European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T142523.20250402 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 April 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1425/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16400051.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | B01D 29/58 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | SAUGKOPF ZUM ANSCHLUSS AN EINEN KRAFTSTOFFSCHLAUCH | ||||||||
Name des Anmelders: | Andreas Stihl AG & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Husqvarna AB | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein) Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Einsprechenden (nunmehr Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 3 321 498 B1 zurückzuweisen.
II. Das Streitpatent bezieht sich auf einen Saugkopf zum Anschluss an einen Kraftstoffschlauch.
III. Der erteilte Anspruch 1 (Anspruch 1 des Hauptantrags im Beschwerdeverfahren) lautet wie folgt:
"Saugkopf zum Anschluss an einen Kraftstoffschlauch
(14) in einem Kraftstofftank (15),
- wobei der Saugkopf (20) einen gehäuseförmigen Grundkörper (22) aus einem Spritzgussmaterial (49) aufweist,
- und der Grundkörper (22) mit einer stirnseitigen Öffnung (24) ausgebildet ist,
- wobei die stirnseitige Öffnung (24) mittels einer Kappe (27) verschlossen ist,
- und der Saugkopf (20) einen Anschlussstutzen (21) für den Kraftstoffschlauch (14) umfasst,
- und über den Kraftstoffschlauch (14) und den Saugkopf (20) Kraftstoff angesaugt wird,
- wobei in dem Grundkörper (22) ein erstes, inneres Filterelement (50) aufgenommen ist,
- und der Grundkörper (22) in seiner Mantelfläche (26) Aussparungen (30, 31, 32, 33) aufweist, die durch ein zweites, äußeres Filterelement (60) abgedeckt sind,
dadurch gekennzeichnet,
- dass das zweite, äußere Filterelement (60) aus einem in Köperbindung oder Atlasbindung gefertigten Filtergewebe (61) besteht, so dass eine dem anströmenden Kraftstoff zugewandte Gewebefläche rau und mehrdimensional strukturiert ist,
- und dass das Filtergewebe (61) mit einer Maschenweite (W) größer als 10 mym und kleiner als 25 mym ausgebildet ist,
- wobei die Maschenweite (W) des Filtergewebes (61) kleiner ist als eine Porengröße (P) des ersten, inneren Filterelementes (50) im Grundkörper (22)."
Ansprüche 2-12 beziehen sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1 zurück.
IV. Folgende Dokumente sind hier relevant, wobei Dokumente mit einer Nummerierung bis einschließlich D17 im Einspruchsverfahren eingereicht wurden und D18 mit der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 10. Februar 2025.
D1 |US 6,482,321 Bl |
D2 |US 2016/0074788 Al |
D12|US 2002/0166809 Al |
D17|US 5,375,629 A |
D18|Auszug aus Purchas, Derek B., Handbook of filter media, 2nd ed., 2002, Seiten 60-64|
V. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Beschwerde auf Einwände unter Artikel 100 c) EPÜ und Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ.
VI. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Anspruch 1 gehe aufgrund der Merkmale "...und über den Kraftstoffschlauch 14 und den Saugkopf 20 Kraftstoff angesaugt wird" sowie der Angaben "inneres" bzw. "äußeres" Filterelement über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
D18 sei als eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer zu berücksichtigen. D18 belege das allgemeine Fachwissen und sei darüber hinaus relevant für die Frage der erfinderischen Tätigkeit.
Der beanspruchte Saugkopf beinhalte ausgehend von D1 keine erfinderische Tätigkeit. Es gebe keinen synergistischen Effekt zwischen den beiden Unterscheidungsmerkmalen. Selbst wenn ein solcher angenommen würde, handle es sich lediglich um einen Bonus-Effekt. Die Fachperson müsse unweigerlich eine Webart und eine Maschenweite wählen, um die Lehre von D1 praktisch umzusetzen, und befinde sich dabei jeweils in einer Einbahnstraßensituation. Darüber hinaus würden auch D2, D12 und D18 die unterscheidenden Merkmale nahelegen.
