T 1193/23 () of 15.4.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T119323.20250415
Datum der Entscheidung: 15 April 2025
Aktenzeichen: T 1193/23
Anmeldenummer: 16179207.2
IPC-Klasse: D01H 4/44
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: C
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUM SICHEREN STARTEN UND/ODER STOPPEN EINES ROTORS EINER ROTORSPINNMASCHINE UND ROTORSPINNMASCHINE
Name des Anmelders: Rieter CZ s.r.o.
Name des Einsprechenden: Saurer Spinning Solutions GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag 1-3 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 4, 5 (nein)
Orientierungssatz:

Allein die allgemein zunehmende Verbreitung und Nutzung von Chatbots, die auf Sprachmodellen ("large language models") und/oder "künstlicher Intelligenz" beruhen, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass eine erhaltene Antwort - die auf dem Nutzer unbekannten Trainingsdaten beruhen und zudem empfindlich vom Kontext und der genauen Formulierung der Frage(n) abhängen kann - notwendigerweise das Verständnis der Fachperson auf dem jeweiligen technischen Gebiet (zum relevanten Zeitpunkt) richtig abbildet (siehe 1.1.1).

Angeführte Entscheidungen:
T 0206/22
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der festgestellt wurde, dass das Europäische Patent 3 118 356 in geänderter Fassung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

II. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung geladen.

III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) wurden die Parteien über die vorläufige Beurteilung der Sache durch die Beschwerdekammer informiert.

IV. Die mündliche Verhandlung fand am 15. April 2025 statt.

V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrecht zu erhalten.

VI. Die folgenden Dokumente aus dem Einspruchsverfahren sind für die vorliegende Entscheidung relevant:

D3: EP 1 904 754 B1,

D6: EP 1 612 308 A2.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet: (Merkmalsnummerierung in eckigen Klammern hinzugefügt entsprechend der Beschwerdebegründung, Seiten 2/3)

"[1] Verfahren zum sicheren Starten und/oder Stoppen eines Rotors [2] einer Rotorspinnmaschine zur Erzeugung von Garn, [3] mit einer Vielzahl von Rotoren, [4] die jeweils in einem von einem Deckel abgedeckten Rotorgehäuse rotieren, [5] wobei jeder Rotor von einem eigenen Motor angetrieben [6] und in zumindest einem radial und/oder axial aktiven Magnetlager, mittels einer Lageregelung gehalten wird [7] und eine Datenverbindung des Motors mit einer Steuerung vorgesehen ist, um den Rotor in verschiedenen Betriebszuständen anzusteuern, dadurch gekennzeichnet, dass

- [8.1] die Lageregelung für das oder die aktive/n Magnetlager

und/oder

- [8.2] die Datenverbindung zur Steuerung des Motors überprüft wird [9] und im Falle, dass vorgegebene Sollwerte und/oder Zustände nicht erreicht werden, der Start des Rotors blockiert wird oder der bereits laufende Rotor gezielt gestoppt wird."

Anspruch 14 des Hauptantrags lautet:

"Rotorspinnmaschine mit einer Vielzahl von Rotoren, die jeweils in einem von einem Deckel abgedeckten Rotorgehäuse rotierbar sind, wobei jeder Rotor von einem eigenen Motor antreibbar und in zumindest einem radial und/oder axial aktiven Magnetlager, mittels einer Lageregelung haltbar ist und einer Datenverbindung des Motors mit einer Steuerung zum Ansteuern des Rotors in verschiedenen Betriebszuständen,

dadurch gekennzeichnet, dass sie zur Durchführung des Verfahrens, nach einem oder mehreren der vorherigen Ansprüche, geeignet ist."

Im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 wurde die Konjunktion "und/oder" und das auf sie folgende Merkmal 8.2 ("die Datenverbindung zur Steuerung des Motors") gestrichen.

In Hilfsantrag 2 wurde ebenfalls die Konjunktion "und/oder" und das vorausgehende Merkmal 8.1 ("die Lageregelung für das oder die aktive/n Magnetlager") gestrichen, das Merkmal 8.2 wieder eingefügt.

In Hilfsantrag 3 wurden beide Merkmale 8.1 und 8.2 wie im Hauptantrag beibehalten und die "oder"-Konjunktion zwischen ihnen gestrichen.

In Hilfsantrag 4 wurde aufbauend auf Anspruch 1 des Hauptantrags zwischen Merkmalen 8.2 und 9 das folgende Merkmal eingefügt:

"[...Motors überprüft wird] und

- dass zusätzlich der ordnungsgemäß geschlossene Deckel überprüft wird [und im Falle...]"

In Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 wurde zusätzlich dazu das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt:

"und dass die Überprüfung, ob der Deckel geöffnet werden darf, redundant, insbesondere durch Überprüfung der Drehzahl und des aktuellen Betriebszustandes des Rotors, erfolgt."

Der Wortlaut des auf die Rotorspinnmaschine gerichteten Anspruchs bleibt in allen Hilfsanträgen unverändert.

VIII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Hauptantrag

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber zumindest der D3. D3 offenbare die beiden von der Einspruchsabteilung angenommenen Unterscheidungs­merkmale 8.1 und 8.2. Diese seien von der Einspruchsabteilung zu eng ausgelegt worden. Anspruch 1 definiere nicht, wodurch bzw. in welcher Form eine Überprüfung der Lageregelung oder der Datenverbindung durchgeführt werde. Der Anspruch umfasse jede technisch sinnvolle Form einer Überprüfung und schließe insbesondere auch eine manuelle Prüfung durch eine Bedienperson zum Beispiel im Rahmen der Inbetriebnahme der Rotorspinnmaschine nicht aus. Eine manuelle Prüfung einer Datenverbindung - z. B. im Rahmen einer Wartung oder Installation - sei zwingend und damit notorisch bekannter Stand der Technik. Unter den Begriff "Lageregelung" im Anspruch 1 falle auch ein entsprechender Vorgang, so dass die Überprüfung nach Merkmal 8.1 nicht eingeschränkt auf eine Überprüfung einer gegenständlichen Vorrichtung in Hinsicht auf ihre Funktionsfähigkeit verstanden werden dürfe. Merkmal 9 beziehe sich nur allgemein auf vorgegebenen Sollwerte und/oder Zustände, aber nicht explizit auf das Überprüfen der Lageregelung oder der Datenverbindung nach Merkmalen 8.1 und 8.2. Auch sei der Anspruch bezüglich der Überprüfung gemäß Merkmalen 8.1, 8.2 und 9 keineswegs auf eine Start- oder Stoppphase beschränkt, was sich aus dem Wortlaut des Merkmals 9 selbst ergebe, wonach der Start des Rotors blockiert werden könne und es somit überhaupt nicht erst zu einem Starten kommen müsse.

Die in Absätzen 8, 10, 11 und 31 bis 38 der D3 offenbarte Überwachung der Lagerluftspalte stelle eine Überprüfung der Lageregelung gemäß Merkmal 8.1 dar. Eine Überschreitung der festgelegten Grenzwerte für den Lagerluftspalt führe zum Abschalten des Antriebs, wie in Merkmal 9 von Anspruch 1 gefordert. Die Überprüfung der Datenverbindung gemäß Merkmal 8.2 in Verbindung mit den in Merkmal 9 definierten Folgen ergebe sich implizit aus Absätzen 31 und 32, da sie eine unabdingbare Voraussetzung für den Betrieb der in D3 offenbarten Rotorspinnmaschine darstellten. Dass diese Überprüfung nicht explizit in D3 erwähnt sei, liegt an ihrer Trivialität. Sie zu unterlassen grenze an Böswilligkeit bzw. Sabotage. Zumindest beim Aufbau, bzw. der Inbetriebnahme der Maschine werden beide Prüfungen notwendigerweise auch manuell vorgenommen.

