T 0347/23 () of 21.11.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T034723.20241121
Datum der Entscheidung: 21 November 2024
Aktenzeichen: T 0347/23
Anmeldenummer: 16727293.9
IPC-Klasse: F04D 29/42
F04D 29/54
F04D 29/68
F04D 17/16
F04D 19/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EINSTRÖMDÜSE FÜR EINEN RADIAL-, DIAGONAL- ODER AXIALVENTILATOR UND RADIAL-, DIAGONAL- ODER AXIALVENTILATOR MIT EINER EINSTRÖMDÜSE
Name des Anmelders: Ziehl-Abegg SE
Name des Einsprechenden: ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Änderungen - zulässig (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hauptantrags (vormals Hilfsantrag 2) die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

In dieser hat die Einspruchsabteilung unter anderem festgestellt, dass

- der Gegenstand der Ansprüche gemäß Hauptantrag nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht,

- der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK hat die Kammer die Feststellungen der Einspruchsabteilung vorläufig bestätigt.

III. Am 21. November 2024 fand eine mündliche Verhandlung in Form einer Videokonferenz unter Beteiligung beider Parteien statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung eines der mit Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 - 36, von denen die Hilfsanträge 2 - 18 bereits im Einspruchsverfahren vorlagen.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (Merkmalsbezeichnung durch die Kammer):

M1 Einströmdüse für einen Radial-, Diagonal- oder Axialventilator, mit

M2.1 einem im Querschnitt kreisringförmigen,

M2.2 einen Krümmungsradius aufweisenden und

M2.3 sich in Strömungsrichtung (4) im Durchmesser verjüngenden Einströmabschnitt (3),

M3 wobei eine Maßnahme oder ein Strömungselement an oder in der gekrümmten Oberfläche (5) des Einströmabschnitts (3) vorgesehen ist, insbesondere zur Erzwingung turbulenter Grenzschichten in der Strömung, die einer Strömungsablösung in diesem Bereich entgegenwirkt/entgegenwirken können,

dadurch gekennzeichnet,

M4 dass die Maßnahme oder das Strömungselement eine Erweiterung bzw. ein ringförmiger Rücksprung im Sinne einer zonalen Erweiterung ist,

M5 die bzw. der als zurückspringende Kante (6) mit Abkantungswinkeln 180° < alpha < 270° und 180° > beta > 90° ausgeführt ist, wobei die Kante (6) durch die Abkantungswinkel alpha und beta gebildet ist, wobei alpha ein überstumpfer Winkel ist und wobei beta ein in Strömungsrichtung (4) dem Abkantungswinkel alpha nachgeordneter stumpfer Winkel ist.

VI. Nachfolgend wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: DE 10 2012 021 372 A1

D2: US 2008/0085186 A1

D3: DE 200 01 746 U1

D4: EP 1 122 444 B1

D5: JP 2004-211931 A

D5a: maschinelle Übersetzung von D5

D6: JP 2775796 B2

D6a: maschinelle Übersetzung von D6

D7: CN 104405654 A

D7a: maschinelle Übersetzung von D7.

VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der unabhängige Anspruch enthalte zahlreiche unklare Merkmale, die so auch nicht ursprünglich offenbart seien oder zumindest zu unzulässigen Zwischenverallgemeinerungen führten.

Selbst bei einschränkender Auslegung sei sein Gegenstand vor allem durch D3 bzw. D4 neuheitsschädlich vorweggenommen oder beruhe ausgehend von der dort offenbarten Einströmdüse mit einer sickenförmigen Erweiterung zumindest nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Wenn der Fachmann den Anspruch zusammenhängend und nicht zerlegend mit der Absicht, ihn misszuverstehen, liest, um zu einer technisch sinnvollen Auslegung zu gelangen, und die gesamte ursprüngliche Offenbarung berücksichtigt, sieht er weder Unklarheiten, noch unzulässige Erweiterungen.

Eine Erweiterung in Form der klar beanspruchten rückspringenden Kante ist in keinem der angezogenen Dokumente offenbart. Folglich ist der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nur neu, sondern beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das Patent und sein technischer Hintergrund

Das Patent befasst sich mit einer Einströmdüse für einen Ventilator, die einen im Querschnitt kreisförmigen und sich in Strömungsrichtung verjüngenden Einströmabschnitt aufweist, der wiederum einen Krümmungsradius aufweist. Dieser muss nicht stetig sein, Absatz [0012].

