T 0937/23 () of 3.12.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T093723.20241203
Datum der Entscheidung: 03 Dezember 2024
Aktenzeichen: T 0937/23
Anmeldenummer: 13717758.0
IPC-Klasse: E02D 3/074
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: BODENVERDICHTUNGSGERÄT
Name des Anmelders: MTS Schrode AG
Name des Einsprechenden: Helmut Uhrig Straßen- und Tiefbau GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(4) (2020) Sent 1
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - rückschauende Betrachtungsweise
Erfinderische Tätigkeit - Berücksichtigung von nachveröffentlichten Beweismitteln (nein)
Änderung nach Ladung - Ermessensausübung
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Änderung des Vorbringens - Grundlage für Änderung angegeben (ja)
Patentansprüche - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren
Patentansprüche - Stützung durch die Beschreibung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0007/93
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP 2 864 548 B1 ("das Patent") betrifft ein Bodenverdichtungsgerät sowie ein Transportsystem dafür.

II. Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) geltend gemacht.

III. Die Einspruchsabteilung hat entschieden,

- dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung und in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht neu ist,

- dass das Patent jedoch in geänderter Fassung gemäß dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 1. Dezember 2022 eingereichten Hilfsantrag 3A den Erfordernissen des EPÜ genügt.

IV. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde ein. Nachdem beide Verfahrensbeteiligte Beschwerdeführerinnen und Beschwerdegegnerinnen sind, werden sie weiter als Patentinhaberin und Einsprechende adressiert.

V. Beweismittel

a) Die folgenden, bereits von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Dokumente sind für diese Entscheidung wesentlich:

D1: |JP H06-15980Y Y2 inkl. Übersetzung (D1a) |

D2: |EP 1 411 174 A2 |

D6: |EP 1 536 068 A2 |

D10: |DE 10 2007 045 489 A1 |

D11: |DE 10 2009 042 454 A1 |

D12: |US 4,995,760 A |

D13: |US 4,545,721 A |

D14: |US 5,897,286 A |

D17: |Rechnung vom 31.05.2006 Seriennummer 403 5638 |

D18: |Fotos (Bild 1 bis Bild 4) RAV 700-P Masch.Nr. 403 5638 |

D21: |Betriebs- und Wartungsanweisung RAV 700-P, Rammax Maschinenbau GmbH, gültig ab 09/03|

D22: |DIN 15173:1986-04 Gabelträger und Anbaugeräte für Stapler|

D23: |Fotos (Seiten 1 bis 5) RAV 700-P |

D24E:|Fotos (Seiten 1 bis 3) RAV 700-P |

b) Die Einsprechende reichte unter anderem folgendes weitere Dokument erstmalig im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 17. September 2024 ein:

D32|Berufungsbegründung und Klageerweiterung vom 15. Juli 2024 zum angegriffenen Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 17. April 2024, Az. 4b O 114/18|

VI. Antragslage am Ende der mündliche Verhandlung vor der Kammer am 3. Dezember 2024

a) Patentinhaberin

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage eines der folgenden Anträge aufrechtzuerhalten:

- Hauptantrag B

- Hilfsantrag 1B, Hilfsantrag 1aB

- Hilfsantrag 2B

- Hilfsantrag 3B, Hilfsantrag 3aB, Hilfsantrag 3aC

- Hilfsantrag 4B

- Hilfsantrag 5B, Hilfsantrag 5aB

- Hilfsantrag 6B

- Hilfsantrag 7B, Hilfsantrag 7aB

- Hilfsantrag 8B, Hilfsantrag 8C

- Hilfsantrag 9B, Hilfsantrag 9C, Hilfsantrag 9aB,

Hilfsantrag 9aC

- Hilfsantrag 10B, Hilfsantrag 10C

- Hilfsantrag 11B, Hilfsantrag 11C, Hilfsantrag 11aB,

Hilfsantrag 11aC

Die Hilfsanträge, die den Buchstaben C enthalten, wurden mit der Beschwerdeerwiderung der Patentinhaberin eingereicht, alle übrigen Anträge wurden mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereicht.

Die Hilfsanträge entsprechen im Wesentlichen den Hilfsanträgen 1 bis 11 des Einspruchsverfahrens, wobei die durch "a", "B" und "C" weiter differenzierten Antragsvarianten folgende Änderungen enthalten:

Variante|Änderung |

"B" |Streichung des auf eine Transportvorrichtung gerichteten Anspruchs wie gemäß Hauptantrag B |

"C" |Streichung von Anspruch 5 in der Fassung gemäß dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung überreichten Hilfsantrags 3A |

"a" |Einschränkung, wonach die Aussparungen (6) eine rechteckigen Form aufweisen in Anlehnung an den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung überreichten Hilfsantrag 3A|

Hilfsantrag 3aB gemäß Beschwerdebegründung der Patentinhaberin entspricht folglich dem Hilfsantrag 3A des Einspruchsverfahrens, den die Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet hat.

Die Patentinhaberin beantragte zudem, die Beschwerde der Einsprechenden als unzulässig zu verwerfen.

b) Einsprechende

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen

sowie die Beschwerde der Patentinhaberin als unzulässig zu verwerfen

VII. Wortlaut der unabhängigen Ansprüche

a) Hauptantrag

Anspruch 1 inklusive einer von den Verfahrensbeteiligten verwendeten Merkmalsbezeichnung A bis G lautet:

A|Bodenverdichtungsgerät (1) mit einem Verdichtungselement (2), aufweisend |

B|ein erstes Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines ersten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines ersten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16) und |

C|ein zweites Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines zweiten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines zweiten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16), |

D|wobei die Aufnahmeabschnitte eines Paares durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen (6) |

E|oder zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung (6) gebildet werden, |

F|welche Aussparungen (6) so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken (19) der Hubgabel (16) eingreifen kann und |

G|wobei das Bodenverdichtungsgeräte [sic] ein Anbauverdichter ist, der an einen Bagger ankuppelbar ist.|

Anspruch 10 bezieht sich auf ein:

"Transportsystem für ein Bodenverdichtungsgerät (1) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Transportsystem ein Transportmittel (16) mit einem ersten Halteelement (19) in Form eines ersten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16) und einem zweiten Halteelement (19) in Form eines zweiten Gabelzinkens (19) der Hubgabel (16) aufweist, welches Transportmittel mindestens eine Sicherungseinrichtung (21) umfasst, die ein Lösen des Halteelements (19) des Transportmittels (16) von den Aufnahmeabschnitten (6) des Bodenverdichtungsgeräts (1) verhindert."

b) Hauptantrag B

Hauptantrag B entspricht dem Hauptantrag, wobei der auf das Transportsystem gerichtete Anspruch 10 gestrichen wurde.

c) Hilfsantrag 1aB

Anspruch 1 von Hilfsantrag 1aB entspricht dem Anspruch 1 von Hauptantrag B, wobei dieser um folgende Merkmale H bis K ergänzt wurde:

H|und wobei die Aussparungen (6) eine rechteckige Form aufweisen, |

I|und wobei das Verdichtungselement (2) über Verbindungseinrichtungen (3a-3d) mit einem Oberteil (5) des Bodenverdichtungsgeräts (1) verbunden ist und die Aufnahmeabschnitte (6) in mindestens einer Verbindungseinrichtung (3a-3d) ausgebildet sind |

L|oder die Aufnahmeabschnitte (6) an einem Oberteil des Bodenverdichtungsgerät [sic] ausgebildet sind |

K|oder die Aufnahmeabschnitte (6) auf einer Oberseite des Verdichtungselements (2) angeordnet sind.|

Die übrigen Hilfsanträge spielen für diese Entscheidung keine Rolle. Ihr Wortlaut kann dahingestellt bleiben.

