European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T057923.20241204 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 04 Dezember 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0579/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16165976.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | C22C 21/00 C22F 1/043 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | GUSSLEGIERUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | Aluminium Rheinfelden Alloys GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | TRIMET Aluminium SE | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - zulässig (nein) Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 235 916 B1 auf Grundlage des Hilfsantrags 2 aufrecht zu erhalten.
II. Der für die Entscheidung relevante Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"1. Verwendung einer Gusslegierung bestehend aus:
Eisen 1,0 -3,0 Gew. %
Magnesium 2,0 bis 5,0 %
Mangan 0 - 2,5 Gew. %
Beryllium 0 - 500 ppm
Titan 0- 0,5 Gew. %
Silizium 0-0,4 Gew. %
Strontium 0- 0,8 Gew. %
Phosphor 0- 500 ppm
Kupfer 0- 4 Gew. %
Zink 0- 0.5 Gew.%
0- 0,5 Gew. % eines Elements oder einer Elementengruppe ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Chrom, Nickel, Molybdän, Zirkon, Vanadium, Hafnium, Calcium, Gallium und Bor,
und der Rest Aluminium und unvermeidbare Verunreinigungen zum Druckgiessen, von Strukturbauteilen für den Automobilbau."
III. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 wurden, verglichen zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 2, die folgenden Bereiche geändert:
Eisen 1,0 - [deleted: 3,0] 2,4 Gew. %
Magnesium [deleted: 2,0] 3,0 bis 5,0 %
IV. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin (Einsprechende) können wie folgt zusammengefasst werden:
Vortrag durch den technischen Experten in der mündlichen Verhandlung
Aus der Ankündigung der Patentinhaberin im Schreiben vom 30. Oktober 2024 lasse sich nicht entnehmen, zu welchen Themen der technische Experte Stellung nehmen soll, insbesondere nicht, dass die Stellungnahme den Artikel 123(2) EPÜ und somit eine Rechtsfrage betreffe.
Hilfsantrag 2: Artikel 123(2) EPÜ
Zur Kombination der engeren Bereiche von Eisen mit engeren Bereichen von Magnesium oder den anderen Elementen, sowie der Einschränkung auf Druckgießen gebe es keine generische Offenbarung in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht. Das konfrontiere die Fachperson mit neuer technischer Information.
Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbare vier Ausführungsbeispiele. Die Fachperson könne der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht nicht entnehmen, dass Legierungsvariante C der spezifische Pointer für die beanspruchten Bereiche darstellen solle.
Die Legierungselemente der Legierungsvariante C liegen sowohl innerhalb breiterer ursprünglich offenbarter Bereiche als auch innerhalb engerer ursprünglich offenbarter Bereiche. Dass ausgerechnet der beanspruchte Bereich relevant sein soll, stelle für die Fachperson eine neue technische Information dar.
Hilfsantrag 11: Berücksichtigung
Die Tatsache, dass die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK eine von der Einspruchsabteilung abweichende Meinung vertreten hat, stelle keinen außergewöhnlichen Umstand dar.
V. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin (Inhaberin) können wie folgt zusammengefasst werden:
Vortrag durch den technischen Experten
Im Schreiben vom 30. Oktober 2024 wurde beantragt, dass dem Leiter der Forschung und Entwicklung der Patentinhaberin als technischer Experte und Erfinder des Streitpatents das Wort erteilt werde.
Hilfsantrag 2: Artikel 123(2) EPÜ
Alle offenbarten Bereiche und auch die beanspruchten Bereiche, die sich aus den Endpunkten der offenbarten Bereiche zusammensetzten, seien konvergierend. Die Legierungsvariante C falle in alle diese Bereiche und könne als Hinweis auf diese Beschränkung herangezogen werden. Wie die Einspruchsabteilung richtig festgestellt habe, dürften die zwingenden Legierungsbestandteile isoliert von den optionalen Legierungsbestandteilen betrachtet werden. Zudem seien die eingeschränkten Bereiche mit keinem nicht offenbarten technischen Beitrag verbunden. Daher seien alle Voraussetzungen der T 1621/16 erfüllt. Die Kammer der jüngeren Entscheidung T 1261/21 war auch der Auffassung, dass konvergierenden Listen nicht gleich behandelt werden sollen, wie nicht-konvergierende Listen.
Hilfsantrag 11: Berücksichtigung
Die Auffassung der Kammer kam überraschend, vor allem im Hinblick darauf, dass sie der Rechtsprechung in T 1621/16 nicht folge.
