European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T032323.20241203 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 03 Dezember 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0323/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 18196630.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | B26D 1/00 B26D 1/14 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | SCHNEIDMESSER | ||||||||
Name des Anmelders: | Weber Food Technology SE & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | GEA Food Solutions Germany GmbH Hagedorn Spiralmesser GmbH |
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Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit des Einspruchs - (ja) Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsanträge 1 bis 1b (nein) Neuheit - Hilfsantrag 1c (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 1c (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende 02 legten jeweils form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit der festgestellt wurde, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 3 459 699 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
II. Die Einsprechende 01 ist nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ weiterhin Verfahrensbeteiligte.
III. Die Einsprüche der Einsprechenden 01 und 02 richteten sich jeweils gegen das Streitpatent in gesamten Umfang auf Grundlage der Einspruchsgründe der Artikel 100 a), 54 und 56 EPÜ (Neuheit und erfinderische Tätigkeit). Die Einsprechende 02 machte zusätzlich den Einspruchsgrund unzulässiger Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ geltend.
IV. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 10. September 2024 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge beide Beschwerden voraussichtlich zurückzuweisen sein dürften.
V. Keine der Beteiligten reagierte schriftlich inhaltlich auf diese Mitteilung.
VI. Am 3. Dezember 2024 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
VII. Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragte
die Verwerfung des Einspruchs der Einsprechenden 01 als unzulässig und
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung,
sowie hilfsweise
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang einer der Hilfsanträge 1, 1a oder 1b, vorgelegt im Einspruchsverfahren,
weiter hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde der Einsprechenden 02,
weiter hilfsweise bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung im Umfang einer der Hilfsanträge 2neu, 3neu, 4neu oder 5neu, erstmalig vorgelegt im Beschwerdeverfahren.
VIII. Die gleichfalls beschwerdeführende Einsprechende 02 beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollumfänglichen Widerruf des Patents.
IX. Die verfahrensbeteiligte Einsprechende 01 beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
X. In dieser Entscheidung wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D3: DE 100 04 836 C1;
D5: Zeichnung des Messers zu OV1 mit
Schwärzungen;
D5'': Zeichnung des Messers zu OV1 ohne
Schwärzungen;
D6: Rechnung zu OV1;
D7: Lieferschein zu OV1;
D8: Auftragsbestätigung zu OV1;
D21: Zeichnung des Messers zu OV1neu;
D22: Zeichnung des Messers zu OV1neu;
D23: Kaufauftrag zu OV1neu;
D24: Kaufauftrag zu OV1neu;
D25: Internet-Information zu OV1neu;
D26: E-Mail Korrespondenz zu OV2neu.
XI. Wie in der Entscheidung nachfolgend dargelegt, ist eine Wiedergabe der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags, sowie von Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 1a nicht erforderlich.
XII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b lautet wie folgt (Merkmalsanalyse entsprechend des Anhangs der angefochtenen Entscheidung):
"M1' Schneidmesser, nämlich Sichelmesser oder Spiralmesser, für eine Vorrichtung zum Aufschneiden von Lebensmittelprodukten, insbesondere für einen Hochgeschwindigkeitsslicer, das während eines Schneidbetriebs um eine Drehachse (11) rotiert,
M2 mit einer radial äußeren, als Schneide wirksamen Umfangskante (13), die einen gekrümmten Verlauf um die Drehachse (11) aufweist, und
M3 mit einer Vielzahl von Schneidzähnen (15), die aufeinanderfolgend entlang der Umfangskante (13) verteilt angeordnet sind,
M4 wobei jeder Schneidzahn (15) eine Schneide aufweist, die eine Schneidfläche (17) und eine die Schneidfläche (17) radial außen begrenzende Schneidkante (19) umfasst,
M12' wobei zumindest einige Schneidkanten (19) oder jede Schneidkante (19) mit einer Verbindungsstrecke (V) einen von Null verschiedenen Anschnittwinkel (AsW) einschließt, wobei die Verbindungsstrecke (V) die beiden hinteren Enden (19b) einer jeweiligen Schneidkante (19) und der unmittelbar nachfolgenden Schneidkante (19) miteinander verbindet, und
M11' wobei das vordere Ende (19a) der jeweiligen Schneidkante (19) nicht auf der Verbindungsstrecke (V), sondern auf einem kleineren Radius liegt,
M7 wobei jeweils die Schneidflächen (17) zweier unmittelbar aufeinanderfolgender Schneidzähne (15) durch eine Übergangsfläche (23) miteinander verbunden sind,
M8 wobei die Übergangsfläche (23) als eine bezüglich der Schneidflächen (17) zurückspringende Vertiefung ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M9 jede Schneidfläche (17) sowohl mit der Schneidfläche (17) eines unmittelbar vorhergehenden Schneidzahns (15) als auch mit der Schneidfläche (17) eines unmittelbar nachfolgenden Schneidzahns (15) durch eine der Vertiefungen verbunden ist.
XIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b durch die zusätzlichen Merkmale
"wobei die Übergangsfläche (23) radial außen durch eine die beiden Schneidkanten (19) der Schneidzähne (15) verbindende Übergangskante (21) begrenzt ist, wobei die Übergangskante (21 ) als eine Schneidkante ausgebildet ist, wobei alle Schneidkanten (19) und alle jeweils zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Schneidkanten (19) verbindenden Übergangskanten (21) gemeinsam eine nicht unterbrochene Schneide bilden, die in der Schneidebene (SE) liegt".
XIV. Im Hinblick auf die Entscheidung der Kammer ist eine Wiedergabe des Wortlauts der Hilfsanträge 2neu, 3neu, 4neu oder 5neu nicht erforderlich.
XV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des Einspruchs der Einsprechenden 01 (Regel 76 (2) c) EPÜ)
1.1 Die Beteiligten verwiesen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit des Einspruchs der Einsprechenden 01 allein auf ihr schriftsätzliches Vorbringen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 2, Absatz 4). Da sie im Ergebnis die von der Kammer in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK dargelegte vorläufige Meinung weder weiter kommentierten noch bestritten, sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt hat - keinen Grund, von ihrer in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK dargelegten vorläufigen Überzeugung abzuweichen und bestätigt diese, wie im Folgenden näher dargestellt.
1.2 Die Patentinhaberin bemängelte, dass der Einspruch der Einsprechenden 01 entgegen Punkt II.1 der Entscheidungsgründe als unzulässig zu verwerfen sei.
Der Einspruch der Einsprechenden 01 basiere allein auf einem Einwand mangelnder Neuheit der Ansprüche 1 und 3 des Streitpatents gegenüber einer angeblichen öffentlichen Vorbenutzung (im Folgenden: "OV1"), wobei der Gegenstand der Vorbenutzung OV1 allein durch das - in Teilen durch Schwärzungen bearbeitete - Dokument D5 nachgewiesen wurde.
Die Substantiierung dieses Einwands in der Einspruchsschrift der Einsprechenden 01 beschränke sich auf einen bloßen Verweis auf die Zeichnung des Dokuments D5 und auf eine wörtliche Wiederholung des jeweiligen Merkmals. Auch die Einspruchsabteilung sei im weiteren Verlauf bei der Frage der Zulassung der nicht bearbeiteten Zeichnung D5'' zu der Einschätzung gekommen, dass die in Dokument D5 dargestellten technischen Merkmals des dort gezeigten Schneidmessers nicht zweifelsfrei nachvollziehbar seien. Die Einsprechende 01 habe es damit im Ergebnis der Einspruchsabteilung und der Patentinhaberin überlassen zu ermitteln, woraus sich die behauptete mangelnde Neuheit ergeben solle, so dass das Erfordernis einer ausreichenden Substantiierung im Sinne der Regel 76 (2) c) EPÜ nicht erfüllt worden sei.
1.3 Die Kammer schließt sich dieser Argumentation nicht an.
Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es für die Zulässigkeit des Einspruchs unerheblich, ob das Vorbringen ausreichend relevant oder richtig ist, um einen Widerruf des Patents zu begründen. Für die Zulässigkeit des Einspruchs reicht es aus, dass ein diskutierfähiger Fall etabliert wird (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern [RdB], 10. Auflage 2022, IV.C.2.2.8 d)).
Auch wenn Dokument D5 in einer durch Schwärzungen überarbeiteten Fassung vorgelegt wurde, ist der erkennbare Umfang des Dokuments D5 derart begrenzt, dass für die Verfahrensbeteiligten und die Einspruchsabteilung keine Schwierigkeiten bestanden um festzustellen, welche Teile des Dokuments D5 einzelne Merkmale der Ansprüche 1 bzw. 3 gemäß Hauptantrag betreffen sollen.
