt 2.2 der Entscheidungsformel).

8.2 Die Änderungen in Anspruch 1 von Hilfsantrag 6a erfüllen daher nicht die Erfordernisse von Artikel 123(2) EPÜ.

9. Hilfsantrag 6b - Zulassung

9.1 Die Einsprechenden argumentierten, dass der Hilfsantrag 6b bereits zusammen mit Hilfsantrag 6a hätte eingereicht werden müssen und im Übrigen auch keine außergewöhnlichen Umstände vorlägen, einen weiteren Hilfsantrag während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zuzulassen.

Diese Argumente überzeugen nicht.

9.2 Hilfsantrag 6b stellt eine Reaktion auf die weiteren Einwände zu dem Disclaimer in Anspruch 1 von Hilfsantrag 6a.

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer kristallisierte sich erst nach bereits erfolgter Zulassung des Hilfsantrags 6a unter einer prima facie Evaluierung erhobenen Einwände während der nachfolgenden detaillierten und vertieften Diskussion des Wortlauts des Disclaimers in Hinblick auf die Erfordernisse nach Artikel 123 (2) EPÜ heraus, dass auch die Aufnahme des in Ergänzung zum konkretisierten Ausführungsbeispiel (siehe Anspruch 8: "800 °C bis 830 °C" bzw. Seite 9, Zeilen 10 bis 11: "800 °C bis 825 °C") allgemein in D8 angegebenen Betriebsdrucks (20 bis 40 mbar) in den Disclaimer erforderlich sei, um die Zulässigkeit des Disclaimers herzustellen so dass dieser nicht mehr ausnimmt als zur Herstellung der Neuheit nötig.

Diese für die Patentinhaberin nicht vorhersehbare Entwicklung während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer stellt im vorliegenden Fall einen außergewöhnlichen Umstand dar, der eine Zulassung des Hilfsantrags 6b unter Artikel 13 (2) VOBK rechtfertigt.

9.3 Die Einsprechenden argumentierten ergänzend, dass der Gegenstand von Hilfsantrag 6b nicht mit dem Gegenstand von Hilfsantrag 6a konvergiere.

Dieses Argument ist aus Sicht der Kammer ebenfalls nicht stichhaltig.

Das im Beschwerdeverfahren oft angewendete Konvergenzkriterium korreliert mit der Zielsetzung des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung in verfahrensökonomischer Weise gerichtlich zu überprüfen.

Ein nach G 1/03 (siehe Punkt 2.3 der Entscheidungsformel) zulässiger Disclaimer ändert für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit und Ausführbarkeit allerdings nichts. Damit ändert sich durch die Änderung des Wortlauts eines Disclaimers im vorliegenden Fall auch nichts hinsichtlich des weiterhin zu diskutierenden Gegenstands in Bezug auf den Stand der Technik nach Artikel 54 (2) EPÜ.

Das Konvergenzkriterium spielt folglich in der Regel in Bezug auf Anträge keine wesentliche Rolle, die sich lediglich durch eine Änderung des Wortlauts voneinander unterscheiden, die durch einen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ bei der Formulierung des nicht offenbarten Disclaimers veranlasst ist.

9.4 Die Kammer hat ihr Ermessen mithin dahingehend ausgeübt, den Hilfsantrag 6b in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (2) VOBK).

10. Hilfsantrag 6b - Änderungen

Anspruch 1 beruht auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 12, 15 und 17, die wiederum den Ansprüchen 13, 17 und 19 wie ursprünglich eingereicht entsprechen.

Der zusätzlich in Anspruch 1 eingeführte Disclaimer beruht auf der spezifischen neuheitsschädlichen Offenbarung in D8 und erfüllt daher die in G 1/03 definierten Bedingungen für einen nicht-offenbarten Disclaimer. In Bezug auf den Einwand zur fehlenden Angabe der in D7 und D8 beschriebenen Temperaturbereiche wird auf die obigen Ausführungen zur Zulassung von Hilfsantrag 6a verwiesen.

