T 1406/23 () of 28.4.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T140623.20250428
Datum der Entscheidung: 28 April 2025
Aktenzeichen: T 1406/23
Anmeldenummer: 16813242.1
IPC-Klasse: B29C 49/48
B29L 31/00
B29C 49/06
B29C 49/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wechsel von Blasformen bei Blasformmaschinen
Name des Anmelders: KRONES AG
Name des Einsprechenden: KHS GmbH
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention R 43(1)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention R 116(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Spät eingereichte Dokumente - berücksichtigt
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1b, 2, 2a, 2b (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 2c (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 1a das europäische Patent Nr. 3 294 522 den Erfordernissen des EPÜ genügt.

II. Der Einspruch war gegen das Patent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) gestützt worden.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1 EP 2 878 423 A1

D2 DE 10 2013 113 077 A1

D3 DE 10 2014 103 159 A1

D4 DE 10 2013 113 076 A1

D11 M. Wolfsteiner, "Einfluß der Robotertechnik auf

Beschäftigung und Tätigkeiten", Mitteilungen aus

der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 1983

D12 EP 2 206 565 A1

D13 EP 2 511 205 A2

III. Am 28. April 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

IV. Anträge

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 3 294 522.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis der mit Schreiben vom 9. Februar 2024 eingereichten Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e, 3, 3a, 3b, 3c, 3d, 4, 4a, 4b, 4c, 4d, 5, 5a, 5b, 5c, 5d, 6, 6a, 6b, 6c, 7, 7a, 7b, 7c, 8, 8a, 8b, 8c oder 8d, oder den mit Schreiben vom 3. März 2025 eingereichten Hilfsanträgen 9 bis 15. Sie beantragte zudem die Nichtzulassung der Dokumente D11 bis D13 und des im Lauf der mündlichen Verhandlung begründeten Einwands der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt auf Dokument D1 in Kombination mit Dokument D11.

V. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche der für die Entscheidung relevanten Anträge lautet wie folgt:

Hauptantrag (Hilfsantrag 1a im Einspruchsverfahren)

Der Vorrichtungsanspruch 1 lautet wie in der erteilten Fassung des Patents, wobei die von den Parteien verwendete Merkmalsgliederung von der Kammer eingefügt wurde:

"1. [M1a] Vorrichtung zum Umformen von Kunststoff-vorformlingen (10) zu Kunststoffbehältnissen (20)

[M1b] mit einer Transporteinrichtung (2), welche die Kunststoffvorformlinge (10) entlang eines vorgegebenen Transportpfads transportiert,

[M1c] wobei die Transporteinrichtung (2) einen beweglichen Stationsträger (12) aufweist, an dem eine Vielzahl von Umformungsstationen (8) angeordnet ist,

[M1d] wobei diese Umformungsstationen (8) jeweils Blasformeinrichtungen (14) aufweisen, welche jeweils Hohlräume ausbilden, innerhalb derer die Kunststoff-vorformlinge (10) zu den Kunststoffbehältnissen umformbar sind und diese Blasformeinrichtungen (14) jeweils an Blasformträgern (16) angeordnet sind,

[M1e] und die Vorrichtung (1) eine Wechseleinrichtung (40) aufweist, welche geeignet und dazu bestimmt ist, zumindest die Blasformeinrichtungen von deren Blasformträgern (16) zu entfernen und/oder Blasform-einrichtungen (14) an den Blasformträgern (16) anzuordnen,

dadurch gekennzeichnet, dass

[M1f] die Wechseleinrichtung (40) eine Identifizierungseinrichtung (92, 93) zum Identifizieren von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist,

[M1g] wobei bevorzugt die Identifizierungseinrichtung (92, 93) eine RFID - Erfassungseinrichtung aufweist."

Der Verfahrensanspruch 7 lautet:

"7. [M7a] Verfahren zum Betreiben einer Umformungs-einrichtung (1) zum Umformen von Kunststoffvorform-lingen (10) zu Kunststoffbehältnissen (20),

[M7b] wobei in einem Arbeitsbetrieb der Vorrichtung (1) die Kunststoffvorformlinge (10) mittels einer Vielzahl von Umformungsstationen (8) entlang eines vorgegebenen Transportpfads transportiert werden

[M7c] und durch Beaufschlagung mit einem fließfähigen Medium zu den Kunststoffbehältnissen (20) expandiert werden,

[M7d] wobei zum Expandieren der Kunststoffvorformlinge (10) Blasformeinrichtungen (14) verwendet werden, in deren Innerem die Kunststoffvorformlinge (10) zu den Kunststoffbehältnissen (20) expandiert werden,

[M7e] wobei in einem Wechselbetrieb zumindest eine der Blasformeinrichtungen (14) der Vorrichtung (1) entnommen wird und/oder eine der Blasformeinrichtungen (14) an einem Blasformträger (16) der Vorrichtung (1) angeordnet wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

[M7f] zum Wechseln der Blasformeinrichtungen (14) eine Wechseleinrichtung (40) verwendet wird und

[M7g] mittels wenigstens einer Identifizierungs-einrichtung (92, 93) wenigstens ein Teil (14a, 14b, 14c) wenigstens einer zu wechselnden Blasformeinrichtung (14) identifiziert wird und die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist."

Hilfsantrag 1b

Der Vorrichtungsanspruch 1 ist wie im Hauptantrag. Verfahrensanspruch 7 weist gegenüber dem Hauptantrag eine Änderung im Merkmal M7g auf, indem das folgende Merkmal gestrichen wurde:

"und die Wechseleinrichtung die Identifizierungs-einrichtung zum Identifizieren von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist".

Der Verfahrensanspruch lautet somit wie in der erteilten Fassung des Patents.

Hilfsantrag 2

Der Vorrichtungsanspruch 1 ist wie im Hauptantrag, wobei am Ende des Patentanspruchs das folgende Merkmal hinzugefügt wurde (erteilter Patentanspruch 6):

"die Wechseleinrichtung (40) eine Positionserfassungs-einrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist."

Der Verfahrensanspruch 6 ist wie Verfahrensanspruch 7 im Hauptantrag.

Hilfsantrag 2a

Der Vorrichtungsanspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2. Verfahrensanspruch 6 ist wie Anspruch 7 im Hilfsantrag 1b, also wie in der erteilten Fassung des Patents.

Hilfsantrag 2b

Der Vorrichtungsanspruch 1 ist wie im Hilfsantrag 2. Verfahrensanspruch 6 ist wie Patentanspruch 7 im Hauptantrag, wobei am Ende des Patentanspruchs das folgende Merkmal hinzugefügt wurde:

"die Wechseleinrichtung (40) eine Positionserfassungs-einrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist."

Hilfsantrag 2c

Der Vorrichtungsanspruch 1 und Verfahrensanspruch 6 sind wie im Hilfsantrag 2b, wobei jeweils am Ende des Patentanspruchs das folgende Merkmal hinzugefügt wurde:

"wobei es sich bei dieser Positionserfassungs-einrichtung um einen Näherungssensor oder Näherungs-initiator handelt."