Die sich anschließende Frage, ob tatsächlich sämtliche Merkmale der Ansprüche 1 und 3 gemäß Hauptantrag dem Dokument D5 zu entnehmen sind oder welchen Offenbarungsgehalt das Dokument D5 aufweist, ist ein Aspekt der Begründetheit und daher für die Frage der Zulässigkeit nicht erheblich.
1.4 Der Einspruch der Einsprechenden 01 ist folglich zulässig, weil er die Erfordernisse der Artikel 99 (1) EPÜ und der Regel 76 EPÜ erfüllt.
2. Ursprüngliche Offenbarung von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (Artikel 76 (1) bzw. 123 (2) EPÜ)
2.1 Die Einsprechende 02 wandte sich gegen die in Punkt II.5.1 der Entscheidungsgründe getroffene Feststellung, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 76 (1) bzw. 123 (2) EPÜ erfülle.
2.2 Die Einspruchsabteilung gelangte zu dem Ergebnis, dass der Merkmal M9 des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag in der Stammanmeldung zwar nicht wörtlich offenbart sei. Die Fachperson entnehme das Merkmal M9 der Stammanmeldung gleichwohl, da es keinen substanziellen Unterschied zwischen dem Merkmal M9 und dem Merkmal M7 in Kombination mit dem Merkmal M8 gebe.
Weil Merkmal M7 jedoch zweifelsfrei ursprünglich offenbart wurde, gelte dies entsprechend auch für das Merkmal M9.
2.3 Die Einsprechende 02 trug vor, dass die Formulierung "jeweils" in Merkmal M7 nicht besage, dass die Schneidflächen sämtlicher Schneidzähne mittels einer Übergangsfläche miteinander verbunden sind. Merkmal M7 könne vielmehr dahingehend verstanden werden, dass die Schneidflächen zweier unmittelbar aufeinanderfolgenden Schneidzähne durch eine Übergangsfläche miteinander verbunden sind, die Schneidfläche eines anderen Paares von unmittelbar aufeinanderfolgenden Schneidzähnen jedoch nicht, da das Merkmal dazu keine Angabe enthalte.
Damit wiederholte die Einsprechende 02 im Ergebnis ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
2.4 Die Einspruchsabteilung stellte jedoch auf dieses Vorbringen zu Recht ferner fest, dass die Fachperson die Offenbarung des ursprünglichen Anspruchs 9 der Stammanmeldung, der die Basis für die Aufnahme des Merkmals M7 bildet, im Zusammenhang mit der gesamten ursprünglichen Beschreibung der Stammanmeldung erfasst und daher insbesondere aus der ursprünglichen Figur 2 der Stammanmeldung unmittelbar und eindeutig die Lehre des Merkmals M9 offensichtlich werde. Es kam aus Sicht der Einspruchsabteilung daher nicht notwendigerweise darauf an, ob die Merkmale M7 (in Kombination mit M8) und M9 synonym zu verstehen sind, Vielmehr gründete die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung zusätzlich darauf, dass Merkmal M9 sich der Fachperson jedenfalls aus dem ursprünglichen Anspruch 9 und der Offenbarung der Figur 2 der Stammanmeldung ergibt.
Die Kammer erkennt keine Unrichtigkeit in dieser Feststellung der Einspruchsabteilung, zumal von den Einsprechenden nach einem entsprechenden Hinweis in der Mittelung nach Artikel 15 (1) VOBK auch in der mündlichen Verhandlung nicht zu diesem Aspekt der Entscheidungsgründe vorgetragen wurde.
2.5 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt somit die Erfordernisse der Artikel 76 (1) bzw. 123 (2) EPÜ, so dass Artikel 100 (c) EPÜ insoweit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegensteht.
3. Neuheit des Hauptantrags, Hilfsantrags 1, Hilfsantrags 1a und Hilfsantrags 1b (Artikel 54(2) EPÜ)
3.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht Anspruch 3 des Hauptantrags.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a entspricht der dritten Alternative des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1, mithin also der dritten Alternative des Anspruchs 3 gemäß Hauptantrag, und dem zusätzlichen Merkmal, dass
"das vordere Ende der jeweiligen Schneidkante nicht auf der Verbindungsstrecke, sondern auf einem kleineren Radius liegt".
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a dadurch, dass er ergänzend auf ein Sichelmesser oder Spiralmesser als Anspruchsgegenstand beschränkt wurde.