Daher sollte das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände anerkannt werden.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen, d.h., das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 10. Januar 2023, oder hilfsweise auf der Grundlage des mit Schreiben vom 30. Oktober 2024 eingereichten Hilfsantrags 11 aufrecht zu erhalten.
Entscheidungsgründe
1. Hilfsantrag 2, Artikel 123(2) EPÜ
Die Änderungen im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 stellen sich wie folgt dar. Dabei sind die Änderungen im Vergleich zur ursprünglich eingereichten Fassung des Anspruchs 13 mit Anspruch 1 hervorgehoben. Eine Basis ist in der rechten Spalte angegeben.
Anm: Referenzangaben beziehen sich in diesem Abschnitt, wenn nicht anders angegeben, auf die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht.
"1. Verwendung einer Gusslegierung bestehend aus:|
Eisen [deleted: 0,8] 1,0 -3,0 Gew. %|Untergrenze des Bereichs in Anspruch 2|
Magnesium [deleted: 0,01 bis 9,0] 2,0 bis 5,0 %|Untergrenze des Bereichs in Anspruch 5 Obergrenze des Bereichs in Anspruch 6|
Mangan 0 - 2,5 Gew. % | |
Beryllium 0 - 500 ppm | |
Titan 0- 0,5 Gew. % | |
Silizium 0-[deleted: 0,8] 0,4 Gew. %|Obergrenze des Bereichs in Seite 4, Zeile 15|
Strontium 0- 0,8 Gew. %| |
Phosphor 0- 500 ppm | |
Kupfer 0- 4 Gew. % | |
Zink 0- [deleted: 10] 0.5 Gew.%|Obergrenze des Bereichs in Seite 4, Zeile 11|
0- 0,5 Gew. % eines Elements oder einer Elementengruppe ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Chrom, Nickel, Molybdän, Zirkon, Vanadium, Hafnium, Calcium, Gallium und Bor,| |
und der Rest Aluminium und unvermeidbare Verunreinigungen zum Druckgiessen, vorzugsweise zum Druckgiessen von Strukturbauteilen für den Automobilbau." | |
1.1 Die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht gibt für die geänderten Elemente Eisen, Magnesium, Silizium und Zink folgende Bereiche an:
1.1.1 Auf der Seite 3, Zeile 21 bis Seite 4, Zeile 2 sowie in den Ansprüchen 2 und 3 wurden für Eisen folgende Bereiche angegeben: 1,0-2,4 Gew.% und 1,4-2,2 Gew.%. Der ursprüngliche Anspruch 1 offenbart 0,8-3,0 Gew.%. Der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht zufolge, sind alle offenbarten Ausführungsbeispiele (Legierungsvarianten) erfindungsgemäß. Sie enthalten Eisen in einer Menge von 2,01 und 2,10, 1,63 und 1,56 Gew.%.
1.1.2 Auf der Seite 4, Zeilen 3-7, sowie in den Ansprüchen 4 bis 6 wurden für Magnesium folgende Bereiche angegeben: 0,3-7,0 Gew.%, 2,0-7,0 Gew.%. und 3,0-5,0 Gew. %. Seite 5, Zeilen 21-23 offenbart eine Obergrenze an Magnesium von 7 Gew.%. Der ursprüngliche Anspruch 1 und die Seite 3 offenbaren 0,01-9,0 Gew.%.
Die offenbarten, erfindungsgemäßen Legierungsvarianten zeigen einen Magnesiumgehalt von 0,01, 0,48, 3,94 und 6,01 Gew.%.
1.1.3 Auf der Seite 4, Zeile 15, wurde für Silizium ein Bereich von 0-0,4 Gew.% angegeben. Auf der Seite 3 und im Anspruch 1 ein Bereich von 0-0,8 Gew.%. Seite 6, Zeilen 10-11 offenbart eine Obergrenze an Silizium von 0,2 Gew.%
Die offenbarten, erfindungsgemäßen Legierungsvarianten zeigen einen Siliziumgehalt von 0,03 und 0,04 Gew.%.
1.1.4 Auf der Seite 4, Zeile 11, wurde für Zink ein Bereich von 0-0,5 Gew.% angegeben. Auf der Seite 3 und im Anspruch 1 wird ein Bereich von 0-10 Gew.% offenbart. Alle offenbarten, erfindungsgemäßen Legierungsvarianten enthalten 0,01 Gew.% Zink.