VIII. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden

Die Beschwerde der Einsprechenden beziehe sich auf einen Hilfsantrag 3 und nicht auf den Hilfsantrag 3A, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde liege. Für den Hilfsantrag 3 sei die Einsprechende nicht beschwert und die Beschwerde daher unzulässig.

b) Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

Die Beschwerdebegründung lasse keine Zweifel daran aufkommen, dass die Patentinhaberin in ihrer Beschwerdebegründung ihr Begehren in der Beschwerde basierend auf dem Hauptantrag weiterverfolgt habe und aus welchen Gründen sie die Entscheidung der Einspruchsabteilung für falsch halte.

c) Zulassung der Hilfsanträge

Aus den Erklärungen in der Beschwerdebegründung sowie der Beschwerdeerwiderung werde die den Hilfsanträgen zugrundeliegende Struktur und Logik sowie die Motivation zu deren Einreichung deutlich, die zudem in der weiteren Eingabe der Patentinhaberin mit Schreiben vom 9. April 2024 in Punkt 1 bestätigt worden sei. Die im Beschwerdeverfahren eingereichten Hilfsanträge beruhten im Prinzip auf den im Einspruchsverfahren bereits eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 11.

d) Hauptantrag - Neuheit - Anspruch 10

Weder D11 noch D14 offenbare, dass ein Anbauverdichter mittels eines in Anspruch 10 definierten Transportmittels transportiert werden könne.

e) Hauptantrag, Hauptantrag B - Neuheit gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P

Die Transportösen des Anbauverdichters Rammax stellten keine Paare von Aussparungen/Aufnahmenabschnitten im Sinne von Anspruch 1 dar, denn die Fotos in D18, D23 und D24E zeigten, dass

- zusätzlich zu den beiden äußeren fluchtenden

Aussparungen eine weitere Aussparung in der Mittelstrebe vorhanden sei, die zudem nicht fluchtend mit den beiden Äußeren ausgebildet sei

- die Gabelzinken nicht derart in die Aussparungen

"eingreifen", dass eine berührende Interaktion zwischen Gabelzinken und Aussparungen erfolge, also sich jeweils kein Spalt zwischen Gabelzinken und oberem Rand der Aussparungen ausbilde

- das Einführen der Gabelzinken bei fachgerechter

Positionierung der Gabelzinken einer Hubgabel nicht möglich sei.

Der von der Einsprechenden verwendete Anbauverdichter gemäß der Vorbenutzung Rammax 700-P müsse modifiziert worden sein, um Raum zum Einführen der Gabelzinken zu schaffen.

Es gebe zudem keinen Beleg dafür, dass vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents Gabelzinken einer Hubgabel in die Aussparungen von Rammax 700-P eingeführt worden seien.

Im Übrigen belege die Dokumentation zur Vorbenutzung nicht, dass der Rammax 700-P so ausgestaltet sei, dass ein Gabelzinken jeweils in die Aussparungen derart eingreifen könne, dass die Last beim Tragen des Anbauverdichters von den paarweisen Aussparungen aufgenommen werde bzw. eine formschlüssige Verbindung der Gabelzinken mit den Aussparungen möglich sei.

f) Hilfsantrag 1aB - Zulassung des Einwands unter Artikel 84 EPÜ zu Anspruch 1

Das Vorbringen eines neuen Einwands gemäß Artikel 84 EPÜ kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer sei verspätet und ohne dafür erkennbare außergewöhnliche Umstände unzulässig. Im Übrigen sei der Einwand nicht zu prüfen, da der vermeintliche Mangel an wesentlichen Merkmalen nicht durch die Änderungen verursacht sei und ohnehin die erfinderische Tätigkeit betreffe.

g) Hilfsantrag 1aB - Klarheit von Anspruch 5

Auch die vermeintliche Unklarheit in Anspruch 5 sei schon Gegenstand der erteilten Fassung und damit im Beschwerdeverfahren nicht zu diskutieren.

h) Hilfsantrag 1aB - Neuheit gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P

Der Einwand solle nicht zugelassen werden, denn für eine neue Auslegung des Begriffs "rechteckig" seien keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht worden. Zudem sei der Einwand auch nicht überzeugend, denn die Aussparungen im Rammax 700-P seien klar erkennbar nicht "rechteckig".

i) Hilfsantrag 1aB - Neuheit gegenüber D6

D6 offenbare zwar einen Anbauverdichter, der an einen Bagger ankuppelbar sei. Allerdings weise der in D6 beschriebene Anbauverdichter keine rechteckigen Aussparungen auf, in die ein Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen könne. Aus den schematischen Zeichnungen von D6 sei nicht direkt und unmittelbar ableitbar, dass der Spalt zwischen der Platte 6 am Unwuchterzeuger und der auswechselbaren Verdichterplatte 8 dazu geeignet sei, Gabelzinken einer Hubgabel aufzunehmen. Zudem stelle dieser Spalt keine rechteckige Aussparung dar, da die beiden seitlichen Laschen versetzt zueinander angebracht seien, nicht die gleiche Breite aufwiesen und sich nicht vollständig bis zur jeweils anderen Platte erstreckten.

j) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend vom Anbauverdichter Rammax 700-P

Selbst wenn im Nachhinein belegt worden sein sollte, dass der Anbauverdichter Rammax 700-P mittels einer Hubgabel angehoben und transportiert werden könne, so sei dies einer Fachperson zum Prioritätszeitpunkt nicht bekannt gewesen. Die Eignung des Anbauverdichters Rammax 700-P mittels einer Hubgabel transportiert werden zu können, dürfe in der Formulierung der technischen Aufgabe daher nicht berücksichtigt werden.

Eine rechteckige Ausgestaltung der Aussparungen erlaube einen sicheren und stabilen Transport eines Anbauverdichters mittels einer Hubgabel, da diese meist einen rechteckigen Querschnitt aufweise.

Ausgehend vom Anbauverdichter Rammax 700-P könne die objektive technische Aufgabe daher darin gesehen werden, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das sicher und einfach transportiert werden könne.

Ausgehend vom Anbauverdichter Rammax 700-P bestehe keine Veranlassung, die Aussparungen, die zum Verzurren beim Transport dienten, ausgerechnet rechteckig auszugestalten. Zum anderen gäbe es für eine Fachperson keine Veranlassung, in Unkenntnis der Erfindung des Patents die Form der Aussparungen an die Form gängiger Hubgabeln anzupassen und rechteckig auszugestalten. Der Anbauverdichter Rammax 700-P werde nämlich mittels eines Baggers transportiert und weise dafür auch eine spezielle Ankuppelvorrichtung auf. Selbst wenn eine Fachperson die Aussparungen im Anbauverdichter Rammax 700-P rechteckig ausgestalten würde, um - aus welchen Gründen auch immer - eine Alternative Ausgestaltung der Öffnungen bereitzustellen, so habe die Fachperson keine Veranlassung, dabei darauf zu achten, dass die äußeren Aussparungspaare im Anbauverdichter Rammax 700-P weiter fluchtend ausgebildet und zudem noch so in der Lage und Größe vorhanden blieben, dass ein Gabelzinken in diese eingreifen könne.

Auch die weiteren Dokumente D1, D10, D11, D12 und D13 sowie das allgemeine Fachwissen zu Europaletten liefere dafür keine Motivation.

k) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

D1 offenbare keinen Anbauverdichter für einen Bagger, sondern ein Bodenverdichtungsgerät, das mittels einer Hubgabel geführt und bedient werde.

Ausgehend von D1 bestehe keine Veranlassung zusätzlich zu der Hubgabelaufnahme eine Baggeraufnahme vorzusehen. Dazu lieferten auch D2, D6 oder D18 keinen Anreiz, denn diese Dokumente offenbarten lediglich an Bagger anbaubare Geräte. Eine Motivation, eine Aufnahme für mehrere Geräte gleichzeitig zu ermöglichen, finde sich auch in D2 und D6 oder D18 nicht.

l) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6

Ausgehend von D6 bestehe keine Veranlassung, den Spalt zwischen der Platte 6 am Unwuchterzeuger und der auswechselbaren Verdichterplatte 8 so umzugestalten, dass dort eine rechteckige Aussparung ausgebildet werde, in die ein Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen könne. Dazu lieferten auch die weiteren zitierten Dokumente wie D1 keine Veranlassung. Auch das Vorsehen weiterer rechteckiger Aussparungen an dem Bodenverdichter nach D6 lege D1 nicht nahe.