VI. Die Beteiligten haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Hauptantrag: unzulässige Erweiterung -

Artikel 123 (2) EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Der geänderte Verfahrensanspruch 7 enthalte das Merkmal M7g, wonach die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen aufweist. Dieses Merkmal sei in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Verfahren beschrieben. Es sei zwar auf Seite 11, Zeilen 23 bis 33 offenbart, dieser Abschnitt betreffe jedoch nur die Vorrichtung. Zudem sei das Merkmal M7g dort auch mit weiteren Merkmalen der Vorrichtung beschrieben.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Es sei im Rahmen der Rechtsprechung der Beschwerde-kammern anerkannt, dass ein Merkmal, welches für eine Vorrichtung beschrieben wird, damit auch für ein entsprechendes Verfahren beschrieben wird und umgekehrt. Zudem handele es sich bei den in der ursprünglichen Anmeldung genannten weiteren Ausführungsformen sowohl um Ausführungsformen der Vorrichtung als auch des Verfahrens.

b) Hauptantrag: Klarheit - Artikel 84 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Laut der angefochtenen Zwischenentscheidung definiere der Begriff der Wechseleinrichtung weder konkret, aus welchen Bauteilen sie sich zusammensetze, noch über welche Bereiche der Blasformmaschine sie sich erstrecke. Daher könne das Merkmal M7g im Verfahrensanspruch 7 so verstanden werden, dass die Identifizierungseinrichtung der nicht näher definierten Wechseleinrichtung zugeordnet ist. Somit bleibe es völlig unklar, welche körperlichen oder funktionellen Eigenschaften und Beziehungen vorliegen müssen, damit die Identifizierungseinrichtung als Bestandteil der Wechseleinrichtung zugeordnet wird, die Wechseleinrichtung also die Identifizierungseinrichtung aufweise. Der Verfahrensanspruch 7 sei weder direkt noch indirekt auf den Vorrichtungsanspruch 1 zurück bezogen, so dass eine Prüfung gemäß Artikel 84 EPÜ geboten sei. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde vorgebracht, dass das in den Patentanspruch 7 aufgenommene Merkmal deswegen unklar sei, da die weite Auslegung der Kammer anders sei als die der Patentinhaberin.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Der Klarheitseinwand gegen den Verfahrensanspruch 7 sei unzulässig, da das aufgenommene Merkmal aus dem unabhängigen Anspruch 1 wörtlich übernommen worden sei. Da es unstreitig nicht möglich sei, Merkmale aus Unteransprüchen mit einem Klarheitseinwand anzugreifen, müsse dies erst recht für einen weiteren unabhängigen Anspruch gelten. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde vorgebracht, dass das in den Patentanspruch 7 aufgenommene Merkmal dieselbe Formulierung habe wie im Patentanspruch 1, so dass es für beide Patentansprüche identisch ausgelegt werden müsse.

c) Hauptantrag: Neuheit - Artikel 54 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Das Merkmal M1f von Anspruch 1 werde in Absatz 0082 des Dokuments D1 offenbart, da zum Auslesen eines QR-Codes ein geeignetes Mittel vorhanden sein müsse. Dieses Mittel bilde eine Identifikationseinrichtung, die der abstrakt und nicht abschließend definierten Wechseleinrichtung zugeordnet sei. Auch die in Absatz 0081 genannte Bildaufnahmeeinrichtung sei aus Sicht der Fachperson in der Lage, eine nicht näher spezifizierte Identifizierung in allgemeiner Weise durchzuführen. Die Absätze 0079 und 0080 seien gemeinsam mit dem Absatz 0078 zu lesen. Da sie eine Steuerung anhand von vordefinierten Referenzpunkten betreffen, bildeten sie eine Alternative zur bildgestützten Steuerung laut den Absätzen 0081 bis 0083, die wegen der Einleitung "In diesem Zusammenhang..." miteinander verbunden seien. Somit werde laut Absatz 0082 die in Absatz 0081 genannte Bildaufnahmeeinrichtung für eine Zuordnung - also eine Identifizierung - verwendet. Die Ausführungen zum Anspruch 1 gelten auch für den Verfahrensanspruch 7. Zudem sei der wesentliche Inhalt der Dokumente D2 bis D4 identisch mit dem des Dokuments D1, so dass auch diese Dokumente neuheitsschädlich für die Ansprüche 1 und 7 seien.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 sei neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Das Merkmal M1f von Anspruch 1 werde nicht in Absatz 0050 offenbart, da die Identifikation auch durch den Benutzer erfolgen könne, so dass ein vollautomatischer Wechselvorgang keine Identifikationseinrichtung voraussetze. Selbst wenn eine Identifikations-einrichtung vorhanden wäre, könne sie statt an der Wechseleinrichtung auch am Maschinengestell der Anlage montiert sein. Die im Dokument D1 offenbarte Bildaufnahmeeinrichtung sei keine Identifikations-einrichtung, da sie dazu bestimmt sei, Aufnahme- und Ablagepunkte zu erfassen. Das betreffe eine andere Problematik als eine Kennzeichnung, so dass es keinen Zusammenhang zwischen den Absätzen 0081 und 0082 des Dokuments gebe. Die Formulierung "in diesem Zusammenhang" offenbare nicht unmittelbar und eindeutig eine technische Verknüpfung. Die Ausführungen zum Anspruch 1 gelten auch für den Verfahrensanspruch 7. Zudem sei der wesentliche Inhalt der Dokumente D2 bis D4 identisch mit dem des Dokuments D1, so dass auch diese Dokumente nicht neuheitsschädlich für die Patentansprüche 1 und 7 seien.

d) Hauptantrag: erfinderische Tätigkeit -

Artikel 56 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Die Merkmale M1f und M7g seien die einzig möglichen Unterscheidungsmerkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 7 gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1. Die aus dem Dokument D1 (oder einem der analogen Dokumente D2 bis D4) bekannte Blasformeinrichtung solle laut Absatz 0050 des Dokuments vollautomatisch betrieben werden. Da die in Absatz 0004 der Patentschrift genannte Aufgabe somit bereits im Dokument D1 gelöst werde, liege die objektive technische Aufgabe darin, eine geeignete Anordnung der Identifikationseinrichtung anzugeben. Um die in Absatz 0082 des Dokuments D1 beschriebene Identifikation und Zuordnung durchzuführen, müsse die Fachperson zwangsläufig eine geeignete Anordnung der Identifikationseinrichtung wählen. Daher werde die Fachperson alleine aufgrund ihres Fachwissens die ohnehin vorgesehene Kamera auch für die bildliche Erfassung der in Absatz 0082 genannten Kennzeichnung verwenden. Da die Bildaufnahme-einrichtung laut Absatz 0081 als Bestandteil der Wechseleinrichtung ausgeführt werde, würde die Fachperson auch eine zusätzliche Identifizierungs-einrichtung laut Absatz 0082 an der Wechseleinrichtung anordnen.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Ausgehend vom Dokument D1 bestehe die objektive technische Aufgabe darin, den Wechselvorgang zu vereinfachen. Der Absatz 0082 des Dokuments D1 nenne sieben unterschiedliche Möglichkeiten der Kennzeichnung. Daher müsse die Fachperson in einer ersten Auswahl eine Kennzeichnung an den Blasformen vorsehen. In einer zweiten Auswahl müsse dann eine Kennzeichnung gewählt werden, die von einer Bildaufnahmeeinrichtung auslesbar ist, da RFID Tags nicht damit gelesen werden könnten. Wegen des Verweises auf vollständige Blasformen in Absatz 0050 des Dokuments D1 müssten Kennzeichnungen an allen drei Teilen einer Blasform angebracht werden, was nicht mit einer Kamera ausgelesen werden könne.