1.2 Wie die Patentinhaberin dargelegt hat, offenbart daher die Anmeldung wie ursprünglich eingereicht für die geänderten Legierungsbestandteile ausschließlich konvergierende Bereiche. Die beanspruchten Bereiche für Eisen und Magnesium sind nicht als solche in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht offenbart, fügen sich jedoch in die Reihe der konvergenten Bereiche ein.
1.3 Es ist etablierte Rechtsprechung, dass für die Beurteilung, ob Änderungen eines Anspruchs die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllen, der "Goldstandard" anzuwenden ist (siehe G 2/10, insbes. Punkt 4.3).
1.4 Die Beurteilung muss jedenfalls einzelfallbezogen sein, wie auch die von der Beschwerdegegnerin zitierte T 1261/21 in Punkt 4.2.10 sowie die T 1133/21 in Punkt 2.16 hervorheben.
Dabei ist eine allzu formalistische Anwendung des Konzepts der Mehrfachauswahl aus Listen von Alternativen zu vermeiden (T 1261/21, Punkt 4.2.13).
1.5 Darüber hinaus ist diese Kammer, in Übereinstimmung mit der T 1937/17 und der von der Beschwerdegegnerin zitierten T 1261/21, der Auffassung, dass das erste Kriterium von Punkt 2) des Leitsatzes von T 1621/16 ("der Gegenstand, der sich aus der Mehrfachauswahl ergibt, ist nicht mit einem nicht offenbarten technischen Beitrag verbunden") nicht zur Prüfung der vorliegenden Mehrfachauswahl auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ heranzuziehen ist (T 1937/17, Punkt 4.3.1; T 1261/21 Punkt 4.2.5).
1.6 Die Kammer schließt sich auch der in Punkt 4.2.9 dargelegten Ansicht der von der Beschwerdegegnerin zitierten T 1261/21 an, dass die bloße Tatsache, dass der Gehalt an strittigen Legierungselementen in der ursprünglichen Anmeldung in Form von Listen von konvergierenden Bereichen beschrieben werden, dem Inhaber aber keinen Freibrief dafür gibt, Bereiche, die aus einer ersten Liste ausgewählt werden, mit Bereichen, die aus einer zweiten Liste ausgewählt werden, frei zu kombinieren (T 1261/21, Punkt 4.2.9; T 1133/21, Punkt 2.15).
Vielmehr muss ein Hinweis auf die beanspruchte Kombination der Bereiche vorhanden sein.
1.7 Wie im folgenden dargelegt ist die Kammer der Auffassung, dass im vorliegenden Fall der bloße, formale Umstand, dass eines der vier ursprünglich als erfindungsgemäß dargestellten Beispiele in den nun beanspruchten Bereich fällt, nicht als Hinweis ausreicht, die Änderungen in den Bereichsgrenzen der vier strittigen Legierungselemente zu rechtfertigen. Insbesondere wenn man die Offenbarung zu den Grenzwerten der strittigen Legierungselementen betrachtet, kommt man unmittelbar zum Schluss, dass die Änderungen keine Grundlage in der Anmeldung wie ursprünglich eingereicht finden.
Die vorliegende Kombination von Merkmalen konfrontiert die Fachperson somit mit neuer technischer Information.
1.8 Die Legierungsvariante C der ursprünglichen Offenbarung kann, wie von der Beschwerdegegnerin mit Verweis auf Absätze [0024] und [0025] des Streitpatents (entspricht Seite 5 , Zeile 10 bis Seite 6, Zeile 2 der Beschreibung wie ursprünglich eingereicht) betont, als ein AlMgFe-Dreistoffsystem aufgefasst werden. Es besteht im wesentlichen aus Aluminium, Magnesium (3,94 Gew.%) und Eisen (1,63 Gew.%). Silizium, das mit dem größten Anteil der weiteren Elemente in der Legierung enthalten ist, ist nurmehr mit einem Anteil von 0,04 Gew.% vertreten.
Anspruch 1 kann jedoch u.a. bis zu 4 Gew.% Kupfer und bis zu 2,5 Gew.% Mangan enthalten.
Diese Anteile liegen deutlich über den Mindestanteilen von Eisen (0,8 Gew.%) und Magnesium (2,0 Gew.%).
Nach Auffassung der Kammer beschränkt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 daher nicht auf ein Dreistoffsystem gemäß Legierungsvariante C.
Legierungsvariante C kann schon alleine aus diesem Grund keinen Hinweis auf den Gegenstand des Anspruchs 1 geben.
1.9 Es ist auch nicht schlüssig, wie Legierungsvariante C, im Lichte der Beschreibung einen Hinweis ("Pointer") auf jeden einzelnen der Bereiche für Magnesium, Silizium und Zink geben kann.