Außerdem sei die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass Merkmale 1, 3 und 4 nicht in D3 offenbart wären, unsubstantiiert. Darüber hinaus liest die Fachperson diese Merkmale zweifelsfrei in D3 mit. Die Hinweise auf hohe Drehzahlen in Absatz 2, sowie auf die Anwendung des Verfahrens bei elektromotorischen Antrieben in Rotorspinnmaschinen gemäß Anspruch 21 der D3 implizierten Merkmale 3 und 4. Aus dem Hinweis auf Risiken von Beschädigungen des Antriebs, wie sie zum Beispiel in Absätzen 3 und 8 der D3 erwähnt werden, wird auch deutlich, dass die offenbarten Verfahren ein sicheres Starten oder Stoppen der Antriebe entsprechend Merkmal 1 zum Ziel haben.

Hilfsanträge 4 und 5

Hilfsanträge 4 und 5 seien unsubstantiiert und sollten nicht in das Verfahren zugelassen werden.

Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 sei darüber hinaus durch eine Kombination von D3 und D6 nahegelegt. Ausgehend von D3 sei die objektive Aufgabe, die durch das zusätzlich aufgenommene Merkmal gelöst werde, einen sicheren Betrieb bei hohen Drehzahlen des Spinnrotors zu gewährleisten. D6 gehöre zum gleichen technischen Gebiet wie D3 und offenbare ein in vielerlei Hinsicht sehr ähnliches Verfahren. Absatz 15 der D6 offenbare, dass bei Überschreiten eines Schwellwerts einer elektrischen Größe, die als Maß für die Drehzahl des Spinnrotors gedeutet wird, ein Signal generiert wird, wodurch das Deckelelement am Rotorgehäuse verriegelt und der Antrieb des Spinnrotors für einen Neustart freigeschaltet wird. Das Erreichen des Schwellenwertes als Maß der Drehzahl werde in Absatz 18 der D6 als sicherer Indikator dafür gewertet, dass das Rotorgehäuse durch das Deckelelement vorschriftsmäßig verschlossen ist (siehe außerdem Absatz 33). Der in Absatz 15 beschriebene Prozess bedeute für den Fall, dass der dort beschriebene Zustand nicht erreicht wird, den Start des Rotors gar nicht erst zuzulassen, bzw. ihn entsprechend dem Wortlaut des Anspruchs 1 zu blockieren (vgl. auch Anspruch 7 der D6). Ein entsprechendes Abbremsen für diesen Fall werde auch an anderen Stellen in D6 offenbart (siehe z.B. Anspruch 5 und Absatz 19). Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 erfordere darüber hinaus nur einen geschlossenen, aber nicht notwendigerweise verriegelten Deckel.

Auch das weitere in Hilfsantrag 5 hinzugefügte Merkmal sei durch D6 nahegelegt. Die Merkmale, die auf den Ausdruck "insbesondere" folgen, seien fakultativ. Ohne die fakultativen Merkmale verbleibe lediglich, dass die Überprüfung, ob der Deckel geöffnet werden darf, redundant erfolgt. Wie diese Redundanz umgesetzt ist, sei dem Anspruch, ohne die fakultativen Merkmale nicht zu entnehmen. Demnach scheine Anspruch 1 ohne die fakultativen Merkmale nur dahingehend weiter eingeschränkt zu sein, dass ein mehrfaches Überprüfen vollzogen werde, welches auch in derselben Art und Weise durchgeführt werden könne. Das hinzugefügte Merkmal löse die Aufgabe, die Betriebssicherheit im laufenden Betrieb zu verbessern. Die anspruchsgemäße Lösung finde sich in D6. Entsprechend Absätzen 35 und 36 der D6 könne der Deckel nur geöffnet werden, wenn die Drehzahl des Spinnrotors unter ein bestimmtes Niveau abgesunken ist. Dazu werde "wenigstens eine" elektrische Größe, die als Maß für die Drehzahl gedeutet wird, überprüft. Der Ausdruck "wenigstens eine" bedeutet hier "eine, zwei oder mehrere", so dass eine redundante Prüfung hier implizit offenbart sei. Eine solche Auslegung sei technisch sinnvoll, da sie dem in D6 verfolgten Zweck der Erhöhung der Betriebssicherheit diene. D6 offenbare dementsprechend auch mehrere elektrische Größen, die dafür herangezogen werden könnten (siehe zum Beispiel Absätze 16 und 17). Redundanz stelle darüber hinaus für die Fachperson eine bekannte Maßnahme zur Erhöhung der Betriebssicherheit dar, die insbesondere im Hinblick auf notwendige Zertifizierungen gewöhnlicherweise gefordert werde.

IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Hauptantrag

Anspruch 1 sei neu gegenüber dem aus D3 bekannten Verfahren. Merkmale 1, 3, 4, 8.1, 8.2 und 9 seien nicht offenbart.

Auch wenn eine Vielzahl von Rotoren, die in einem von einem Deckel abgedeckten Gehäuse rotieren, in Rotorspinnmaschinen durchaus üblich sei, fehle jeglicher explizite Hinweis in D3 auf die entsprechenden Merkmale 3 und 4 von Anspruch 1. Darüber hinaus sei in D3 nirgends ein Verfahren zum sicheren Starten und/oder Stoppen gemäß Merkmal 1 offenbart. Die behauptete implizite Offenbarung sei von der Beschwerdeführerin (im schriftlichen Verfahren) nicht erläutert worden.

Merkmale 8.1, 8.2 und 9 seien bei richtiger Auslegung des Anspruchs in D3 jedenfalls nicht offenbart. Die nach Merkmalen 8.1 und 8.2 durchzuführende Prüfung beziehe sich auf eine automatisierte Prüfung der Start- und Stoppvorgänge im normalen Spinnbetrieb, wie aus dem Wortlaut von Anspruch im Gesamtzusammenhang der Anmeldung hervorgehe, und schließe eine manuelle Prüfung, die weder wirtschaftlich noch technisch möglich sei, sowie eine Prüfung im Rahmen einer Wartung oder Installation der Maschine aus. Der in Anspruch 1 in Merkmalen 6 und 8.1 verwendete Begriff "Lageregelung" müsse als eine Einrichtung und nicht den Vorgang bezeichnend verstanden werden. Dies ergebe sich auch aus dem in Merkmal 6 verwendeten Ausdruck "mittels einer Lageregelung", der in gleicher Weise auch im Vorrichtungsanspruch 14 auftauche. Folglich beziehe sich die nach Merkmal 8.1 geforderte Überprüfung der Lageregelung auf die Überprüfung ihrer Funktionsfähigkeit, was durch Absatz 31 (Zeilen 15-17) der Patentschrift gestützt sei. Insbesondere seien ihre Bauteile und gegebenenfalls die für ihren Betrieb erforderliche Software zu überprüfen, was aus dem Hinweis auf den "Ausfall der Lageregelung" in Absätzen 16 und 17 der Beschreibung hervorgehe, da nur Bauteile ausfallen könnten, Prozesse oder Vorgänge hingegen nicht. Der Ausdruck "überprüfen" bedeute im Gegensatz zu "überwachen" ein nur einmaliges Prüfen. Entsprechende Anfragen in "ChatGPT" nach der Bedeutung der Begriffe "Lageregelung" und "überprüfen" im Unterschied zu "überwachen" hätten diese Auslegungen im Sinne der Beschwerdegegnerin auch bestätigt. Das Streitpatent trenne beide Begriffe voneinander (siehe auch Absatz 10), so dass es nicht gerechtfertigt sei, den Ausdruck "überprüfen" im Anspruch so breit auszulegen, dass er eine Überwachung mit einschließe. Die in Merkmal 9 genannten Sollwerte und Zustände seien bezogen auf die Ergebnisse der Überprüfung entsprechend Merkmalen 8.1 und 8.2 zu verstehen.

Zwar werde in D3 ein Istwert eines Lagerluftspaltes mit einem Sollwert verglichen und gegebenenfalls ein Antrieb abgeschaltet. Dabei erfolge allerdings keine Überprüfung entsprechend Merkmal 8.1, ob die Lageregelung in dem dargelegten Sinne überhaupt funktioniert. Darüber hinaus offenbare D3 nur ein kontinuierliches Überwachen - somit kein einmaliges Überprüfen - des Lagerluftspaltes während der normalen Produktion der Rotorspinnmaschine und betreffe also nicht die Überprüfung der Start- und/oder Stoppphase um eine Beschädigung der Vorrichtung oder eine fehlerhafte Produktion zu vermeiden. Die Steuerung gemäß D3 reagiere lediglich auf Prozess- und Störkräfte, das heißt auf Einflüsse, die während des Spinnbetriebs immer auftreten, überprüfe aber nicht die Lageregelung, zu der sie selbst gehöre. Ein Überschreiten der Grenzwerte des Lagerluftspaltes allein bedeute auch nicht, dass die Lageregelung selbst nicht mehr funktioniere.

