T 1526/23 () of 27.3.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T152623.20250327
Datum der Entscheidung: 27 März 2025
Aktenzeichen: T 1526/23
Anmeldenummer: 12737233.2
IPC-Klasse: C10L 1/2383
C10L 1/238
C10L 1/22
C10L 1/222
C10L 1/232
C10L 10/00
C10L 1/14
C10L 10/18
C10L 10/14
C10L 1/224
C10L 1/2387
C10L 1/223
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: QUATERNISIERTE STICKSTOFFVERBINDUNGEN UND DEREN VERWENDUNG ALS ADDITIVE IN KRAFT- UND SCHMIERSTOFFEN
Name des Anmelders: BASF SE
Name des Einsprechenden: INNOSPEC LIMITED
Kammer: 3.3.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 87(1)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit
Priorität
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0002/98
T 1389/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Diese Entscheidung betrifft die Beschwerde der Einsprechenden gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung), dass das europäische Patent Nr. 2 726 580 (Patent) in geänderter Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Das Patent beansprucht die Priorität der europäischen Patentanmeldung Nr. 11171763.3 (Prioritätsanmeldung).

III. Nachstehend wird auf die folgenden vor der Einspruchsabteilung eingereichten Dokumente Bezug genommen:

D1 WO 2011/141731 A1

D2 WO 2011/095819 A1

D8 WO 2011/110860 A1

D9 EP 2 540 808 A1 (die veröffentlichte

Prioritätsanmeldung)

IV. In Vorbereitung der auf Antrag beider Parteien anberaumten mündlichen Verhandlung erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK.

V. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 27. März 2025 in Anwesenheit beider Parteien als Videokonferenz statt.

Die Patentinhaberin verfolgte die von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtete Fassung des Patents als Hauptantrag weiter, alle übrigen mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Anträge sowie ihre Beschwerde nahm sie zurück.

Mit der Rücknahme der Beschwerde der Patentinhaberin wurde die Einsprechende alleinige Beschwerdeführerin. Die Einsprechende wird in der Folge daher als Beschwerdeführerin, die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin bezeichnet.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende den Tenor der vorliegenden Entscheidung.

VI. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Anträge der Parteien lauteten am Ende der mündlichen Verhandlung wie folgt:

- Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.

- Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, gleichbedeutend mit einer Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung.

VII. Zusammenfassungen des für die vorliegende Entscheidung relevanten Parteivorbringens sowie wesentlicher Aspekte der angefochtenen Entscheidung finden sich in den Entscheidungsgründen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (Patent in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung) - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) und Priorität (Artikel 87 (1) EPÜ)

1. Die Beschwerdeführerin erhob Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags ausgehend von D1, D2 oder D8 als dem nächstliegenden Stand der Technik. Zwischen den Parteien war unstrittig, dass jedes dieser Dokumente einen Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ darstellt.

2. Damit die entsprechenden Einwände der Beschwerdeführerin durchgreifen können, ist entscheidend, ob der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags die Priorität wirksam beansprucht, d. h. ob der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags in der ursprünglichen Prioritätsanmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart ist (G 2/98 (Abl. EPA 2001, 413), Schlussfolgerung). Bei der Beantwortung dieser Frage wird in der Folge in Übereinstimmung mit den Parteien auf die Veröffentlichung der Prioritätsanmeldung, d. h. D9, verwiesen.

3. Zwischen den Parteien war unstrittig, dass bei der Beurteilung der Wirksamkeit der Priorität von der Kombination der Ansprüche 1 und 2 der D9 ausgegangen werden soll. Im Vergleich zu dieser Kombination lautet Anspruch 1 des Hauptantrags wie folgt, wobei darin die Änderungen kenntlich gemacht sind, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu einem Gegenstand führen, der über den Inhalt von D9 hinausgeht:

"Kraftstoffzusammensetzung, enthaltend in einer Hauptmenge eines üblichen Kraftstoffs einen Anteil wenigstens eines eine quaternisierte Stickstoffverbindung umfassenden Reaktionsprodukts, wobei das Reaktionsprodukt erhältlich ist durch

a1) Umsetzung einer hydrocarbyl-substituierten Polycarbonsäureverbindung, mit einer Verbindung umfassend wenigstens eine mit der Polycarbonsäure reaktiven, insbesondere addierbaren oder kondensierbaren, Sauerstoff- oder Stickstoffgruppe sowie enthaltend wenigstens eine quaternisierbare Aminogruppe, wobei man eine quaternisierbaren hydrocarbylsubstituierten [sic] Polycarbonsäureverbindung erhält, und

a2) deren anschließende Umsetzung mit einem Quaternisierungsmittel, das die wenigstens eine quaternisierbare [deleted: tertiäre] Aminogruppe in eine quaternäre Ammoniumgruppe überführt, wobei das Quaternisierungsmittel der Alkylester einer cycloaromatischen oder cycloaliphatischen Mono- oder Polycarbonsäure, insbesondere einer Mono- oder Dicarbonsäure, oder einer aliphatischen Polycarbonsäure ist; oder

b) Umsetzung einer quaternisierbaren hydrocarbyl-substituierten Polycarbonsäureverbindung, enthaltend wenigstens eine quaternisierbare Aminogruppe mit einem Quaternisierungsmittel, das die wenigstens eine quaternisierbare [deleted: tertiäre] Aminogruppe in eine quaternäre Ammoniumgruppe überführt, wobei das Quaternisierungsmittel der Alkylester einer cycloaromatischen oder cycloaliphatischen Mono- oder Polycarbonsäure, insbesondere einer Mono- oder Dicarbonsäure, oder einer aliphatischen Polycarbonsäure ist;

wobei pro Äquivalent an quaternisierbarem tertiären Stickstoffatom 1,25 bis 2,0 Äquivalente an Quaternisierungsmittel eingesetzt werden."

Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft also eine Kraftstoffzusammensetzung, die neben dem eigentlichen Kraftstoff auch einen Anteil eines Reaktionsprodukts enthält. Das Reaktionsprodukt selbst ist durch sein Herstellungsverfahren definiert und über zwei Verfahrensalternativen, a1) und a2) bzw. b), erhältlich.

4. Zu den strittigen Änderungen im Einzelnen

4.1 Beiden Verfahrensalternativen zur Herstellung des Reaktionsprodukts in Anspruch 1 des Hauptantrags ist gemeinsam, dass wenigstens eine quaternisierbare Aminogruppe durch ein Quaternisierungsmittel in eine quaternäre Ammoniumgruppen überführt wird (vgl. die Änderungen bei den Verfahrensschritten a2) und b) im obigen Wortlaut unter Punkt 3).

Diesbezüglich stellte die Beschwerdeführerin heraus, dass es sich bei quaternisierbaren Aminogruppen um primäre, sekundäre oder tertiäre Aminogruppen handeln kann. Die in Anspruch 1 des Hauptantrags gewählte Formulierung ist mithin breiter als die der Kombination der Ansprüche 1 und 2 der D9, bei welcher tertiäre Aminogruppen quaternisiert werden.

Wie schon in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, offenbart Absatz [0062] der D9 jedoch, dass neben tertiären auch primäre und/oder sekundäre Aminogruppen vorhanden und zur Quaternisierung vorgesehen sein können. Dieser Absatz offenbart somit im Rahmen der D9 in allgemeiner Weise alle Arten von Aminogruppen, die überhaupt als quaternisierbare Aminogruppen denkbar sind. Er stellt somit eine Basis dar für die in Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommene Verallgemeinerung hin zu quaternisierbaren Aminogruppen. Vor diesem Hintergrund ist es entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin unerheblich, welche konkreten Verbindungen von der Bezugnahme auf quaternisierbare Aminogruppen in Anspruch 1 des Hauptantrags umfasst sind und insbesondere, ob dies bestimmte Verbindungen einschließt, die in D9 nicht offenbart sind.

4.2 Beiden Verfahrensalternativen zur Herstellung des Reaktionsprodukts in Anspruch 1 des Hauptantrags ist ebenfalls gemeinsam, dass das Verhältnis der Äquivalente an Quaternisierungsmittel pro Äquivalent an quaternisierbaren tertiären Stickstoffatomen (in der Folge mit "EQA" bezeichnet) in einem Bereich von 1,25 bis 2,0 liegt (vgl. den Zusatz am Ende des obigen Wortlauts unter Punkt 3).

Wie ebenfalls schon in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, offenbart Absatz [0062] der D9, dass pro Äquivalent an quaternisierbarem tertiären Stickstoffatom 0,1 bis 2,0, 0,2 bis 1,5 oder 0,5 bis 1,25 Äquivalente an Quaternisierungsmittel eingesetzt werden können. Der entsprechende Bereich in Anspruch 1 des Hauptantrags erstreckt sich somit von der Obergrenze des engsten (1,25) bis zur Obergrenze des weitesten in D9 offenbarten Bereichs (2,0), überlappt also nur punktuell (1,25) mit dem engsten und damit augenscheinlich bevorzugtesten in D9 offenbarten Bereich (0,5 bis 1,25). Zwischen den Parteien war unstrittig, dass die Auswahl des anspruchsgemäßen Bereichs nicht über den Inhalt von D9 hinausgeht, sofern der Fachmann ernsthaft in Erwägung ziehen würde, in diesem Teilbereich zu arbeiten (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage 2022, II.E.1.5.1b, zum analogen Fall der Kombination der Untergrenze eines allgemeinen Bereichs mit der Untergrenze eines bevorzugten Bereichs).

In diesem Zusammenhang machte die Beschwerdeführerin geltend, dass nach D9 annähernd äquimolare Anteile des Quaternisierungsmittels vorzuziehen seien, was einem EQA von ungefähr 1 entspreche. Die Kammer hält es jedoch für verfehlt, daraus zu schließen, dass der Fachmann nicht ernsthaft in Erwägung ziehen würde, im vermeintlich weniger bevorzugten anspruchsgemäßen Teilbereich (1,25 bis 2,0) zu arbeiten (vgl. auch beispielsweise T 1389/08, Punkt 5.2 der Entscheidungsgründe). Die Kammer folgt vielmehr der Beschwerdegegnerin und sieht in der Tatsache, dass zwei der fünf in D9 offenbarten Beispiele die Herstellung eines Reaktionsprodukts mit einem anspruchsgemäßen (Herstellungsbeispiel 3, EQA = 1,88) oder einem nur geringfügig höherem EQA (Herstellungsbeispiel 2, EQA = 2,06) offenbaren, ein klares Indiz dafür, dass der Fachmann sehr wohl ernsthaft im anspruchsgemäßen Bereich arbeiten würde.

5. Der angefochtenen Entscheidung ist daher darin zuzustimmen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags die Priorität wirksam beansprucht. Wie auch dort schon festgestellt, können daher die Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Beschwerdeführerin nicht durchgreifen. Der Hauptantrag ist folglich gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

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