European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T102723.20250521 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 Mai 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1027/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14726081.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | C01B 25/32 C01B 25/36 C01F 11/36 C01F 11/46 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR BEHANDLUNG VON PHOSPHATHALTIGEN ASCHEN AUS ABFALLVERBRENNUNGSANLAGEN DURCH NASSCHEMISCHEN AUFSCHLUSS ZUR GEWINNUNG VON ALUMINIUM-, KALZIUM-, PHOSPHOR- UND STICKSTOFFVERBINDUNGEN | ||||||||
Name des Anmelders: | Remondis Aqua GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | PRAYON | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - Hauptantrag (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 1 bis 3 (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 4 (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 3 066 048 B1 zurückzuweisen.
II. Folgende Dokumente sind hier von Relevanz:
D1: Gorazda, K. et al., Polish Journal of Chemical
Technology, 14, 3, 2012, 54-58.
D3: Krupa-Zuczek, K. et al., Polish Journal of Chemical
Technology, 10, 3, 2008, 13-20.
D6: WO 2018/046621 A1
D8: mit der Einspruchsschrift eingereichte Tests
der Einsprechenden
III. Anspruch 1 des erteilten Patents (Hauptantrag) lautet wie folgt:
"Verfahren zur Herstellung von Phosphorsäure aus phosphathaltigen Aschen aus Abfallverbrennungsanlagen, das Verfahren mindestens umfassend die Gewinnung von Kalziumphosphat, dadurch gekennzeichnet, dass
a) die Aschen mit Phosphorsäure reagiert werden,
b) der säureunlösliche Teil der Feststoffe abgeschieden wird,
c) durch Zugabe von Kalziumoxid oder Kalziumcarbonat zum Filtrat oder Überstand Kalziumphosphat-Präzipitat gewonnen und abgeschieden wird, und
zumindest teilweise das Filtrat oder der Überstand mit der entstandenen Phosphorsäure zurückgeführt wird und in der ersten Stufe zur Lösung von Inhaltsstoffen aus der Asche verwendet wird."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 enthält am Ende folgendes Merkmal
", wobei die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 60 Minuten beträgt".
Verglichen mit Anspruch 1 des erteilten Patents enthält Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 am Ende folgendes Merkmal
", wobei die phosphathaltige Asche durch Verbrennung von phosphathaltigen Klärschlämmen in einer Abfall-Verbrennungsanlage erhalten wird und
die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 60 Minuten beträgt."
Verglichen mit Anspruch 1 des erteilten Patents enthält Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 am Ende folgendes Merkmal
", wobei die Reaktionstemperatur zwischen Säure und Asche 20°C bis 60°C beträgt".
Verglichen mit Anspruch 1 des erteilten Patents enthält Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 am Ende folgendes Merkmal
", wobei die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 10 Minuten beträgt".
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 des Hilfsantrags 4 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.
IV. Die Argumente der Beschwerdeführerin spiegeln sich in den unten angegebene Entscheidungsgründen wider. Betreffend den jetzigen Hilfsantrag 4 war die Beschwerdeführerin der Meinung, dass die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt seien, da wesentliche Merkmale fehlen würden.
V. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.
D1 nehme die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des erteilten Patents nicht vorweg. In D1 werde nicht das Anfangsfiltrat zurückgeführt; auch werde das Filtrat nicht als Säureersatz eingesetzt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 basiere auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die zu lösende Aufgabe sei es, eine effizientere Wiedergewinnung von Phosphorsäure zu ermöglichen. Diese Aufgabe sei erfolgreich gelöst, und es gebe keinen Hinweis im Stand der Technik, eine Reaktionszeit zwischen 2 und 60 Minuten zu wählen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 basiere ebenfalls auf einer erfinderischen Tätigkeit. D3 sei nicht relevant, da es sich nicht mit der Herauslösung von Phosphor aus der Asche befasse.
Auch beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Eine Temperatur von 20°C bis 60°C sei im Stand der Technik nicht gelehrt. Vielmehr seien die aus D3 bekannten Temperaturen jeweils höher als 75°C.