IX. Das entsprechende Vorbringen der Einsprechenden lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

a) Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden

Die Beschwerdebegründung lasse keine Zweifel, dass sich die Beschwerde gegen den während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 3 richte, der als Hilfsantrag 3A der angefochtenen Entscheidung zugrunde liege und den die Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet habe.

b) Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

Die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin lasse nicht erkennen, in welcher Reihenfolge ihre Anträge zu betrachten seien. Die Anträge seien nicht kaskadiert, die darin vorgenommenen Änderungen seien nicht gekennzeichnet und die Grundlage der Änderungen in der ursprünglich eingereichten Fassung seien nicht angegeben. Zudem fehle eine Angabe, warum die vorgenommenen Änderungen die erhobenen Einwände ausräumen sollten.

c) Zulassung der Hilfsanträge

Es fehle für alle Anträge eine substantiierte Begründung, warum die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche sämtlicher Anträge neu und erfinderisch seien.

d) Hauptantrag - Neuheit - Anspruch 10

D11 offenbare in Figur 11 einen Gabelstapler mit einer Hubgabel, die zwei Gabelzinken aufweise. Die in D11 beschriebene Kombination aus Sicherungsbolzen und gelochter Gabelzinke (Absatz [0060]) entspreche einer Sicherungseinrichtung gemäß Anspruch 10.

D14 offenbare einen Gabelstapler, dessen Gabelzinken Bohrungen aufwiesen (Figuren 6 bis 8), in welche Sicherungsbolzen zur Sicherung der zu transportierenden Palette eingesetzt werden könnten.

D11 und D14 offenbarten daher jeweils ein Transportmittel gemäß Anspruch 10.

e) Hauptantrag, Hauptantrag B - Neuheit gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P

Die Beweismittel D18, D23 und D24E belegten zweifelsfrei, dass der Anbauverdichter Rammax 700-P gemäß der Vorbenutzung dazu geeignet sei, mittels einer Hubgabel transportiert werden zu können.

Zwar sei in den Bildern in D24E erkennbar, dass die beiden Gabelzinken den Anbauverdichter unter Kontakt mit den beiden herabragenden, die Dämpfungsvorrichtung tragenden seitlichen Fortsätze des Oberteils anheben würden. Allerdings schließe Anspruch 1 nicht aus, dass zusätzlich zu den erforderlichen Aussparungspaaren weitere Aussparungen oder Bauteile vorhanden sein könnten, die mit den Gabelzinken in Kontakt kommen und das Gewicht des Anbauverdichters tragen könnten.

Anspruch 1 definiere schließlich nicht, welche Form, welchen Abstand und welche Größe die aufzunehmenden Gabelzinken aufweisen und wie das Verhältnis Gabelzinkengröße zu Aussparungsgröße zu sein habe. Auch enthalte Anspruch 1 keine Einschränkungen hinsichtlich der Größe der Aussparungen, ihrer Form und ihres Abstands sowie ihrer Ausrichtung bzw. Positionierung am Anbauverdichter.

Damit sei es in Hinblick auf den Wortlaut von Anspruch 1 unerheblich, ob die Aussparungen eine Größe hätten, die mit der Größe der aufzunehmenden Hubgabelzinken korrespondiere oder nicht. Insbesondere definiere Anspruch 1 nicht, dass die Gabelzinken derart "eingreifen" müssten, dass eine tragende Interaktion zwischen Gabelzinken und Aussparung erfolge, also sich kein Spalt zwischen Gabelzinken und oberem Rand der Aussparungen ausbilden dürfe oder gar eine formschlüssigen Verbindung auszubilden habe.

In Bezug auf das beanspruchte Bodenverdichtungsgerät als solches sei es auch unerheblich, welches Transportgerät und in welchem Zustand dieses eingesetzt werde. Es sei insbesondere nicht definiert, dass das Transportmittel oder dessen Gabelzinken der Hubgabel einen bestimmten Standard, eine bestimmte Norm oder bestimmte Zulassungs- und Sicherheitsvorschriften zu erfüllen hätten bzw. dass die Gabelzinken in einer bestimmten Position, standardgemäß, ordnungsgemäß und fachgerecht zu arretieren seien.

f) Hilfsantrag 1aB - Zulassung des Einwands unter Artikel 84 EPÜ zu Anspruch 1

Das Vorbringen des neuen Einwands unter Artikel 84 EPÜ sei dem außergewöhnlichen Umstand geschuldet, dass die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK erstmalig eine objektive technische Aufgabe unter Bezugnahme auf Absatz [0011] des Patents definiert habe.

In Reaktion darauf sei festgestellt worden, dass Anspruch 1 nicht alle erforderlichen Merkmale zur Lösung dieser Aufgabe aufweise. So fehle u. a. im Anspruch die Größe der Gabelzinken der Hubgabel, bzw. das Verhältnis der Gabelzinken zur Aussparung und die Orientierung der Aussparungen, die ein vollflächiges Anliegen und einen Formschluss erst möglich machten. Der Gegenstand eines Anspruchs müsse nicht nur technisch gesehen verständlich sein, sondern auch den Gegenstand der Erfindung eindeutig kennzeichnen, also alle wesentlichen Merkmale angegeben.

g) Hilfsantrag 1aB - Klarheit von Anspruch 5

Der abhängige Anspruch 5 stehe in Widerspruch zum Wortlaut von Anspruch 1.

h) Hilfsantrag 1aB - Neuheit gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P

D32 belege, dass die Patentinhaberin selbst die Auffassung vertrete, dass "rechteckig" breit ausgelegt werden müsse und selbst Formen mit abgerundeten Ecken umfasse.

Die Aussparungen des Anbauverdichters Rammax 700-P wiesen daher eine rechteckige Form im Sinne des Patents auf.

i) Hilfsantrag 1aB - Neuheit gegenüber D6

D6 offenbare einen Anbauverdichter, der an einen Bagger ankuppelbar sei, bei dem eine rechteckige Aussparung zwischen der Platte 6 am Unwuchterzeuger und der auswechselbaren Verdichterplatte 8 vorhanden sei. Um einen Wechsel der Verdichterplatte wie üblich durch ein ausreichend dimensioniertes Werkzeug zu ermöglichen, müsse der Spalt so hoch sein, dass auch eine gängige Hubgabel eingeführt werden könne. Die Aussparung sei wie den Figuren zweifelsfrei entnehmbar rechteckig.

j) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend vom Anbauverdichter Rammax 700-P

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von dem Anbauverdichter Rammax 700-P lediglich dadurch, dass die Aussparungen eine rechteckige Form aufwiesen.

Da Anspruch 1 die Größe, Lage und Ausrichtungen der Aussparungen bzw. die Form und Größe der darin einzuführenden Gabelzinken völlig offenlasse, werde durch die Ausbildung der Aussparungen in rechteckiger Form kein technischer Effekt erreicht. Die in Absatz [0011] des Patents geforderte Übertragung eines Moments um die Längsachse des Gabelzinkens durch eine Art Formschluss zwischen Gabelzinken von Hubgabeln und Aussparung sei technisch gar nicht möglich.

Die Bilder zum Anbauverdichter Rammax 700-P zeigten zudem, dass die Form der Aussparungen ohne jegliche Relevanz beim Transport des Anbauverdichters Rammax 700-P mittels einer Hubgabel sei, denn der Anbauverdichter liege mittels der beiden nach unten ragenden, die Dämpfungsvorrichtung tragenden seitlichen Fortsätze des Oberteils auf den Gabelzinken der Hubgabel auf.

Ausgehend von dem Anbauverdichter Rammax 700-P könne die objektive technische Aufgabe folglich darin gesehen werden, einen Anbauverdichter bereitzustellen, dessen zum Eingreifen von Gabelzinken einer Hubgabel geeignete Aussparungen eine alternative Geometrie aufwiesen.

Eine Umgestaltung des Anbauverdichters unter Änderung der Form der Aussparungen zu rechteckigen Aussparungen erfolge im Rahmen des fachüblichen Handelns einer Fachperson. Ohnehin wisse eine Fachperson, dass rechteckige Aussparungen vorteilhaft seien, wenn darin Gabelzinken einer Hubgabel aufgenommen werden bzw. eingreifen sollen. Die Umgestaltung der Form der Aussparungen des Anbauverdichters Rammax 700-P liege auch aus diesem Grund auf der Hand.

Alternativ könnte die objektive technische Aufgabe auch darin gesehen werden, einen Anbauverdichter bereitzustellen, der sicher mit einer Hubgabel, welche Gabelzinken mit einem rechteckigen Querschnitt aufweise, angehoben bzw. transportiert werden könne.