e) Hilfsanträge 1b, 2, 2a und 2b:

erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Absatz 0081 des Dokuments D1 beschreibe, dass die genauen Aufnahme- bzw. Ablagepunkte für die Blasform-einrichtungen erfasst werden. Damit werde unmittelbar eine geometrische Position von Blasformen und/oder Blasformteilen in Form einer Aufnahme- bzw Sollposition erfasst. Die allgemeine Definition des Merkmals enthalte keine Unterscheidung zwischen möglichen Soll- und Ist-Positionen.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Die Anspruchsfassung von Hilfsantrag 1b entspreche der erteilten Fassung. Die Vorrichtungsansprüche 1 der Hilfsanträge 2, 2a und 2b seien gleich. Sie seien jeweils durch das Merkmal eingeschränkt worden, dass die Wechseleinrichtung eine Positionserfassungs-einrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position der Blasformen und/oder der Blasformteile aufweise. Eine derartige Positionserfassungseinrichtung ergebe sich nicht aus Absatz 0081 des Dokuments, da die dort genannten Aufnahme- oder Ablagepunkte Positionen bzw. Ablagepunkte an den entsprechenden Blasformträgern beträfen, nicht aber die Position der Blaformeinrichtungen selbst erfasst werde. Dabei handele es sich um eine momentane Position der Blasformen oder Blasformteile, also eine Ist-Position.

f) Hilfsantrag 2c: Klarheit - Artikel 84 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Das zusätzliche Merkmal "wobei es sich bei dieser Positionserfassungseinrichtung um einen Näherungssensor oder Näherungsinitiator handelt" sei nicht klar. Obwohl das Merkmal zwei Alternativen zu enthalten scheine, handele es sich um synonyme Begriffe.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Selbst wenn es sich bei den Begriffen Näherungssensor und Näherungsinitiator um Synonyme handele, führe dies nicht zu einer Unklarheit, da für einen Fachmann klar sei, um welches technische Gerät es sich dabei handelt.

g) Hilfsantrag 2c: Zulassung der Dokumente D11 bis D13

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Das Dokument D11 sei im Rahmen der Zwischenentscheidung zurecht in dem Verfahren zugelassen worden. Es liege im Ermessen der Einspruchsabteilung entsprechenden Stand der Technik im Verfahren zuzulassen. Eine Fehlanwendung des der Einspruchsabteilung zustehenden Ermessens sei nicht erkennbar. Auch die Patentinhaberin habe im Rahmen der Beschwerdeerwiderung keine entsprechenden Anhaltspunkte vorgetragen. Die Dokumente D12 und D13 seien gegebenenfalls im Verfahren zuzulassen, da sie konkret die Aufnahme eines nicht recherchierten Merkmals im Rahmen von Hilfsanträgen betreffen. Entsprechender Stand der Technik sei zu Beginn des Einspruchsverfahrens überhaupt nicht notwendig gewesen, um das Patent in seiner erteilten Fassung anzugreifen.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Die Nicht-Zulassung der Dokumente D11 bis 13 zum Beschwerdeverfahren wurde beantragt. Die Zulassung von D11 zum Einspruchsverfahren sei fehlerhaft, da die Einsprechende im Einspruchsverfahren nicht dezidiert dargelegt habe, weshalb D11 prima facie für das Verfahren relevant sei. Es handele sich um ein allgemeines Dokument auf dem Gebiet der Robotertechnik, sodass es der Einsprechenden ohne weiteres zuzumuten gewesen sei, dieses Dokument bereits im Rahmen der Einspruchsfrist einzureichen. Zu den Dokumenten D12 oder D13 habe die Einsprechende im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung nicht mehr beantragt, diese in das Verfahren zuzulassen. Auch habe die Einsprechende nicht mehr zur Relevanz dieser Dokumente vorgetragen. Die Dokumente D12 und D13 seien auch nicht Gegenstand der Zwischenentscheidung. Im Rahmen der Beschwerdebegründung habe die Beschwerdeführerin weder begründet, weshalb diese beiden Dokumente verspätet eingereicht wurden noch weshalb diese prima facie relevant sein sollten und insbesondere nicht, weshalb diese relevanter sein sollten als die D11.

h) Hilfsantrag 2c: erfinderische Tätigkeit -

Artikel 56 EPÜ

i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)

Das zusätzliche Merkmal "wobei es sich bei dieser Positionserfassungseinrichtung um einen Näherungssensor oder Näherungsinitiator handelt" beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da es bei Greifern und insbesondere an einem Roboterarm wie jenem gemäß den Dokumenten D1 bis D4 völlig üblich sei, um die ordnungsgemäße Funktion sicherzustellen. Dazu werde auf die Dokumente D11, D12 (Spalte 4, Zeilen 36 bis 41; Ansprüche 7 und 14) und D13 (Spalte 15, Zeilen 26 bis 36; Spalte 29, Zeilen 12 bis 21; Anspruch 13) verwiesen.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Ein derartiges Merkmal sei in keiner der zitierten Entgegenhaltungen offenbart. Das Argument, wonach ein Näherungssensor an einem Roboterarm üblich sei, stehe im Widerspruch zur Auslegung der Kamera in Absatz 0081 des Dokuments D1 als Positionserfassungseinrichtung. Das Dokument D11 beziehe sich auf die Robotertechnik und es werde kein Bezug zu dem maßgeblichen technologischen Gebiet, der Getränkeherstellung oder der Blasformtechnik, hergestellt. Daher beruhe die Kombination der D1 mit der D11 auf einer Ex-post-Analyse, die nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit infrage stellen könne. Der erst im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer detailliert begründete Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gestützt auf das Dokument D1 in Kombination mit dem Dokument D11 sei nicht zuzulassen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - unzulässige Erweiterung

1.1 Der unabhängige Verfahrensanspruch 7 des Hauptantrags (Hilfsantrag 1a im Einspruchsverfahren) unterscheidet sich von der ursprünglich eingereichten Fassung darin, dass das Merkmal M7g um den Merkmalsbestandteil "und die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist" ergänzt wurde. Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet den von der Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin geteilten Befund der angefochtenen Entscheidung, wonach diese Änderung zulässig ist, siehe Absatz 5.4 der Entscheidungsgründe.