Die in Punkt II.8.2 der Entscheidungsgründe getroffene Feststellung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b nicht neu gegenüber der geltend gemachten Vorbenutzung OV1 (siehe Dokumente D5, D5'', D6 bis D8) ist, trifft somit notwendigerweise auch auf den Gegenstand von Anspruch 3 gemäß Hauptantrag, als auch auf die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 und 1a zu, so dass allein entscheidungserheblich ist, ob Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b neu gegenüber der von der Einsprechenden 01 geltend gemachten Vorbenutzung OV1 ist.
Dem widersprach die Patentinhaberin nicht (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 3, Absatz 1).
3.2 Die Patentinhaberin wandte sich gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung zur mangelnden Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b und trug vor, dass die offenkundige Vorbenutzung OV1 nicht hinreichend bewiesen sei. Die Einsprechende 01 sei eng mit der an der geltend gemachten Benutzung beteiligten Verkäuferin verbunden, so dass hohe Maßstäbe an den Nachweis der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung anzulegen seien.
Die Patentinhaberin bezweifelte, dass im Rahmen der Vorbenutzung eine Lieferung stattgefunden habe, da eine - wie auch immer geartete - Annahmebestätigung nicht vorgelegt wurde.
Die Kammer erachtet jedoch den Lieferschein D7 als hinreichenden Nachweis für eine Lieferung. Dieser enthält sowohl Angaben zum gelieferten Gegenstand, den Lieferadressaten als auch das Lieferdatum. Gründe, die Zweifel an einer erfolgten Lieferung entstehen lassen könnten, sind weder vorgetragen worden, noch sind sie ersichtlich.
3.3 Ferner wandte sich die Patentinhaberin gegen die Offenkundigkeit der Vorbenutzung. Sie trug vor, dass von der Einsprechenden 01 lediglich behauptet werde, dass die Lieferung des Messers ohne jegliche Geheimhaltung erfolgte.
Bei der Erhebung des Einspruchs sei zum Nachweis der technischen Merkmale des Gegenstands der offenkundigen Vorbenutzung das Dokument D5 vorgelegt worden, wobei durch Schwärzungen Offenbarungsteile der technischen Ausgestaltung entfernt wurden. Dies weise darauf hin, dass die Verkäuferin bzw. die mit der Verkäuferin verbundene Einsprechende 01 ein Interesse an einer Geheimhaltung technischer Eigenschaften des verkauften Produkts hatten.
Der kurze Zeitraum des in Dokument D5'' angegebenen Freigabe-Datums("Released:") vom 8. Juni 2016 und des Bestelldatums vom 25. Juli 2016 spreche ferner dafür, dass das gelieferte Messer kein seit längerem erhältliches Serienprodukt sei, sondern dass es sich um einen Probenverkauf handelte. Dies werde zusätzlich dadurch gestützt, dass nur ein einzelnes Produkt (nicht mehrere) an den Käufer vertrieben wurde.
3.4 Die Kammer ist von diesen Argumenten nicht überzeugt.
Die Einsprechende 01 hatte bereits mit dem Einspruchsschriftsatz angeboten, das Dokument D5 in der ursprünglichen, nicht bearbeiteten Version vorzulegen und ist diesem Angebot dann auch durch Einreichung des Dokuments D5'' nachgekommen. Ferner kann daraus, dass im Einspruchsverfahren Teile eines Dokuments geschwärzt vorgelegt wurden, nicht zwingend auf ein Geheimhaltungsinteresse während des Verkaufs des Messers an einen Dritten, nämlich der SAS S.C.O., geschlossen werden.
Schließlich lässt sich auch aus dem Verkauf eines einzelnen Produkts nicht darauf schließen, dass eine implizite Geheimhaltungsvereinbarung getroffen wurde. Im Gegenteil enthalten sämtliche vorgelegten Dokumente D5, D5'' und D6 bis D8 zum Auftrag und der Lieferung im Rahmen der Vorbenutzung keine Hinweise auf eine besondere Geheimhaltungsvereinbarung, sondern weisen vielmehr auf einen unbeschränkten Verkauf hin, auch wenn dieser lediglich ein einzelnes Produkt betroffen haben mag.
Im Ergebnis teilt die Kammer die Feststellung der Einspruchsabteilung, dass das in Dokument D5 bzw. D5'' vertriebene Produkt im Rahmen eines normalerweise im Geschäftsverkehr üblichen Verkaufs an die Firma SAS S.C.O. geliefert wurde, und das Produkt somit durch den Verkauf offenkundig wurde.