Die Dokumente D1, D10, D11, D12 und D13 belegten, dass es fachüblich sei, eine rechteckige Aussparung bei Vorrichtungen vorzusehen, die mittels einer Hubgabel angehoben werden sollen. Im Übrigen kenne ein Fachmann dieses Prinzip von gängigen Europaletten, deren Aufnahmeöffnungen ebenfalls rechteckig ausgebildet seien.

k) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D1

D1 offenbare ein Bodenverdichtungsgerät, das mittels einer Hubgabel geführt und bedient werde.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich davon lediglich dadurch, dass das Bodenverdichtungsgerät ein Anbauverdichter sei, der an einen Bagger ankuppelbar sei.

Die objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das an einen Bagger ankuppelbar sei.

An Bagger ankuppelbare Geräte seien dem Fachmann im Bauwesen hinlänglich bekannt wie die Dokumente D2, D6 und D18 belegten.

Für eine Fachperson sei es daher naheliegend, das Bodenverdichtungsgerät von D1 mit einer Baggeraufnahme auszugestalten.

l) Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit ausgehend von D6

D6 offenbare ein Bodenverdichtungsgerät, das an einen Bagger ankuppelbar sei.

Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich davon dadurch, dass das Bodenverdichtungsgerät rechteckige Aussparungen aufweise, in die ein Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen könne.

Die objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das mittels einer Hubgabel transportiert werden könne.

Die Fachperson wisse beispielsweise aus D1, dass Bodenverdichter mit rechteckigen Aussparungen mittels einer Hubgabel transportiert werden können.

Daher liege es nahe, derartige Aussparungen auch bei dem Bodenverdichtungsgerät nach D6 vorzusehen.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden

Die Einsprechende verweist in ihrer Beschwerdebegründung auf einen Hilfsantrag 3 (siehe Seite 2, Punkt 3). Diesbezüglich stellt sie allerdings unzweideutig klar (siehe Seite 2, Punkt 2. Vorbemerkung der Beschwerdebegründung sowie Merkmalsgliederung in Punkt 3. der Beschwerdebegründung), dass es sich bei diesem Hilfsantrag 3 um den während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag 3 handelt, der als Hilfsantrag 3A der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt ("Hilfsantrag 3A (eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 15./16. März 2023 als Hilfsantrag 3 und auch als solcher nachfolgend bezeichnet)") und den die Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet hat.

Die Beschwerdebegründung der Einsprechende lässt daher keine Zweifel daran aufkommen, dass sich ihre Beschwerde gegen den Hilfsantrag richtet, für den sie als Einsprechende aufgrund der getroffenen Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung beschwert ist.

Die Beschwerde der Einsprechenden ist daher zulässig (Regel 101 (1) EPÜ).

2. Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin

Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Patentinhaberin dargelegt (vgl. die ersten 35 Seiten der Beschwerdebegründung), warum aus ihrer Sicht das Patent gemäß Hauptantrag (wie in der Entscheidung behandelt) aufrechtzuerhalten sei. Durch die Nicht-Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung wie beantragt ist die Patentinhaberin beschwert.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist bereits aus diesem Grund ebenfalls zulässig (Regel 101 (1) EPÜ).

Die Argumente der Einsprechenden in Bezug auf die vermeintlich fehlende Kaskadierung und Substantiierung der Hilfsanträge, etc. betreffen die Zulassung der Hilfsanträge unter Artikel 12 (4) VOBK und nicht die Zulässigkeit der Beschwerde. Diese sind daher nicht überzeugend.

3. Zulassung der Hilfsanträge

Die Patentinhaberin hat mit ihrer Beschwerdebegründung eine Reihe von Hilfsanträgen eingereicht, die im Prinzip auf den im Einspruchsverfahren bereits eingereichten Hilfsanträgen 1 bis 11 beruhen. Die in Ergänzung eingereichten Anträge stellen durch "a", "B" und "C" weiter differenzierte Antragsvarianten dar (siehe obigen Punkte VI.a). Für diese Hilfsanträge hat die Patentinhaberin auch dargelegt, warum diese eingereicht wurden, siehe Punkt IV ihrer Beschwerdebegründung. Aus der Erwiderung der Einsprechenden auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird ebenfalls deutlich, dass die Einsprechende die den Hilfsanträgen zugrundeliegende Struktur und Logik nachvollziehen konnte, die zudem in Punkt 1 der weiteren Eingabe der Patentinhaberin mit Schreiben vom 9. April 2024 bestätigt wurde.

Es ist daher bei Berücksichtigung der zugrundeliegenden Logik der Hilfsanträge erkennbar, in welcher Reihenfolge die Anträge zu betrachten sind. Zudem ist erkennbar, in wie weit diese Änderungen in Reaktion auf die angefochtene Entscheidung, die Vorkommnisse im Rahmen des Einspruchsverfahrens sowie die Argumente der Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung erfolgt sind.

Ein Mangel an hinreichender Substantiierung bezüglich der Basis der Änderungen, der eine Nichtzulassung der Anträge rechtfertigen würde (Artikel 12 (3) und (4) Satz 4 VOBK) liegt auch nicht vor, denn die Änderungen in den Hilfsanträgen beruhen maßgeblich auf einfachen Kombinationen von erteilten Ansprüchen, für die klar erkennbar ist, dass sie der Abgrenzung zu den zitierten Dokumenten dienen bzw. auf Änderungen, die im Einspruchsverfahren bereits ausgiebig diskutiert wurden ("rechteckig").

Die Kammer hat daher entschieden, den Hauptantrag B und den Hilfsantrag 1aB unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 12 (4) VOBK in das Verfahren zuzulassen.

4. Hauptantrag - Neuheit - Anspruch 10

4.1 D11

D11 offenbart in Figur 11 einen Gabelstapler mit einer Hubgabel, die zwei Gabelzinken aufweist, siehe Absatz [0059]. Im darauffolgenden Absatz [0060] führt D11 weiterhin aus:

"Die Vorrichtung 28 weist des Weiteren ein Sicherungselement 47 auf, welches unter anderem in den Fig. 5, Fig. 6, Fig. 7, Fig. 8, Fig. 9 und Fig. 11 erkennbar ist und welches dafür sorgt, dass die Vorrichtung 28 sicher auf der Transporteinrichtung 45 gehalten ist. Das Sicherungselement 47 ist mittels eines Bolzens auf der Gabelzinke gesichert, wobei der Bolzen in zwei verschiedenen Positionen angebracht werden kann, um eine unterschiedliche Eindringtiefe der Gabelzinken in die jeweilige Ausnehmung 46 zu erzielen, sodass der Abstand des Lastschwerpunkts von der Transporteinrichtung 45 im Wesentlichen gleich gehalten werden kann."

Damit entspricht die Kombination aus Sicherungsbolzen und gelochter Gabelzinke nach D11 der Sicherungseinrichtung gemäß Anspruch 10 (siehe Absätze [0031] und [0033] sowie Figur 3 des Patents), da die Bolzen in den vorderen Endbereichen der Gabelzinken in eine Bohrung eingesetzt werden können und damit die Ladung sichern.

Zudem eignet sich der in D11 beschriebene Gabelstapler ebenfalls für den Transport eines Bodenverdichtungsgeräts nach Anspruch 1, denn dieses weist ja gerade die nötigen Aussparungen auf, die der Aufnahme von Gabelzinken einer Hubgabel dienen, siehe auch Absatz [0012] des Patents.

Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht neu gegenüber Dokument D11.

4.2 D14

D14 offenbart einen Gabelstapler (siehe Anspruch 1 und Figur 1), dessen Gabelzinken Bohrungen (44) aufweisen (Figuren 6 bis 8), in welche Sicherungsbolzen ("pallet stops 40") zur Sicherung der zu transportierenden Palette eingesetzt werden können.

Zudem eignet sich der in D14 beschriebene Gabelstapler ebenfalls für den Transport eines Bodenverdichtungsgeräts nach Anspruch 1.

Dementsprechend ist der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht neu gegenüber D14.

4.3 Der Gegenstand des Anspruchs 10 gemäß Hauptantrag erfüllt daher nicht die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ.

5. Hauptantrag und Hauptantrag B - Neuheit - Anspruch 1

5.1 Vorbenutzung durch den Anbauverdichter Rammax 700-P

5.1.1 Die im Einspruchsverfahren vorgelegten Beweismittel D17, D18, D23 und D24E belegen unbestritten, dass ein Bodenverdichtungsgerät mit der Bezeichnung Rammax 700-P und der Seriennummer 403 5638 (im folgenden "Anbauverdichter Rammax") am 31. Mai 2006 an die Firma Lutz Gebr. Bauunternehmung GmbH & Co verkauft und dadurch offenkundig wurde (siehe D17).