Magnesium wird zugegeben, um die gewünschte Festigkeit einzustellen (Seite 6, Zeilen 4-5). Auf der Seite 5, Zeilen 21-23 wird gelehrt, den Magnesiumgehalt von 7 Gew.% möglichst nicht zu überschreiten.
Anspruch 1 enthält jedoch eine Obergrenze von 5 Gew.% an Magnesium und die von der Beschwerdegegnerin angegebene Legierungsvariante C, die als Hinweis für die beanspruchte Legierung dienen soll, hat einen Magnesiumanteil von 3,94 Gew.%.
Wie Legierungsvariante C einen Hinweis auf die beanspruchte Obergrenze geben kann, ist nicht schlüssig.
Auf Seite 6, Zeilen 10-11 wird gelehrt, dass der
Siliziumgehalt 0,2 Gew.% nicht überschritten werden soll, um eine Werkstoffversprödung zu vermeiden.
Die von der Beschwerdegegnerin angegebene Legierungsvariante C, die als Hinweis für die beanspruchte Legierung dienen soll, hat einen Siliziumanteil von 0,04 Gew.%, während Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 immer noch einen Anteil von bis zu 0,4 Gew.% zulässt.
Es ist daher nicht ersichtlich, warum der beanspruchte Anteil an Silizium von 0,8 Gew.% auf 0,4 Gew.% gesenkt werden soll, und daher immer noch über der offenbarten Obergrenze von 0,2 Gew.% liegen darf, ab der mit einer Werkstoffversprödung gerechnet werden muss, obwohl die Legierungsvariante C lediglich 0,04 Gew.% aufweist.
Seite 7 lehrt in den Zeilen 16-22, dass Kupfer und/oder Zink zur Beeinflussung der Festigkeit hinzugegeben werden, wobei diese Legierungselemente nur gewählt werden sollten, wenn eine Dehngrenze von über 150 MPa gefordert ist (Seite 7, Zeilen 16-22).
Die Dehngrenze der Legierungsvariante C beträgt nur 120 N/mm**(2). Anspruch 1 lässt jedoch immer noch bis zu 0,5 Gew.% Zink zu, während die als Hinweis genannte Legierungsvariante C nur 0,01 Gew.% enthält.
Wie Legierungsvariante C einen Hinweis auf die beanspruchte Obergrenze geben kann, ist nicht schlüssig.
Auch auf diese beanspruchten Bereichsgrenzen kann die Legierungsvariante C daher keinen Hinweis geben.
1.10 Erst recht ist Legierungsvariante C nicht dazu geeignet, einen Hinweis auf die Kombination der Legierungsbestandteile zu geben.
Es ist beispielsweise nicht ersichtlich, warum der beanspruchte Anteil an Silizium von 0,8 Gew.% auf 0,4 Gew.% gesenkt werden soll, sodass immer noch mit einer Werkstoffversprödung gerechnet werden muss und gleichzeitig die Obergrenze von Zink von 10 Gew.% auf auf 0,5 Gew.% gesenkt werden soll, so dass höhere Festigkeiten u. U. nicht mehr erreicht werden können, während zwar die Untergrenze des Gehalts an festigkeitssteigerndem Magnesium etwas (von 0,01 Gew.% auf 2 Gew.%) angehoben wird, aber auch die Obergrenze deutlich (von 9 Gew.% auf 5 Gew.%) reduziert wird.
Ein Hinweis auf die Kombination der Untergrenze für Magnesium (2,0 Gew.%) mit dem maximalen Siliziumgehalt (0,4 Gew.%) und dem maximalen Zinkgehalt (0,5 Gew.%) ist nicht aus der ursprünglichen Anmeldung ersichtlich.
1.11 In Ermangelung eines Hinweises auf die beanspruchte Kombination ist die vorliegende Mehrfachauswahl von Merkmalen für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar und konfrontiert ihn mit neuer technischer Information (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, Kapitel II.E.1.6 a)).
1.12 Die Auffassung der Beschwerdegegnerin und der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung Absätze 3.2 und 3.3.1), dass die optionalen Legierungsbestandteile den "technischen Charakter" der Legierung nicht veränderten, und deshalb isoliert geändert werden können, ist nicht mit dem bereits erwähnten Goldstandard vereinbar.
Es sei zunächst angemerkt, dass dieser Begriff im Patentrecht zur Abgrenzung von technischen und nichttechnischen Merkmalen herangezogen wird (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, Kapitel I.A.1.1). In diesem Sinne besitzt jeder Bestandteil der vorliegenden Legierung ohne Zweifel einen technischen Charakter.