Merkmal 8.2 sei in D3 auch nicht offenbart. Absatz 32 der D3 erwähne lediglich die Aktivierung der Regeleinrichtung und Steuerung, aber keine Überprüfung der Datenverbindung. Eine solche Überprüfung sei auch nicht zwingend erforderlich. Die Fachperson würde eine Überprüfung nicht vorsehen, da sie nur Zeit kosten und die Kosten für die Anlage erhöhen würde.

Hilfsantrag 4

Das in Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal erhöhe die Betriebssicherheit der Rotorspinnmaschine. D6 offenbare das hinzugefügte Merkmal jedenfalls nicht und könne somit in Kombination mit D3 das Verfahren nach Anspruch 1 nicht nahelegen. Absatz 15 der D6 offenbare lediglich, dass bei Überschreitung eines Schwellenwertes einer elektrischen Größe ein Signal generiert wird, das in der Steuereinrichtung dahingehend verarbeitet wird, dass das Deckelelement am Rotorgehäuse verriegelt und der Antrieb des Spinnrotors für einen Neustart freigeschaltet wird. Eine Blockade des Rotors oder ein gezieltes Stoppen des bereits laufenden Rotors sei damit nicht offenbart. Darüber hinaus führe das Erreichen des Schwellwerts der elektrischen Größe, die laut D6 als Maß für die Geschwindigkeit des Spinnrotors gilt, lediglich zu einer Annahme, dass der Deckel geschlossen sei. Ob er aber wirklich ordnungsgemäß verschlossen, d.h. verriegelt ist, sei damit nicht geprüft worden. Die Rotordrehzahl bzw. die erfasste elektrische Größe könne nämlich durch vielfältige Einflüsse verfälscht sein. Eine Prüfung, ob der Deckel ordnungsgemäß verschlossen ist, erfordere einen entsprechenden Sensor, der den Deckelzustand direkt erfasst, wie zum Beispiel einen Abstandssensor.

Hilfsantrag 5

Das zusätzlich aufgenommene Merkmal trage zur Lösung der in Absatz 6 des Streitpatents angegebenen Aufgabe bei und gewährleiste eine hohe Sicherheit beim Betrieb der Spinnmaschine. D6 könne die anspruchsgemäße Lösung dieser Aufgabe nicht nahelegen. D6 offenbare nicht, dass die Überprüfung, ob der Deckel geöffnet werden darf, redundant, insbesondere durch Überprüfung der Drehzahl und des aktuellen Betriebszustandes des Rotors, erfolgt. D6 beziehe sich nur auf die Drehzahl des Spinnrotors und überprüfe somit keine zweite, unterschiedliche Größe, wie es der Begriff "redundant" erfordert. Die beiden elektrischen Größen, die als Maß für die Rotordrehzahl in D6 genannt werden, seien ausdrücklich auch nur als gleich sichere Alternativen offenbart. Werde die in Absätzen 35 und 36 der D6 beschriebene Prüfung in das Verfahren nach D3 übernommen, so sei die gestellte Aufgabe bereits gelöst, allerdings nicht entsprechend dem hinzugefügten Merkmal von Anspruch 1. Dafür müsste die Fachperson weitere Überlegungen anstellen und zusätzliche Schritte vornehmen, nämlich neben der Überprüfung einer ersten elektrischen Größe auch, redundant, eine zweite elektrische Größe überprüfen, wofür aber D6 keine Anregung gebe. Die Heranziehung weiterer Größen benötige mehr Zeit bei der Durchführung des Verfahrens, erfordere mehr Rechnerkapazität, einen größeren technischen Aufwand und entsprechend höhere Kosten, ohne dass ein erkennbarer Nutzen vorliege.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Neuheit

1. Die Begründung der Einspruchsabteilung zur Neuheit des für gewährbar erachteten geänderten Anspruchs 1 hält einer Überprüfung nicht stand. Die Kammer ist im Gegenteil zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber dem aus D3 bekannten Verfahren ist (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).

1.1 Die Auslegung von Anspruch 1 bzw. einiger seiner Merkmale war Gegenstand kontroverser Argumente der Parteien. Bevor es also zu einem Vergleich des Gegenstands von Anspruch 1 mit dem aus D3 bekannten Stand der Technik kommt, legt die Kammer im Folgenden dar, wie der Anspruchswortlaut von einer Fachperson verstanden wird.

1.1.1 Die Beschwerdegegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer zu verschiedenen im Anspruch 1 verwendeten Begriffen, insbesondere "Lageregelung" sowie "überprüfen" im Vergleich zu "überwachen", Bezug auf Antworten genommen, die vom Chatbot ChatGPT auf diesbezügliche Anfragen erhalten wurden. Die Beschwerdegegnerin hat die umfangreichen mündlich verlesenen, teils nur stichpunktartig vorgetragenen Antworten nicht schriftlich zur Akte gegeben, worauf sie von der Kammer hingewiesen wurde. Der genaue Inhalt kann daher für die vorliegende Entscheidung keine Berücksichtigung finden. Die Kammer merkt aber in diesem Zusammenhang an, dass die Antwort von ChatGPT an sich irrelevant ist, da es bei der Auslegung des Anspruchs um das Verständnis der Fachperson geht (siehe auch T 206/22, Entscheidungsgründe 1.). Allein die allgemein zunehmende Verbreitung und Nutzung von Chatbots, die auf Sprachmodellen ("large language models") und/oder "künstlicher Intelligenz" beruhen, rechtfertigt noch nicht die Annahme, dass eine erhaltene Antwort - die auf dem Nutzer unbekannten Trainingsdaten beruhen und zudem empfindlich vom Kontext und der genauen Formulierung der Frage(n) abhängen kann - notwendigerweise das Verständnis der Fachperson auf dem jeweiligen technischen Gebiet (zum relevanten Zeitpunkt) richtig abbildet. Der Nachweis, wie bestimmte Begriffe im Anspruch eines Patents (oder einer Patentanmeldung) durch die Fachperson ausgelegt werden, kann zum Beispiel durch geeignete Fachliteratur belegt werden. Für die behaupteten unterschiedlichen Bedeutungen der oben genannten Begriffe im relevanten technischen Gebiet wurde kein derartiger Nachweis eingereicht.

1.1.2 Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin ist das Verfahren nach Anspruch 1 weder nur auf eine Start- oder Stoppphase eines Rotors eingeschränkt, noch betrifft es ausschließlich solche Vorgänge in der laufenden, stationären Fadenproduktion. Anspruch 1 schließt nicht aus, dass das Verfahren zum Beispiel auch im Rahmen der Installation bzw. der ersten Inbetriebnahme oder auch der Wartung einer Rotorspinnmaschine durchgeführt wird. Die Angabe im Anspruch "zur Erzeugung von Garn" stellt in diesem Zusammenhang keine eindeutige Einschränkung auf eine laufende Garnproduktion dar, sondern kann auch als eine Zweckangabe für die Rotorspinnmaschine verstanden werden. Darüber hinaus ist es auch bei der ersten Inbetriebnahme einer Rotorspinnmaschine nicht ausgeschlossen, dass zur Feststellung des korrekten Aufbaus, Montage und Justage bereits Testgarne erzeugt werden. Der in der Tat, wie von der Beschwerdegegnerin hervorgehoben, laut der Patentschrift wiederholt angedeutete Einsatz des Verfahrens unter Produktionsbedingungen, findet im Anspruchswortlaut keinen Ausdruck, wird aber auch nicht ausgeschlossen, sondern fällt als eine mögliche Ausführungsform ebenfalls unter den Anspruchswortlaut. Es ist auch nicht richtig, dass das Verfahren nur die Start- und/oder Stoppphase eines Rotors betreffe, nicht aber den kontinuierlichen Spinnbetrieb, wie von der Beschwerdegegnerin (teils sich selbst widersprechend) weiter behauptet wurde. Insbesondere die Option des "Verfahren[s] zum [...] Stoppen eines Rotors [...] oder der bereits laufende Rotor gezielt gestoppt wird" setzt offenbar voraus, dass der Rotor läuft, dass also das Verfahren auch auf den laufenden, stationären Produktionsprozess Anwendung findet.