Die Argumente betreffend Hilfsantrag 4 spiegeln sich in den unten angegebene Entscheidungsgründen wider.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent in geänderter Fassung auf Basis einer der Hilfsanträge 1 bis 14, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten, wobei Hilfsanträge 2, 3 und 4 als Hilfsanträge 3, 4 und 7, sowie Hilfsanträge 5 bis 7 als Hilfsanträge 2, 5 und 6 eingereicht wurden.
Entscheidungsgründe
Hauptantrag (Patent wie erteilt)
1. Auslegung des Anspruchs 1
Anspruch 1 bezieht sich ab Schritt c) - "durch Zugabe von Kalziumoxid oder Kalziumcarbonat zum Filtrat oder Überstand Kalziumphosphat-Präzipitat gewonnen und abgeschieden wird, und zumindest teilweise das Filtrat oder der Überstand mit der entstandenen Phosphorsäure zurückgeführt wird und in der ersten Stufe zur Lösung von Inhaltsstoffen aus der Asche verwendet wird." - auf ein Filtrat, das in den vorangehenden Schritten nicht erwähnt wird.
Die Fachperson versteht, dass das Filtrat im Schritt b) entstehen muss, obwohl dort ein Filtrat weder explizit erwähnt noch weiter definiert wird. Demzufolge ist jegliches Filtrat, das bei der Trennung eines säureunlöslichen Teils von einem säurelöslichen Teil im Schritt b) entsteht, als Filtrat im Sinne des Anspruchs zu verstehen. Von diesem Filtrat muss nur ein Teil zurückgeführt werden; eine weitere Spezifizierung dieses Teiles (durch z.B. pH-Wert) ist in Anspruch 1 nicht enthalten.
Der davon abweichenden Auslegung der Einspruchs-abteilung (II.4 und 5 der angefochtenen Entscheidung) kann nicht gefolgt werden, da sie auf Merkmalen basiert, die nicht Teil des Anspruchs sind. Das Filtrat wird im Anspruch nicht definiert, und Eigenschaften (e.g. Konzentration der Säure) des zurückzuführenden Teiles des Filtrats oder des Überstandes sind im Anspruch 1 ebenfalls nicht enthalten. Zudem ist auch nicht angegeben, dass es sich nur um das Anfangsfiltrat, das kein Waschwasser enthält, handeln soll.
Anspruch 1 enthält zudem keine Aussage zur Effizienz des Prozesses im Sinne von Menge der eingesetzten Phosphorsäure gegenüber Menge der wiedergewonnenen Phosphorsäure. Vielmehr soll nur mit der Durchführung des Prozesses Phosphorsäure aus der Asche in undefinierter Menge entstehen, die zu einem undefinierten Teil zurückgeführt wird.
2. Artikel 100(a) und 54 EPÜ
D1 offenbart in Figur 2 die Extraktion von Phosphat aus Asche aus der Klärschlammverbrennung mittels Phosphorsäure. Es ist eindeutig, dass bei diesem Extraktionsschritt auch Phosphorsäure entsteht (siehe z.B. die Zusammensetzung in Tabelle 1 aus D1). Nach der Extraktion erfolgt ein Waschschritt mit Wasser und anschließender Filtration. Das erhaltene Filtrat wird dann teilweise zurückgeführt und für die Phosphatextraktion verwendet. Dieser Teil des Filtrats enthält zwangsläufig zumindest Reste des säurelöslichen Teils aus der Reaktion der Aschen mit der Phosphorsäure. Dass - so nämlich die Beschwerdegegnerin - dieses Filtrat, das auch Phosphorsäure enthält, wie auch die Beschwerdegegnerin einräumt, nicht als Filtrat im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden sollte, erschließt sich v.a. auch deshalb nicht, weil in Absatz [0015] des Patents die Rückführung des Filtrats in Form von Waschwasser explizit erwähnt wird. Wie unter Punkt 1 ausgeführt, enthält der Anspruch 1 eben keine Details betreffend den pH-Wert und/oder die Phosphorsäure-Konzentration des zurückgeführten Filtrats, sodass das Argument, dass das Waschwasser nur als Verdünnungswasser vorgesehen sei (Absatz [0015] des Patents) und deshalb nicht als Filtrat angesehen werden könne, nicht überzeugend ist.