3.5 Zum Nachweis des Gegenstands der offenkundigen Vorbenutzung legte die Einsprechende 01 bei Einreichung des Einspruchs zunächst das geschwärzte Dokument D5 vor und präsentierte in Reaktion auf den späteren Hilfsantrag 1b während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung das bereits mit der Einspruchsschrift angekündigte, jedoch nicht vorgelegte Dokument D5'', um weitere Details des verkauften Messers darzulegen.
Die Einspruchsabteilung ließ Dokument D5'' in Ausübung des ihr nach Artikel 114 (2) EPÜ zustehenden Ermessens ins Verfahren zu, da Dokument D5'' im Rahmen der Beurteilung der Neuheit von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag prima facie relevant sei.
3.6 Hiergegen wandte sich die Patentinhaberin.
Sie argumentierte, dass sich die Einsprechende 01 bewusst dafür entschieden habe, innerhalb der Einspruchsfrist nur die geschwärzte Zeichnung D5 vorzulegen, obgleich sie über das Dokument D5'' verfügte. Das Risiko eines verspäteten Vorbringens liege daher bei der Einsprechenden 01.
Ferner liege der in der Zwischenentscheidung angegebene, entscheidende Grund für die Relevanz des Dokuments D5'' nicht vor, denn bereits dem Dokument D5 sei die bestimmungsgemäße Drehrichtung des Messers zu entnehmen. Zudem gebe auch das Dokument D5'' nicht hinreichende Details zur Geometrie des dargestellten Gegenstands wieder, so sei das Merkmal M12' nicht eindeutig dem Dokument D5'' unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
3.7 Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es jedoch nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die gesamte Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte. Eine Beschwerdekammer sollte sich nur dann über die Art und Weise, in der die Abteilung, die die angefochtene Entscheidung erließ, ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass diese Abteilung ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe RdB, supra, 10. Auflage 2022, IV.C.4.5.2).
3.8 Die Einsprechende 01 legte das Dokument D5'' als Reaktion auf den in Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag 1b vor, und die Patentinhaberin erhielt auch hinreichend Zeit, sich mit dem Dokument D5'' auseinanderzusetzen und sich dazu zu äußern.
3.9 Die Einspruchsabteilung traf ihre Ermessensentscheidung über die Zulassung des Dokuments D5'' in zutreffender Weise anhand des Kriteriums der prima facie Relevanz und gelangte dann zu dem Ergebnis, dass das Dokument D5'' hoch relevant für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Patents angesehen wird. Im Ergebnis bestätigte sie diese Entscheidung auch in der folgenden inhaltlichen Prüfung durch ihre Feststellung zur mangelnden Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b auf Grundlage ihrer Bewertung von Dokument D5''.
Soweit die Patentinhaberin ihr Vorbringen nun darauf stützt, dass sie die Beurteilung der Frage der prima facie Relevanz des Dokuments D5'' durch die Einspruchsabteilung nicht teilt, begehrt sie im Ergebnis eine Inhaltskontrolle der von der Einspruchsabteilung getroffenen Ermessensentscheidung. Die Kammer kann allerdings in der prima facie Bewertung der Einspruchsabteilung zur Relevanz des Dokuments D5'' keinen offensichtlichen Fehler oder eine willkürliche Ermessensausübung durch die Einspruchsabteilung erkennen.
Damit besteht für die Kammer keine Grundlage, sich über die Art und Weise hinwegzusetzen, in der die Einspruchsabteilung ihr Ermessen ausgeübt hat, und das von der Einspruchsabteilung zugelassene Dokument D5'' vom Verfahren auszuschließen. D5'' ist somit Teil des Verfahrens.
3.10 Die Patentinhaberin wandte sich weiter gegen die Feststellung in den Punkten II.5.2 und II.8.2 der Entscheidungsgründe, dass sich aus Dokument D5'' sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1b ergeben.
Ihren Einwand stützte die Patentinhaberin im Wesentlichen darauf, dass die in Dokument D5'' wiedergegebenen, an sich zweidimensionalen Zeichnungen ohne weitere Erläuterungen der einzelnen Abbildungen und dargestellten Elemente es der Fachperson nicht ermöglichen, die Funktion einzelner Elemente zweifelsfrei zu entnehmen. So bleibe die räumliche Gestaltung und der Anschnittwinkel der Schneidzähne unklar. Ebenso sei dem Dokument nicht eindeutig zu entnehmen, dass sich die Schneidzähne über die gesamte Schneidkante erstrecken.