VII. Die wesentlichen Argumente der Patentinhaberin (nunmehr Beschwerdegegnerin) spiegeln sich in den Entscheidungsgründen wider.
VIII. Anträge
- Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
- Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I-IX, IXa, oder X, erneut bzw. erstmalig (Hilfsantrag X) eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag (erteilte Fassung der Ansprüche)
1. Änderungen - Artikel 100 c) EPÜ
1.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin geht Anspruch 1 der erteilten Fassung im Hinblick auf folgende Merkmale über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus:
i) Das Merkmal "...und über den Kraftstoffschlauch 14 und den Saugkopf 20 Kraftstoff angesaugt wird".
ii) Die Angaben "inneres" bzw. "äußeres" in Bezug auf das erste bzw. zweite Filterelement. Diese Angaben seien nur sowohl für eine bestimmte geometrische bzw. strukturelle Anordnung der Filterelemente als auch für eine bestimmte funktionelle Anordnung (Fließrichtung) ursprünglich offenbart worden, die in Anspruch 1 nicht definiert seien.
1.2 Anspruch 1 des Streitpatents bezieht sich auf einen Saugkopf als solchen, wie bereits Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung. Auch wenn das strittige Merkmal als Verfahrensschritt definiert ist ("angesaugt wird"), kann es im Kontext des Vorrichtungsanspruchs 1 nur im Sinn einer Eignung des Saugkopfs zum Ansaugen von Kraftstoff über einen (anzuschließenden) Kraftstoffschlauch und den Saugkopf verstanden werden. Diese Eignung fügt dem Merkmal "Saugkopf zum Anschluss an einen Kraftstoffschlauch in einem Kraftstofftank" (bereits in Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung) nichts hinzu und geht zudem aus der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz hervor. Die Fragen, welcher Kraftstoff angesaugt wird und ob eine Kraftstoffpumpe dafür eingesetzt wird, sind nicht untrennbar mit der Ausgestaltung des beanspruchten Saugkopfes verknüpft. Daher ist keine Zwischenverallgemeinerung zu erkennen, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin.
1.3 Die zusätzliche Qualifizierung des ersten bzw. zweiten Filterelements als "inneres" bzw. "äußeres" Filterelement wurde im Vergleich zur ursprünglich eingereichten Fassung des Anspruchs 1 ergänzt. Jedoch definiert Anspruch 1 ohnehin, dass das erste Filterelement in dem Grundkörper aufgenommen ist und der Grundkörper in seiner Mantelfläche - d.h. in seiner Außenfläche - Aussparungen aufweist, die durch ein zweites Filterelement abgedeckt sind. Bereits auf Basis dieser Anordnung kann das erste Filterelement als "inneres" und das zweite Filterelement als "äußeres" betrachtet werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Bezeichnung als "inneres" bzw. "äußeres" Filterelement deren Anordnung im Saugkopf bzw. die strukturellen Eigenschaften des Saugkopfes weiter einschränken würde.
Daher ist zur Stützung der Änderung auch keine Bezugnahme auf die Beschreibung notwendig.
1.4 Unabhängig davon ist die Kammer nicht überzeugt, dass gegenüber der Beschreibung auf Seite 1 (letzter Absatz), in der die Fließrichtung "zunächst durch das äußere Filterelement und dann durch das innere Filterelement" angegeben wird, eine Verallgemeinerung zu einer beliebigen, d.h. möglicherweise gegenläufigen, Fließrichtung stattgefunden hat.
1.4.1 Die mögliche Fließrichtung ist in diesem Fall eine Eigenschaft des Saugkopfs und nicht lediglich eine Frage der Verwendung des Saugkopfes. So ist diese insbesondere durch die jeweilige Anordnung des Anschlussstutzens für einen Kraftstoffschlauch strukturell vorgegeben.