Der Rest des Filtrats wird in D1 mittels Kalziumoxid zu DCP (Dikalziumphosphat) reagiert.
Somit offenbart D1 unmittelbar und eindeutig alle Merkmale von Anspruch 1 des erteilten Patents, sodass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber D1 ist.
Der Hauptantrag ist nicht gewährbar.
Hilfsantrag 1
3. Artikel 54 EPÜ
Das hinzugefügte Merkmal "wobei die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 60 Minuten beträgt" ist nicht in D1 offenbart, sodass die Neuheit gegeben ist.
4. Artikel 56 EPÜ
4.1 D1 ist ein geeigneter Ausgangspunkt für die Frage der erfinderischen Tätigkeit.
4.2 Gemäß der Beschwerdegegnerin besteht die zu lösende Aufgabe darin, eine effizientere Wiedergewinnung von Phosphorsäure zu ermöglichen (Beschwerdeerwiderung, Seite 10, dritter Absatz).
4.3 Es wird vorgeschlagen, die Aufgabe durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 zu lösen, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 60 Minuten beträgt.
4.4 Um zu belegen, dass die Aufgabe gelöst wurde, beruft sich die Beschwerdeführerin auf das nachpublizierte Dokument D6 im Sinne von G 2/21 (Orientierungssatz 1). Jedoch ist dieses Dokument nicht geeignet zu belegen, dass die Aufgabe über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst wurde, v.a. auch deshalb, weil ein Effekt bei 45 Minuten nicht erkennbar ist (siehe Figuren 1a und 1b). In der Tat werden bei 45 Minuten die meisten Komponenten im gleichen Maße freigesetzt, so dass eine Trennung dieser Komponenten untereinander schwierig ist. Dies ist auch im Einklang mit Anspruch 1 der D6, der eine Reaktionszeit von weniger als 2 Minuten angibt.
Zudem hat die Beschwerdeführerin das Dokument D8 (Annex 1 der Einspruchsschrift) vorgelegt, das zeigt, dass nicht für alle Aschen bei allen Verhältnissen von Asche/Säure eine effiziente Wiedergewinnung von Phosphorsäure, bei einer Reaktionszeit zwischen Säure und Asche von 2 bis 60 Minuten, erreicht wird (siehe Tabelle A1, P1f/P0). So belegen die drei letzten Spalten (siehe jeweils die letzte Zeile), dass eine Filtrierung in bestimmten Fällen sogar unmöglich ist. Es mag sein, dass das im Test 2 und im Test 3 gewählte Verhältnis von Asche zu Säure eher unwahrscheinlich für die Fachperson ist - wie von der Beschwerdegegnerin behauptet -, jedoch bestätigt D8 dennoch, dass dieses Verhältnis bei einer Reaktionszeit von 30 Minuten und einer Temperatur von 60°C eine Rolle spielt, um die gestellte Aufgabe zu lösen. Das Argument, dass D8 nicht relevant sei, da es keinen Waschschritt enthalte, überzeugt nicht, da ein solcher Schritt, wie auch bereits oben erwähnt, nicht Teil des Anspruchs 1 ist.
Unter Berücksichtigung der Dokumente D6 und D8 kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die vorher formulierte Aufgabe über den gesamten Bereich gelöst wurde.
Die Aufgabe muss also umdefiniert werden und kann somit darin gesehen werden, ein weiteres geeignetes Verfahren zur Extraktion von Phosphorsäure bereitzustellen.
4.5 Damit ist zu prüfen, ob die Lösung dieser - weniger ambitionierten - Aufgabe naheliegend ist.
D1 offenbart, dass die Extraktion der Asche innerhalb von vier Stunden stattfindet (D1, Seite 56, rechte Spalte, dritter Absatz). Dies bedeutet nicht, dass die Reaktion zwingend vier Stunden dauern muss. Eine Fachperson, die diesen Absatz liest, weiß, dass diese Zeit von der Temperatur und der Säurekonzentration abhängt, und wird deshalb die Reaktionszeit an die zu extrahierende Asche anpassen.