Ein kleiner Krümmungsradius spart Bauraum, wenn an ihn beispielsweise ein zur Strömungsrichtung senkrechter vertikaler umlaufender Befestigungsflansch anschließt, verursacht aber leichter Strömungsabrisse und somit Geräusche und Leistungsverluste als ein großer. Diese sollen erfindungsgemäß wieder durch eine Erweiterung kompensiert werden, die durch eine in der gekrümmten Oberfläche ausgebildete, ringförmige, rückspringende Kante ausgebildet ist, siehe Fig. 6 und Absätze [0005] - [0007], [0009].

3. Hauptantrag - unzulässige Erweiterung und Verständnis der Merkmale

3.1 Anspruch 1 beruht auf den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 4.

3.1.1 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin definiert bereits der ursprüngliche Anspruch 1 einen Bereich in Merkmal M3 nicht lediglich anhand einer optionalen technischen Wirkung ("insbesondere zur Erzwingung turbulenter Grenzschichten in der Strömung, die einer Strömungsablösung in diesem Bereich entgegenwirkt"), die (nur) in ihm auftritt. Vielmehr wird in Merkmal M3 das Auftreten der optionale Wirkung in einem bestimmten, vorher definierten Bereich verortet, nämlich "in diesem Bereich". Dieser Bereich wird durch eine "Maßnahme oder ein Strömungselement an oder in der gekrümmten Oberfläche des Einströmabschnitts" festgelegt, die sich in ihm befinden. Dabei muss mit Oberfläche natürlich eine innere, in Kontakt mit der Strömung stehende gemeint sein, auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt ist.

3.1.2 Der ursprüngliche Anspruch 2 bezieht sich auf diesen durch das Vorhandensein der Maßnahme oder des Strömungslelements bestimmten Bereich und konkretisiert Maßnahme/Strömungslement als einen ringförmigen Rücksprung des gekrümmten Einströmabschnitts (Strömungselement) im Sinne einer zonalen Erweiterung dieses Bereichs (Maßnahme). Daher geht die Formulierung des Merkmals M4 von Anspruch 1, dass die oder das bereits in Merkmal M3 als "an oder in der gekrümmten Oberfläche des Einströmabschnitts" vorgesehen bezeichnete Maßnahme oder Strömungselement eine Erweiterung (Maßnahme) bzw. ein ringförmiger Rücksprung (Strömungselement) im Sinne einer zonalen Erweiterung (Maßnahme) ist, nicht über den ursprünglich in den Ansprüchen 1 und 2 definierten Gegenstand hinaus.

3.1.3 Sowohl Anspruch 1 des Hauptantrags, als auch der ursprüngliche Anspruch 2 mögen an sich überflüssige Tautologien enthalten, wie "Erweiterung ... im Sinne einer zonalen Erweiterung" und dass Maßnahme/Strömungslelement im vorher definierten Bereich von Maßnahme/Strömungselement liegen ("dieses Bereichs"). Zum einen sind diese Tautologien aber nicht in sich widersprüchlich oder unklar, sondern verdeutlichen vielmehr, dass Strömungselement und Maßnahme eben keine alternativen Merkmale, sondern Bezeichnungen für dasselbe Merkmal in unterschiedlichem Blickwinkel oder Bezug waren und sind. Dies gilt ebenfalls für ihre Konkretisierungen als ringförmiger Rücksprung im Querschnitt kreisringförmigen (M2.1), gekrümmten (M2.2, M3) Einströmabschnitt "bzw." als oder "im Sinne" eine[r] dadurch im Bereich des Rücksprungs (herbeigeführte[n]) Erweiterung.

Zum anderen kann folglich das Weglassen eines solchermaßen redundanten Merkmals wie "dieses Bereichs" in Merkmal M4 des Anspruchs 1 nicht zu einer unzulässigen Erweiterung führen.