1.4.2 Anspruch 1 definiert einen Saugkopf zum Anschluss an einen Kraftstoffschlauch in einem Kraftstofftank, wobei der Saugkopf einen gehäuseförmigen Grundkörper aufweist und der Grundkörper in seiner Mantelfläche Aussparungen aufweist, die durch das zweite Filterelement abgedeckt sind. Das erste, innere Filterelement ist in dem Grundkörper aufgenommen. Hieraus ergibt sich für die Fachperson unmittelbar, dass der Kraftstoff bei der Verwendung des Saugkopfs, d.h. bei Eintauchen in einen Kraftstofftank, unweigerlich zunächst in Kontakt mit dem in der Mantelfläche angeordneten zweiten, äußeren Filterelement kommt und dieses somit die Anströmseite darstellt. Folglich ist das in dem Grundkörper aufgenommene, erste Filterelement stromabwärts davon angeordnet, in Fließrichtung gefolgt von dem Anschlussstutzen für den Kraftstoffschlauch. Diese Fließrichtung ist somit das Ergebnis des Zusammenwirkens der beanspruchten strukturellen Merkmale mit dem Ziel, die anspruchsgemäße Eignung als Saugkopf zum Anschluss an einen Kraftstoffschlauch in einem Kraftstofftank zu verwirklichen, d.h. Kraftstoff aus dem Tank über den Kraftstoffschlauch und den Saugkopf anzusaugen.
1.4.3 Die Beschwerdeführerin trug vor, dass eine Ausführungsform mit umgekehrter Fließrichtung denkbar sei, indem ein zusätzliches, den Grundkörper umhüllendes Gehäuse vorgesehen werde, welches so ausgestaltet sei, dass darin gefilterter Kraftstoff gesammelt und zu einem damit verbundenen Anschlussstutzen geleitet werde (siehe das Schema auf Seite 11 der Beschwerdebegründung).
1.4.4 Diese Argumente sind nicht überzeugend. Wie dargelegt (siehe Punkt 1.4.2), implizieren die im Anspruch definierten Merkmale eine bestimmte grundlegende Funktionsweise - und damit Fließrichtung - des beanspruchten Saugkopfes. Auch wenn die Anspruchsformulierung offen ist ("aufweist"), d.h. der Saugkopf weitere strukturelle Merkmale aufweisen kann, schließt dies kein solches zusätzliches Element ein, das dieser grundlegenden Funktionsweise entgegensteht. Dies wäre jedoch bei einem zusätzlichen Gehäuse, das den Grundkörper umhüllt, der Fall. So würde ein solches zusätzliches Gehäuse die in der Mantelfläche des gehäuseförmigen Grundkörpers vorhandenen und mit Filtergewebe abgedeckten Aussparungen gegenüber Kraftstoff im Kraftstofftank verschließen und im Gegenzug an anderer Stelle eine (in den inneren ersten Filter führende) Öffnung für den Eintritt des Kraftstoffs erfordern. Darüber hinaus ist fraglich, ob die mit Filtergewebe abgedeckten Aussparungen in einer solchen, von der Beschwerdeführerin nur schematisch aufgezeigten Vorrichtung überhaupt als in der Mantelfläche eines gehäuseförmigen Grundkörpers angeordnet angesehen werden können.
1.5 Daher ist der Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ nicht überzeugend, wie von der Einspruchsabteilung zutreffend so gesehen.
2. Berücksichtigung von D17
2.1 Da es nicht streitig ist, dass die drei Grundwebarten und ihr Einsatz für Filtration allgemeines Fachwissen sind, besteht keine Notwendigkeit, das Dokument D17 heranzuziehen, wie von der Beschwerdeführerin zugestanden (Punkt 1.3 der Eingabe vom 23. April 2024). Daher kann die Frage der Berücksichtigung von D17, das die Einspruchsabteilung im Verfahren nicht zugelassen hat, unter Artikel 12(6) VOBK dahingestellt bleiben.
