European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T027723.20240801 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 01 August 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0277/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 17165272.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09D 5/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | WÄSSRIGE BESCHICHTUNGSSTOFFE | ||||||||
Name des Anmelders: | DAW SE | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Akzo Nobel Coatings International BV Wächtershäuser & Hartz Patentanwaltspartnerschaft mbB/ Blodig, Wolfgang |
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Kammer: | 3.3.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Erfinderische Tätigkeit Spät eingereichte Beweismittel |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Entscheidung betrifft die Beschwerde der Patentinhaberin gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung), das europäische Patent Nr. 3 385 338 (Patent) zu widerrufen.
Dementsprechend wird die Patentinhaberin in der Folge als Beschwerdeführerin, die Einsprechenden 1 und 2 als Beschwerdegegnerin 1 bzw. 2 oder gemeinsam als Beschwerdegegnerinnen bezeichnet.
II. Die folgenden vor der Einspruchsabteilung eingereichten Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D1 EP 2 589 579 A1
D3 WO 2005/083013 A1
D6 DE 100 30 447 A1
D19 Tabellarische Versuchsübersicht (1 Seite)
D23 BASF Handbuch Lackiertechnik, Vincentz Network,
2014, Seiten 183 bis 187
III. Die angefochtene Entscheidung basiert unter anderem auf den folgenden Anträgen:
- dem Patent in erteilter Fassung (Hauptantrag)
- den Anspruchssätzen der Hilfsanträge 1 bis 10, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. Juni 2021
- dem Anspruchssatz von Hilfsantrag 11, eingereicht mit Schriftsatz vom 18. März 2022
- den Anspruchssätzen der Hilfsanträge 12 bis 23, eingereicht mit Schriftsatz vom 8. August 2022.
Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand von Anspruch 1 dieser Anträge entweder über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht oder ausgehend von D1 als dem nächstliegenden Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin den Anspruchssatz des Hilfsantrags 25 sowie die folgenden Dokumente ein:
D25 Tabellarische Übersicht der Zusammensetzung
verschiedener wässriger Dispersionsbe-
schichtungsstoffe (1 Seite)
D26 Ergebnisse für den Nassabrieb der aus den
Zusammensetzungen der D25 erhaltenen
Beschichtungen (1 Seite)
D27 Ergebnisse für das Deckvermögen, den Weißindex
und den Gelbindex der aus den Zusammensetzungen
der D25 erhaltenen Beschichtungen (1 Seite)
D28 Grafische Darstellung der Ergebnisse von D27
(3 Seiten)
V. In Vorbereitung der auf Antrag aller Parteien anberaumten mündlichen Verhandlung erließ die Kammer eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 1. August 2024 in Anwesenheit aller Parteien als Videokonferenz statt. Im Laufe der mündlichen Verhandlung entschied die Kammer, den Anspruchssatz des Hilfsantrags 25 zuzulassen und die Dokumente D25 bis D28 nicht zuzulassen. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende den Tenor der vorliegenden Entscheidung.
VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Anträge der Parteien am Ende der mündlichen Verhandlung lauteten wie folgt.
- Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Einsprüche zurückzuweisen, gleichbedeutend mit einer Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Basis eines der Anspruchssätze der Hilfsanträge 1 bis 23, auf denen die angefochtene Entscheidung basiert, oder des Hilfsantrags 25, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Des Weiteren beantragte die Beschwerdeführerin, "die mit den ursprünglich hinterlegten Anmeldeunterlagen beigebrachten Beispiele wie auch insbesondere die Versuche gemäß D19 bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit als Beleg für mit den erfindungsgemäßen wässrigen Dispersionsbeschichtungsstoffen einhergehenden Effekte zu berücksichtigen." (vgl. Beschwerdebegründung, Seite 11, Absatz 4)
- Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde, d. h. die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung betreffend den Widerruf des Patents. Ferner beantragten sie, D25 bis D28 und Hilfsantrag 25 nicht zuzulassen.