Sie trägt vor, dass sich deshalb Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b von der Lehre des Dokuments D5'' durch die Merkmale M4, M7 bis M9, M11' und M12' unterscheidet.
3.11 Die Kammer folgt auch dieser Argumentation nicht und folgt dagegen den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen.
Die Einsprechende 01 erwiderte zurecht, dass Dokument D5'' eine technische Zeichnung des dargestellten Gegenstands ist, der die Fachperson ohne weiteres auch räumliche Informationen und Maßangaben entnimmt. Insbesondere der Darstellung der Details zu den an der Umlaufkante des dargestellten Messers vorgesehenen "teeths" sind auch unmittelbar Informationen zu der Beschaffenheit bzw. Geometrie der Schneidzähne zu entnehmen. Die Fachperson wird dabei auch zweifelsfrei erkennen, dass die Schneidzähne eine obere Schneidfläche mit einer diese begrenzende Schneidkante umfasst (siehe in D5'' die vergrößert dargestellten Zähne in der kleineren Zeichnung oben zwischen den Zeichnungen "frontside of knife" und "backside of knife").
Das Merkmal M4 ist somit der Offenbarung des Dokuments D5'' zu entnehmen. Dies gilt gleichermaßen für die Merkmale M7 bis M9 (siehe wieder in D5'' die kleinere Zeichnung oben zwischen den Zeichnungen "frontside of knife" and "backside of knife").
Auch ergibt sich aus Dokument D5'' zweifelsfrei eine beim Gebrauch vorgegebene Drehrichtung des Sichelmesser, so dass sich die Merkmale M11' und M12' unter zusätzlicher Berücksichtigung der zum besseren Verständnis mit Hilfslinien versehenen Detaildarstellung "DETAILF" der Schneidzähne in Dokument D5'' ergeben.
3.12 Entsprechend stellte die Einspruchsabteilung zurecht fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b aus der offenkundigen Vorbenutzung bekannt war. Dies gilt damit entsprechend für die Gegenstände von Anspruch 3 gemäß Hauptantrag (in der dritten Alternative), Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a.
4. Im Ergebnis ist die Beschwerde der Patentinhaberin nicht erfolgreich.
5. Änderungen in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c (Artikel 123 (2) EPÜ)
5.1 Die Einsprechende 02 wandte sich gegen die Feststellung in Punkt II.9.2.1 der Entscheidungsgründe, dass die dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrags 1c hinzugefügten Merkmale in den ursprünglichen Ansprüchen 7, 9 und 10 offenbart waren. Der Einwand beruht dabei allein auf Artikel 123 (2) EPÜ, wie es die Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung bestätigten (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, Seite 3, Absatz 2)
5.2 Es ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c hinzugefügten Merkmale eine spezifische Kombination der in den ursprünglichen Ansprüchen 7, 9 und 10 offenbarten möglichen Varianten darstellen.
5.3 Bereits deshalb ist die Merkmalskombination aber nicht "willkürlich und neu", wie es die Einsprechenden vortragen. Vielmehr stellt die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c vorgenommenen Änderungen gegenüber den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine neue technische Information dar.
5.4 Im Ergebnis bemängeln die Einsprechenden nämlich allein, dass sich die Kombination der verschiedenen, in den ursprünglichen Ansprüchen als optional angegebenen Merkmale mangels eines entsprechenden Hinweises in der ursprünglichen Beschreibung und der sehr großen Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten der angegebenen Optionen für die Fachperson nicht klar und eindeutig ableiten ließe.
Die Kammer schließt sich jedoch der Feststellung der Einspruchsabteilung an, dass die Anzahl der Variationen aus den ursprünglichen Ansprüchen 7, 9 und 10 - auch vor dem Hintergrund mehrerer "und/oder"-Verknüpfungen - für die Fachperson übersichtlich bleibt, zumal die Einspruchsabteilung zu der Offenbarung der Merkmalskombination ergänzend auf die Absätze 50 und 51 (d.h. Seite 15, Zeilen 17 bis 29) der ursprünglich eingereichten Beschreibung sowie die ursprünglichen Figuren 2 und 3 verweist, welche die Fachperson zusätzlich berücksichtigt. Sie erhielt damit einen deutlichen Hinweis auf diese Merkmalskombination, der zusätzlich insbesondere auch durch die Lehre von Absatz 53 (d.h. Seite 16, Zeilen 8 bis 18) der ursprünglich eingereichten Beschreibung bekräftigt wird, auf den die Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies.