3. Artikel 13(2) VOBK
3.1 Die Beschwerdeführerin reichte mit ihrer Eingabe vom 10. Februar 2025, nach Erhalt der Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK, ein neues Dokument (D18) ein. Es handelt sich somit um eine Änderung des Beschwerdevorbringens, für welche die Bestimmungen des Artikels 13(2) VOBK anzuwenden sind. Demnach bleibt eine solche Änderung unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
3.2 Zwar ist D18 ein Auszug aus einem Handbuch aus dem Jahr 2002, d.h. allgemeines Fachwissen. Hieraus ergibt sich jedoch keinerlei Einschränkung der Anwendbarkeit des Artikels 13(2) VOBK (vgl. T 1589/21 (Gründe 5) mit Verweis auf T 85/93).
3.3 Die Beschwerdeführerin sah D18 als eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer, gemäß welcher die technische Aufgabe plausibel gelöst sei. Das Dokument diene als Beweis, dass Atlasgewebe bekanntermaßen eine besonders glatte Oberfläche habe - und nicht, wie im Streitpatent behauptet, einen rauen Charakter.
3.4 Jedoch hat sich die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung lediglich mit dem Einwand der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt, dass die gestellte Aufgabe nicht gelöst werde, und ist diesem nicht gefolgt. Hierin können keine außergewöhnlichen Umstände gesehen werden.
Die Kammer hat sich dabei nicht ausdrücklich mit der Frage befasst, ob die Oberfläche von Atlasgewebe mit "rau" zutreffend beschrieben wird; diese Frage war - und ist - in diesem Zusammenhang nicht entscheidend (vgl. Punkt 4.6 unten, letzter Absatz).
3.5 Die Beschwerdeführerin stützt sich zudem auf D18 bzw. das dort beschriebene Fachwissen als Kombinationsdokument, um ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik die erfinderische Tätigkeit anzugreifen.
Hierbei handelt es sich um einen gänzlich neuen Einwand. Dieser betrifft jedoch das Patent in der erteilten Fassung und hätte somit bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht werden können. Es sind keine außergewöhnlichen Umstände erkennbar, die dessen Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren rechtfertigen würden.
3.6 Zusammenfassend ist D18 nicht zu berücksichtigen (Artikel 13(2) VOBK).
4. Artikel 56 EPÜ
4.1 Es ist unstreitig, dass D1 - das sich wie auch das Streitpatent auf einen Saugkopf zum Anschließen an einen Kraftstoffschlauch bezieht - den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
4.2 Das Streitpatent betrifft die Aufgabe, einen Saugkopf der gattungsgemäßen Art derart weiterzubilden, dass bei hoher Filterwirkung über eine lange Betriebsdauer der Strömungswiderstand des Saugkopfes nicht unerwünscht ansteigt (Absatz [0006]).
4.3 Zur Lösung wird der beanspruchte Saugkopf mit einem ersten und einem zweiten Filterelement vorgeschlagen, bei dem
(1.9) das zweite, äußere Filterelement aus einem in Köperbindung oder Atlasbindung gefertigten Filtergewebe besteht, so dass eine dem anströmenden Kraftstoff zugewandte Gewebefläche rau und mehrdimensional strukturiert ist,
(1.10) das Filtergewebe (61) mit einer Maschenweite (W) größer als 10 µm und kleiner als 25 µm ausgebildet ist, und
(1.11) die Maschenweite (W) des Filtergewebes (61) kleiner ist als eine Porengröße (P) des ersten, inneren Filterelementes (50) im Grundkörper (22).