Insofern ein technischer Beitrag damit gemeint sein soll, spielt dieser, wie bereits zuvor in Punkt 1.3 diskutiert, bei der Prüfung der Erfordernisse einer Mehrfachauswahl unter Artikel 123(2) EPÜ keine Rolle.
Eine Abgrenzung von Legierungsbestandteilen, die einen technischen Beitrag leisten, von Legierungsbestandteilen, die keinen technischen Beitrag leisten, ist daher bei der Prüfung unter Artikel 123(2) EPÜ nicht möglich.
Zudem ist der Beschwerdeführerin darin zuzustimmen, dass Silizium und Zink Legierungsbestandteile sind, die sehr wohl einen Einfluss auf die Legierung haben. Wie aus der vorangehenden Zusammenfassung ersichtlich ist, soll, der ursprünglichen Beschreibung zufolge, ein Siliziumgehalt von 0.2 Gew.% nicht überschritten werden, um eine Werkstoffversprödung zu vermeiden. Die Reduktion von Zink von 10 Gew.% auf 0,5 Gew.% hat zur Folge, dass höhere Dehngrenzen unter Umständen nicht erreicht werden können.
1.13 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, dass keine Legierungsvariante zwingend Silizium und Zink enthalte.
Diese Tatsache geht am Einwand der Beschwerdeführerin vorbei. Strittig ist nicht die Kombination der Untergrenzen sondern die Kombination der Obergrenzen dieser Elemente.
2. Berücksichtigung des Hilfsantrags 11
Hilfsantrag 11 wurde mit Schreiben vom 30. Oktober 2024, d.h. nach Zustellung der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK, eingereicht.
Die erneute Abänderung der beanspruchten Bereiche zweier Bestandteile ist unbestritten eine Änderung des Beschwerdevorbringens.
Gemäß Artikel 13(2) VOBK bleiben solche Änderungen grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Im gegenständlichen Fall liegen bereits keine außergewöhnlichen Umstände vor. Wie die Beschwerdegegnerin anerkennt, hat die Kammer in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK keine neuen Aspekte aufgeworfen, sondern ist lediglich den Argumenten der Beschwerdeführerin gefolgt, wie in Punkt 1. der Entscheidung zu entnehmen ist.
Es liegt auch kein Widerspruch zur zitierten Rechtssprechung vor. Wie bereits dargelegt, wird allgemein anerkannt, dass eine Prüfung unter Artikel 123(2) EPÜ einzelfallbezogen zu erfolgen hat. Für den vorlegenden Fall wurde dargelegt, dass der formale Umstand, dass Legierungsvariante C als eines von vier ursprünglich als erfindungsgemäß bezeichneten Beispielen in Anspruch 1 fällt, nicht als Hinweis ausreicht, um die Bereiche der vier strittigen Legierungselemente wie beansprucht zu begrenzen.
Daher bleibt Hilfsantrag 11 unberücksichtigt.
3. Vortrag durch den technischen Experten
Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sie nicht damit einverstanden sei, dass Hr. Wieser das Wort zu den Erfordernissen von Artikel 123(2) EPÜ erteilt werde.
Nach G 4/95 kann es einer Person, die den zugelassenen Vertreter eines Beteiligten begleitet, gestattet werden, unter Aufsicht des Vertreters mündliche Ausführungen zu konkreten rechtlichen oder technischen Fragen zu machen. Solche Ausführungen dürfen nur mit Zustimmung des EPA und nach seinem Ermessen gemacht werden. Bei der Ausübung des Ermessens ist unter anderem zu berücksichtigen, dass rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung ein Antrag auf Zulassung von Ausführungen einer Begleitperson gestellt wurde, in dem der Name und die Qualifikation der Begleitperson angegeben ist und der Gegenstand der beabsichtigten Ausführungen genannt ist.
Im vorliegenden Fall wurde im Antrag zwar der Name, als auch die Qualifikation der Begleitperson explizit angegeben, allerdings wurde der Gegenstand der beabsichtigten mündlichen Ausführungen nicht genannt. Aus dem Schreiben vom 30. Oktober 2024 ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der technische Experte zu den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ Stellung nehmen möchte. Dass der technische Experte zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit Artikel 123(2) EPÜ Stellung nehmen möchte, war vorliegend auch nicht implizit anzunehmen.
Daher wurde dem technischen Experten nicht gestattet, in der mündlichen Verhandlung zu Artikel 123(2) EPÜ Stellung zu nehmen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.