Im Übrigen zeigen die obig diskutieren Hilfsanträge 4a und 5, dass eine Abgrenzung von D8 durch positive Merkmale auf Grundlage der in der ursprünglichen Anmeldung offenbarten Merkmale nicht ohne weiteres möglich ist. Daher erfüllt der Disclaimer aus Sicht der Kammer im vorliegenden Fall auch die weitere Bedingung gemäß G 1/03 (siehe Punkt 3 der Entscheidungsgründe), wonach ein Disclaimer nur dann zur Überwindung eines Neuheitseinwands unter Artikel 54 (3) EPÜ zulässig ist, wenn Neuheit nicht bereits einfacher durch die Aufnahme positiver Merkmale erzielt werden kann.

11. Hilfsantrag 6b - Klarheit

11.1 Mit Ausnahme des Disclaimers beruht der Gegenstand von Anspruch 1 unstreitig auf einer Kombination erteilter Ansprüche. Eine Diskussion der Klarheit dieses Gegenstands ist gemäß G 3/14 daher nicht statthaft, sowohl hinsichtlich der Klarheit einzelner Begriffe als auch hinsichtlich der Frage, ob alle essentiellen Merkmale (als fehlend genannt wurden hier z. B. die Gasflussmengen) in Anspruch 1 definiert sind.

11.2 Auch der Wortlaut des zusätzlich eingeführten Disclaimers generiert keine Unklarheit.

11.2.1 Der Disclaimer in Anspruch 1 definiert, unter welchen konkreten Bedingungen ein Verfahren vom Gegenstand des Anspruchs 1 ausgenommen ist.

Zwar umfasst der Disclaimer für die einzelnen einzusetzenden Gase jeweils Gasflussmengen und weiterhin auch Angaben dazu, welcher Druckbereich für das ausgenommene Verfahren gilt. Diese einzelnen Angaben sind allerdings für sich klar definiert und auch in Kombination für eine Fachperson unmittelbar verständlich.

Der Disclaimer spannt daher keinen unüberschaubaren multiplen Parameterbereich auf, der für eine Fachperson unklar wäre. Der Disclaimer definiert vielmehr anhand konkreter Angaben der einzelnen Reaktanten und ihrer Einsatzmenge (Gasfluss), für welche spezielle Kombination von Parametern das Verfahren vom Gegenstand des Anspruchs 1 ausgeschlossen ist.

Auch schließt der Disclaimer nicht den kompletten Gegenstand von Anspruch 1 aus. Zwar überlappt der im Disclaimer angegebene Gasflussbereich für HCl/AlCl3 zu einem großen Teil mit dem im Ausführungsbeispiel in Tabelle 1 des Patents angegebenen Bereich, allerdings sind die übrigen Angaben zum konkreter Gasfluss der weiteren Gase wie TiCl4 nur punktuell ausgeschlossen.

Dabei ist inhärent auch klar, für welchen Temperatur- und Druckbereich der Disclaimer gilt. Anspruch 1 definiert ja bereits, dass das beanspruchte Verfahren in einem Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C durchgeführt wird. Dementsprechend gilt der Disclaimer auch nur für Verfahren, die in diesem Temperaturbereich durchgeführt werden. Hinsichtlich des Druckbereichs wird dieser vom Disclaimer selbst explizit und zweifelsfrei genannt.

11.3 Auch die im Disclaimer angegebenen unterschiedlichen Einheiten (ml/min bzw. l/min) für die einzelnen Gasflüsse generieren für eine Fachperson keine Unklarheit. Einerseits ist einer Fachperson bekannt, dass TiCl4 bei Raumtemperatur flüssig ist, siehe Abbildung 4.26 in D44. Auch wenn der Disclaimer in Übereinstimmung mit der Offenbarung in D8 explizit den "Gasfluss" der Reaktanten nennt, erkennt eine Fachperson aufgrund der Einheit ml/min für TiCl4 unmittelbar, dass sich diese Menge auf das zu verdampfende TiCl4 in flüssiger Form beziehen muss. Andernfalls wäre in Kombination mit der angegebenen Gasflussmenge für AlCl3 in l/min und dem damit einhergehenden Konzentrationsunterschied zwischen AlCl3 und TiCl4 um einen Faktor 1000 eine entsprechende Zusammensetzung der AlxTi1-xN-Schicht mit x = 0,85 - 0,98 gemäß den Angaben in Tabelle 2 von D8 und entsprechend im Disclaimer von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 6b nicht realisierbar.