4.4 Die Beschwerdeführerin stimmte den genannten unterscheidenden Merkmalen (siehe Punkt 4.3) nicht zu, sondern war der Auffassung, dass jedes beliebige Filtergewebe im weitesten Sinn eine raue und mehrdimensional strukturierte Oberfläche aufweise und die Filterelemente aus D1 unweigerlich eine Maschenweite bzw. eine Porengröße hätten. Insbesondere lasse sich D1 bereits entnehmen, dass die Porengröße des ersten, inneren Filterelements (Luftabscheider 19 in D1) ungefähr 50 µm betrage, denn eine solche werde durch Sintern von Polyethylen einer Korngröße von 80 µm erhalten (D1, Spalte 3, Zeilen 29-30). Die Maschenweite des zweiten, äußeren Filterelements sei zwangsläufig geringer. Dies ergebe sich daraus, dass der Zweck dieses äußeren Filterelements in D1 nur sein könne, den inneren Filter (Luftabscheider) zu schützen; dies gehe auch aus der Würdigung des Dokuments D1 (d.h. dessen Prioritätsdokuments) im Streitpatent selbst hervor (Absätze [0002] und [0003]). Daher würden in D1 lediglich die Webart des zweiten Filterelements (Merkmal 1.9) und der genaue Größenbereich der Maschenweite (1.10) nicht offenbart.
Die Beschwerdeführerin führte ferner aus, dass die unterscheidenden Merkmale nicht synergistisch zusammenwirken würden. Selbst wenn ein synergistischer Effekt angenommen würde, handle es sich lediglich um einen Bonus-Effekt, da die Fachperson unweigerlich eine Webart und eine Maschenweite wählen müsse, um die Lehre von D1 praktisch umzusetzen, und sich dabei jeweils in einer Einbahnstraßensituation befinde, die sie zu den beanspruchten Merkmalen führe.
Die Beschwerdeführerin betonte, dass der Anspruch zwei der nur drei Grundwebarten umfasse. Da insbesondere Atlasgewebe eine besonders glatte Oberfläche habe, gemäß der Lehre des Streitpatents aber gerade eine raue Oberfläche zur Lösung der Aufgabe beitrage, sei es nicht plausibel, dass Atlasgewebe gegenüber dem nicht beanspruchten Leinwandgewebe irgendeinen Vorteil bewirke. Das "Abwählen" der Leinwandbindung sei willkürlich und könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Die Fachperson habe ohnehin eine 2:3 Chance, dass die Webart des in D1 geforderten Filtergewebes eine der beanspruchten sei.
In Bezug auf die Maschenweite führte die Beschwerdeführerin aus, dass die Fachperson unweigerlich bestrebt sei, immer reinere Kraftstoffe und feinere Filter zu verwenden und sie zwangsläufig zu dem beanspruchten Bereich gelange, in welchem - wie im Streitpatent gelehrt - eine hohe Reinheit des Filtrats erzielt werden könne, ohne dass sich das Filtergewebe zusetze. Dies sei umso mehr der Fall, da die Maschenweite nur innerhalb des in D1 implizit offenbarten Bereichs von kleiner als 50 µm zu wählen sei, und aus D12 (Absatz [0013]) bereits bekannt sei, eine Maschenweite von 15 µm für die Filtration von Kraftstoff zu verwenden. Gemäß einer alternativen Argumentation könne die mit der Maschenweite verbundene technische Teilaufgabe darin gesehen werde, Teilchen mit einer Größe von mehr als 10-25 µm zu entfernen. Auch in Bezug auf diese Aufgabe sei der beanspruchte Maschenweitenbereich eine naheliegende Lösung.