3.1.4 Eine Erweiterung in einem gekrümmten (M2.2, M3), "sich in Strömungsrichtung im Durchmesser verjüngende[n]" (M2.3) Einströmabschnitt führt im übrigen zu einer zonalen Erweiterung seines Durchmessers bzw. seines Strömungsquerschnitts, ein ringförmiger Rücksprung "in diesem Sinne" ist ein Sprung zurück auf einen stromauf liegenden größeren Durchmesser oder Querschnitt, also ein Versatz nach radial außen in der sich ansonsten verjüngenden Kontur des Einströmabschnitts. Dieses bereits durch die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 und 2 implizierte Verständnis wird durch die gesamte ursprüngliche Offenbarung ausnahmslos und widerspruchsfrei gestützt, siehe insbesondere Seite 4, dritter Absatz der ursprünglichen Beschreibung.

3.1.5 Die parallele Existenz von Erweiterung und Rücksprung als zwei Seiten einer Medaille geht auch aus dem ursprünglichen Anspruch 4 hervor. Dieser präsentiert gewissermaßen in umgekehrter Analogie wie zuvor der ursprüngliche Anspruch 2 ("Rücksprung im Sinne einer Erweiterung") die Ausführung der Erweiterung als zurückspringende Kante, also einer speziellen Art von Rücksprung, mit Abkantungswinkeln 180°< alpha < 270° und 180° > beta > 90°. Die wiederum verdeutlichende Formulierung in Merkmal M5 von Anspruch 1, dass die Kannte durch die zwei Abkantungswinkel gebildet wird, stammt aus dem oben zitierten dritten Absatz auf Seite 4 der ursprünglichen Beschreibung, der eine weitere kohärente Offenbarungsgrundlage für den beanspruchten Merkmalskomplex M4, M5 bildet.

3.2 Soll eine zurückspringende Kante wie beansprucht mit einer Erweiterung des Einströmabschnitts einhergehen, muss ein in Strömungsrichtung erster Abkantungswinkel größer als 180° sein, was nur auf alpha zutrifft. Dieser erste Abkantungswinkel alpha ist durch die Bereichsangabe auf überstumpfe Winkel beschränkt und schließt demnach eine zurückspringende Kante in Form eines sogenannten "Hinterschnitts" aus. Der zweite Abkantungswinkel beta ist folglich ein dem ersten Abkantungswinkel alpha in Strömungsrichtung nachgeordneter und aufgrund seines Winkelbereichs stumpfer Winkel. Diese weiteren Merkmale M5 des Anspruchs 1 ergeben sich demnach zwangsläufig aus der Merkmalskombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2 und 4 und sind beispielhaft in Fig. 5 der Offenlegungsschrift gezeigt.

3.3 Anhand der Fig. 5 lässt sich veranschaulichen, dass eine zurückspringende Kante im Sinne des Anspruchs stromab anschließend an die beiden Abkantungswinkel alpha und beta jeweils einen ebenen, nicht gekrümmten und im Schnitt dann deutlich linearen Abschnitt haben muss, um überhaupt eindeutig Abkantungswinkel aufzuweisen, auch wenn die Kontur der Kante im unmittelbaren Bereich der Abkantungswinkel fertigungsbedingt durch Tiefziehen oder Prägen gerundet sein kann (siehe Seite 5, Zeilen 1/2 der Offenlegungsschrift).

4. Hauptantrag - Klarheit

Der erteilte, einem Klarheitseinwand im Einspruchsverfahren nicht mehr zugängliche Anspruch 1 wurde im Hauptantrag lediglich mit Merkmalen ergänzt ("ringförmiger [Rücksprung] im Sinne einer zonalen Erweiterung"), deren Klarheit als Merkmale des erteilten Anspruchs 2 im Einspruchsverfahren ebenfalls nicht mehr zur Debatte steht (G 03/14).

Im übrigen sieht die Kammer Anspruch 1 durchaus als klar im Sinne von Artikel 84 EPÜ an, wie sich aus den obigen Ausführungen zum Verständnis seiner Anspruchsmerkmale ergibt.

5. Hauptantrag - Neuheit

Da keines der Dokumente D1 - D7 einen ringförmigen Rücksprung im Sinne einer zonalen Erweiterung als zurückspringende Kante mit den Merkmalen M5 offenbart, ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ.

5.1 Der in Fig. 7 der D1 zu sehende Rücksprung ist S-förmig mit einem Wendepunkt zwischen zwei Krümmungen und außerdem als Hinterschnitt ausgebildet (Absatz [0050]), so dass ein unbestimmter erster Winkel alpha jedenfalls nicht im beanspruchten Bereich liegen kann.