D3 offenbart (Seite 16, linke Spalte, erster Absatz), dass zur Auflösung von Hydroxylapatit, das in der Asche aus verbrannten Knochen vorhanden ist, in 27,5%iger Phosphorsäure 17 Minuten benötigt werden. Das Argument, dass D3 nicht relevant sei, da es nur die Auflösung und nicht die Herauslösung von Phosphat betreffe, ist nicht zielführend, da eine solche Unterscheidung in Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 nicht vorhanden ist. Jedenfalls erkennt die Fachperson aus D3 (Seite 16, linke Spalte, erster Absatz), dass die Säurekonzentration, Temperatur und Zeit relevant sind für die Auflösung von Hydroxylapatit.
Die Fachperson wird also die Zeit je nach Asche, Temperatur und Säure einstellen und auch zu einer Zeit im beanspruchten Bereich (2 bis 60 Minuten) gelangen.
Die Lösung der gestellten Aufgabe ist somit naheliegend.
4.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiert folglich nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sodass die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.
Hilfsantrag 1 ist somit auch nicht gewährbar.
Hilfsantrag 2
Dieser Antrag unterscheidet sich von Hilfsantrag 1 durch die Einführung des Merkmals "wobei die phosphathaltige Asche durch Verbrennung von phosphathaltigen Klärschlämmen in einer Abfallverbrennungsanlage erhalten wird".
5. Artikel 56 EPÜ
Die Ausführungen zum Hilfsantrag 1 gelten weiterhin. D1 betrifft auch Aschen, die aus der Klärschlamm-verbrennung stammen (Seite 55, linke Spalte, erster vollständiger Absatz). D8 ist ebenfalls weiterhin relevant, um die Lösung der ambitionierten Aufgabe (Punkte 4.2 bis 4.4) in Frage zu stellen, da dort auch solche Aschen verwendet werden.
Deshalb gibt es keinen Grund, die Aufgabe für den vorliegenden Hilfsantrag 2 anders als für Hilfsantrag 1 zu definieren.
Obwohl D3 sich nicht mit Aschen, die aus der Verbrennung von Klärschlämmen stammen, befasst, bestätigt D3 allgemein, wie oben ausgeführt, dass das Lösen von Phosphatverbindungen von den Reaktionsbedingungen inklusive Zeit abhängt.
Bei der Lösung der weiterhin weniger ambitionierten Aufgabe wird die Fachperson auch zu einer Zeit gelangen, die im beanspruchten Bereich von 2 bis 60 Minuten liegt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiert folglich ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sodass die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.
Hilfsantrag 2 ist somit auch nicht gewährbar.
Hilfsantrag 3
6. Gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags wurde der Anspruch 1 dieses Antrags dahingehend verändert, dass das Merkmal "wobei die Reaktionstemperatur zwischen Säure und Asche 20°C bis 60°C beträgt" eingefügt wurde.
7. Artikel 56 EPÜ
Die Ausführungen zum Hilfsantrag 1 gelten auch hier. D8 ist weiterhin relevant, da dort eine Temperatur von 60°C verwendet wurde. Deshalb ist weiterhin nicht davon auszugehen, dass die unter Punkt 4.2 erwähnte Aufgabe über den gesamten Bereich gelöst wird.
Die Aufgabe für den vorliegenden Hilfsantrag 3 ist also die gleiche wie für Hilfsantrag 1.
Obwohl eine Temperatur von 20°C bis 60°C nicht im Stand der Technik offenbart ist, wird die Fachperson bei der Lösung der weniger ambitionierten Aufgabe die Temperatur je nach Asche, Zeit und Säure einstellen und auch zu einer Temperatur im beanspruchten Bereich (20°C bis 60° C) gelangen. Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, die Temperatur einzustellen, jedoch kann eine willkürliche Auswahl aus einer Reihe von Möglichkeiten nicht erfinderisch sein (T 939/92, Gründe 2.5.3).
Es trifft zwar zu, dass D3 eine solche Temperatur nicht explizit offenbart, jedoch bestätigt D3 allgemein, was der Fachperson auch bekannt ist, dass das Lösen von Phosphatverbindungen von den Reaktionsbedingungen abhängt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 basiert nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, sodass die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind.