1.2 Die Parteien stimmen darin überein, dass das aufgenommene Merkmal im allgemeinen Teil der Beschreibung auf Seite 11, Zeilen 24 bis 26 der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbart wird. Die Offenbarung lautet: "Bei einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform ... weist die Wechseleinrichtung eine Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformeinrichtungen oder Blasformteilen auf". Die Beschwerdeführerin vertritt jedoch die Auffassung, dass diese Offenbarung nur die Vorrichtung, nicht aber das Verfahren betreffe. Zudem werde das aufgenommene Merkmal dort im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen beschrieben, siehe den dritten Absatz auf Seite 8 der Beschwerdebegründung.

1.3 Die Kammer sieht das anders, da die Zuordnung der Identifizierungseinrichtung zur Wechseleinrichtung auf Seite 11, Zeilen 24 bis 26 der Anmeldung im Zusammenhang mit einer "Ausführungsform" beschrieben wird. Darunter versteht die Kammer eine Ausführungsform der Erfindung, denn laut Seite 2, Zeilen 16 und 17 der ursprünglich eingereichten Anmeldung sind vorteilhafte Ausführungsformen Gegenstand der Unteransprüche. Laut Regel 43 (1) EPÜ geben Patentansprüche - und damit auch sogenannte Unteransprüche bzw. abhängige Patentansprüche - den Gegenstand des Schutzbegehrens durch Angabe der technischen Merkmale der Erfindung an. Die ursprünglich eingereichten abhängigen Patentansprüche 8 bis 13 betreffen jeweils ein Verfahren, so dass sich die Offenbarung auf Seite 11, Zeilen 24 bis 26 der Anmeldung wegen des Verweises auf eine Ausführungsform auch auf das Verfahren gemäß dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 7 bezieht. Der Bezug auf ein Verfahren wird durch die Offenbarung im unmittelbar nachfolgenden Satz bestätigt, da die auf Seite 11, Zeilen 26 bis 28 der Anmeldung beschriebene Wechseleinrichtung, deren Greifeinrichtung eine Identifikationseinrichtung in Form eines RFID-Lese- und/oder Schreibmoduls aufweist, laut Seite 12, Zeilen 1 bis 3 der Anmeldung in einem Wechselbetrieb an die Blasformeinrichtungen herangeführt wird. Die Begriffe "Wechselbetrieb" und "herangeführt wird" betreffen Tätigkeiten, und somit ein Verfahren zum Betreiben der Blasformeinrichtung mit einer solchen Wechseleinrichtung.

1.4 Im Gegensatz zur Sichtweise der Beschwerdeführerin kann die Kammer auch aus der Aussage auf Seite 14, Zeilen 4 ff. der Anmeldung nicht ableiten, dass sich die vorangehende Beschreibung - und damit die Offenbarung auf Seite 11, Zeilen 24 bis 26 - nur auf eine Vorrichtung bezöge ("Die vorliegende Erfindung ist weiterhin auf ein Verfahren zum Betreiben einer Umformungseinrichtung zum Umformen von Kunststoff-vorformlingen zu Kunststoffbehältnissen gerichtet"). Denn keineswegs wird erst ab Seite 14 der Anmeldung ein Verfahren zum Betreiben der Blasformeinrichtung beschrieben, so dass sich - so das Argument der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer - alles Vorangehende, und damit auch die Offenbarung auf Seite 11, Zeilen 24 bis 26, auf eine Vorrichtung zum Umformen von Kunststoffvorformlingen beziehen müsse. Stattdessen werden erfindungsgemäße bzw. bevorzugte Verfahren auch schon auf den Seiten 2 bis 7 der Anmeldung genannt. Daher spricht der (erneute) Verweis auf ein Verfahren auf Seite 14 der Anmeldung nicht gegen die Zulässigkeit der Änderung im Patentanspruch 7 des Hauptantrags.

1.5 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, wonach das aufgenommene Merkmal auf Seite 11, Zeilen 23 bis 33 der Anmeldung mit weiteren Merkmalen der Vorrichtung beschrieben werde, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die weiteren Merkmale, also ein Greifkopf oder eine Greifeinrichtung mit einem RFID-Lese- und/oder Schreibmodul bzw. ein Lese- oder Schreibmittel an jeder Blasformeinrichtung betreffen wegen der Formulierungen "beispielsweise" und "vorteilhaften" optionale Merkmale der Vorrichtung, die folglich in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen. Mithin führt deren Nicht-Aufnahme in den geänderten Anspruch nicht zur Unzulässigkeit der Änderung.

1.6 Aus alledem schließt die Kammer, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 7 des Hauptantrags nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, Artikel 123 (2) EPÜ.

2. Hauptantrag - Klarheit

2.1 Im Hinblick auf das Merkmal M7g im Verfahrensanspruch 7 vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass der Begriff der Wechseleinrichtung laut der angefochtenen Zwischenentscheidung weder konkret definiere, aus welchen Bauteilen sie sich zusammensetze, noch über welche Bereiche der Blasformmaschine sie sich erstrecke. Daher könne das Merkmal M7g so verstanden werden, dass die Identifizierungseinrichtung der nicht näher definierten Wechseleinrichtung zugeordnet ist. Es bleibe völlig unklar, welche körperlichen oder funktionellen Eigenschaften und Beziehungen vorliegen müssen, damit die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen aufweist. Da der Verfahrensanspruch 7 weder direkt noch indirekt auf den Vorrichtungsanspruch 1 rückbezogen ist, sei eine Prüfung gemäß Artikel 84 EPÜ geboten. Gegen diese Sichtweise hat sich die Beschwerdegegnerin mit dem Argument gewehrt, dass das aufgenommene Merkmal aus dem unabhängigen Patentanspruch 1 wörtlich übernommen worden sei, so dass der Klarheitseinwand gegen den Verfahrensanspruch 7 unzulässig sei.

Somit muss die Kammer die zwischen den Beteiligten strittige Frage klären, ob der Klarheitseinwand gegen den Patentanspruch 7 gemäß Hauptantrag überhaupt geprüft werden kann.

2.2 Bei der Prüfung nach Artikel 101 (3) EPÜ, ob das Patent in der geänderten Fassung den Erfordernissen des EPÜ genügt, sind die in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 aufgestellten Grundsätze zu berücksichtigen. Demnach können die Ansprüche des Patents in der geänderten Fassung nur auf die Erfordernisse des Artikel 84 EPÜ geprüft werden, sofern - und dann auch nur soweit - diese Änderung einen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführt (G 3/14, ABl. EPA 2015, A102, Entscheidungsformel und Leitsatz).