11.4 Die Einsprechenden argumentierten weiterhin, dass unklar sei, auf welche Schicht der Disclaimer abziele.

Auch dieses Argument ist aus Sicht der Kammer nicht stichhaltig.

Anspruch 1 von Hilfsantrag 6b definiert ein Verfahren zur Abscheidung einer TiAlN-Beschichtungslage. Der Disclaimer definiert, dass "keine Beschichtungslage" gemäß den weiteren Angaben "abgeschieden wird".

Diese Formulierung im Disclaimer verdeutlicht, dass das Verfahren keine Beschichtungslage erzeugt, die gemäß den Bedingungen des Disclaimers abgeschieden wird. Ob der zu beschichtende Körper vor oder nach dem in Anspruch 1 definierten Verfahren mittels weiterer, nicht beanspruchter Verfahren zusätzlich beschichtet wird, ist unerheblich, denn derartige Verfahrensschritte werden von Anspruch 1 ohnehin nicht umfasst. Der Disclaimer lässt auch keine Zweifel, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nur außerhalb des vom Disclaimer ausgenommenen Bereichs beansprucht ist.

11.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Wortlaut des Disclaimers klar und damit der Anspruch im Sinne von Artikel 84 EPÜ "deutlich gefasst" ist.

12. Hilfsantrag 6b - Ausführbarkeit

12.1 Gemäß Artikel 83 EPÜ und ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern muss die Patentschrift als ganzes und nicht der Anspruch 1 als solches eine nacharbeitbare Lehre für eine Fachperson im Hinblick auf den beanspruchten Gegenstand vermitteln (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022,

Kapitel II.C.3.1).

Ein Einwand bezüglich mangelnder Offenbarung kann zudem nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn ernsthafte, durch nachprüfbare Fakten erhärtbare Zweifel an der Ausführbarkeit glaubhaft gemacht werden können (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel II.C.9.). Die bloße Tatsache, dass ein Anspruch weit gefasst ist, stellt noch keinen Grund zu der Annahme dar, dass das Patent das Erfordernis einer ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt.

12.2 Die Einsprechenden postulieren zwar, dass

- eine Fachperson nicht in der Lage sei, das

beanspruchte Verfahren über den gesamten beanspruchten Bereich herzustellen, denn ihr fehlten die dafür erforderlichen konkreten Parametereinstellung sowie Angaben bezüglich der zu erzielenden Schichtdicken, der einsetzbaren Substrate, der möglichen Zwischenschichten sowie der verwendbaren Reaktortypen und Vorrichtungen zum Mischen der Reaktionsgase;

- die Tabellen 1 und 2 des Patents widersprüchliche

Angaben zum Ti/Al-Verhältnis machten aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Einheiten für den Gasfluss;

- das Patent keine Anleitung enthalte, um mit

zumutbarem Aufwand eine Beschichtung mit der gewünschten lamellenartigen Struktur herzustellen. Insbesondere offenbare das Patent entgegen den in T 517/98 entwickelten Prinzipien nicht die dafür nötigen Prozessparameter wie Gasflüsse, Temperatur und Druckbereiche.

12.3 Allerdings ist ein Patent mit der Bereitschaft auszulegen, es zu verstehen, und nicht mit dem Willen, es misszuverstehen (Rechtsprechung der Beschwerde-kammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel II.A.6.1).