Im Ergebnis sah sich die Fachperson auf Grund der Lehre in der ursprünglichen Beschreibung angesichts der in den genannten ursprünglichen Ansprüchen angegebenen möglichen Kombinationen keiner besonderen Komplexität gegenüber, die dazu geführt hätte, die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c ergänzte Merkmalskombination nicht in Betracht zu ziehen. Vielmehr erkannte die Fachperson den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1c als technisch sinnvolle Lösung, unabhängig davon, dass auch die weiteren vorher in den möglichen Kombinationen enthaltenen Merkmale ebenfalls einen technischen Gehalt aufweisen.
5.5 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c wurde folglich nicht in der Weise geändert, dass sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ sind erfüllt.
6. Dokumente D21 bis D25 sowie D26 und darauf beruhende Einwände
6.1 Mit ihrer Beschwerdebegründung legt die Einsprechende 02 erstmalig die Dokumente D21 bis D25 zu einer angeblich offenkundigen Vorbenutzung ("OV1neu") und macht geltend, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c nicht neu gegenüber OV1neu sei und gegenüber einer Kombination der Dokumente D5'' und D21 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhte.
Ferner legte sie Dokument D26 zu einer weiteren, angeblich offenkundigen Vorbenutzung ("OV2neu") vor, hielt die darauf beruhenden Einwände während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer jedoch nicht mehr aufrecht.
6.2 Die Patentinhaberin rügte die auf OV1neu beruhenden Einwände als verspätet und trug vor, dass die Dokumente D21 bis D25 und die darauf beruhenden Einwände bereits im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden müssen.
Die Frage der Zulassung der Dokumente D21 bis D25 und der darauf beruhenden Einwände erübrigt sich aus Sicht der Kammer jedoch, da durch diese Dokumente, insbesondere D21 und D22, die den Gegenstand der OV1neu wiedergeben, bereits nicht nachgewiesen ist, dass der Gegenstand der OV1neu die dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1b hinzugefügten Merkmale offenbart (siehe Punkt XIII oben).
6.3 Die Rechtsprechung ist einheitlich der Auffassung, dass sich ein Merkmal eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergeben muss, um aus dem Stand der Technik bekannt zu sein (RdB, supra, C.I.4.1).
Weder das Dokument D21 noch das Dokument D22, obgleich technische Zeichnungen, enthalten jedoch Angaben zu Winkeln oder der Schneidebene sondern bleiben zu diesem Aspekt lediglich schematisch.
Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass sich der Offenbarung der Dokumente D21 und D22 die dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c gegenüber Hilfsantrag 1b hinzugefügte Merkmalskombination zweifelsfrei entnehmen lässt.
Im Ergebnis ist somit der auf OV1neu beruhende Neuheitseinwand gegenüber Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c nicht hinreichend bewiesen.
6.4 Dies gilt gleichermaßen für den von der Einsprechenden 02 vorgebrachten Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c gegenüber einer Kombination der Offenbarung von Dokument D5'' mit Dokument D21 bzw. D22, da eine solche Kombination bereits nicht zu der beanspruchten Merkmalskombination, d.h. dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1c führt, denn zwischen allen Beteiligten war unstrittig, dass zumindest das Merkmal ("Unterscheidungsmerkmal")
"wobei die Übergangskante (21) als eine Schneidkante ausgebildet ist, wobei alle Schneidkanten (19) und alle jeweils zwei unmittelbar aufeinanderfolgende Schneidkanten (19) verbindenden Übergangskanten (21) gemeinsam eine nicht unterbrochene Schneide bilden, die in der Schneidebene (SE) liegt."
nicht der Offenbarung des Dokuments D5'' zu entnehmen ist.
7. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c ausgehend von Dokument D5''
(Artikel 56 EPÜ)
7.1 Die Einsprechende 02 trug ferner vor, dass entgegen der Feststellung in Punkt II.9.4 der Entscheidungsgründe der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c ausgehend von Dokument D5'' nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
7.2 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c unterscheidet sich von der Lehre des Dokuments D5'' durch das in dem obigen Punkt 6.4 angegebene Unterscheidungsmerkmal.