VIII. Zusammenfassungen des für die vorliegende Entscheidung relevanten Parteivorbringens finden sich in den Entscheidungsgründen. Neben dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde dabei auch das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin (Beschwerdeschrift, Beschwerdebegründung, Eingabe vom 23. Juli 2024) und der Beschwerdegegnerinnen (beide Beschwerdeerwiderungen, Eingabe der Beschwerdegegnerin 2 vom 8. Juli 2024) berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
Hilfsantrag 4 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1. Das Patent betrifft unter anderem wässrige Dispersionsbeschichtungsstoffe wie insbesondere Dispersionsfarben (Absätze [0001] und [0014]).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 hat folgenden Wortlaut:
"Wässrige Dispersionsbeschichtungsstoffe, enthaltend
a) organische Bindemittel, welche in Form einer
wässrigen Dispersion auf Basis von
Vinylacetat/Ethylen-Copolymeren, Copolymeren
auf Basis von Vinylaromaten und Acrylaten und/
oder Copolymeren auf Basis von Reinacrylaten
vorliegen, in einer Menge im Bereich von 1,0
bis 3,8 Gew.-% (Feststoffanteil),
b) Wasserglas und/oder Kieselsol in einer Menge
im Bereich von 0,2 bis 1,5 Gew.-%,
(Feststoffanteil) und
c) 15 bis 70 Gew.-% an mindestens einem Pigment
und/oder mindestens einem Füllstoff,
enthaltend 2,0 bis 15 Gew.-% Pigmente und 20
bis 65 Gew.-% Füllstoffe,
wobei die Beschichtungsstoffe einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 aufweisen oder auf einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 eingestellt sind."
2. Nächstliegender Stand der Technik und Ausgangspunkt
2.1 D1 offenbart in Absatz [0032] die Zusammensetzung einer Farbe, welche gemäß der Erfindung von D1 ist. Als Farbe wurde sie für den gleichen Zweck entwickelt wie die wässrigen Dispersionsbeschichtungsstoffe von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Neben nur einer geringen Menge eines Additivs enthält diese Farbe Wasser, Pigment, Füllstoffe, eine Bindemitteldispersion und Wasserglas. Hinsichtlich der Art der Inhaltsstoffe ist die Farbe von Absatz [0032] daher sehr ähnlich zu den wässrigen Dispersionsbeschichtungsstoffen von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Vor diesem Hintergrund stimmt die Kammer mit der Einspruchsabteilung und den Beschwerdegegnerinnen darin überein, dass D1 als nächstliegender Stand der Technik angesehen und dass für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der in Absatz [0032] von D1 offenbarten Farbe ausgegangen werden kann.
2.2 Im Trockenbau wird üblicherweise mit Gips verspachtelt, abgezogen oder verputzt, um eine glatte ebene Oberfläche zu erhalten. Wird im Anschluss beispielsweise eine Farbe aufgebracht, kann dies zu einer Blasenbildung oder Kräuselung der darunterliegenden Gipsschicht führen. Diese haftet nun nicht mehr so gut an ihrem Untergrund und kann sogar von diesem abplatzen. Zur Lösung dieses Problems schlägt D1 unter anderem die in Absatz [0032] offenbarte Farbe vor. Demgegenüber beschäftigt sich das Patent nicht mit der Haftungsproblematik einer Gipsschicht nach Farbauftrag sondern mit den Eigenschaften einer Farbschicht selbst (Deckvermögen, Farbeindruck und Nassabriebbeständigkeit). Die im Patent beschriebene subjektive technische Aufgabe ist also eine andere als die, die in D1 beschrieben wird.
Entgegen dem Argument der Beschwerdeführerin disqualifiziert dies D1 aber nicht als einen nächstliegenden Stand der Technik. Neben der von der Beschwerdeführerin als allein entscheidend dargestellten subjektiven Aufgabe gibt es nach ständiger Rechtsprechung weitere Kriterien, die bei der Wahl des nächstliegenden Stands der Technik zu berücksichtigen sind, wie zum Beispiel die Frage, ob der im nächstliegenden Stand der Technik offenbarte mögliche Ausgangspunkt für den gleichen Zweck wie die beanspruchte Erfindung entwickelt wurde und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemeinsam hat (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage 2022, I.D.3.1). Dies ist vorliegend der Fall, wie oben festgestellt.