Die Offenbarung der Erfindung richtet sich zudem an Fachleute auf dem Gebiet von CVD-Beschichtungen. Das Patent offenbart in den Absätzen [0013] bis [0033] und in den Tabelle 1 und 2, welche Prozessparameter bei dem CVD-Beschichtungsverfahren gemäß Anspruch 1 wesentlich sind und gibt auch dafür Wertebereiche an. Es ist daher kein Grund erkennbar, warum eine Fachperson unter Berücksichtigung ihrer experimentellen Erfahrung nicht in der Lage sein sollte, die im Patent beschriebene Erfindung mit zumutbarem Aufwand nachzuarbeiten und eine Beschichtungslage mit der gewünschten lamellenartigen Struktur und Lamellendicke von weniger als 100 nm herzustellen, zumal die resultierende Struktur im TEM verifizierbar ist. Eine Fachperson weiss auch, mit welchen Reaktoren derartige Beschichtungen aufgebracht werden können. Extreme gegebenenfalls von den Ansprüchen umfasste Ausführungsformen, beispielsweise mit Lamellen beliebig geringer Lamellendicke oder auf von vornherein als ungeeignet erkennbaren Substraten, würde eine Fachperson nicht ernsthaft in Betracht ziehen.

Entsprechende Überlegungen gelten auch in Bezug auf mögliche Auslegungen der Offenbarung in den Tabellen 1 und 2 des Patents hinsichtlich der Einheiten der Gasflussmengen und der daraus vermeintlichen Widersprüche im Ti/Al-Verhältnis, siehe obigen Punkt 11.3.

Gerade diese Tabellen 1 und 2 des Patents geben daher der Fachperson die nötigen wesentlichen Parameter wie Gasflüsse, Temperatur und Druckbereiche an die Hand, um eine Beschichtung mit der in Anspruch 1 definierten Struktur zu erhalten. Das Patent als Ganzes offenbart daher die Erfindung in ausreichendem Umfang. Eine weitere Beschränkung im Sinne von Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe von T 517/98 ist daher im vorliegenden Fall nicht erforderlich, da der Anspruch keine Ausführungsformen umfasst, die nicht als durch das alleinige in der Patentschrift offenbarte Verfahren erzielbar beschrieben sind.

12.4 Auch hat keine der Einsprechenden Experimente durchgeführt bzw. vorgelegt, um anhand nachvollziehbarer Fakten zu zeigen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 unter Anwendung der in Tabelle 1 angegebenen Prozessparameter nicht reproduzierbar ist.

Insbesondere wurde nicht durch nachprüfbare Fakten belegt, dass eine Fachperson bei Berücksichtigung ihres allgemeinen Fachwissens vor Problemen bei der Nacharbeitung der Erfindung stehe, weil die konkrete Zusammensetzung und Phasen der Beschichtung oder das Substrat nicht genauer spezifiziert werden bzw. die angegebenen Parameterbereiche eine bestimmte Breite aufweisen oder gar offen definiert werden ("Lamellendicke von weniger als 100 nm").

12.5 Die Argumentation der Einsprecheden steht weiterhin im Widerspruch zu den Ausführungen zur Neuheit in Bezug auf D8.

D8 weist hinsichtlich des darin beschriebenen Beschichtungsverfahrens den gleichen Detailgrad wie das angefochtene Patent auf.

Wenn D8 die Erfindung für eine Fachperson ausreichend genug offenbart, um zu dem Schluss zu gelangen, dass damit ein in Anspruch 1 wie erteilt definiertes Produkt zwingend erhalten werden muss, dann folgt daraus ebenso zwingend, dass auch das Patent die Erfindung ausreichend offenbart. Der Maßstab für die Bestimmung, ob eine Erfindung ausreichend offenbart ist, ist schließlich in Bezug auf den Stand der Technik und das Patent identisch.

Daraus folgt zudem auch unmittelbar, dass der in den Wortlaut von Anspruch 1 eingeführte Disclaimer für eine Fachperson keine unzumutbaren Probleme mit der Ausführbarkeit hervorrufen kann.

12.6 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Erfindung gemäß Anspruch 1 von einer Fachperson beispielsweise durch Nacharbeitung des Ausführungsbeispiels der Tabellen 1 und 2 ausführbar ist (Artikel 83 EPÜ).