7.3 Die Einsprechende 02 trug vor, dass durch das Unterscheidungsmerkmal keine technische Aufgabe gelöst sei, zumal auch die Beschreibung des Streitpatents dazu keine technische Lehre enthalte oder auch andeutete. Daher sei die objektive technische Aufgabe, der sich die Fachperson angesichts der Lehre des Dokuments D5'' gegenübersehe, nicht darin zu sehen, das Schärfen des Sichelmessers zu vereinfachen, sondern lediglich darin, eine alternative Ausführungsform für ein Schneidmesser bereitzustellen. Die Fachperson strebe indes stets nach einer Verbesserung und greife dabei routinemäßig auf ihr handwerkliches Können zurück, so dass sie angesichts ihres Fachwissens oder auch angesichts der Lehre des Dokuments D3 ohne weiteres zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c gelangt wäre.
7.4 Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen.
Auch wenn die Beschreibung des Streitpatents zu der konkreten technischen Wirkung des Unterscheidungsmerkmals schweigt und insoweit auch keinen Hinweis auf die zu lösende technische Aufgabe bietet, ist letztere nicht allein in der Bereitstellung einer bloßen alternativen Ausführungsform zu sehen.
Dass ein technischer Zusammenhang zwischen dem Unterscheidungsmerkmal und der von der durch die Einspruchsabteilung formulierten objektiven technischen Aufgabe des Schärfens des Schneidmessers besteht, wird von den Einsprechenden letztlich inhaltlich nicht beanstandet. Der Einwand gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung stützt sich allein auf eine angeblich fehlende Lehre im Streitpatent zur technischen Wirkung des Unterscheidungsmerkmals und einem Verweis auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern.
Die beiden von der Einsprechenden 02 aufgeführten Entscheidungen T 377/14 oder T 344/89 stehen jedoch den Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Bestimmung der objektiven technischen Aufgabe nicht entgegen. Die mögliche Formulierung der Vereinfachung des Schärfens des Schneidmessers wurde von der Einspruchsabteilung im Ergebnis nämlich nicht aus dem Streitpatent, sondern aus dem allgemeinen Fachwissen der Fachperson zum Anmeldezeitpunkt hergeleitet.
Die Kammer berücksichtigt im weiteren zudem, dass das Unterscheidungsmerkmal zumindest im Zusammenhang mit der allgemein formulierten technischen Aufgabe aus Absatz [0013] des Streitpatents zu verstehen ist. Diese ist mit dem Erreichen einer möglichst gleichen Schneidequalität über die gesamte, für Produkte nutzbare, auch als Schneidschachtbreite bezeichnete Schneidbreite einer Aufschneidemaschine verbunden. Die von der Einspruchsabteilung formulierte objektive technische Aufgabe stellt daher nur einen vor dem Hintergrund der Kenntnisse der Fachperson konkretisierten Beitrag zu der im Streitpatent allgemeiner formulierten Aufgabe dar.
7.5 Die Kammer ist aber auch nicht davon überzeugt, dass die Fachperson unabhängig von der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe angesichts ihres Fachwissens oder aus dem Dokument D3 zu dem Unterscheidungsmerkmal gelangt wäre.
Es wurde von den Einsprechenden nämlich nicht dargelegt, dass das Unterscheidungsmerkmal aus dem Fachwissen bekannt wäre; entsprechend findet sich im Fachwissen auch keine Anregung dafür, dieses in Betracht zu ziehen.
Auch eine Kombination mit der Lehre von D3 führt nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c. Die Einspruchsabteilung hat zutreffend festgestellt, dass sich das in Dokument D3 offenbarte Rundmesser grundsätzlich von einem Sichelmesser und somit auch vom Sichelmesser aus Dokument D5'' unterscheidet. Das zeigt sich unter anderem darin, dass sich die in Dokument D5'' und Dokument D3 offenbarten Zahnformen grundsätzlich unterscheiden, wie es die Patentinhaberin zuletzt in der mündlichen Verhandlung vortrug. Im Ergebnis hatte die Fachperson daher keinen Anlass die Offenbarung von Dokument D5'' mit der Lehre des Dokuments D3 zu kombinieren um zu einer Verbesserung des in Dokument D5'' offenbarten Sichelmessers zu gelangen, sondern wurde davon vielmehr abgehalten.
7.6 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument D5'' mit dem allgemeinen Fachwissen bzw. der Lehre von Dokument D3.
8. Weitere Einwände gegen den Hilfsantrag 1c wurden von den Einsprechenden nicht geltend gemacht.
8.1 Die Beschwerde der Einsprechenden 02 ist folglich zurückzuweisen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.