4.5 Diese Argumente sind nicht überzeugend.
Insbesondere wird in D1 der Größenbereich der Maschenweite des zweiten Filters nicht in Relation zur Porengröße des ersten Filters (Luftabscheider 19) gesetzt. D1 gibt für die Porengröße des ersten Filters lediglich eine Obergrenze an, die sich aus der Korngröße des gesinterten Polyethylens von 80 µm oder weniger ergibt. Unabhängig davon, ob diese mit einer Porengröße von 50 µm gleichgesetzt werden kann, wie die Beschwerdeführerin behauptet, bleibt offen, ob in D1 die Maschenweite des zweiten Filters im Vergleich zur Porengröße des ersten (d.h. des Luftabscheiders) kleiner oder größer ist. Auch eine größere oder vergleichbare Maschenweite wäre technisch sinnvoll für den beabsichtigten Zweck, Kraftstoff zu filtern. Nichts anderes wird in D1 verlangt (Spalte 4, Zeilen 38-41). Die Würdigung von D1 im Streitpatent zählt nicht zu dessen Offenbarungsgehalt. Merkmal 1.11 ist somit ein unterscheidendes Merkmal.
Im Lichte des Vorbringens der Beschwerdeführerin ist unstreitig, dass D1 weder die Webart des zweiten Filterelements (1.9) noch den Größenbereich der Maschenweite absolut (1.10) offenbart. Die Angabe "so dass eine dem anströmenden Kraftstoff zugewandte Gewebefläche rau und mehrdimensional strukturiert ist" in Merkmal 1.9 wird von der Kammer als lediglich beschreibend angesehen, ohne eine zusätzliche Einschränkung zu bewirken.
4.6 Der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die gestellte Aufgabe (siehe Punkt 4.2) nicht gelöst werde, kann nicht zugestimmt werden.
Es ist die zentrale Lehre des Streitpatents, dass ein Filtergewebe aus einer der beanspruchten Webarten der Bildung eines Filterkuchens entgegenwirkt, trotz geringer Maschenweite (Absätze [0008], [0009] und [0044]).
Die in einem erteilten Patent formulierte Aufgabe gilt als durch die beanspruchte Erfindung glaubhaft gelöst, wenn kein Grund zu einer gegenteiligen Annahme besteht (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage 2022, III.G.5.1.1).
Vorliegend besteht kein Grund zu einer gegenteiligen Annahme, da die Erläuterungen im Streitpatent den behaupteten technischen Effekt stützen. So ist die Lösung der Aufgabe gemäß der Lehre des Streitpatents auf die dreidimensionale Struktur der beanspruchten Bindungsarten zurückzuführen (Absätze [0008], [0009] und [0044] zusammen mit den Figuren 5-7), was im Sinn der Natur der dreidimensionalen Struktur dieser Webarten zu verstehen ist. Im Streitpatent wird erklärt, dass die dreidimensionale Gewebeoberfläche verhindert, dass sich zurückgehaltene Schmutzteilchen zu einem Filterkuchen verbinden (ibid.). Es ist plausibel, dass die strukturellen Unterschiede zwischen den möglichen Webarten auch Unterschiede in Bezug auf ein mögliches Auffangen und Zusammenbacken von Schmutzteilchen zur Folge haben.
Die Beschwerdeführerin bestritt diese strukturellen Unterschiede nicht. Ihr Einwand stützte sich vielmehr darauf, dass die beanspruchten Webarten im Vergleich zur Leinwandbindung weniger "rau" seien.
Zwar mögen die beanspruchten Webarten mit dem Begriff "rau" unzutreffend beschrieben sein, dies begründet jedoch keine Zweifel am im Streitpatent gelehrten Einfluss der Struktur der Webart. Es wurde nicht bestritten, dass die Struktur selbst zutreffend dargestellt wurde (Figuren 5-7). Zudem sind die Webarten im Anspruch konkret genannt.
4.7 Es ist ferner glaubhaft, dass das mögliche Zusetzen des Filtergewebes durch Ausbildung eines Filterkuchens insbesondere Filtergewebe geringer Maschenweiten betrifft, diese aber wiederum die gewünschte hohe Filterwirkung ermöglichen. Genauso ist es glaubhaft, dass der äußere Filter durch seine kleinere Maschenweite ein Zusetzen des stromabwärts angeordneten inneren Filterelements verhindert. Die mögliche Fließrichtung wird durch die beanspruchte Ausgestaltung des Saugkopfes implizit festgelegt, wie oben ausgeführt (Punkt 1.4). Hierbei handelt es sich um ein funktionelles Zusammenwirken der unterscheidenden Merkmale, wenn auch nicht um einen synergistischen Effekt im Sinne einer sich verstärkenden Wirkung.