13. Hilfsantrag 6b - Entdeckung/Nichterfindung

13.1 Die in Artikel 52 (2) a) EPÜ genannten Nichterfindungen, und damit auch Entdeckungen, beziehen sich auf Tätigkeiten, die nicht auf ein unmittelbares technisches Ergebnis abzielen, sondern vielmehr abstrakter und geistiger Natur sind. Eine Erfindung liegt dagegen dann vor, wenn sie technischen Charakter aufweist oder - anders ausgedrückt - einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leistet. Daher sind auch nur Entdeckungen "als solche" ausgeschlossen (Artikel 52 (3) EPÜ).

13.2 Die Einsprechenden 1 und 2 argumentieren, dass der beanspruchte Gegenstand keine Erfindung, sondern eine Entdeckung darstelle, d. h. dass die lamellare Struktur inhärent schon in D1, D2 und/oder D8 offenbart sei, dass die Patentinhaberin diese also lediglich entdeckt habe.

Dieser Einwand überzeugt nicht.

13.3 Der unabhängige Anspruch 1 von Hilfsantrag 6b betrifft ein technisches Verfahren zur Herstellung eines beschichteten Körpers, das durch technische Merkmale charakterisiert wird.

Ob im Stand der Technik bekannte Beschichtungsverfahren ebenfalls zu beschichteten Körpern führen, die die beanspruchte Lamellenstruktur implizit erfüllen oder nicht, betrifft die Frage der Neuheit und ist also solches kein Indiz dafür, dass es sich bei dem beanspruchten Gegenstand um eine Entdeckung handelt.

13.4 Mithin fällt der Gegenstand von Anspruch 1 nicht unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) a) EPÜ.

14. Hilfsantrag 6b - Neuheit

14.1 Keines der Dokumente D1, D9, D10 offenbart ein Beschichtungsverfahren bei dem die Abscheidung in einem Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C und bei einem Druck von 20 bis 80 mbar erfolgt. Zudem offenbart auch keines der Dokumente D1, D9 oder D10, dass die darin beschriebenen Verfahren eine Beschichtung mit der in Anspruch 1 definierten Lamellenstruktur erzielen.

14.2 D1

D1 beschreibt in den Beispielen 1 und 2 einen hartstoffbeschichteten Körper mit einem Schichtsystem, das mindestens eine Ti1-xAlxN-Hartstoffschicht enthält, und ein Verfahren zu dessen Herstellung. Das in den Beispielen 1 und 2 von D1 offenbarte Verfahren wird bei einer Temperatur von 800 °C oder 850 °C und einem Druck von 1 kPa (100 mbar) durchgeführt.

Damit unterscheidet sich das in Anspruch 1 definierte Verfahren schon dadurch von dem in D1 beschriebenen Verfahren, dass dieses bei einem Druck zwischen 20 und 80 mbar durchgeführt wird.

Zudem offenbart D1 weder, dass in der abgeschiedenen Beschichtung eine Lamellenstruktur vorliegt, noch ist eine Lamellendicke gemäß Anspruch 1 für die nach dem Verfahren der Beispiele 1 und 2 von D1 hergestellte Beschichtung offenbart. Vielmehr wird in D1 eine kubische Ti1-xAlxN-Phase (siehe Beispiel 1, durchgeführt bei 800 °C) erzielt. Zwar wird gemäß D1 auch ein heterogenes Gemisch von Ti1-xAlxN mit der NaCl-Struktur und AlN mit der Wurtzitstruktur in Beispiel 2 erhalten. Allerdings wird dieses Beispiel 2 bei 850 °C und somit außerhalb des in Anspruch 1 definierten Temperaturbereichs durchgeführt und belegt im Übrigen auch nicht, dass die in Anspruch 1 definierte Lamellenstruktur erhalten wird.

Auch die Einsprechende 2 bestätigt dies auf Seite 9 ihrer Beschwerdebegründung ("Therefore, D1 was assumed not to disclose a lamellar structure, since the Examples of D1 were obtained in a lab-scale process.")