2.3 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass der in das Merkmal M7g des Patentanspruchs 7 aufgenommene Merkmalsbestandteil "und die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen (14) und/oder Blasformteilen (14a, 14b, 14c) aufweist" so verstanden werden kann, dass die Identifizierungseinrichtung der Wechseleinrichtung zugeordnet ist. Dabei legt der Patentanspruch durchaus nicht fest, welche körperlichen oder funktionellen Eigenschaften und Beziehungen vorliegen müssen, damit die Wechseleinrichtung die Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen aufweist. Das ist jedoch auch beim Merkmal M1f des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Fall, dessen Formulierung bis auf den unbestimmten Artikel für die Identifizierungs-einrichtung wortgleich mit dem in den Patentanspruch 7 aufgenommenen Merkmal ist. Der Vorrichtungsanspruch 1 des Hauptantrags ist unbestritten identisch mit dem erteilten Patentanspruch 1, so dass die Klarheit dieses Anspruchs nicht im Rahmen des Einspruchs(beschwerde)-verfahrens überprüft werden kann, da Klarheit kein Einspruchsgrund ist.

2.4 Die mögliche Unklarheit, die mit der Zuordnung der Identifizierungseinrichtung zur Wechseleinrichtung in Merkmal M7g des Patentanspruchs 7 gemäß Hauptantrag zusammenhängt, war bereits in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 enthalten. Folglich kann die Änderung des Merkmals M7g keinen Verstoß gegen Artikel 84 EPÜ herbeiführen, der in der erteilten Fassung des Patents - dort in Bezug auf den Patentanspruch 1 - nicht schon vorhanden gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Zuordnung der Identifizierungseinrichtung zur Wechseleinrichtung ohne Festlegung der körperlichen oder funktionellen Eigenschaften und Beziehungen untereinander im Merkmal M7g des Patentanspruchs 7 Klarheitsfragen aufwerfen würde, die sich nicht schon im Zusammenhang mit dem erteilten Patentanspruch 1 gestellt hätten.

2.5 Daher kann der von der Beschwerdeführerin erhobene Klarheitseinwand gemäß der Entscheidung G 3/14 im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht geprüft werden.

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet den von der Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin geteilten Befund der angefochtenen Entscheidung, wonach der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag neu sei, siehe Absatz 6.2 der Entscheidungsgründe.

3.2 Das auf die Patentinhaberin zurückgehende Dokument D1 betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Blasformen von Kunststoffvorformlingen. Die Vorrichtung besitzt einen beweglichen Stationsträger 12, an dem eine Vielzahl von Umformungsstationen 8 angeordnet ist, die jeweils Blasformeinrichtungen 14 aufweisen. Die Vorrichtung besitzt zudem eine Wechseleinrichtung 40, z.B. den in den Figuren 2 und 4 gezeigten Wechselroboter, um mittels dessen Greifeinrichtung 52 die Blasformeinrichtungen von den Blasformträgern zu entfernen bzw. dort anzuordnen und um die Formen in ein Magazin abzulegen bzw. dort zu entnehmen. Laut Absatz 0081 des Dokuments D1 weist die Wechseleinrichtung eine Bildaufnahmeeinrichtung, wie etwa eine Kamera, zur Erfassung der genauen Aufnahme- und Ablagepunkte für die Blasformeinrichtungen auf.

Die Kammer muss darum untersuchen, ob die im Dokument D1 beschriebene Wechseleinrichtung eine Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren der Blasformen und/oder Blasformteile im Sinne des Merkmals M1f des Patentanspruchs 1 aufweist.

3.3 Selbst wenn die Absätze 0081 bis 0083 des Dokuments D1 in Übereinstimmung mit der Sichtweise der Beschwerdeführerin wegen der Formulierung "In diesem Zusammenhang..." in Absatz 0082 miteinander verbunden und auf eine bildgestützte Steuerung gerichtet wären, wird dadurch lediglich unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Wechseleinrichtung eine Bildaufnahmeeinrichtung aufweist, siehe den ersten Satz von Absatz 0081. Die Bildaufnahmeeinrichtung wird dazu genutzt, die gewünschten Aufnahme- bzw. Ablagepunkte für die Blasformen zu erfassen, siehe den zweiten Satz von Absatz 0081. Mangels weiterer Angaben zur Nutzung der Bildaufnahmeeinrichtung schließt der Absatz 0081 nicht aus, dass sie nur zur Anzeige der Aufnahme- oder Ablagepunkte auf einem Bildschirm oder zum Erstellen einer Fotoaufnahme dient. Dagegen kann eine solche Bildaufnahmeeinrichtung aus Sicht der Kammer erst als Identifizierungseinrichtung wirken, wenn zusätzlich noch geeignete Hard- oder Softwaremittel vorhanden sind, siehe den vorletzten Absatz auf Seite 30 der Erwiderung der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdebegründung. Da solche Mittel nicht in Absatz 0081 genannt werden, wird dort nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Bildaufnahmeeinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen geeignet ist.

3.4 Zwar stehen die nachfolgenden Absätze 0082 und 0083 des Dokuments D1 wegen der darin genannten Kennzeichnung auch aus Sicht der Kammer miteinander in Verbindung, und die beiden in Absatz 0083 genannten Alternativen einer Kennzeichnung mit Strichcodes oder QR-Codes implizieren eine Kamera als Mittel zu deren Erkennung. Jedoch enthalten die beiden Absätze keinen expliziten Hinweis darauf, dass dafür die in Absatz 0081 genannte Bildaufnahmeeinrichtung verwendet wird. Deren Verwendung ist auch nicht implizit, da die genannten Zwecke - eine Erfassung von Aufnahme- bzw. Ablagepunkten für die Blasformen laut Absatz 0081 - und eine Zuordnung zwischen Blasformeinrichtungen und der jeweiligen Blasstation laut Absatz 0082 - unterschiedlich sind. Gegen die implizite Verwendung der Bildaufnahmeeinrichtung spricht zudem die dritte in Absatz 0083 aufgeführte Alternative einer Kennzeichnung mit RFID-Tags, da solche Transponder per Funk - und nicht per Bildaufnahme - ausgelesen werden. Somit schließt der Absatz 0082 nicht aus, dass die Strichcodes oder QR-Codes mit einer anderen Bildaufnahmeeinrichtung als der in Absatz 0081 genannten erkannt werden, beispielsweise mit einem Handlesegerät bzw. einer Handkamera durch einen Benutzer der Blasformmaschine. Eine Erkennung bzw. Identifizierung mit einem solchen Handgerät ist nicht dem Wechselroboter - der Wechseleinrichtung im Dokument D1 - zugeordnet, so dass dann weder der im Dokument offenbarte Wechselroboter 40 noch dessen Greifeinrichtung 52 das Handgerät aufweisen.

3.5 Aus alledem schließt die Kammer, dass das Dokument D1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Wechseleinrichtung in Form des in den Figuren 2 und 4 gezeigten Wechselroboters eine Identifizierungs-einrichtung zum Identifizieren der Blasformen und/oder Blasformteile im Sinne von Merkmal M1f des Patentanspruchs 1 aufweist. Das gilt auch für das unbestritten analog formulierte Merkmal M7g des Patentanspruchs 7. Die Kammer teilt die Sichtweise der Beschwerdeführerin, wonach der wesentliche Inhalt der Dokumente D2 bis D4 identisch mit dem des Dokuments D1 ist. Daher ist der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der Offenbarung jedes der Dokumente D1 bis D4, Artikel 54 EPÜ.

4. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

4.1 Die Einsprechende als Beschwerdeführerin bestreitet den von der Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin geteilten Befund der angefochtenen Entscheidung, wonach der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, siehe Absatz 8.3 der Entscheidungsgründe.

4.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von der Offenbarung des Dokuments D1 darin, dass die Wechseleinrichtung eine Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen aufweist, siehe oben. Dabei handelt es sich um das Unterscheidungs-merkmal des Patentanspruchs 1 im Vergleich zum Dokument D1.

4.3 Im Hinblick auf die objektive technische Aufgabe vertrat die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass sie darin bestehe, den Wechselvorgang einfacher und/oder schneller zu gestalten, siehe den dritten und vierten Absatz auf Seite 30 ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung. Die Kammer sieht das anders, da zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe die aus den Unterscheidungsmerkmalen resultierende technische Wirkung bestimmt und dann entsprechend die technische Aufgabe formuliert wird. Die von der Beschwerdegegnerin genannten Wirkungen werden im Patent nicht im Zusammenhang mit dem Unterscheidungsmerkmal genannt, siehe dessen Absätze 0035 und 0045. Daher können sie nicht zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe dienen.

4.4 Durch die in Absatz 0083 des Dokuments D1 offenbarte Kennzeichnung mittels RFID-Tags wird nach Überzeugung der Kammer implizit eine zugehörige Identifizierungs-einrichtung offenbart, die als RFID-Lese- und/oder Schreibmodul ausgebildet ist. Diese Identifizierungs-einrichtung ist auch zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen geeignet, da die Fachperson angesichts des in Absatz 0082 des Dokuments D1 formulierten Zieles, sicherzustellen, dass eine bestimmte Blasformeinrichtung bei einem weiteren Wechsel wieder der gleichen Umformungsstation zugeordnet wird, zumindest eine Kennzeichnung an der Blasformeinrichtung anbringen wird. Im Gegensatz zur Sichtweise der Beschwerdegegnerin trifft die Fachperson daher nach fester Überzeugung der Kammer gar keine erste Gruppenauswahl aus sieben unterschiedlichen Möglichkeiten, wenn "die Blasformeinrichtungen und/oder der Blasformträger und/oder die Magazineinrichtung" laut Absatz 0082 gekennzeichnet werden.

Mangels Angaben im Dokument D1 zur genauen Anordnung des für die Kennzeichnung mit RFID-Tags nötigen RFID-Lese- und/oder Schreibmoduls und mangels Hinweisen im Patent zur technischen Wirkung einer Zuordnung der Identifizierungseinrichtung zur Wechseleinrichtung - so dass diese die Identifizierungseinrichtung aufweist - sieht die Kammer die objektive technische Aufgabe in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin darin, eine geeignete Anordnung der Identifizierungseinrichtung zum Identifizieren von Blasformen und/oder Blasformteilen zu wählen.

4.5 Zur Lösung wird die Fachperson angesichts der bereits in Absatz 0081 des Dokuments D1 als Bestandteil der Wechseleinrichtung ausgeführten Bildaufnahme-einrichtung auch eine als RFID-Lese- und/oder Schreibmodul ausgestaltete Identifizierungseinrichtung an der Wechseleinrichtung anordnen. Insbesondere, da die Wechseleinrichtung während des gesamten Wechselvorgangs die zu wechselnde Blasformeinrichtung trägt und sich darum in räumlicher Nähe zu einem an der Blasform angebrachten RFID-Tag befindet. Das von der Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Identifizierung durch eine Kamera vorgebrachte Argument, wonach alle drei Teile einer Blasform gekennzeichnet werden müssten, überzeugt die Kammer nicht. Die laut Absatz 0025 des Dokuments D1 aus zwei Blasformhälften und einer Bodenform bestehende Blasform wird während des Transports von der Greifeinrichtung der Wechseleinrichtung in ihrer Gesamtheit zusammengehalten, siehe Absatz 0017 des Dokuments, indem eine z.B. formschlüssige mechanische Verbindung hergestellt wird, siehe die Absätze 0025, 0035 und die Figur 12, so dass alle drei Teile miteinander verriegelt sind, siehe Absatz 0045 des Dokuments. Daher ist eine Kennzeichnung der Blasform mit einem einzigen RFID-Tag ausreichend.

4.6 Aus alledem schließt die Kammer, dass die vom Dokument D1 ausgehende Fachperson bei der in den Absätzen 0082 und 0083 offenbarten Kennzeichnung mittels RFID-Tag auf naheliegende Weise die dazu nötige Identifizierungs-einrichtung so anordnen wird, dass der Wechselroboter - die Wechseleinrichtung - die Identifizierungs-einrichtung im Sinne von Merkmal M1f des Patentanspruchs 1 aufweist. Daher beruht der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

Die angefochtene Zwischenentscheidung ist darum aufzuheben.

5. Hilfsanträge 1b, 2, 2a, 2b - erfinderische Tätigkeit

5.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b ist identisch mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag. Sein Gegenstand beruht daher aus denselben Gründen, siehe oben, nicht auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

5.2 Der Patentanspruch 1 gemäß jedem der Hilfsanträge 2, 2a und 2b enthält gegenüber dem Hauptantrag das zusätzliche Merkmal, dass die Wechseleinrichtung eine Positionserfassungseinrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position von Blasformen und/oder Blasformteilen aufweist.

5.3 Das Dokument D1 offenbart unbestritten in Absatz 0081, dass die Wechseleinrichtung auch eine Bildaufnahme-einrichtung aufweist, mithilfe derer die genauen Aufnahme- und Ablagepunkte für die Blasform-einrichtungen erfasst werden. Das gilt auch unbestritten für die dritte in Absatz 0083 genannte Alternative einer Kennzeichnung mit RFID-Tags, da diese nicht mit der in Absatz 0081 genannten Bildaufnahmeeinrichtung ausgelesen werden können. Im Gegensatz zur Sichtweise der Beschwerdegegnerin sieht die Kammer die Ablagepunkte nicht als Punkte an den Blasformträgern, sondern als geometrische Positionen an einer anderen Stelle an, z.B. im Blasformmagazin. Denn laut Absatz 0079 des Dokuments bildet das Magazin einen Ablageort, den die Wechseleinrichtung anfährt. Siehe auch Absatz 0136 des Dokuments, wonach die Greifeinrichtung die gesamte Blasformeinrichtung zuerst der Blasformmaschine entnimmt und danach in einem weiteren Schritt auf einem (nicht gezeigten) Ablageplatz für das Bodenteil abstellt. In beiden Fällen bezieht sich der Begriff Ablage nicht auf den Blasformträger, sondern auf die Position, an welcher eine Blasformeinrichtung abgelegt wird.