Es ist weiterhin unbestritten, dass der Anbauverdichter Rammax an einen Bagger ankuppelbar ist und an zwei Seiten zwei von voneinander beabstandete, axial fluchtende Transportösen (TOE) aufweist (siehe Fotos in D18, D23 und D24E; siehe auch Punkt 3.4 von D21).

Streitig zwischen den Verfahrensbeteiligten ist,

- ob die Merkmale B bis D des Anspruchs 1 weitere

Aussparungen/Aufnahmeabschnitte ausschließen, wie sie im Anbauverdichter Rammax in Form der weiteren Aussparung in der Mittelstrebe vorhanden ist und

- ob Gabelzinken einer Hubgabel jeweils von zwei der

Transportösen des Anbauverdichters Rammax aufgenommen werden können und auch in diese eingreifen können.

5.1.2 Die Aussparungen (6) sind in Merkmal F von Anspruch 1 lediglich durch ihre Eignung definiert ("welche Aussparungen (6) so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken (19) der Hubgabel (16) eingreifen kann"). Anspruch 1 enthält keine weiteren Einschränkungen in Bezug auf die Aussparungen hinsichtlich ihrer Größe, Form und Ausrichtung sowie ihres Abstands zueinander.

Weiterhin bedingt Anspruch 1 zwar, dass zwei Paare von Aussparungen vorhanden sind. Allerdings liefert Anspruch 1 diesbezüglich keine weiteren Einschränkungen und schließt insbesondere nicht aus, dass zusätzlich zu den erforderlichen zwei Paaren axial fluchtender Aussparungen noch weitere Aussparungen in anderer Form vorhanden sind. Das Argument der Patentinhaberin, wonach Anspruch 1 erfordere, dass gemäß Merkmal D ausschließlich genau zwei Aussparungen vorhanden sein müssen, entbehrt mithin jeder Grundlage und lässt sich insbesondere nicht aus dem verwendeten Begriff "Paar" ableiten. Zu weiteren Aussparungen beliebiger Form schweigt Anspruch 1.

Der Wortlaut von Anspruch 1 stützt folglich nicht das Argument der Patentinhaberin, wonach der Anbauverdichter Rammax aufgrund einer weiteren, mit den beiden äußeren Transportösen nicht fluchtenden Aussparung in der Mittelstrebe kein Bodenverdichter im Sinne von Anspruch 1 sei.

5.1.3 Anspruch 1 definiert weiterhin nicht, welche Form, welchen Abstand und welche Größe die aufzunehmenden Gabelzinken aufweisen sollen bzw. wie das Größenverhältnis Gabelzinken zu Aussparung sein soll.

Damit ist es in Hinblick auf den Wortlaut von Anspruch 1 unerheblich, ob die Aussparungen eine Größe haben, die mit der Größe der aufzunehmenden Hubgabelzinken korrespondiert oder nicht.

Insbesondere definiert Anspruch 1 nicht, dass die Gabelzinken derart eingreifen können müssen, dass eine formschlüssige Interaktion zwischen Gabelzinken und Aussparung erfolgt und sich also kein Spalt zwischen Gabelzinken und oberem Rand der Aussparungen ausbildet.

Anspruch 1 erfordert lediglich, dass die Gabelzinken der Hubgabel von den Aussparungen aufgenommen werden und dort eingreifen können. Dies umfasst alle möglichen Formen, mit der ein Gabelzinken mit einer Aussparung in Eingriff gebracht werden kann, also z. B. ein lediglich punktuell kantendes oder seitliches Eingreifen, das ein seitliches Verrutschen des Anbauverdichters auf den Gabelzinken verhindert.

5.1.4 In Bezug auf das beanspruchte Bodenverdichtungsgerät als solches ist es weiterhin auch unerheblich, welche Transportgeräte üblicherweise eingesetzt werden oder welche Transportgeräte in einem gegebenen Fall gerade benutzt werden, um den Anbauverdichter mittels einer Hubgabel zu transportieren. Denn Anspruch 1 definiert weder das einzusetzende Transportmittel noch die einzusetzenden Hubgabeln oder Gabelzinken. Auch ist nicht definiert, dass diese Transportmittel oder Hubgabeln einen bestimmten Standard, eine bestimmte Norm (wie D22) oder bestimmte Zulassungs- und Sicherheitsvorschriften erfüllen müssen. Die Neuheit des beanspruchten Bodenverdichtungsgeräts als solches ist daher nicht davon abhängig, ob ein Bagger oder Gabelstapler nach einem bestimmten Standard benutzt wird und ob dessen Hubgabel in einer bestimmten Position, standardgemäß, ordnungsgemäß und fachgerecht arretiert ist oder arretiert werden kann.

Letztendlich ist gemäß Anspruch 1 nur erforderlich, dass zwei ausreichend tragfähige Gabelzinken einer Hubgabel in irgendeiner Art und Weise so positioniert werden können, dass sie durch die Aussparungspaare des Bodenverdichtungsgeräts aufgenommen werden können und in diese eingreifen.

Zudem ist auch kein Grund erkennbar, warum es nicht möglich sein soll, entsprechend groß gewählte Gabelzinken bereitzustellen und so zu positionieren, dass diese durch die durch die Aussparungen des Anbauverdichters Rammax aufgenommen werden können. Die obere Abbildung auf Seite 19 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin belegt, dass genügend Raum vorhanden ist, um geeignete Gabelzinken einzuführen.

Dass dies auch praktisch möglich ist, zeigen die Bilder der Beweismittel D18, D23 und D24E.

Auch wenn wie von der Einsprechenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer mehrfach bestätigt, das Gewicht des Anbauverdichters Rammax bei dem in den Bildern der Beweismittel D18, D23 und D24E dargestellten Transport mit einer Hubgabel durch die beiden herabragenden, die Dämpfungsvorrichtungen tragenden seitlichen Fortsätze des Oberteils des Anbauverdichters getragen wird, so befinden sich die Gabelzinken nichtsdestotrotz - z. B. bei einem seitlichen Verrutschen des Anbauverdichters auf den Gabelzinken - zumindest punktuell kantend oder seitlich in Eingriff mit den Aussparungen, die von den vier Transportösen gebildet werden. Damit werden die Gabelzinken der Hubgabel von den Aussparungen aufgenommen und können dort eingreifen, wie von Anspruch 1 gefordert.

5.1.5 Die Patentinhaberin stellt die Eignung des Anbauverdichters Rammax zum Transport mit einer Hubgabel ferner in Frage, weil es ihr mit einem weiteren von ihr erworbenen Anbauverdichter vom Typ Rammax 700-P nicht möglich gewesen sei, in die beiden Transportösenpaare Gabelzinken einzuführen, wenn diese in den von der eingesetzten Hubgabel vorgegebenen Positionen "fachgerecht" arretiert wurden (siehe letztes Bild auf Seite 18 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin).

Diese Feststellung der Patentinhaberin belegt allerdings nicht, dass der Anbauverdichter nicht dazu geeignet ist, mittels anderer Gabelzinken oder anders positionierter Gabelzinken aufgenommen zu werden. Wie bereits oben dargelegt, ist es in Hinblick auf den Wortlaut von Anspruch 1 unerheblich, wie die erforderliche Positionierung der Gabelzinken erfolgt. Ob dies "fachgerecht" in vorgegebenen Positionen eines gegebenen Hubgeräts erfolgt oder gar eine Spezialanfertigung einer Hubgabel hergestellt werden muss, ist in Hinblick auf den Anspruchswortlaut unerheblich und spielt bei der Beurteilung der Neuheit daher keine Rolle.

5.1.6 Die Argumentation der Patentinhaberin, wonach eine Modifikation des Anbauverdichters seitens der Einsprechenden vorgenommen worden sein könnte, ist spekulativer Natur und damit nicht stichhaltig. Weder wurde dies von der Einsprechenden vorgetragen oder bestätigt, noch ist dies aus den eingereichten Beweismitteln erkennbar. Zudem bestätigt auch die obere Abbildung auf Seite 19 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin, dass in dem von ihr erworbenen Anbauverdichter Rammax 700-P ein Raum zum Einführen eines Gabelzinkens auch ohne weitere Modifikation vorhanden ist.