1.1.3 Die Bedeutung des Merkmals 8.1 ist hinsichtlich des Begriffs "Lageregelung" und des sich an das Merkmal 8.2 anschließenden Ausdrucks "überprüfen" streitig.

1.1.4 Gegenstand einer Überprüfung ist nach dem Wortlaut von Merkmal 8.1 des Anspruchs die Lageregelung oder nach Merkmal 8.2 die Datenverbindung. Im folgenden wird die Bedeutung des Ausdrucks "überprüfen" nur hinsichtlich des Merkmals 8.1 erörtert. Seine Auslegung gilt dann aber auch für das Merkmal 8.2, was im folgenden nicht mehr erwähnt wird.

1.1.5 Wie auch von der Beschwerdeführerin argumentiert, wird im Anspruch nicht angegeben, wodurch die Überprüfung durchgeführt wird (siehe auch oben) und welcher Aspekt dabei genau überprüft wird. Die Fachperson würde aber wohl verstehen, dass die Überprüfung durch eine von der Lageregelung (bzw. Datenverbindung) getrennte Einrichtung (oder einer Person) vorgenommen werden muss. Dem wurde von der Beschwerdegegnerin nicht widersprochen (zumindest nicht insoweit es nicht um die Überprüfung durch eine Person geht).

1.1.6 Der Auslegung des Begriffs "überprüfen" im Zusammenhang mit Merkmal 8.1, als eine einmalig, und somit nicht kontinuierlich oder wiederholt durchzuführende Prüfung, wie von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, kann die Kammer nicht folgen. Eine "Überwachung" der Lageregelung ist durch das Wort "überprüft" nicht ausgeschlossen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Anspruchs selbst: laut Merkmal 1 und 9 ist, wie unter Punkt 1.1.2 bereits dargelegt, auch das Stoppen eines laufenden Rotors einer Spinnmaschine vom Anspruchswortlaut umfasst. Bedingung dafür ist laut Merkmalen 8.1 und 9, dass Sollwerte und/oder Zustände, die z.B. bei der Überprüfung der Lageregelung ermittelt wurden, nicht erreicht werden. Diese Verfahrensschritte machen für die Fachperson hinsichtlich des Stoppens eines laufenden Rotors technisch nur dann Sinn, wenn entsprechende Bedingungen wiederholt überprüft werden. Andernfalls würde nach lediglich einmaliger Überprüfung der Regelung bei einem laufenden Rotor, bei der Sollwerte und/oder Zustände erreicht werden und der Rotor folglich weiterläuft, und einem zum Beispiel späteren Ausfall der Lageregelung der Rotor dann nicht gestoppt werden. Dies steht offenbar im Widerspruch zum Ziel des beanspruchten Verfahrens. Die Beschreibung des Patents bestätigt dieses Verständnis. Absatz 10, auf den sich die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Beschwerdebegründung im Zusammenhang mit der Bedeutung des Merkmals "Lageregelung [...] überprüft wird" bezogen hat (allerdings mit Bezug auf den Absatz 9 gleichen Inhalts in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen) bezieht sich explizit auf die "Überwachung der Lageregelung" und benennt Sicherheitsrisiken, die bei einem nicht korrekt gelagerten Rotor drohen. Absatz 13, auf den die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, führt dann weiter aus: "In allen diesen oben geschilderten [d.h. einschließlich der in Absatz 10 geschilderten; Unterstreichung und Anmerkung der Kammer] Fällen wird überprüft, ob ein entsprechender geforderter Sollwert oder Zustand erreicht wird bzw. eingehalten wird. Ist dies nicht der Fall, so wird der Start des Rotors blockiert oder der bereits laufende Motor gezielt gestoppt." Die Kammer sieht darin eine Betätigung, dass auch die im Absatz 10 geschilderte "Überwachung der Lageregelung" vom Wortlaut des Merkmals 8.1 umfasst sein kann.

Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach Absatz 10 und Anspruch 1 zwei unterschiedliche Worte gebrauchen ("Überwachung", "überprüft"), die entsprechend auch eine sich gegenseitig ausschließende Bedeutung haben müssten, überzeugt die Kammer aus diesen Gründen nicht.

1.1.7 Den in Merkmalen 6 und 8.1 verwendeten Ausdruck "Lageregelung" versteht die Fachperson nicht eingeschränkt auf lediglich die gegenständlichen Merkmale, die eine Lageregelung als Einrichtung realisieren, zuzüglich der von einer solchen eventuell verwendeten Software. Wie von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen und auch von der Beschwerdegegnerin selbst in der mündlichen Verhandlung bestätigt, kann der Begriff grundsätzlich auch den Vorgang an sich bezeichnen. Die Kammer sieht entgegen dem weiteren Vortrag der Beschwerdegegnerin keinen Grund diese Bedeutung auszuschließen. Anspruch 1 ist auf ein Verfahren gerichtet und definiert, neben einigen Vorrichtungsmerkmalen im wesentlichen Verfahrensschritte. Es gibt allein aus diesem Grund schon keinen Anlass, Begriffe, die sowohl einen Vorgang wie auch eine Vorrichtung beschreiben können, in einem engen Sinne als Vorrichtungsmerkmal auszulegen. Der Ausdruck "mittels [einer Lageregelung]" im Merkmal 6 bedeutet auch nicht, dass hier ausschließlich ein technisches Mittel in Form eines Lagereglers gemeint wäre. Der Anspruch behält nämlich seine technische Bedeutung, wenn dieser Ausdruck im Sinne von "mittels eine[s] Lageregelung[sprozesses]" gelesen wird. Auch der entsprechende Wortlaut im Vorrichtungsanspruch 14 führt zu keiner anderen Schlussfolgerung, zumindest nicht in dem Sinne, dass daraus eine entsprechende gegenständliche Einschränkung im Verfahrensanspruch zu lesen wäre.

1.1.8 Das weitere Argument der Beschwerdegegnerin, wonach Merkmal 8.1 ihrer Meinung nach bedeute, dass die Lageregelung, d.h. ihre Bauteile und gegebenenfalls die zu ihrem Betrieb benötigte Software, in ihrer Funktionsfähigkeit zu überprüfen sei, und die dabei festgestellten Werte und Zustände dieser Bauteile und Software zu den in Merkmal 9 definierten Folgen führten, überzeugt die Kammer auch nicht. Wie auch von der Beschwerdeführerin bereits in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen enthält der Anspruch keine Angaben, was oder wie genau die Lageregelung überprüft werden soll. Die in der Beschreibung des Patents im Absatz 30 erwähnte Überprüfung der Funktionsfähigkeit ist im Anspruch nicht definiert und fällt somit nur als ein fakultatives, nicht einschränkendes Merkmal unter den Anspruchswortlaut.

1.1.9 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Merkmale 8.1 und 9 zusammen in einem breiteren Sinn von der Fachperson verstanden werden, als nur die Funktionsfähigkeit der Bauteile der gegenständlichen Einrichtung und ihrer Software betreffend. Anspruch 1 definiert nicht, um welche Sollwerte oder Zustände (Merkmal 9) einer Lageregelung es sich handelt. Ohne abschließend festlegen zu können, wo die Grenzen zu ziehen sind und was genau unter die Kombination der Merkmale 8.1(, 8.2) und 9 fällt, umfasst die Überprüfung der Lageregelung (oder Datenverbindung) zum Beispiel auch das Erfassen sämtlicher Parameter, die dabei von Bedeutung sein können und damit auch die Ermittlung nach Merkmal 9, ob Sollwerte oder Zustände im Zusammenhang mit solchen Parametern erreicht werden.