Unabhängig davon, ob dieses Verständnis der expliziten Offenbarung von D1 überhaupt durch die isolierte Betrachtung der Figur 2 von D43 in Frage gestellt werden kann, ändert das nachveröffentlichte Dokument D43 nichts an der unmittelbaren Offenbarung von D1 für die Fachperson zu dessen Veröffentlichungsdatum, die für die Beurteilung der Neuheit im vorliegenden Fall maßgeblich ist. Im Übrigen belegt D43, dass das Verfahren nach D1 ausschließlich eine kubische

AlxTi1-xN-Phase abscheidet (siehe beispielsweise die Punkte 1, 11 und 13 von D43 sowie die Abschnitte betitelt "Herstellung einer einphasigen AlxTi1-xN-Schicht" und "Weitere Untersuchungen zur Bestätigung der monophasigen Schicht"). Eine Interpretation der TEM-Aufnahme gemäß Figur 2 von D43 entgegen der übrigen expliziten konsistenten Lehre von D43 ist nicht geeignet, zweifelsfrei zu belegen, dass in Beispiel 1 von D1 zwingend eine Beschichtung erzielt wird, die nicht aus der in D1 und und D43 explizit genannten einphasigen kubischen AlxTi1-xN-Phase besteht, sondern ausgerechnet eine Beschichtung mit einer lamellenartigen Struktur gemäß Anspruch 1. Daher kann auch die Frage der Zulassung von D43 im Beschwerdeverfahren dahingestellt bleiben.

14.3 D9 und D10

D9 offenbart in Abschnitt 3.1 ein Verfahren, bei dem eine AlTiN-Beschichtungslage mit NaCl-Struktur bei 800 °C und 850 °C abgeschieden wird. Folgt man der Argumentation der Einsprechenden 2 um des Argumentes Willen dahingehend, dass für das in D9 eingesetzte LPCVD-Verfahren (siehe Abschnitt 2 von D9) ein Druck von < 100 mbar üblich ist (siehe dazu D10, Figur 1), so offenbart D9 nichtsdestotrotz nicht den von Anspruch 1 definierten engeren Bereich von 20 bis 80 mbar.

Zudem zielt D9 darauf ab, eine Beschichtung mit monophasiger fcc-Struktur zu erzielen, siehe Einleitung der Zusammenfassung (Punkt 4: Summary). Das Argument, wonach D9 zwingend eine lamellanartige Struktur gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 6b ausbilde, steht daher im Widerspruch zur expliziten Zielsetzung und Offenbarung in D9.

Bei dem Verfahren nach D9 kann zwar in Abhängigkeit des AlCl3/TiCl4-Verhältnisses bei einer höheren Temperatur von 850 °C zusätzlich AlN mit der Wurtzitstruktur mit abgeschieden (AlCl3/TiCl4 = 5.1) werden, siehe Abschnitt 3.1 und Punkt 2 der Zusammenfassung von D9. Bei niedrigeren AlCl3/TiCl4-Verhältnissen (AlCl3/TiCl4 = 1.7) bleibt die monophasige Struktur erhalten, siehe Seite 221, zweiter Satz von D9. Aus der vagen Angabe einer möglichen Mitabscheidung bei bestimmten Prozessparametern folgt allerdings nicht, dass sich zumindest bei dieser höheren, von dem Verfahren nach Anspruch 1 ohnehin nicht umfassten Temperatur von 850 °C, zwingend eine lamellenartige Struktur gemäß Anspruch 1 ausbildet.

D10 offenbart auf Seite 4 in Figur 1 ein Verfahren, bei dem eine AlTiN-Beschichtungslage in einem Temperaturbereich von 700 °C bis 900 °C und bei einem Druck < 100 mbar abgeschieden wird. In Abhängigkeit des AlCl3/TiCl4-Verhältnisses wird bei einer Temperatur von 800 °C zusätzlich zur monophasigen fcc-Srtuktur von AlTiN auch AlN mit der Wurtzitstruktur abgeschieden (AlCl3/TiCl4 > 5.1) oder nicht (AlCl3/TiCl4 = 1.7 - 5.1), siehe Ergebnisse auf Seite 5 von D10. Die Offenbarung in D10 entspricht daher im Wesentlichen der Offenbarung in D9.