3. Offenbarung von D1
3.1 Die in Absatz [0032] von D1 offenbarte Farbe hat die folgende Zusammensetzung (für jede der Komponenten ist der jeweils bevorzugte Mengenbereich wiedergegeben):
Wasser 20 bis 70 Gew.-%
Pigment 1,5 bis 12 Gew.-%
Füllstoffe 27 bis 51,5 Gew.-%
Bindemitteldispersion 0,5 bis 10 Gew.-%
Wasserglas 0,5 bis 2,5 Gew.-%
Additiv 0,5 bis 4 Gew.-%
3.2 Abgesehen von dieser Farbe offenbart D1 unmittelbar und eindeutig zumindest auch eine solche, die sich aus der Obigen unter Berücksichtigung dessen ergibt, was in D1 für die erfindungswesentlichen Merkmale jeweils als bevorzugt beschrieben wird.
Die erfindungswesentlichen Merkmale von D1 lauten wie folgt (D1, Anspruch 1, Absatz [0004]):
- Die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen umfassen ein in Wasser lösliches und/oder in Wasser gelöstes Silikat.
- Die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen umfassen ein in Wasser dispergiertes und/oder wasserdispergierbares organisches Bindemittel.
- Die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen weisen einen pH-Wert von >= 9,5 auf.
Bei dem in Wasser löslichen bzw. gelösten Silikat handelt es sich bevorzugt um Wasserglas mit einem Feststoffanteil von 28 Gew.-% (D1, Absätze [0004] und [0007]). Als in Wasser dispergiertes bzw. dispergierbares organisches Bindemittel wird bevorzugt eine Styrolacrylatcopolymerdispersion eingesetzt, die einen Feststoffanteil von 40 bis 65 Gew.-% aufweist (D1, Absatz [0014]). Ferner liegt der pH-Wert bevorzugt in einem Bereich von >= 11,0 (D1, Absatz [0006]).
3.3 Aus den vorhergehenden beiden Punkten folgt, dass D1 unmittelbar und eindeutig auch eine Farbe offenbart, die einen pH-Wert von >= 11,0 aufweist und die folgende Zusammensetzung aufweist:
Wasser 20 bis 70 Gew.-%
Pigment 1,5 bis 12 Gew.-%
Füllstoffe 27 bis 51,5 Gew.-%
Styrolacrylatcopolymer-
dispersion (Feststoffanteil) 0,2 bis 6,5 Gew.-%
Wasserglas (Feststoffanteil) 0,14 bis 0,7 Gew.-%
Additiv 0,5 bis 4 Gew.-%
Diese Erwägungen hatte die Kammer im Wesentlichen auch in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ausgeführt.
3.4 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vertrat die Beschwerdeführerin mit Verweis auf die Absätze [0011] und [0012] von D1 die Ansicht, dass sich die in Absatz [0032] für die Bindemitteldispersion offenbarte Menge eigentlich nur auf die Menge des darin enthaltenen Feststoffanteils beziehe.
Nach Ansicht der Kammer gibt D1 jedoch keinen Anlass zu der Annahme, dass sich der Begriff "Bindemitteldispersion" in Absatz [0032] entgegen seinem Wortsinn nicht auf die Gesamtheit von Bindemittel und Dispersionsmedium sondern nur auf das darin in fester Form enthaltene Bindemittel bezieht. Insbesondere liegt nämlich die Menge an festem Bindemittel in der unmittelbar und eindeutig aus D1 ableitbaren Farbzusammensetzung (vgl. Punkt 3.3, 0,2 bis 6,5 Gew.-%) ebenfalls vollständig innerhalb des dafür in D1 als bevorzugt offenbarten Bereichs (Absatz [0012], 0,2 bis 15 Gew.-%) - und bei dieser Farbzusammensetzung wurde vom eigentlichen Wortsinn des Begriffs "Bindemitteldispersion" ausgegangen.