1.1.10 Auch wenn es für die unten folgende Begründung der mangelnden Neuheit dahingestellt bleiben könnte, hält die Kammer der Vollständigkeit fest, dass

a) Merkmal 9 nicht ausschließlich die Beurteilung von Sollwerten und Zuständen der Überprüfung der Lageregelung und/oder Datenverbindung betrifft, sondern dass Sollwerte und Zustände aus der Überprüfung anderer Vorgänge oder Komponenten (siehe zum Beispiel Anspruch 2) bei Nichterreichen auch zu den angegebenen Folgen führen können,

b) eine manuelle Überprüfung der in Merkmal 8.1 und 8.2 genannten Komponenten durch Bedienpersonal nicht ausgeschlossen ist; allein die Tatsache, dass Rotorspinnmaschinen häufig mehrere hundert Spinnstellen aufweisen, wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert, macht eine entsprechende Überprüfung technisch nicht unmöglich.

1.2 Im Rahmen des auf D3 beruhenden Neuheitseinwands gegen Anspruch 1 ist die Offenbarung der Merkmale 1, 3, 4, 8.1, 8.2 und 9 streitig. Die Offenbarung der Merkmale 2, 5, 6 und 7 in D3 ist hingegen unstreitig, so dass auf ihren Nachweis in D3 hier im folgenden verzichtet werden kann; die Nachweise in der Beschwerdebegründung wurden von der Beschwerdegegnerin auch nicht weiter beanstandet.

1.3 Wie auch die Einspruchsabteilung richtig festgestellt hat, sind Merkmale 1, 3 und 4 zumindest implizit offenbart, da sie von der Fachperson in D3 mitgelesen werden.

1.3.1 D3 offenbart ein Verfahren zum Betreiben eines elektromotorischen Antriebs für einen berührungslos gelagerten Spinnrotor (siehe zum Beispiel Ansprüche 1, 14, 20), der Teil einer Rotorspinnmaschine sein kann (siehe zum Beispiel Anspruch 21).

1.3.2 Ein Startvorgang des elektromotorischen Antriebs eines Spinnrotors wird zum Beispiel in Absätzen 10 oder 32 der D3 offenbart. Absatz 37 beschreibt hingegen eine Notfallabschaltung des elektromotorischen Antriebs, was zu einem Stoppen des Rotors führt.

1.3.3 Die Beschwerdegegnerin hat zwar zugestanden, dass die genannten Passagen ein Verfahren zum Starten oder Stoppen eines Rotors zum Gegenstand haben, aber dennoch bestritten, dass es sich dabei um ein anspruchsgemäßes Verfahren zum sicheren Starten und/oder Stoppen handelt, so dass Merkmal 1 nicht offenbart sei. Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt. Wie auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, ist es gerade Ziel des in D3 beschriebenen Verfahrens, Beschädigungen am Antrieb zu vermeiden (siehe zum Beispiel Absätze 3 und 8 der D3). Die in den zuvor genannten Absätzen 10, 32 und 37 offenbarten Start- und Stoppvorgänge dienen erkennbar diesem Zweck. Es ist nicht erkennbar, wodurch sich das beanspruchte Verfahren laut Merkmal 1 von dem in D3 offenbarten Verfahren unterscheiden könnte. Merkmal 1 von Anspruch 1 sieht die Kammer daher als explizit in D3 offenbart.

1.3.4 Die Merkmale 3 und 4 sind nach Meinung der Kammer implizit offenbart. Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin dahingehend zu, dass nirgendwo in D3 ein expliziter Hinweis auf eine Vielzahl von Rotoren (Merkmal 3), die jeweils in einem von einem Deckel abgeschlossenen Rotorgehäuse rotieren (Merkmal 4), zu finden ist. Allerdings werden die Hinweise auf "hohe Drehzahlen" im Absatz 2 der D3 und auf die Anwendung für Spinnrotoren und Rotorspinnmaschinen in Ansprüchen 20 und 21 von der Fachperson genau im Sinne dieser Merkmale verstanden. Zum Anmeldedatum der D3 war es die Regel, dass Rotorspinnmaschinen eine Vielzahl, d.h. meist mehrere hundert Rotoren aufweisen, was auch von der Beschwerdegegnerin als üblich anerkannt wurde. Eine Rotorspinnmaschine mit nur einem einzigen Spinnrotor ist zwar technisch möglich, wäre aber die absolute Ausnahme, an die die Fachperson nicht ohne expliziten Hinweis denkt. Rotoren zum Rotorspinnen werden mit Drehzahlen von weit über 100.000 Umdrehungen/min betrieben. Es ist einschlägig bekannt, dass beim Rotorspinnen zur Garnerzeugung im Spinnrotor ein Unterdruck erforderlich ist, der ein Gehäuse erfordert, das, nicht zuletzt zur Vermeidung von Gefahren, von einem Deckel verschlossen sein muss, wie auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Die Beschwerdegegnerin hat die Notwendigkeit eines mit einem Deckel verschlossenen Gehäuses zwar in der mündlichen Verhandlung angezweifelt. Nachweise, dass Rotorspinnmaschinen Spinnrotoren ohne diese Merkmale aufweisen könnten, wurden allerdings nicht erbracht. Die Kammer merkt an, dass dieser Aspekt bereits in der angefochtenen Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin entschieden wurde. Auch die Kammer hat in ihrer Mitteilung darauf hingewiesen hat, dass die Offenbarung in D3 von Merkmal 4 nur bestritten wurde, ohne dass die Beschwerdegegnerin dargelegt hat, warum die Begründung in der angefochtenen Entscheidung diesbezüglich falsch sein könnte.

Die Kammer bestätigt daher ihre bereits in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK vertretene Auffassung, dass Merkmale 3 und 4 des Anspruchs 1 des Hauptantrags von der Fachperson in D3 mitgelesen werden und folglich als implizit offenbart angesehen werden.

1.4 Die Kammer kann sich der Feststellung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht anschließen, wonach Merkmal 8.1 nicht offenbart wäre. Die Kammer sieht dieses Merkmal (in Verbindung mit Merkmal 9) aus folgenden Gründen ebenfalls in D3 offenbart.

1.4.1 In dem in D3 offenbarten Verfahren zum Betreiben eines elektromotorischen Antriebs wird die Lage seines Rotors aktiv mittels einer Regeleinrichtung geregelt. In dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel eines elektromotorischen Einzelantriebs, der in einer Spinnvorrichtung ausgeführt sein kann, ist ein Antriebsrotor 1 mittels einer aus Permanentmagneten 3, 4, 6 und 7 gebildeten Magnetlageranordnung gelagert (Absatz 25 der D3). Seine Lage wird mittels einer ansteuerbaren Aktorspule 5 geregelt, die mit der Regeleinrichtung in Wirkverbindung steht (Absatz 30). Die Regeleinrichtung besteht aus einer Sensorspule 8, einem Lagesensor 11, einem Lageregler 12, einem Leistungsverstärker 13, sowie einem Differenzverstärker 14 und einem Integrator 15 (siehe Absatz 31). Das verstärkte Ausgangssignal des Lagereglers 12 dient der Rückführung des Antriebsrotors 1 in seine neutrale Position und damit der eigentlichen Lageregelung (Absatz 33). Das verstärkte Ausgangssignal wird weiterhin mittels des Differenzverstärkers und des Integrators zur Kompensation des Offsetfehlers des Lagesensors verwendet (Absätze 34 und 35). Außerdem wird mittels des vom Integrator erhaltenen Ausgangssignals die Größe des Lagerluftspalts zwischen dem Fanglager 10 und dem Antriebsrotor 1 bestimmt und überwacht (Absätze 35 und 36). An die Regeleinrichtung schließt sich eine Steueranordnung an, die unter anderem eine digitale Steuereinheit 18 umfasst. Letztere kann als Mikroprozessor oder Computer ausgeführt sein (siehe Absatz 31). Zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens nach D3 ist auf der digitalen Steuereinheit 18 eine Software installiert (siehe Absatz 32).