Damit unterscheidet sich das in Anspruch 1 definierte Verfahren schon dadurch, dass das Verfahren bei einem Druck zwischen 20 und 80 mbar durchgeführt wird.

Zudem offenbart sowohl D9 als auch D10 jeweils explizit, dass das Verfahren eine Beschichtung mit einer anderen Struktur erzielt als von Anspruch 1 gefordert.

Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu gegenüber der Offenbarung in D9 und D10.

Die Frage der Zulassung der von der Einsprechenden 2 erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Neuheitseinwände in Bezug auf D9 und D10 erübrigt sich daher.

14.4 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu ist (Artikel 54 EPÜ).

15. Hilfsantrag 6b - erfinderische Tätigkeit

15.1 D9 offenbart in Abschnitt 3.1 ein Verfahren, bei dem eine AlTiN-Beschichtungslage mit NaCl-Struktur bei 800 °C und 850 °C abgeschieden wird.

Das in Anspruch 1 definierte Verfahren unterscheidet sich von dem in D9 beschriebenen Verfahren dadurch, dass das Verfahren bei einem Druck zwischen 20 und 80 mbar so durchgeführt wird, dass die Beschichtungslage (5) mit Aluminium, Titan und Stickstoff zumindest teilweise mit einer lamellenartigen Struktur mit Lamellen mit einer Lamellendicke von weniger als 100 nm und aufeinanderfolgenden Abschnitten mit unterschiedlichen Phasen abgeschieden wird.

Die mit dem beanspruchten Verfahren hergestellte Lamellenstruktur ist Merkmal des beanspruchten Gegenstands und ermöglicht nach Paragraph [0033] des Streitpatents jedenfalls die Herstellung verschleißfester und oxidationsbeständiger Materialien. Es war nicht streitig, dass diese Eigenschaften auf die beanspruchte Lamellenstruktur zurückzuführen sind.

Folgt man dem Argument der Einsprechenden um des Argumentes Willen dahingehend, dass dem Gegenstand von Anspruch 1 die objektive technische Aufgabe zugrundeliegt, ein alternatives Verfahren zur Abscheidung einer AlTiN-Beschichtungslage bereitzustellen, so ist dieser Gegenstand ausgehend von D9 nichtsdestotrotz nicht naheliegend.

15.2 D9 beschreibt in Abschnitt 3.2. die verbesserten und vorteilhaften mechanischen Eigenschaften der beschichteten Körper. Diese Eigenschaften hängen maßgeblich von der Struktur der Beschichtung ab. Deswegen zielt D9 gerade darauf ab, eine aluminiumreiche, einphasige AlxTi1-xN-Beschichtungslage mit NaCl-Struktur herzustellen (siehe "Abstract").

Ausgehend von D9 besteht keine Veranlassung, die Abscheidung ausgerechnet in einem Temperaturbereich von 800 °C bis 830 °C und bei einem Druck von 20 bis 80 mbar durch die Wahl geeigneter Gasflüsse so zu führen, dass damit eine Beschichtung mit einer Lamellenstruktur gemäß Anspruch 1 erhalten wird.

Eine willkürliche Änderung zur Bereitstellung einer Alternative würde eine Fachperson im vorliegenden Fall ausgehend von D9 ohne etwaige konkrete Veranlassung dazu nicht in Erwägung ziehen, da nicht erwartbar ist, dass bei einer geänderten Struktur die Beschichtung weiterhin die in D9 als vorteilhaft beschriebenen mechanischen Eigenschaften aufweisen würde.

15.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht naheliegend ist (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Nr.: 1 bis 5 des Hilfsantrags 6b

eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vom 20. Mai 2025

Beschreibung:

Seiten: 2 bis 5

eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 20. Mai 2025

Zeichnungen:

Figuren: 1 bis 5 der Patentschrift

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