5.1.7 Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ist es ferner unerheblich, ob vor dem Prioritätsdatum des Patents nachweislich Gabelzinken einer Hubgabel in die Aussparungen des Anbauverdichters Rammax eingeführt wurden, denn die prinzipielle Eignung dafür ist nicht abhängig von einem bestimmten Zeitpunkt, sondern sie ist entweder gegeben oder nicht.

5.1.8 In Anbetracht der obigen Ausführungen kommt die Kammer daher übereinstimmend mit der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des gleichlautenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hauptantrag B nicht neu gegenüber der Vorbenutzung durch den Anbauverdichter Rammax 700-P ist und daher die Erfordernisse von Artikel 54 EPÜ nicht erfüllt.

6. Hilfsantrag 1aB - Klarheit

6.1 Anspruch 1

6.1.1 Mit Schreiben vom 17. September 2024 und damit nach Erhalt der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK, erhob die Einsprechende einen Einwand unter Artikel 84 EPÜ, wonach der Wortlaut des Anspruchs den Gegenstand der Erfindung nicht eindeutig kennzeichne, d. h. alle seine wesentlichen Merkmale angebe (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt II.A.3.2, 1. Absatz).

Die Einsprechende verwies dazu auf die in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit vorgebrachten Argumente und insbesondere die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe in Bezug auf den in Absatz [0011] des Patents genannten Effekts in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK.

6.1.2 Der Einwand steht der Gewährbarkeit jedoch nicht entgegen. Der im Patent in Absatz [0011] genannte Effekt wird nämlich schon im erteilten Patent geltend gemacht. Die Frage, ob Anspruch 1 alle wesentliche Merkmale enthält und der Effekt über die ganze beanspruchte Breite des Anspruchs erzielt wird oder nicht, bestand daher gleichermaßen schon für den Gegenstand von Anspruch 1 wie erteilt.

Damit ist dieser Einwand unter Artikel 84 EPÜ nicht durch die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen herbeigeführt und ist daher gemäß den in G 3/14 entwickelten Prinzipien im Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.

6.1.3 Im Übrigen überzeugt der Einwand auch in der Sache nicht, denn Anspruch 1 kennzeichnet die erforderlichen Merkmale zur Erzielung der Erfindung, nämlich Paare von rechteckigen Aussparungen, in die jeweils ein Gabelzinken einer Hubgabel eines Transportmittels eingreifen kann. Derartige Hubgabeln weisen in der Praxis meist einen rechteckigen Querschnitt auf. Diese Merkmale erlauben es, auch ohne die Angabe einer konkreten Orientierung der Aussparung, das Bodenverdichtungsgerät lediglich mit Hilfe einer Hubgabel umzusetzen bzw. zu bewegen (vgl. Absätze [0008] und [0011] des Patents). Der Anbauverdichter als von der Transportvorrichtung unabhängige Entität ist dabei auch ohne Angabe von Dimension und Form der zu verwendenden Hubgabel ausreichend definiert. Dass ein Umsetzen und Transportieren nicht mit jeder beliebig geformten Hubgabel möglich sein mag, ändert daran nichts.

Die weitere Frage, ob der im Patent in Absatz [0011] beschriebene Effekt vollständig und über die ganze beanspruchte Breite gemäß Anspruch 1 erzielt wird bzw. ob eine auf Grundlage des im Patent genannten Effekts formulierte objektive technische Aufgabe über die ganze Anspruchsbreite gelöst wird oder nicht, betrifft die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt I.D.4.4.1 und nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.

6.1.4 Da der Einwand daher schon gemäß den in G 3/14 entwickelten Prinzipien nicht zu diskutieren ist und in der Sache ohnehin nicht überzeugt, kann die Frage der Zulassung des verspätet vorgebrachten Einwands dahingestellt bleiben.

6.2 Anspruch 5

Die Einsprechende argumentiert, dass das Merkmal "alle Aufnahmeabschnitte (6) in einer gemeinsamen Aussparung (22) vorhanden sind" von Anspruch 5 des Hilfsantrags 1aB im Widerspruch zu Merkmal E von Anspruch 1 von stehe und Anspruch 5 daher unklar sei.

Auch dieser Einwand der Einsprechenden unter Artikel 84 EPÜ ist aus den in G 3/14 dargelegten Prinzipien unzulässig, da die von Anspruch 5 vermeintlich generierte fehlende Klarheit zu der Alternative nach Merkmal E von Anspruch 1 bereits in den erteilten Ansprüchen bestand, siehe Anspruch 10 wie erteilt.

6.3 Die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ stehen einer Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 1aB somit nicht entgegen.

7. Hilfsantrag 1aB - Neuheit

7.1 gegenüber D6

7.1.1 D6 offenbart in Anspruch 1 einen Anbauverdichter, der an einen Bagger ankuppelbar ist. Im Unterteil 3 des Anbauverdichters ist ein Unwuchterzeuger 5 angeordnet, der auf einer Platte 6 sitzt, an der über ein Wechselsystem 7 eine auswechselbare Verdichterplatte 8 befestigt ist, siehe Absatz [0022], Spalte 6, Zeilen 7 bis 10 in Verbindung mit den Figuren 1a und 1b.

7.1.2 Gemäß dem Argument der Einsprechenden habe der Raum zwischen der Platte 6 und der auswechselbaren Verdichterplatte 8 einen rechteckigen Querschnitt (siehe Figur 2a von D6). Dieser Raum umfasse die Aussparungspaare nach Anspruch 1.

Dieses Argument überzeugt nicht.

7.1.3 D6 offenbart nicht, wie hoch der durch die Platten 6 und 8 gebildete Raum ist. Auch ist dies aus der schematischen Darstellung in den Figuren 1a, 1b und 2 von D6 nicht direkt und unmittelbar entnehmbar, da es sich dabei nicht um maßstabsgetreue Abbildungen handelt.

Zudem kann eine Hubgabel eines Transportmittels auch nicht beliebig dünn ausgebildet sein, denn die Hubgabel muss stabil genug sein, das Gewicht des Anbauverdichters zu tragen.

Die bloße Behauptung der Einsprechenden, wonach sich die erforderliche Höhe für das Einführen eines Gabelzinkens, der fachüblich nur eine Gabelzinkendicke von 3,5 cm aufweise, zwingend daraus ergeben soll, dass ein mittels eines ausreichend dimensionierten Werkzeugs bedienbares Wechselsystem 7 vorhanden sei und dieses wegen der erforderlichen mechanischen Stabilität auch entsprechend groß ausgebildet sein müsse, überzeugt nicht.

Es mag zwar möglich oder gar wahrscheinlich sein, dass der Zwischenraum zwischen den Platten 6 und 8 des Anbauverdichters nach D6 hoch genug ist, um Gabelzinken einer Hubgabel einzuführen zu können. Allerdings spielen derartige Annahmen unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit gemäß gefestigter Rechtsprechung bei der Beurteilung der Neuheit keine Rolle, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel I.C.4.3, denn die Neuheit ist eine Frage der direkten und unmittelbaren Offenbarung und nicht der Wahrscheinlichkeit.

7.1.4 Weiterhin weist der zwischen den Platten 6 und 8 umschlossene Raum im Querschnitt keine rechteckige Form auf.

Die beiden Platten 6 und 8 von D6 weisen jeweils eine Lasche auf, mittels derer die beiden Platten verbunden werden (Wechselsystem 7, siehe Figuren 1a, 2a).

Diese Laschen sind jeweils kürzer als der Abstand zwischen den beiden Platten. Weiterhin haben die Laschen auch nicht die gleiche Breite.

Daraus folgt, dass die Form des Querschnitts des in Figur 2a erkennbaren Raums zwischen den beiden Platten 6 und 8 nicht rechteckig ist, sondern je nach Schnittebene eine andere Form aufweist, die beispielsweise in der Ebene der beiden dem Betrachter der Figur 2a zugewandten Laschen als T-förmig bezeichnet werden könnte.

7.1.5 Die Kammer ist daher der Ansicht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung von D6 ist.

7.2 gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P

Der Anbauverdichter Rammax offenbart keine Aussparungen, die eine rechteckige Form aufweisen.