Die Beschwerdeführerin, die diese zentrale Lehre des Streitpatents anzweifelt, hat hingegen keinerlei Nachweis dafür vorgelegt, dass die Filterkuchenbildung bei den bekannten drei Grundwebarten gleich wäre, d.h. dass in Bezug auf die Bildung von Filterkuchen kein Vorteil gegenüber der (nicht anspruchsgemäßen und anders strukturierten) Leinwandbindung erhalten werde und dies unabhängig von der Maschenweite sei.
4.8 Es handelt sich auch nicht lediglich um einen Bonuseffekt. Ein solcher könnte nur angenommen werden, wenn die Fachperson unweigerlich zum beanspruchten Gegenstand geleitet würde, im Sinn einer Einbahnstraßensituation. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere kann eine Einbahnstraßensituation nicht allein aus dem Grund angenommen werden, dass die Fachperson nur wenige Auswahlmöglichkeiten für die Webart hat (zwei der drei Grundwebarten, d.h. das "Abwählen" der Leinwandbindung), zumal der Unterschied nicht allein in der Webart, sondern zudem in der Maschenweite des Gewebes zu sehen ist. Die Fachperson könnte durchaus eine andere Webart und andere Maschenweitenbereiche in Betracht ziehen. Sie hat keine Veranlassung, gerade eine der beanspruchten Webarten im beanspruchten Maschenweitenbereich zu wählen, wie in den nächsten Punkten weiter ausgeführt.
4.9 Aus diesen Gründen ist es nicht notwendig, die technische Aufgabe (Punkt 4.2) umzuformulieren.
4.10 D1 befasst sich nicht ausdrücklich mit der oben genannten technischen Aufgabe, bei hoher Filterwirkung über eine lange Betriebsdauer den Strömungswiderstand des Saugkopfes nicht unerwünscht ansteigen zu lassen. D1 enthält überhaupt keine Lehre zur Wahl des Filtergewebes, weder in Bezug auf die Webart, noch auf die Maschenweite - weder absolut noch relativ zum ersten Filter. Auf Basis der Lehre des Dokuments D1 würde die Fachperson der Webart keine besondere Bedeutung beimessen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann der generische Verweis auf Filtergewebe ("filter mesh") nicht mit einer expliziten Aufzählung der Grundwebarten gleichgesetzt werden, auch wenn unstreitig ist, dass diese Leinwandbindung, Köperbindung und Atlasbindung sind (Beschwerdeerwiderung, Seite 4, letzter Absatz). D1 gibt keinen Hinweis auf die Teilchengröße der zu filtrierenden Partikel, so dass sich daraus ebenso wenig eine Information bezüglich der zu verwendenden Maschenweite herleiten lässt.
Auch wenn die Fachperson notwendigerweise ein Filtergewebe einer Maschenweite bereitstellen muss, findet die Fachperson in D1 somit keinerlei Hinweis auf eine der beanspruchten Webarten und den beanspruchten Maschenweitenbereich. Es gibt auch keinen Hinweis, dass die Fachperson grundsätzlich bestrebt wäre, die Maschenweite so gering wie möglich zu wählen. Zudem würde die Fachperson dadurch, dass nur drei Grundwebarten zur Verfügung stehen, nicht zwangsläufig zu einer der beiden beanspruchten Webarten gelangen.