Wie erwähnt wird bei dem Verfahren nach D3 neben der eigentlichen Regelung der Lage des Antriebsrotors 1 der Lagerluftspalt überwacht. Vor jedem Hochlauf des Antriebs wird der Lagerluftspalt vermessen und Grenzwerte für den sicheren Betrieb bestimmt (Absatz 32 der D3). Der Lagerluftspalt wird im stationären Betrieb des Antriebs aufgrund von Ausgangssignalen der Regeleinrichtung durch die Steuereinheit 18 bestimmt (Absatz 36). Bei Passieren der Grenzwerte erfolgt die Abschaltung des Antriebs (siehe zum Beispiel Absätze 8 bis 11, 36 und 37, insbesondere Spalte 9, Zeilen 2-4) weil bei zu kleinem Lagerluftspalt das Risiko von Beschädigungen am Lager und/oder Antrieb wächst.

1.4.2 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass ein Vergleich der Ist- und Sollwerte für den Lagerluftspalt gemäß D3, wie er für die Feststellung vorgenommen werden muss, ob Grenzwerte passiert werden, eine Überprüfung der "Lageregelung in Bezug auf Sollwerte und/oder Zustände" darstellt im Sinne des zuvor dargelegten Verständnisses der Merkmale 8.1 und 9 durch die Fachperson (siehe oben Punkte 1.1.8 und 1.1.9). Ein außerhalb bestimmter Grenzwerte festgestellter Lagerluftspalt verhindert offenbar die korrekte Funktion der Lageregelung nach D3. Dies wird zum Beispiel im Absatz 10 dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Korrektur auftretender Stör- und Prozesskräfte am Rotor zum Halten in seiner kräftefreien Schwebeposition nur solange von der Regeleinrichtung gewährleistet werden kann, wie die Größe des Lagerluftspalts innerhalb bestimmter Grenzwerte liegt. Andernfalls kann diese Lagerung von der Regeleinrichtung offenbar nicht mehr gewährleistet werden und die Antriebe werden abgeschaltet (Absätze 10, 37 und 38).

Die Kammer ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass bei einer Auslegung der Merkmale 8.1 und 9 entsprechend dem Verständnis der Beschwerdegegnerin, wonach die Lageregelung "in Bezug auf Sollwerte und/oder Zustände überprüft" werden soll, diese Merkmale zusammen explizit in D3 offenbart sind, nämlich hinsichtlich der Soll- bzw. Grenzwerte des Lagerluftspalts.

Die Kammer erkennt diesbezüglich auch keinen Unterschied zwischen dem in D3 genannten Abschalten der Antriebe und einem "gezielten Stoppen" eines bereits laufenden Rotors entsprechend Merkmal 9. Wie in Punkt 1.1.2 bereits dargelegt, ist Anspruch 1 nicht auf eine Überprüfung in einer Startphase und/oder Stoppphase eingeschränkt, wie die Beschwerdegegnerin meint, sondern umfasst auch den in den hier zuvor genannten Passagen der Beschreibung des Ausführungsbeispiels der D3 beschriebenen stationären Betrieb einer Rotorspinnmaschine und eine kontinuierliche und wiederholte Überprüfung.

1.4.3 Die Kammer kann dem Verständnis der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin nicht folgen, wonach in D3 die Steuerung zur Lageregelung ("Regeleinrichtung" in D3) selbst gehöre und letztere also nicht im Sinne von Merkmal 8.1 überprüfe. Denn wie oben bereits dargelegt, wird in D3 die Korrektur oder Kompensation von Prozess- und Störkräften von der Regeleinrichtung vorgenommen (siehe Absatz 33). Die Größe des Lagerluftspalts wird hingegen anhand von Ausgangssignalen der Regeleinrichtung der D3 überwacht (siehe Absatz 35) und wird von der digitalen Steuereinheit 18, die sich an die Regeleinrichtung anschließt (siehe Absatz 31, Spalte 7, Zeilen 21-25), also von dieser getrennt ist, ermittelt und bewertet (Absätze 36 und 37).

1.4.4 Die Kammer kann der Beschwerdegegnerin zwar dahingehend zustimmen, dass ein Passieren von Grenzwerten für den Lagerluftspalt, wie es in D3 als Voraussetzung für das Stoppen des Antriebs ("Notabschaltung") erforderlich ist, nicht bedeutet, dass die Lageregelung/Regeleinrichtung selbst nicht mehr funktionsfähig ist. Allerdings wird dies auch im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht gefordert. Es ist ausreichend, dass Sollwerte oder Zustände nicht erreicht werden, was nicht heißen muss, dass die Lageregelung an sich nicht mehr funktionsfähig wäre.

1.4.5 Die weiteren Argumente der Beschwerdegegnerin, mit denen sie der Offenbarung der Merkmale 8.1 und 9 in D3 widersprochen hat, gründen sich im wesentlichen auf einer eingeschränkten Auslegung ihres Wortlauts, dem die Kammer aus den in Punkten 1.1.2 bis 1.1.8 dargelegten Gründen nicht folgt.

1.5 Hinsichtlich der Offenbarung des Merkmals 8.2 in Verbindung mit Merkmal 9 ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass diese implizit in D3 offenbart sind.

1.5.1 Insbesondere hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass bei Vorliegen einer Datenverbindung zwischen einem Motor und einer Steuerung gemäß Merkmal 7 - eine Datenverbindung zwischen der Steuerung in Form der digitalen Steuereinheit 18 und dem Motor wird in D3 unbestritten als offenbart angesehen - keine Überprüfung vorgesehen ist, ob die Verbindung zum Motor besteht oder nicht. Für den Betrieb der digitalen Steuereinheit 18 in D3 wird entsprechende Software verwendet (siehe zum Beispiel Spalte 7, Zeilen 26 bis 32 der D3). Eine Abfrage, ob eine Datenverbindung existiert, bzw. ob Daten über diese Verbindung gegebenenfalls übertragen werden können, ist (wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen) eine unabdingbare Voraussetzung für den Betrieb der gesamten Maschine.

1.5.2 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass eine solche Überprüfung technisch nicht notwendig sei, nur zu erhöhtem Zeit- bzw. Rechenaufwand für die Kommunikation innerhalb der Maschine und zu höheren Kosten führe und ihr Fehlen allenfalls eine nicht in jedem Zustand funktionierenden Einrichtung zur Folge hätte, überzeugt die Kammer nicht. Es widerspricht technisch sinnvollem Handeln, eine Spinnmaschine, die mehrere hundert, mittels Einzelantrieben angetriebener Spinnstellen aufweisen kann, deren Antriebe zur Ansteuerung der Rotoren in verschiedenen Betriebszuständen über eine Datenverbindung zur Steuerung verfügen, so wie es in D3 unbestritten als offenbart angesehen wird, für die Eventualität eines Ausfalls oder einer Einschränkung einer solchen Datenverbindung nicht vorzubereiten. Dies würde bedeuten, dass die Steuerung zum Beispiel veranlassen würde, elektrische Leistung für die Antriebe bereitzustellen, ohne dass sicher ist, ob die Antriebe diese Leistung aufnehmen und die Rotoren in verschiedenen Betriebszuständen ansteuern können, was, wie erwähnt, technisch jedoch nicht sinnvoll ist.

1.5.3 Eine Überprüfung der Datenverbindung entsprechend Merkmal 8.2 bildet demnach eine unabdingbare Voraussetzung für den Betrieb der Antriebe einer entsprechend obiger Zusammenfassung ausgeführten Rotorspinnmaschine nach D3. Somit ist Merkmal 8.2 als implizit offenbart anzusehen.

Ebenso sind die in Merkmal 9 definierten Folgen als implizit offenbart anzusehen. Die Kammer erachtet es als einzig technisch sinnvolle Umsetzung einer solchen Überprüfung im Falle einer zum Beispiel nicht bestehenden Datenverbindung, den Start des entsprechenden Rotors zu blockieren bzw. einen laufenden Rotor gezielt zu stoppen.

1.5.4 Dass die Überprüfung der Datenverbindung nirgends in D3 erwähnt sei, wie von der Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung argumentiert, widerspricht der Schlussfolgerung der Kammer nicht. Es ist vielmehr davon auszugehen, wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen, dass eine solche Maßnahme für die Fachperson als Trivialität anzusehen ist, die hier keiner weiteren Erwähnung bedarf, insbesondere da sie auch nicht in einem besonderen Zusammenhang mit der in D3 offenbarten Regeleinrichtung steht.