Die Aussparungen des Anbauverdichters Rammax weisen vielmehr eine Form auf, die sich an der der Mitte des Geräts abweisenden Seite verjüngt, siehe auch folgende, der Seite 19 der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin entnommene Abbildung. Diese dort gezeigte Form ist aus der Sicht der Fachperson keine "rechteckige" Form im Sinne des Anspruchs.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Das Argument der Einsprechenden, wonach die Aussparungen des Anbauverdichters Rammax auch eine rechteckige Form aufweisen sollen, beruht auf einem Verständnis des Begriffs "rechteckig", den die Patentinhaberin im Rahmen einer Verletzungsklageerweiterung (siehe Seiten 19 und 20 von D32) vorgebracht hat.

Auch das Vorbringen der Einsprechenden, dass die Patentinhaberin selbst die Auffassung vertrete, dass "rechteckig" breit ausgelegt werden müsse und selbst Formen mit abgerundeten Ecken (wie in D32 dargelegt) umfasse, kann nicht überzeugen.

Wie nach Ansicht der Patentinhaberin der Anspruch auszulegen ist, ist nicht entscheidend, vielmehr wird der Anspruch vom Entscheidungsorgan objektiv aus der Sicht der Fachperson ausgelegt. Im Übrigen unterscheidet sich die als (angeblich) verletzend angesehene Form der Aussparung (siehe Seite 19 von D32) sowieso von der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Form der Aussparung beim Anbauverdichter Rammax 700-P.

Die Kammer ist daher der Ansicht, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber dem Anbauverdichter Rammax 700-P ist.

Der verspätet nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK vorgebrachte Einwand zur Neuheit gegenüber dem Anbauverdichter Rammax unter Berücksichtigung einer neuen Auslegung des Bergriffs "rechteckig" auf Grundlage des ebenfalls verspätet vorgebrachten Arguments D32 ist daher schon nicht überzeugend.

Die Frage der Zulassung dieses neuen Einwands unter Artikel 13 (2) VOBK kann somit dahingestellt bleiben.

7.3 Zusammenfassend kommt die Kammer mithin zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1aB die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ erfüllt.

8. Hilfsantrag 1aB - erfinderische Tätigkeit

8.1 Anbauverdichter Rammax als Ausgangspunkt

8.1.1 Der Anbauverdichter Rammax weist, wie in Bezug auf die Neuheit dargelegt, Transportösen TOE auf, die keine rechteckige Form aufweisen.

Laut D21 dienen die Transportösen zum Verzurren mittels Schäkel während des Transports, siehe Seite 16, Punkt 5.0 und Seite 11, Abbildung 1 von D21.

Die Einsprechende hat nicht ausreichend dargelegt, dass es vor dem Prioritätszeitpunkt des Patents dokumentiert oder bekannt wäre, dass die Transportösen Gabelzinken aufnehmen können und die Gabelzinken darin eingreifen können.

Der Anbauverdichter Rammax mag zwar, wie im Nachhinein in Kenntnis des Patents auch nachgewiesen, dazu geeignet sein, mittels einer Hubgabel transportiert zu werden. Eine derartige Eignung ist allerdings ohne entsprechenden Hinweis dazu in den im Verfahren befindlichen Unterlagen zum Rammax 700-P für die Fachperson in Unkenntnis der im Patent beschriebenen Erfindung bei bloßer Betrachtung des Anbauverdichters Rammax nicht ohne weiteres erkennbar. Weder ist es aufgrund der weiteren Aussparung in der Mittelstrebe und in Anbetracht der beiden weit herabragenden, die Dämpfungsvorrichtung tragenden seitlichen Fortsätze des Oberteils auf Anhieb erkennbar, dass Gabelzinken ohne weiteres in die Transportösenpaare eingeführt werden könnten. Noch ist unmittelbar und eindeutig offenbart, dass die Struktur des Anbauverdichters dazu ausgelegt wäre, dass Gabelzinken nicht nur in den Aussparungen aufgenommen werden können, sondern auch darin beim Anheben eingreifen können.

8.1.2 Die Fachperson hatte demnach zum Prioritätstag keine Kenntnis über die entsprechende Eignung zum Einführen/Eingreifen einer Hubgabel in die Transportösen des Anbauverdichters Rammax. Diese Kenntnis darf daher nicht bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe berücksichtigt werden, denn diese ist, so zu formulieren, als wäre die Erfindung nicht bekannt. Bei der Ermittlung der Aufgabe dürfen nämlich keine Kenntnisse berücksichtigt werden, die erst nach dem Prioritäts- bzw. Anmeldetag erlangt wurden, siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, Kapitel I.D.4.1.

Daher beruhen von der Einsprechenden vorgeschlagene Formulierungen der objektiven technischen Aufgabe, die sich auf

- eine Eignung der Aussparungen zum Eingreifen eines

Gabelzinkens einer Hubgabel,

- eine Hubgabel jeglicher Form oder

- einen Transport mittels einer Hubgabel

beziehen auf einer rückschauenden Betrachtungsweise, die es im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu vermeiden gilt.

Ausgehend von der Vorbenutzung durch den Anbauverdichter Rammax kann die objektive technische Aufgabe daher allgemein darin gesehen werden, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das sicher und einfach transportiert werden kann.

Diese Aufgabe wird durch die Unterscheidungsmerkmale gelöst, selbst wenn der in Absatz [0011] genannte Übertrag eines Moments um die Längsachse des Gabelzinkens durch eine Art Formschluss nicht erzielt werden sollte. Die Fachperson kennt die im Stand der Technik übliche Interaktion zwischen Gabelzinken einer Hubgabel und entsprechenden Aussparungen am anzuhebenden Teil, wie auch von der Einsprechenden selbst z. B. in Hinblick auf die wohlbekannten Europaletten argumentiert. Der technische Effekt (sicherer und einfacher Transport) wird mit einer fachüblichen Hubgabel auch dann erreicht, wenn zwar kein Formschluss erfolgt, die Hubgabel jedoch im Sinne der Anspruchsmerkmale in die rechteckigen Aufnahmeabschnitte eingreift, so dass dadurch die Oberseite der Gabel an der Unterseite der Aufnahme anliegt und zusätzlich eine gewisse Stabilisierung durch die seitlichen Begrenzungen der rechteckigen Aufnahmeabschnitte erfolgt. Eine willkürlich gedrehte Orientierung derartiger zur Aufnahme der Zinken einer Hubgabel vorgesehener Aussparungen entspricht hierbei nicht dem Verständnis der Fachperson, sondern wäre fachunüblich und daher für die Bestimmung des Effekts der Unterscheidungsmerkmale nicht zu berücksichtigen. Auch spielt es keine Rolle, dass Hubgabelzinken denkbar sind, die nicht in die beanspruchte Aussparung einführbar sind, da die Zuerkennung der Erreichung des technischen Effekts auf der grundsätzlichen Eignung der Aussparung zur Aufnahme geeigneter Hubgabelzinken beruht.

8.1.3 Der Anbauverdichter Rammax als solches sowie die zugehörige Dokumentation (D21) liefern keinen Hinweis darauf, dass der Anbauverdichter mittels einer Hubgabel einfach und sicher transportiert werden könnte.

Damit besteht ausgehend von der Vorbenutzung Rammax keine Veranlassung, die Transportösen in ihrer Form zu ändern, um die dafür üblichen Transportmöglichkeiten (mittels des Anbaubaggers oder auf Europaletten) zu erweitern. Insbesondere besteht keine Motivation, diese in eine rechteckige Form umzugestalten, sodass diese nicht nur zum Festzurren mittels Schäkel dienen können, sondern auch dazu, den Anbauverdichter sicher und einfach mittels üblicher Hubgabeln zu transportieren.

8.1.4 Einen Anreiz, rechteckige Aussparungen für die Aufnahme von Hubgabel an dem Anbauverdichter Rammax anzubringen, um eine einfache und sichere Transportmöglichkeit zu schaffen, liefert auch D1 nicht.

Dokument D1 beschreibt ein Bodenverdichtungsgerät, das an einem Gabelstapler fixiert werden kann (vgl. Industrielle Anwendbarkeit auf Seite 2 von D1a und Figur 3). Dazu weist das Bodenverdichtungsgerät im oberen Bereich eines Trägers beidseitig hohle, rohrförmige Teile (22) auf, in die Hubgabeln des Gabelstaplers eingeführt werden können (vgl. Seite 3, Zeilen 6 bis 11, von D1a).