5.2 D2, Fig. 3 zeigt einen bogenförmigen "Turbulator" 30 (Absatz [0032]) als Erweiterung bzw. Rücksprung, der zunächst einen ebenen, annähernd in einem rechten Winkel, also um 270° abgewinkelten Wandbereich aufzuweisen scheint. Eine Winkel alpha < 270° ist somit nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Darüber hinaus schließt sich an diesen ersten ebenen Wandbereich kein ebener, gerader, sondern ein stetig mit relativ großem Radius gekrümmter Bereich an, so dass kein zweiter Abkantungswinkel beta bestimmbar ist, und damit keine zurückspringende Kante im Sinne des Anspruchs 1 vorliegt.

5.3 Gemäß D3 (Seiten 10, 11, Fig. 3, 4) und D4 (Absätze [0020], [0022], Fig. 3, 4) ist im im wesentlichen kegelstumpfmantelförmig ausgebildeten Einströmabschnitt 3a ein Störungselement 6a vorgesehen, das als Rücksprung und als Sicke ausgebildet sein kann (Ansprüche 10, 11). Eine wie auch immer geartete Form des Rücksprungs bzw. der Sicke 6a ist weder aus den Figuren ersichtlich, noch wird etwas dazu gesagt, so dass die Merkmale M5 nicht offenbart sind. Die Kammer folgt nicht dem Umkehrschluss der Beschwerdeführerin, die erwähnte Sicke wiese implizit eine kantige, insbesondere trapezförmige Form auf, weil die Vertiefungen in flächigen Trapezblechen auch "Sicken" genannt würden.

5.4 Zur Neuheit gegenüber D4 - D6 hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auf ihr vorheriges schriftliches Vorbringen verwiesen. Dazu hat die Kammer in den Punkten 2.4 und 2.5 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK wie folgt Stellung genommen:

"2.4 Nichts anderes scheint im Fall der D3 sehr ähnlichen D4 sowie der D5 zu gelten. Hier (Fig. 5) scheinen sich konkave und konvex Wölbungen wellenförmig mit nicht bestimmbaren Winkeln aneinanderzureihen, also keine rückspringenden Kanten im Sinne des Anspruchs vorhanden zu sein. Im übrigen scheint die Offenbarung der D5 aufgrund der nur maschinell vorliegenden Übersetzung lückenhaft und obskur zu bleiben. Wie die Einspruchsabteilung festgestellt ist, ist noch nicht einmal sicher, ob der Einströmabschnitt einen kreisförmigen Querschnitt aufweist, oder eher kastenförmig mit oberen, unteren und vielleicht auch seitlichen Platten 14a, 15a, die an den Kanten aneinanderstoßen.

2.5 Bei D6 scheinen die Strömungselemente als Vorsprünge bzw. Rippen 2d ausgebildet zu sein, siehe Fig. 3, 4, Übergang der Seiten 9, 10 in der Übersetzung. Der zwischen zwei Rippen 2d angeordnete Wandabschnitt der inneren Oberfläche ist gekrümmt und kann daher auch nicht als Teil einer Abkantung mit Abkantungswinkeln angesehen werden."

Unter erneuter Abwägung aller entscheidungserheblichen Argumente behält die Kammer diese Auffassung bei.

5.5 In Fig. 3 der D7 ist zwar deutlich ein Rücksprung und eine Erweiterung zu erkennen, aber ebenfalls keine Kante mit den Merkmalen M5. Das liegt daran, dass bereits ein erster Abkantungswinkel alpha mit dem zurückspringenden (gekrümmten) Radius nicht bestimmbar ist, und folglich auch der erste "Schenkel" zur Bestimmung eines zweiten Abkantungswinkels beta fehlt.

6. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit

6.1 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, dass die gattungsgemäße Einströmdüse nach D3/D4 den nächsten Stand der Technik und aussichtsreichsten Ausgangspunkt für den Erhalt des Gegenstands von Anspruch 1 darstellt.

Die entscheidenden Frage ist, ob die Fachperson ausgehend von D3/D4 (Fig. 3, 4) für die zurückspringende Sicke 6a eine Form mit den Merkmalen von M5, wenn schon nicht als implizit gegeben, so zumindest als naheliegend ansehen würde.