1.6 Da sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags in D3 offenbart sind, sein Gegenstand somit nicht neu ist, ist der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in dieser geänderten Fassung nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 bis 3

2. Wie zuvor dargelegt, sind Merkmale 8.1 und 8.2 jeweils in Verbindung mit Merkmal 9 in D3 offenbart. Die Änderungen am Anspruch 1 gemäß Hilfsanträgen 1 bis 3 können somit zu keinem anderen Ergebnis als beim Hauptantrag führen. Merkmale 8.1 und 8.2 im Anspruch 1 des Hauptantrags sind durch die Konjunktion "und/oder" verbunden. Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 ist auf jeweils eine der sich daraus ergebenden drei möglichen Merkmalskombinationen (8.1 allein, 8.2 allein sowie "8.1 und 8.2" zusammen) eingeschränkt. Keine dieser drei Alternativen führt zu einer Abgrenzung gegenüber dem aus D3 bekannten Verfahren, so dass der jeweilige Anspruch 1 weiterhin nicht neu gegenüber D3 ist. Die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ sind deshalb nicht erfüllt. Die Beschwerdegegnerin hat hierzu auch nichts weiter vorgetragen.

Folglich ist der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung entsprechend Hilfsanträgen 1 bis 3 nicht gewährbar.

Hilfsanträge 4 und 5 - Zulassung in das Verfahren

3. Die Kammer hat die Hilfsanträge 4 und 5 entgegen ihren in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK geäußerten Bedenken und entgegen dem in der mündlichen Verhandlung vertretenem Einwand der Beschwerdeführerin in das Verfahren zugelassen. Eine Begründung dafür ist nicht erforderlich, da beide Hilfsanträge aus unten stehenden Gründen nicht gewährbar sind.

Hilfsantrag 4 - erfinderische Tätigkeit

4. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Sein Gegenstand ergibt sich in naheliegender Weise aus einer Kombination des aus D3 bekannten Verfahrens in Verbindung mit D6.

4.1 Das neu in den Anspruch aufgenommene Merkmal "dass zusätzlich der ordnungsgemäß geschlossene Deckel überprüft wird" bewirkt einen sicheren Betrieb einer Rotorspinnmaschine bei hohen Drehzahlen. Ausgehend von dem aus D3 bekannten Verfahren als nächstliegendem Stand der Technik kann eine objektive Aufgabe darin gesehen werden, einen sicheren Betrieb bei hohen Drehzahlen zu gewährleisten, wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Die Beschwerdegegnerin hat dieser Aufgabe nicht widersprochen.

4.2 Es ist unbestritten, dass D6 zum gleichen technischen Gebiet wie D3 gehört. D6 offenbart ein Verfahren zum Betreiben einer Offenend-Rotorspinnvorrichtung deren Spinnrotoren von einzelmotorischen Antrieben mit hohen Drehzahlen angetrieben werden. Die Spinnrotoren laufen in mit Deckelelementen verschlossenen Gehäusen (siehe zum Beispiel Absätze 2, 15 oder 31). D6 beschäftigt sich unter anderem mit Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Deckelelemente bei zu hohen Drehzahlen der Spinnrotoren vom Bedienpersonal nicht geöffnet werden können (siehe zum Beispiel Absatz 7). Entsprechend ist zum Beispiel vorgesehen, dass aus dem Bewegungszustand des Spinnrotors Rückschlüsse auf den Schließzustand des Rotorgehäuses gezogen werden. Zum Beispiel ist Absatz 15 der D6 hinsichtlich des Startvorgangs der Spinnrotoren zu entnehmen, dass sich nur bei einem vorschriftsmäßig geschlossenen Rotorgehäuse im unterdruckbeaufschlagten Rotorgehäuse eine Luftströmung aufbaut, die den Spinnrotor trotz abgeschalteten Antriebs auf eine Drehzahl beschleunigt, bei der wenigstens eine elektrische Größe des dabei im Generatorbetrieb laufenden Antriebs des Spinnrotors einen vorgegebenen Schwellenwert überschreitet. Bei Überschreitung dieses Schwellenwertes wird ein Signal generiert, das in der Steuereinrichtung dahingehend verarbeitet wird, dass das Deckelelement am Rotorgehäuse verriegelt und der Antrieb des Spinnrotors für einen Neustart freigeschaltet wird. Die detaillierten Abläufe werden in Absätzen 31 bis 33 anhand eines Ausführungsbeispiels beschrieben.

Diese Maßnahmen bilden folglich eine Überprüfung eines ordnungsgemäß geschlossenen Deckels im Sinne des im Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hinzugefügten Merkmals. Sie dienen insbesondere dem Zweck, die Sicherheit des Betriebs der Rotorspinnmaschine bei hohen Drehzahlen der Spinnrotoren zu gewährleisten.

Auch wenn in der Tat, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, nirgends in D6 explizit offenbart ist, dass der Start blockiert wird, wenn der Deckel nicht ordnungsgemäß geschlossen ist und die Schwellenwerte nicht erreicht werden, so stimmt die Kammer dennoch der Beschwerdeführerin dahingehend zu, dass die Passage aus Absatz 15 der D6 im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass der Start des Rotors abgebrochen wird, wenn er mangels eines vollständig verschlossenen Gehäuses und eines für seine Beschleunigung fehlenden Unterdrucks, nicht auf eine genügend hohe Drehzahl beschleunigt und die entsprechende elektrische Größe den Schwellwert nicht überschreitet. Andernfalls wäre der ganze Prüfvorgang technisch bedeutungslos.

Auf der Suche nach einer Lösung für die genannte objektive Aufgabe würde die Fachperson die aus D6 bekannte Maßnahme in dem aus D3 bekannten Verfahren implementieren und somit ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand von Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 gelangen.

4.3 Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass das Erreichen eines Schwellwerts einer elektrischen Größe, welche ein Maß für die Drehzahl des Spinnrotors darstellt, einer Überprüfung des ordnungsgemäß geschlossenen Deckels entspreche. Als Ergebnis des in D6 offenbarten Verfahrens komme es lediglich zu einer Annahme, dass der Deckel geschlossen sein könnte, ohne dass dies wirklich überprüft worden sei. Die Kammer findet dieses Argument nicht überzeugend.

4.3.1 Einerseits führt Anspruch 1 nicht aus, in welcher Form eine Überprüfung des geschlossenen Deckels durchzuführen ist, d.h. welche Art von Sensorik dazu verwendet werden soll. Laut Absatz 18 der D6 ist das Erreichen einer bestimmten Drehzahl ein "sicherer Indikator dafür, dass das Rotorgehäuse durch das Deckelelement vorschriftsmäßig verschlossen ist." Darüber hinaus bildet jedes Sensorsignal, unabhängig vom Typ des Sensors, immer nur eine indirekte Überprüfung des Deckelzustands. Die Schlussfolgerung, ob ein bestimmter Sensorwert, auch der eines von der Beschwerdegegnerin erwähnten Abstandssensors, einem geschlossenen Deckel entspricht oder nicht kann immer nur eine Annahme über seinen Zustand begründen. Es kann nie ausgeschlossen werden, dass ein Sensorwert aufgrund anderer Einflüsse falsch sein könnte und nicht dem wahren oder wirklichen Deckelzustand entspricht. Auch ein Abstandssensor kann zum Beispiel aufgrund von Verschmutzung einen falschen Wert liefern.

4.3.2 Einen Unterschied hinsichtlich der Bedeutung des Ausdrucks "ordnungsgemäß geschlossen" gegenüber dem möglichen Ergebnis einer Überprüfung des Deckelelements nach D6 als "vorschriftsmäßig verschlossen" (siehe zum Beispiel am Ende von Absatz 18) kann die Kammer nicht erkennen. Der Anspruch definiert entgegen einem weiteren Argument der Beschwerdegegnerin nämlich nicht, dass ein ordnungsgemäß geschlossener Deckel auch eine Verriegelung erfordern würde, bzw. eine Überprüfung eines ordnungsgemäß geschlossenen Deckels auch seine Verriegelung voraussetzen würde, um zum Beispiel den Start nicht zu blockieren. Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer diesbezüglich auch auf Anspruch 7 der D6 hingewiesen. Danach wird ein Schaltelement für den Neustart des Antriebes des Spinnrotors nur dann freigeschaltet, wenn vorher das Deckelelement ordnungsgemäß verriegelt wurde.