Die rohrförmigen Aussparungen des Bodenverdichters von D1 haben eine andere Funktion also die Transportösen des Anbauverdichters Rammax. Während die Transportösen des Anbauverdichters Rammax zum Verzurren mittels Schäkeln während des Transports dienen (siehe Seite 16, Punkt 5.0 und Seite 11, Abbildung 1 von D21), erfolgt mittels der rohrförmigen Aussparungen des Bodenverdichters von D1 dessen Fixierung an einen Gabelstapler, mittels dem das Bodenverdichtungsgerät dann zum Einsatz gelangt. Damit entsprechen die rohrförmigen Aussparungen des Bodenverdichters von D1 einem Ankuppelelement für einen Gabelstapler. Der Rammax 700-P ist dagegen an einen Bagger ankuppelbar.

Der in D1 beschriebene Bodenverdichter ist daher von einem anderen Typ als der Anbauverdichter Rammax. Daher würde eine Fachperson ausgehend von dem Anbauverdichter Rammax die Lehre von D1 nicht in Betracht ziehen, wenn sie den Anbauverdichter entsprechend der oben genannten Aufgabe modifizieren möchte.

Selbst wenn eine Fachperson ausgehend vom Anbauverdichter Rammax das Dokument D1 in Betracht ziehen würde, liefert D1 keine Motivation, die Lehre zu einer Vorrichtung zur Fixierung an einen Gabelstapler zu berücksichtigen, um die Transportösen zum Verzurren zu modifizieren. Auch legen weder der Anbauverdichter Rammax noch D1 nahe, an einem Bodenverdichter zwei unterschiedliche Kupplungsvorrichtungen vorzusehen, sodass zwei unterschiedliche Geräte zum Führen des Bodenverdichters daran fixiert und eingesetzt werden können.

Ausgehend von dem Anbauverdichter Rammax würde eine Fachperson daher dort auch nicht zusätzlich zur Baggerkupplungsvorrichtung rohrförmige Aussparungen zur Fixierung an einen Gabelstapler gemäß der Lehre von D1 vorsehen. Allenfalls würde die Fachperson die Baggerkupplungsvorrichtung durch die rohrförmigen Aussparungen zur Fixierung an einen Gabelstapler ersetzten, was jedoch nicht zum beanspruchten Gegenstand führen würde.

8.1.5 Zwar belegen auch die übrigen von der Einsprechenden zitierten Dokumente D10, D11, D12 und D13, dass eine Fachperson Vorrichtungen kennt, die eine rechteckige Aussparung aufweisen, mittels derer sie von einer Hubgabel angehoben werden können. Allerdings ist nicht erkennbar, wie diese Lehre eine Fachperson dazu anleiten soll, zu erkennen, dass ausgerechnet auch der Anbauverdichter Rammax einfach und sicher mittels einer Hubgabel transportiert werden kann. Die Dokumente D10 bis D13 geben daher keinen Anreiz, die zum Verzurren beim Transport dienenden Transportösen in ihrer Form zu ändern.

Das Gleiche gilt in Bezug auf das allgemeine Fachwissen, wie es beispielsweise durch Europaletten symbolisiert wird. Zwar weiß eine Fachperson, dass rechteckige Aufnahmeöffnungen vorteilhaft sind für das Einführen von rechteckigen Gabelzinken und den sicheren Transport damit (vgl. die obigen Ausführungen zum Erreichen des technischen Effekts). Allerdings liefert dieses Fachwissen keinen Anreiz dazu, den Anbauverdichter Rammax mittels einer Hubgabel zu transportieren. Auch liefert dieses Wissen keine Motivation, die zum Verzurren beim Transport dienenden Transportösen rechteckig auszuführen.

8.1.6 Selbst wenn man um des Arguments willen der weiteren alternativen Angriffslinie der Einsprechenden dahingehend folgen würde, wonach die objektive technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer alternativen geometrischen Ausgestaltung der Transportösen zu sehen ist, gäbe der Anbauverdichter Rammax oder eines der weiteren zitierten Dokumente D1 und D10 bis D13 nichtsdestotrotz keinen Hinweis darauf (in Unkenntnis der Eignung des Anbauverdichters mittels einer Hubgabel transportiert zu werden)

- die Transportösen ausgerechnet rechteckig

auszugestalten,

- diese dann rechteckigen Transportösen weiterhin

fluchtend anzuordnen und

- diese in der Größe und Lage im Anbauverdichter

Rammax so weiter anzuordnen, dass in diese und noch weiterhin Gabelzinken eingreifen können.

8.1.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1aB ist daher ausgehend von der Vorbenutzung Rammax selbst unter weiterer Berücksichtigung der Dokumente D1, D10 bis D13 und des allgemeinen Fachwissens nicht naheliegend.

8.2 D1 als Ausgangspunkt

8.2.1 Wie in Punkt 8.1.4 oben bereits dargelegt, beschreibt D1 ein Bodenverdichtungsgerät, das an einem Gabelstapler fixiert werden kann (vgl. Industrielle Anwendbarkeit auf Seite 2 von D1a und Figur 3).

8.2.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von dem in D1 beschriebenen Bodenverdichter folglich dadurch, dass es sich um einen Anbauverdichter für einen Bagger handelt, also der Bodenverdichter an einen Bagger ankuppelbar ist.

8.2.3 Die objektive technische Aufgabe kann ausgehend von D1 gemäß der Einsprechenden darin gesehen werden, ein alternatives Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen.

8.2.4 D6 offenbart zwar einen Anbauverdichter, der an einen Bagger ankuppelbar ist. Allerdings ist kein Anreiz erkennbar, warum eine Fachperson ausgehend von einem durch einen Gabelstapler führbaren Bodenverdichter gemäß D1 die Lehre zu einem Anbauverdichter für einen Bagger gemäß D6 in Erwägung ziehen sollte, denn die beiden Dokumente betreffen unterschiedliche Typen von Bodenverdichtern.

Selbst wenn eine Fachperson ausgehend von D1 unter weiterer Berücksichtigung von D6 in Erwägung ziehen würde, an D1 eine Vorrichtung vorzusehen, mittels der der Bodenverdichter an einen Bagger ankuppelbar ist, so ist nicht erkennbar, warum eine Fachperson dann zusätzlich die Vorrichtung zur Fixierung an einen Gabelstapler beibehalten sollte. Weder D6 noch D1 liefern einen Anreiz, an einem Bodenverdichter zwei unterschiedliche Kupplungsvorrichtungen vorzusehen, sodass zwei unterschiedliche Geräte zum Führen des Bodenverdichters eingesetzt werden können.

8.2.5 Die Argumentation in Bezug auf D6 gilt gleichermaßen für eine Kombination von D1 mit D2 und D18.

8.2.6 Ausgehend von D1 ist der Gegenstand von Anspruch 1 daher selbst unter weiterer Berücksichtigung von D2, D6 und D18 nicht naheliegend.

8.3 D6 als Ausgangspunkt

D6 offenbart ähnlich wie die Vorbenutzung durch den Anbauverdichter Rammax nicht, dass der darin beschriebene Anbauverdichter mit einer Hubgabel transportiert werden kann und dafür vorteilhaft Paare von rechteckigen Aussparungen aufweisen soll.

Die Einsprechende argumentiert, die objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das mit einem Gabelstapler bzw. einer Hubgabel transportiert werden kann.

Wie in Bezug auf den Anbauverdichter Rammax im vorangehenden Punkt 8.1.2 dargelegt, beruht eine derartige Formulierung der objektiven technischen Aufgabe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.

Formuliert man die objektive technische Aufgabe wie vorangehend dargelegt allgemeiner, liefert D6 keinen Anreiz, rechteckige Aussparungen vorzusehen, um den Bodenverdichter sicher und einfach transportieren zu können.

Dazu liefert auch, wie oben in Punkt 8.1.4 dargelegt, D1 keine Motivation, denn D1 betrifft eine andere Art von Bodenverdichter, dessen Ankuppelsystem für einen Gabelstapler eine Fachperson nicht zusätzlich zu dem Ankuppelsystem für einen Bagger in D6 vorsehen würde.

8.4 Zusammenfassend kommt die Kammer mithin zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1aB die Erfordernisse des Artikels 56EPÜ erfüllt. Nach der erforderlichen Anpassung der Beschreibung an den geänderten Anspruchssatz ist Hilfsantrag 1aB (eingereicht mit der Beschwerdebegründung) daher gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

Nr.: 1 bis 5 gemäß des Hilfsantrags 1aB

Beschreibung:

Spalten: 1 bis 8 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer

Figuren:

Nr.: 1 bis 7 der Patentschrift

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