5.4 Daher ist die aus dem Dokument D1 vorbekannte Bildaufnahmeeinrichtung dazu geeignet, Positionen zu erfassen, so dass eine Positionserfassungseinrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position von Blasformen und/oder Blasformteilen kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Dokument D1 darstellt. Ob es sich bei der beanspruchten Eignung der Positionserfassungseinrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position um eine Ist- oder Sollposition handelt, ist dagegen mangels entsprechender Merkmale im Patentanspruch 1 gemäß jedem der Hilfsanträge 2, 2a und 2b unerheblich. Mithin bleibt die Basis für den Aufgabe-Lösungs-Ansatz unverändert, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß jedem der Hilfsanträge 2, 2a und 2b aus denselben Gründen wie der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ausgehend vom Dokument D1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, Artikel 56 EPÜ.

6. Hilfsantrag 2c - Klarheit

6.1 Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2c ist auf eine Kombination der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 6 gerichtet und enthält das zusätzliche Merkmal "wobei es sich bei dieser Positionserfassungseinrichtung um einen Näherungssensor oder Näherungsinitiator handelt", das auf Seite 12, Zeile 16 der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart wird. Die Beschwerdeführerin bestreitet die Klarheit des Anspruchs mit dem Argument, dass das zusätzliche Merkmal zwei Alternativen enthalte, es sich dabei aber um synonyme Begriffe handele.

6.2 Im Lichte der Entscheidung G 3/14 der Großen Beschwerdekammer kann der Klarheitseinwand überprüft werden, da das angegriffene Merkmal aus der Beschreibung aufgenommen wurde. Jedoch führt der Umstand, dass die Begriffe Näherungssensor und Näherungsinitiator womöglich synonyme Bezeichnungen für eine Ausführungsform einer Positionserfassungs­einrichtung sind, nach Auffassung der Kammer nicht zur mangelnden Klarheit des Patentanspruchs. Denn der Vorrichtungsanspruch verlangt, dass die Vorrichtung zum Umformen von Kunststoffvorformlingen eine Positionserfassungseinrichtung aufweist. Deren Vorhandensein ist unabhängig davon, ob sie als Näherungssensor oder Näherungsinitiator bezeichnet wird. Selbst wenn es sich dabei tatsächlich um Synonyme handelt, weiß eine Fachperson stets, um welches technische Gerät es sich dabei handelt.

6.3 Aus diesen Gründen erfüllt der Hilfsantrag 2c die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.

7. Hilfsantrag 2c - Zulassung der Dokumente D11 bis D13

7.1 Die Beschwerdegegnerin beantragt die Nicht-Zulassung der Dokumente D11 bis D13 zum Beschwerdeverfahren. Die Zulassung des Dokuments D11 zum Einspruchsverfahren sei fehlerhaft, da die Einsprechende im Einspruchsverfahren nicht dargelegt habe, weshalb D11 prima facie für das Verfahren relevant sei. Es handele sich um ein allgemeines Dokument auf dem Gebiet der Robotertechnik, sodass es der Einsprechenden ohne weiteres zuzumuten gewesen sei, dieses Dokument bereits im Rahmen der Einspruchsfrist einzureichen. Zu den Dokumenten D12 oder D13 habe die Einsprechende im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausweislich des Protokolls zur mündlichen Verhandlung nicht mehr beantragt, diese Dokumente in das Verfahren zuzulassen. Auch habe die Einsprechende nicht mehr zur Relevanz dieser Dokumente vorgetragen. Die Dokumente D12 und D13 seien auch nicht Gegenstand der Zwischenentscheidung.

7.2 Das Dokument D11 wurde mit dem Schreiben der Einsprechenden vom 24. Februar 2023 vorgelegt. Das Dokument wurde dann während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zugelassen, siehe Absatz 7.2 der Entscheidungsgründe, und von der Einspruchs-abteilung in der Entscheidung zum Hilfsantrag 1a (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren) verwendet, siehe Absatz 8.3.3 der Entscheidungsgründe. Die Beschwerdegegnerin hat keinen Rechtsfehler in der Ermessensausübung der Einspruchsabteilung geltend gemacht. Auch die Kammer vermag keinen Rechtsfehler festzustellen, da die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht willkürlich und, indem sie die Parteien hierzu gehört hat, verfahrensgerecht ausgeübt hat, siehe die Diskussion über die Zulassung im letzten Absatz auf Seite 3 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Daher sieht die Kammer keine Rechtsgrundlage dafür, dieses Beweismittel, das der angegriffenen Entscheidung im Sinne von Artikel 12 (2) VOBK zugrunde liegt, rückwirkend nicht zuzulassen.

7.3 Die Dokumente D12 und D13 wurden ebenfalls mit dem Schreiben der Einsprechenden vom 24. Februar 2023 vorgelegt und gegen einen Hilfsantrag 2 herangezogen, siehe die Seiten 4 und 5 des Schreibens.

7.3.1 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin darin zu, dass die Einsprechende im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht beantragt hat, die Dokumente D12 und D13 in das Verfahren zuzulassen. Jedoch wurden diese Dokumente im Schreiben vom 24. Februar 2023 gegen einen Hilfsantrag 2 herangezogen, siehe die Seiten 4 und 5 des Schreibens, der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht mehr behandelt werden musste. Denn die Entscheidung erging auf Basis des höherrangigen Hilfsantrags 1a (Hauptantrag im Beschwerdeverfahren), so dass sich die Frage der Zulassung der Dokumente D12 und D13 zum Verfahren vor der Einspruchsabteilung gar nicht stellte.

7.3.2 Die Dokumente D12 und D13 wurden am 24. Februar 2023, und damit an dem in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung angegebenen Zeitpunkt nach Regel 116 (1) EPÜ vorgebracht. Laut Regel 116 (1) EPÜ, dritter Satz, brauchen nach diesem Zeitpunkt vorgebrachte neue Tatsachen und Beweismittel nicht berücksichtigt zu werden, soweit sie nicht wegen einer Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts zuzulassen sind. Daraus folgt, dass an diesem Zeitpunkt vorgebrachte neue Beweismittel, im vorliegenden Fall die Dokumente D12 und D13, grundsätzlich zuzulassen sind, wenn sie eine Reaktion auf eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts darstellen.

7.3.3 Im vorliegenden Fall hat die Patentinhaberin und jetzige Beschwerdegegnerin das Patent am 17. Februar 2023, und damit in einem frühen Stadium des Einspruchsverfahrens, geändert, indem sie in den Patentanspruch 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 2 ein Merkmal aus der Beschreibung aufnahm, siehe den ersten Absatz auf Seite 6 des Schreibens der Patentinhaberin an die Einspruchsabteilung vom 17. Februar 2023. Nach Auffassung der Kammer wurde dadurch das Patent auf eine von der Einsprechenden und jetzigen Beschwerdeführerin nicht vorhersehbare Weise geändert. Dadurch hatte sich der dem Einspruchsverfahren zugrunde liegende Sachverhalt geändert, so dass die neuen, in Reaktion darauf eingereichten Entgegenhaltungen D12 und D13 zum Verfahren zuzulassen gewesen wären. Damit sind diese Dokumente im Sinne von Artikel 12 (4) VOBK im Einspruchsverfahren in zulässiger Weise vorgebracht worden. Dagegen ist es unerheblich, dass die damalige Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht mehr zur Relevanz dieser Dokumente vorgetragen hat, dass die Dokumente D12 und D13 nicht Gegenstand der Zwischenentscheidung geworden sind, oder dass die Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerdebegründung nicht begründet habe, weshalb die beiden Dokumente verspätet eingereicht wurden oder weshalb sie prima facie relevant sind.