4.4 Da der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 4 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ), ist der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in dieser Fassung nicht gewährbar.

Hilfsantrag 5 - erfinderische Tätigkeit

5. Auch der weiter geänderte Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Sein Gegenstand ergibt sich in naheliegender Weise aus einer Kombination des aus D3 bekannten Verfahrens in Verbindung mit D6, unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens.

5.1 Das zusätzlich am Ende von Anspruch 1 hinzugefügte Merkmal "dass die Überprüfung, ob der Deckel geöffnet werden darf, redundant, insbesondere durch Überprüfung der Drehzahl und des aktuellen Betriebszustandes des Rotors, erfolgt", bildet eine weitere Maßnahme, die ebenfalls der Erhöhung der Betriebssicherheit im Betrieb der Rotorspinnmaschine dient, wobei die geforderte Redundanz der Prüfung eine hohe Sicherheit gewährleistet. Die Merkmale, die auf den Begriff "insbesondere" folgen, stellen als fakultative Merkmale keine Einschränkung des Gegenstands von Anspruch 1 dar und finden bei der Formulierung einer objektiven Aufgabe keine Berücksichtigung. Die Beschwerdegegnerin hat dieser Auslegung nicht widersprochen.

Es wurde nicht behauptet, dass das hinzugefügte Merkmal mit dem in Hilfsantrag 4 hinzugefügten Merkmal zusammen einen zusätzlichen technischen Effekt bewirkt, der über die Summe ihrer Einzelwirkungen hinausgeht. Zwar tragen beide Merkmale dazu bei, das Bedienpersonal vor den Gefahren eines offen mit hoher Drehzahl rotierenden Spinnrotors zu schützen, betreffen aber unterschiedliche Maßnahmen, nämlich den Betrieb mit hohen Drehzahlen bei nicht ordnungsgemäß geschlossenen Gehäusen zu verhindern, bzw. einzustellen (hinzugefügtes Merkmal laut Hilfsantrag 4), bzw. die Öffnung des Deckels erst bei genügend kleinen Drehzahlen zu erlauben (Hilfsantrag 5). Die beiden hinzugefügten Merkmale nach Hilfsantrag 4 und 5 können daher in getrennten, bzw. partiellen Aufgabe-Lösung-Ansätzen auf das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit untersucht werden. Für das nach Hilfsantrag 4 hinzugefügte Merkmal wird auf den vorstehenden Abschnitt verwiesen.

Die Beschwerdegegnerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hinsichtlich der Frage nach der zu lösenden objektiven Aufgabe auf Absatz 6 der Beschreibung des angegriffenen Patents hingewiesen. Demnach sei ein Verfahren zum sicheren Starten und/oder Stoppen eines Rotors einer Rotorspinnmaschine zu schaffen, mit welchem ein Sicherheitskonzept für die Reaktion auf verschiedene Fehler erhalten wird. Diese Aufgabe muss allerdings bereits als durch D3 gelöst angesehen werden und kann daher nicht als objektive Aufgabe angesehen werden.

Die Beschwerdegegnerin hat weiter vorgetragen, dass es Ziel sei, eine hohe Sicherheit zu gewährleisten. Eine hohe Sicherheit zu gewährleisten, sieht die Kammer insbesondere in der explizit beanspruchten redundanten Überprüfung reflektiert.

Ausgehend von dem aus D3 bekannten Verfahren kann daher auf Grundlage des weiteren hinzugefügten Unterscheidungsmerkmals nach Hilfsantrag 5 als objektive Aufgabe angesehen werden, die Betriebssicherheit derart zu erhöhen, dass eine hohe Sicherheit bei laufenden Rotoren gewährleistet ist.

5.2 Die anspruchsgemäße Lösung dieser Aufgabe wird ebenfalls durch eine Kombination von D3 mit D6 unter Berücksichtigung des Fachwissens nahegelegt.

5.2.1 D6 offenbart nämlich - neben der hier zuvor behandelten Überprüfung des Deckelzustands beim Starten eines Rotors - in Absätzen 35 und 36 auch "wenigstens eine" elektrische Größe zu überwachen, die Maß für die Drehzahl des Spinnrotors ist, und zu prüfen, ob der Spinnrotor ein vorgegebenes Drehzahlniveau unterschreitet, bevor das Rotorgehäuse geöffnet werden kann. Auch diese Maßnahme, die dem in Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 hinzugefügten Merkmal entspricht, dient erkennbar dazu, die Sicherheit für das Bedienpersonal im laufenden Betrieb der Rotorspinnmaschine zu erhöhen (siehe auch Absatz 7 der D6).

5.2.2 Es kann darüber hinaus grundsätzlich als Fachwissen vorausgesetzt werden, dass Maßnahmen die der Sicherheit im Anlagenbetrieb dienen bei Bedarf auch redundant ausgeführt werden, insbesondere dann, wenn die Anforderungen an die Sicherheit besonders hoch sind, wie auch von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde.

5.2.3 Nach Ansicht der Kammer liefert die Angabe im Absatz 36 der D6, "wenigstens eine elektrische Größe" zu überwachen, der Fachperson auch einen konkreten Hinweis (wenn nicht sogar eine implizite Offenbarung) für ein redundantes Überprüfen. Im Zusammenhang mit dem erkennbaren Ziel der dort beschriebenen Maßnahme, die Sicherheit für das Betriebspersonal zu erhöhen, geht der Ausdruck "wenigstens eine" über seinen sonst in Patentschriften häufig gesuchten Zweck hinaus, einen möglichst breiten Schutz zu bewirken. Eine Auslegung hier im Sinne von "eine, zwei oder mehrere" hat einen konkreten, für die Fachperson sofort erkennbaren Nutzen, nämlich die erwähnte Erhöhung der Betriebssicherheit.

5.2.4 Ob die Fachperson zum Zweck einer redundanten Überprüfung die beiden als Alternativen für ein Maß der Drehzahl offenbarten elektrischen Größen (Phasenspannung und Generatorspannung, siehe Absätze 16 und 17 der D6) heranzieht oder wie im Fall des in Absätzen 31 bis 33 beschriebenen Prüfens, ob das Deckelgehäuse geschlossen ist, die gleiche Größe zweimal nacheinander prüft, ist unerheblich. Wie auch von der Beschwerdeführerin vorgetragen, schließt der Anspruch nicht aus, dass ein mehrfaches (redundantes) Überprüfen auch in derselben Art und Weise durchgeführt werden kann.

5.2.5 Die Kritik der Beschwerdegegnerin, dass eine Kombination der D3 mit der D6 mehrere oder weitere Schritte erfordern würde, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen, überzeugt die Kammer nicht. Es ist zwar richtig, dass die Betriebssicherheit des Verfahrens aus D3 bereits erhöht wird, wenn nur eine einzige elektrische Größe überwacht wird, so dass ein redundantes Überprüfen anscheinend einen weiteren von der Fachperson durchzuführenden gedanklichen Schritt erfordern könnte. Aber in einem solchen Schritt sieht die Kammer im vorliegenden Fall keine erfinderische Tätigkeit begründet. Wie bereits dargelegt, gehört die Ausführung redundanter Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit zum allgemeinen Fachwissen. Außerdem bezieht sich die objektive Aufgabe nicht nur darauf, die Sicherheit zu erhöhen, sondern eine hohe Sicherheit zu gewährleisten. Dies gibt der Fachperson die Anregung es nicht bei der einfachen Übertragung der in Absätzen 35 und 36 beschriebenen Sicherheitsmaßnahme zu belassen.

Dass darüber hinaus redundante Maßnahmen mehr Rechenzeit, einen größeren materiellen Aufwand und somit auch höhere Kosten bedeuten, spricht auch nicht für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit. Es gehört zur allgemeinen Praxis der Fachperson, zwischen Kosten und Nutzen der möglicherweise anzuwendenden Maßnahmen abzuwägen.

5.3 Da auch der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ), ist der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents auf dieser Grundlage auch nicht gewährbar.

6. Da kein Antrag vorliegt, der die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, muss das angegriffene Patent widerrufen werden (Artikel 101 (3)(b) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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