4.11 Die Beschwerdeführerin verweist zudem auf D2, das die unterscheidenden Merkmale nahelegen soll.
D2 bezieht sich nicht speziell auf Filter für Kraftstoffe, sondern allgemein auf Filter für fest-flüssig Filtration, insbesondere Bandfilter oder Filterpressen. D2 offenbart ein Doppelgewebe, in dem ein Filtergewebe mit einem Stützgewebe verwoben ist (Absatz [0001] und [0002]). D2 offenbart ferner, dass ein besonders stabiles und feines Filtergewebe durch Verwendung der Köperbindung oder Atlasbindung erhalten wird (Absatz [0013]). D2 gibt einen Maschenweitenbereich von 5-100 µm an (Absatz [0017]).
Es ist nicht ersichtlich, wie D2 der mit der gestellten Aufgabe (vgl. Punkt 4.2) befassten Fachperson einen Hinweis auf die im Streitpatent beanspruchte Lösung geben sollte. Diese Aufgabe wird in D2 nicht angesprochen. Im Gegenteil, die Problematik, die Ausbildung eines Filterkuchens zu verhindern, stellt sich bei einem Bandfilter oder einer Filterpresse erst gar nicht. Darüber hinaus offenbart D2 einen breiteren Bereich für die Maschenweite, als im Streitpatent beansprucht, der zudem mit dem in D1 für den inneren Filter beschriebenen Porengrößenbereich überlappt - selbst wenn eine Obergrenze von 80 µm, entsprechend der Korngröße in D1, angenommen wird.
Daher würde die Fachperson durch die Lehre in D2 nicht zum beanspruchten Gegenstand geleitet werden.
4.12 Die Beschwerdeführerin verweist zudem auf D12, das alternativ bzw. zusätzlich zu D2 die unterscheidenden Merkmale nahelegen soll.
D12 bezieht sich auf ein Filterelement für eine Kraftstoffzufuhr für ein Kraftfahrzeug. In D12 wird das Problem des Zusetzens des Filters erwähnt. So gibt D12 an, dass im Stand der Technik aus diesem Grund eine Maschenweite von 40-80 µm üblich ist (Absatz [0004]). D12 lehrt eine Filterkonfiguration, die das Verwenden einer im Vergleich dazu geringeren Maschenweite von 15 µm erlaubt. Dies wird dadurch erzielt, dass das Filterelement mindestens zwei einheitlich ausgerichtete, konzentrische Teile aufweist und dadurch eine besonders hohe Filteroberfläche hat (Absätze [0007] und [0013]). Auch in D12 findet sich jedoch keinerlei Hinweis, dass die Auswahl einer geeigneten Webart dazu beitragen kann, bei einer geringen Maschenweite von zum Beispiel 15 µm die Bildung eines Filterkuchens zu verhindern. Darüber hinaus ist gemäß der Lehre des Dokuments D12 die dort beschriebene Filterkonfiguration, durch die eine hohe Filteroberfläche erzielt und so ein Zusetzen des Filters trotz geringer Maschenweite vermieden bzw. hinausgezögert wird, wesentlich, um eine geringe Maschenweite verwenden zu können. Daher hätte die Fachperson keinen Anreiz, diese geringe Maschenweite bei anderen Filterkonfigurationen, wie derjenigen gemäß D1, anzuwenden. Zudem wird gemäß D12 ein grober Vorfilter (Vorfilter 3 in Figur 1) verwendet, d.h. die Maschenweite bzw. Porengröße nimmt in Fließrichtung ab und verhält sich somit genau entgegengesetzt zu der im Saugkopf gemäß Streitpatent.
4.12.1 Daher würde die Fachperson ausgehend von D1 auch durch die Lehre des Dokuments D12 - allein oder zusätzlich zu D2 - nicht zum beanspruchten Gegenstand geleitet werden.
4.13 Aus diesen Gründen ist der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit unter Artikel 100 a) EPÜ nicht überzeugend, wie von der Einspruchsabteilung zutreffend so gesehen.
4.14 Dieselbe Schlussfolgerung gilt für die Ansprüche 2-12, die sich direkt oder indirekt auf Anspruch 1 beziehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.