Hilfsantrag 3 ist somit auch nicht gewährbar.
Hilfsantrag 4
8. Gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags wurde der Anspruch 1 dieses Antrags dahingehend verändert, dass das Merkmal "wobei die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 2 bis 10 Minuten beträgt" eingefügt wurde.
9. Artikel 123(2) EPÜ
Dieses Merkmal geht unmittelbar und eindeutig aus Seite 15 (sechster Absatz) der Anmeldung hervor. Die Bedingungen des Artikels 123(2) EPÜ sind erfüllt.
10. Artikel 84 EPÜ
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass wesentliche Merkmale fehlen würden und deshalb die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ (Klarheit) nicht erfüllt seien.
Unbeschadet der Frage, ob dieser Einwand überhaupt einen neuen Klarheitseinwand verglichen mit dem erteilten Patent betrifft und somit geprüft werden kann (G 3/14, Gründe 81), kann ihm auch nicht zugestimmt werden. Wie oben dargelegt, enthält der Anspruch keine Ziele, was die Effizienz anbelangt. Das neu eingefügte Merkmal definiert die Reaktionszeit eindeutig und die Fachperson versteht, dass sich in dieser Reaktionszeit Phosphorsäure aus der Asche lösen soll.
Die Voraussetzungen des Artikels 84 EPÜ sind erfüllt.
11. Artikel 83 EPÜ
Die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ sind ebenfalls erfüllt.
Die Beschwerdeführerin stützt ihren Einwand gegen den Hauptantrag vor allem darauf, dass das Patent nicht ausreichend zeige, wie die Bedingungen zu wählen seien, dass mehr Phosphorsäure produziert wird als eingesetzt wurde. Dabei wurde D8 als Nachweis vorgelegt. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein Einwand unter Artikel 83 EPÜ auch gegen Hilfsantrag 4 vorliegt, ist er nicht überzeugend.
Das Patent lehrt eindeutig, dass ein Gemisch von Phosphorsäure und Salpetersäure bevorzugt ist (Absatz [0059]) und der Filterrückstand gewaschen wird (Absatz [0069]). Die Fachperson versteht, dass je nach Asche das Mineralsäuregemisch und der Waschvorgang angepasst werden müssen. Dabei würde sich die Fachperson am Ausführungsbeispiel orientieren. Zwar fällt das Ausführungsbeispiel nicht mehr unter den jetzigen Anspruch, jedoch gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine geringe Reaktionszeit von 2 bis 10 Minuten nicht auch zum Erfolg führen würde.
Deshalb gibt es keinen Grund, die Ausführbarkeit anzuzweifeln.
12. Artikel 54 EPÜ
Eine Reaktionszeit zwischen Säure und Asche von 2 bis 10 Minuten wird in D1 nicht offenbart. Somit ist der Gegenstand der Ansprüche neu gegenüber D1.
Die Voraussetzungen des Artikels 54 EPÜ sind erfüllt.
13. Artikel 56 EPÜ
Die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ sind erfüllt.
Ein Einwand unter Artikel 56 EPÜ gegenüber Hilfsantrag 4 wurde im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht.
D8 ist nicht mehr relevant, da dort die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche 30 Minuten besteht. D6 zeigt augenscheinlich, dass bei Reaktionszeiten von 10 Minuten und weniger die Freisetzung der Metalle verringert ist.
Es gibt deshalb keinen Beleg, der die erfolgreiche Lösung der im Patent formulierten Aufgabe der Gewinnung höherwertiger Phosphate (Absatz [0008]) in Frage stellen würde.
Eine Lehre, die Reaktionszeit zwischen Säure und Asche zwischen 2 bis 10 Minuten einzustellen, um eine effizientere Wiedergewinnung von Phosphorsäure zu ermöglichen, findet sich im vorliegenden Stand der Technik nicht.
Schlussfolgernd ist der Hilfsantrag 4 somit gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrages 4, eingereicht als Hilfsantrag 7 mit der Beschwerdeerwiderung, und einer gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.