7.4 Die Kammer schließt aus alledem, dass die Dokumente D11 bis D13 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen sind.

8. Hilfsantrag 2c - erfinderische Tätigkeit

8.1 Die erfinderische Tätigkeit des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2c wurde ausgehend von der Offenbarung des Dokuments D1 bestritten.

8.2 Das Dokument D1 offenbart eine Bildaufnahmeeinrichtung, die dazu genutzt wird, die gewünschten Aufnahme- bzw. Ablagepunkte für die Blasformen zu erfassen, siehe den zweiten Satz von Absatz 0081 des Dokuments. Im Zusammenhang mit dieser Bildaufnahmeeinrichtung ist die Kammer bereits zum Ergebnis gelangt, dass sie eine Positionserfassungseinrichtung zum Erfassen einer geometrischen Position von Blasformen und/oder Blasformteilen bildet, siehe Absatz 5.4 der vorliegenden Entscheidung. Daher offenbart das Dokument D1 unbestritten nicht, dass es sich bei dieser Positionserfassungseinrichtung um einen Näherungssensor oder Näherungsinitiator handelt.

8.3 Absatz 0048 des Patents nennt keine technische Wirkung dieses Merkmals. Deswegen liegt nach Auffassung der Kammer die dem Unterscheidungsmerkmal zugrunde liegende objektive technische Aufgabe darin, eine alternative Positionserfassungseinrichtung vorzusehen.

8.4 Im Hinblick auf die Lösung dieser Aufgabe vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass der Einsatz eines Näherungssensors an einem Roboterarm völlig üblich sei, um die ordnungsgemäße Funktion sicherzustellen. Dazu verweist sie auf die Dokumente D11 (Abschnitt 4.2), D12 (Spalte 4, Zeilen 36 bis 41: "Bei der mechanischen Art und Weise ist der Sensor ein Näherungsinitiator, ...") und D13 (Spalte 15, Zeilen 26 bis 36; Spalte 29, Zeilen 12 bis 21; Patentanspruch 13).

8.5 Die Kammer versteht den Verweis der Beschwerdeführerin auf "völlig üblich" in dem Sinne, dass der Einsatz eines Näherungssensors am Roboterarm des Dokuments D1 durch das Fachwissen nahegelegt werde. Davon ist die Kammer nicht überzeugt:

8.5.1 Bei den Dokumenten D12 und D13 handelt es sich um Patentschriften. Nach ständiger Rechtsprechung gehören Patentschriften in der Regel nicht zum allgemeinen Fachwissen, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts ("RdBK"), 10. Auflage 2022, I.C.2.8.2. Das ist unabhängig davon, ob diese Patentschriften - wie im vorliegenden Fall - auf die Patentinhaberin zurückgehen, siehe das diesbezügliche Argument im dritten Absatz auf Seite 26 der Beschwerdebegründung. Die Beschwerdeführerin hat nicht begründet, warum die Patentschriften D12 und D13 im vorliegenden Fall dennoch das Fachwissen der Fachperson auf dem Gebiet der Blasformtechnik belegen sollen. Da jeder Verfahrensbeteiligte für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig ist, siehe RdBK, III.G.5.1.1. kann sich die Kammer der Sichtweise der Beschwerdeführerin mangels Begründung nicht anschließen. Daher stellen die Dokumente D12 und D13 keinen Beleg für das Fachwissen dar.

8.5.2 Im Hinblick auf das Dokument D11 vertrat die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Hauptantrag die Auffassung, dass Industrieroboter und deren Ausgestaltungsmöglichkeiten zu dem Grundwissen eines Maschinenbauingenieurs gehören, und dass das Dokument D11 diese Grundlagen in allgemeiner Form wiedergibt, siehe den vorletzten Absatz auf Seite 20 der Beschwerdebegründung. Das Dokument D11 ist ein Sonderdruck aus den "Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB)", die Arbeiten aus den Wissenschaftsdisziplinen veröffentlichen, die sich mit den Themen Arbeit, Arbeitsmarkt, Beruf und Qualifikation befassen, siehe den ersten Absatz auf Seite 2 des Dokuments. Derartige Veröffentlichungen bilden in der Regel nicht das allgemeine Fachwissen ab. Aber selbst wenn das Dokument D11 das allgemeine Fachwissen belegen würde, ist dem Dokument entgegen der Sichtweise der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen, dass der Einsatz eines Näherungssensors an einem Roboterarm fachüblich ist. Denn das Dokument D11 enthält weder den Begriff Näherungssensor noch den Begriff Näherungsinitiator. Auch der Verweis auf den Absatz 4.2 des Dokuments führt zu keinem anderen Ergebnis, da dort erläutert wird, dass man für das Messen der Umfeldgegebenheiten von Robotern zwischen einfachen schaltenden Sensoren mit Binärausgang, Sensoren für ein- und mehrdimensionale analoge Größen und bildverarbeitenden Sensoren unterscheidet. Dagegen enthält das Dokument D11 keinen Hinweis darauf, eine Positionserfassungseinrichtung in Form einer Kamera laut Absatz 0081 des Dokuments D1 durch einen (gemäß D12 mechanisch arbeitenden) Näherungssensor oder Näherungsinitiator zu ersetzen.

8.5.3 Daher beruht die Kombination der Dokumente D1 und D11 - ungeachtet der von der Beschwerdegegnerin bestrittenen Zulassung des vertieften Vortrags zum Dokument D11 - nach Auffassung der Kammer auf einer Ex-post-Analyse, die nicht das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit infrage stellen kann. Somit liegt ausgehend vom Dokument D1 eine alternative Positionserfassungs-einrichtung in Form eines Näherungssensors oder Näherungsinitiators nicht nahe. Das gilt auch für das unbestritten analog formulierte Merkmal im unabhängigen Verfahrensanspruch 6. Die Kammer teilt die Sichtweise der Beschwerdeführerin, wonach der wesentliche Inhalt der Dokumente D2 bis D4 identisch mit dem des Dokuments D1 ist. Daher beruht der Gegenstand der unabhängigen Patentansprüche 1 und 6 gemäß Hilfsantrag 2c ausgehend von jedem dieser Dokumente auf erfinderischer Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

9. Ergebnis

Somit gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass die Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2c die Erfordernisse des EPÜ erfüllen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geänderter Fassung mit folgenden Unterlagen und einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 12, eingereicht als Hilfsantrag 2c mit der Beschwerdeerwiderung vom 9. Februar 2024.

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