Dafür sieht die Kammer, wie nachfolgend dargelegt, keinen Anlass.

6.2 Der Fachperson als Diplom-Ingenieur mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet der angewandten Strömungsmechanik ist zwar grundsätzlich bekannt, dass Sicken für verschiedene Zwecke in verschiedenen Formen vorliegen können, unter anderem zur materialsparenden Versteifung von flächigen (Körper-)Wänden wie beispielsweise in Blechdosen, Benzinkanistern oder eben in Trapezblechen als baulichen Konstruktionslementen. Dass die beanspruchte Kantenform zur Beeinflussung einer wandnahen Strömung, wie sie vorliegend auch in D3 (Seiten 8, 9, 11) bzw. D4 beabsichtigt ist, üblich und geeignet wäre, hat die Beschwerdeführerin jedoch weder als Fachwissen nachgewiesen, noch geht dies aus einem der doch zahlreichen zitierten Dokumente hervor. Im Gegenteil sind hier gerundete und gekrümmte Sicken allgegenwärtig, wie oben zur Neuheit dargelegt.

6.3 Anders als die Beschwerdeführerin vermag die Kammer auch in D3/D4 selbst dafür keine Anregungen zu finden. Laut dem ersten Ansatz auf Seite 8 der D3 (Absatz [0015] der D4) soll die Sicke in üblicher Weise geprägt sein, was aber noch nichts über ihre allgemeine Form aussagt, bis auf dass dabei keine "scharfen" Abkantungen herstellbar sind. Die Aussage zu gleichwirkenden Ausführungen im dritten Absatz auf Seite 12 (Absatz [0026] der D4) bezieht sich nicht auf Sicken, sondern die Gestaltung des Spalts zwischen Einlaufdüse 1 und Laufrad 2. Der zweite Absatz auf Seite 13 (Absatz [0028] der D4) stellt der Fachperson schließlich das Vorsehen zusätzlicher technischer "Maßnahmen und Details" anheim und spricht dabei eine geeignete Dimensionierung des Störungselements 6a an. Eine Dimensionierung betrifft aber nicht die Auswahl oder Bestimmung einer geeigneten Form für ein als Sicke ausgebildetes Störungselement, sondern dessen Tiefe und Länge.

6.4 Zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1, D2 und D7 hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auf ihr vorheriges schriftliches Vorbringen verwiesen. Dazu hat die Kammer in den Punkten 3.2.1, 3.2.2 und 3.3 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK wie folgt Stellung genommen:

"3.2.1 D1 scheint aufgrund der nicht gekrümmten Einströmgeometrie (Merkmal M2.2) nicht gattungsgemäß und weniger geeignet. Anstatt in einem ersten Schritt grundsätzliche Änderungen wie die der Einströmgeometrie vorzunehmen, was angeblich durch Fachwissen oder D3/D4 angeregt wäre, scheint es zielführender, einfach gleich von der gattungsgemäßen Einströmdüse nach D3/D4 auszugehen.

3.2.2 Eine Erweiterung des Strömungsquerschnitts in Form einer Hohlkehle oder Sicke scheint zwar des öfteren als strömungsmechanisch vorteilhaft erkannt worden zu sein, jedoch nie eindeutig in Form einer zurückspringenden Kante. Dass eine solche aus Fachwissen für einen Strömungsmechaniker naheliegend sein soll, scheint nicht nachgewiesen worden zu sein. Daher scheint ausgehend von keinem der angezogenen Dokumente D1, D2, D3, D4 unter Berücksichtigung von Fachwissen ein offensichtlicher Weg zum beanspruchten Gegenstand zu führen.

3.3 Ausgehend von D7 ist es zunächst fraglich, ob die Erweiterung 7 als kantiger Rücksprung oder doch als gerundete Übergangsfläche 13 ausgeführt würde. Selbst wenn dort die innere Oberfläche des Einströmbereichs in eine gekrümmte, in den quadratischen Flansch übergehende (Fig. 2) geändert würde, was die Beschwerdeführerin durch Fachwissen oder D3/D4 angeregt sieht, scheint es nicht offensichtlich, wie weit sich der gekrümmte Bereich erstreckt, und ob die Erweiterung 7 auf Höhe des Gebläserads 2 dann wie beansprucht in einer gekrümmten Oberfläche liegt (siehe Abschnitt 8.9 der angefochtenen Entscheidung). Die nicht gekrümmte V-Form des inneren Führungskegels 8 scheint ein charakteristisches Merkmal der Einströmdüse nach D7 zu sein, Ende der Absätze [0023] und [0025] der Übersetzung, das der Fachmann nicht "leichtfertig ohne Anlass" aufgeben würde, wie in obigem Abschnitt 8.9 ausgedrückt."