4. Unterscheidungsmerkmale
4.1 Die oben unter Punkt 3.3 genannte Farbzusammensetzung ist unmittelbar und eindeutig aus D1 ableitbar. Sie enthält eine Styrolacrylatcopolymerdispersion, d. h. ein Copolymer auf Basis von Vinylaromaten und Acrylaten und damit ein organisches Bindemittel im Sinne von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin bedarf es daher keiner Auswahl aus D1, um zu dem in Anspruch 1 genannten organischen Bindemittel zu gelangen.
Die Gesamtmenge an Pigmenten und Füllstoffen der in D1 offenbarten Farbe liegt in einem Bereich von 28,5 bis 63,5 Gew.-% (vgl. Punkt 3.3) und damit vollständig im entsprechenden Bereich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 (15 bis 70 Gew.-%). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt dies ebenso für die Menge an Füllstoffen alleine (27 bis 51,5 Gew.-% in D1; 20 gis 65 Gew.-% in Anspruch 1).
4.2 Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 von D1 dadurch,
- dass der Feststoffanteil des organischen Bindemittels eine Auswahl darstellt aus dem in D1 offenbarten Bereich (Anspruch 1: 1,0 bis 3,8 Gew.-%; D1: 0,2 bis 6,5 Gew.-%)
- dass der Feststoffanteil des Wasserglases - soweit er mit dem in D1 offenbarten Bereich überlappt - eine Auswahl darstellt (Anspruch 1: 0,2 bis 1,5 Gew.-%; D1: 0,14 bis 0,7 Gew.-%)
- dass die Menge an Pigment - soweit sie mit dem in D1 offenbarten Bereich überlappt - eine Auswahl darstellt (Anspruch 1: 2,0 bis 15 Gew.-%; D1: 1,5 bis 12 Gew.-%)
- dass der pH-Wert - soweit er mit dem in D1 offenbarten Bereich überlappt - eine Auswahl darstellt (Anspruch 1: 8,5 bis 12; D1: >= 11,0)
Mit anderen Worten ausgedrückt ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 neu, weil er das Resultat einer mehrmaligen Auswahl aus der breiteren Offenbarung der D1 darstellt.
5. Technische Wirkungen, objektive technische Aufgabe
5.1 Im Hinblick auf mögliche technische Wirkungen stütze sich die Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren und vor Erlass der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK auf das Patent bzw. die ursprünglich eingereichte Anmeldung, D19 und D25 bis D28.
5.2 In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die Beispiele des Patents wegen mangelnder Angaben über die konkret eingesetzten Komponenten nicht nacharbeitbar und daher für den Beleg einer technischen Wirkung nicht geeignet seien. Dieser Schlussfolgerung hatte sich die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK angeschlossen. Da sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu keiner Zeit auf diese Beispiele stützte, sah die Kammer keinen Grund, von ihrer vorläufigen und mit der angefochtenen Entscheidung übereinstimmenden Auffassung abzurücken. Diese Schlussfolgerung gilt entsprechend auch für die Beispiele der ursprünglich eingereichten Anmeldung, da diese mit denen des Patents identisch sind.
5.3 In Bezug auf die in D19 beschriebenen Beispiele hatte die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK ausgeführt, dass diese nicht zum Nachweis einer technischen Wirkung, die mit der Auswahl der Menge an organischem Bindemittel verbunden ist, geeignet seien. Sie begründete dies damit, dass die Menge an organischem Bindemittel in diesen Beispielen immer konstant sei. Weder stellte die Beschwerdeführerin dies in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer in Frage noch berief sie sich anderweitig auf D19. Die Kammer sah daher keinen Grund, von ihrer bezüglich D19 in ihrer Mitteilung geäußerten Auffassung abzurücken.