6.5 Dem ergänzenden Vortrag der Beschwerdeführerin, D1 zeige einen im Großen und Ganzen gekrümmten Einströmabschnitt mit einem Strömungselement in dessen gekrümmter Oberfläche kann sich die Kammer nicht anschließen. Absatz [0012] des Patents sagt nicht, der Einströmabschnitt könne im weitesten Sinne irgendwie gekrümmt sein, so dass auch eine aus mehreren ebenen, ungekrümmten Flächen zusammengesetzte Geometrie wie in D1 darunter fiele. Dass der Krümmungsradius des Einströmabschnitts im weitesten Sinn verstanden werden kann, bedeutet auch nicht, dass gar keine eigentliche Krümmung vorhanden sein müsste, sondern lediglich, dass sich der Krümmunsgsradius aus mehreren Teilradien zusammensetzen kann.

Merkmal 3 des Anspruchs fordert ausdrücklich, dass die Maßnahme oder das Strömungselement an oder in der vorher über den Kreisringquerschnitt, den Krümmungsradius und die Verjüngung definierten gekrümmten Oberfläche des Einströmabschnitts vorgesehen ist. Deshalb kann die Maßnahme bzw. das Strömungselement nicht selbst die gekrümmte Oberfläche in Gestalt des in Fig. 7 der D1 mit dem Bezugszeichen 24 bezeichneten Radius oder des ersten Radius von 30 in Fig. 3 der D2 bilden, wie die Beschwerdeführerin alternativ argumentiert, und damit an oder in sich selbst angeordnet sein.

6.6 Somit behält die Kammer unter erneuter Abwägung aller entscheidungserheblichen Argumente ihre vorläufige Auffassung bei, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Lichte des angezogenen Standes der Technik auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.

7. Anpassung der Beschreibung

7.1 Zu den mit Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwänden gegen die Anpassung der Beschreibung hat die Kammer in den Punkten 4.1 ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK wie folgt Stellung genommen:

"4.1 Die angepasste Beschreibung scheint der Kammer den Erfordernissen des Artikels 84 und der Regel 42(1)c) EPÜ zu genügen.

Absatz [0014] stellt die nunmehr beanspruchten Merkmale nicht als nur "bevorzugt", also optional dar, sondern als "ganz besonders vorteilhaft", und steht also nicht im Widerspruch zu Anspruch 1.

Laut Absatz [0016] ist der Rücksprung bzw. die Erweiterung "erfindungsgemäß". "Entsprechend" erläutert wiederum keine Option, sondern den vorher als Merkmal eingeführten Begriff der zurückspringenden Kante.

Somit stützt die angepasste Beschreibung den Anspruchswortlaut und stellt die Erfindung dar, wie sie in den Patentansprüchen gekennzeichnet ist."

7.2 Da die Beschwerdeführerin hierzu nicht Stellung genommen, sondern in der mündlichen Verhandlung lediglich auf ihr diesbezügliches schriftliches Vorbringen verwiesen hat, sieht die Kammer nach erneuter Abwägung der vorgebrachten Argumente keinen Anlass von ihrer vorläufigen Auffassung abzuweichen und bestätigt, dass die Beschreibung den Erfordernissen des EPÜ unter Artikel 84, Regel 42(1)c) genügt.

8. Ergebnis

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Einsprechende letztlich erfolglos gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung, das Patent genüge unter Berücksichtigung der gemäß Hauptantrag (vormals Hilfsantrag 2) vorgenommenen Änderungen den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere denen der Artikel 54, 56 und 123(2). Somit kann ihrem Antrag auf Aufhebung der entsprechenden Entscheidung der Einspruchsabteilung auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung des Hilfsantrags 2 nicht stattgegeben werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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