5.4 D25 bis D28 ließ die Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht zu (zur Begründung, s. unten).
5.5 Aus den vorstehenden Punkten ergibt sich, dass die oben aufgeführten Unterscheidungsmerkmale mit keiner technischen Wirkung verbunden sind. Ausgehend von D1 kann die objektive technische Aufgabe daher in Übereinstimmung mit den Beschwerdegegnerinnen lediglich in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung gesehen werden.
5.6 Die Beschwerdeführerin war mit dieser Formulierung der objektiven technischen Aufgabe nicht einverstanden. Basierend auf den Absätzen [0012] und [0040] der Beschreibung des Patents sah die Beschwerdeführerin die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer kostengünstigen Zusammensetzung, die mechanisch robust sei und einen dauerhaften Farbeindruck erzeuge.
Dies ist nicht überzeugend. Wie von der Kammer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, impliziert die von der Beschwerdeführerin formulierte objektive technische Aufgabe, dass die Farbe der D1 bzw. der damit erhältliche Farbanstrich die in der Aufgabenstellung genannten Eigenschaften nicht aufweisen, dass also der Gegenstand von Anspruch 1 letztlich eine Verbesserung gegenüber der Farbe von D1 darstellt. Einen Beleg dafür blieb die Beschwerdeführerin jedoch schuldig. Insbesondere verwies sie in diesem Zusammenhang auf keine Beispiele, die einen Vergleich zur Farbe von D1 oder einen Rückschluss im Hinblick auf die obigen Unterscheidungsmerkmale erlaubt hätten.
6. Naheliegen
Wie oben ausgeführt, ist der Gegenstand von Anspruch 1 das Resultat einer mehrmaligen Auswahl aus der breiteren Offenbarung der D1. Ohne einer mit diesen Auswahlschritten verbundenen technischen Wirkung sind diese jedoch beliebig. Solche beliebigen Auswahlen aus einer breiteren Offenbarung nimmt der Fachmann auf dem vorliegenden technischen Gebiet aus Routinegründen vor, so dass er zum beanspruchten Gegenstand gelangt wäre. Der beanspruchte Gegenstand war dem Fachmann daher nahegelegt.
Bei diesem Fachmann handelt es sich nämlich nicht um einen Maler, der zwar Farben berufsbedingt einsetzt sich aber über deren genaue Zusammensetzung ansonsten keine Gedanken macht (abgesehen vielleicht von einer Verdünnung), wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen. Der Fachmann entspricht vielmehr der Vorstellung der Beschwerdegegnerinnen, nämlich einer Person, die sich regelmäßig mit Farbformulierungen beschäftigt und diese entwickelt.
Wie oft beim routinemäßigen Vorgehen des Fachmanns eine Auswahl getroffen werden muss, um zum strittigen Anspruchsgegenstand zu gelangen, ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, die in einer viermaligen Auswahl eine die erfinderische Tätigkeit begründende Anzahl bzw. einen ausreichenden erfinderischen Abstand sah, unerheblich (T 204/06, Nr. 2.11 der Gründe).
Hilfsantrag 4 ist nicht gewährbar, da der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 3 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
7. Die Einschränkung in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 bezüglich der Mengen an Pigment und Füllstoff ("enthaltend 2,0 bis 15 Gew.-% Pigmente und 20 bis 65 Gew.-% Füllstoffe") ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 weiter gefasst und in Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 nicht mehr enthalten.
Darüber hinaus sind die Mengenbereiche für die Komponenten a) und b) in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 in Anspruch 1 des Hauptantrags und Hilfsantrags 1 weiter gefasst.
Folglich umfasst der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 den von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 3 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 25 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
8. In der mündlichen Verhandlung entschied die Kammer entgegen den Anträgen der Beschwerdegegnerinnen, Hilfsantrag 25 zuzulassen. Da dieser Hilfsantrag nicht gewährbar ist (siehe unten), ist eine Begründung für seine Zulassung an dieser Stelle entbehrlich.
9. Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nur durch den Zusatz "sowie zu 100 Gew.-% ergänzte Anteile an Wasser" am Ende der Definition der Komponenten a) bis c).
Diesen Zusatz hatte die Beschwerdeführerin vorgenommen, um der Begründung für die Nichtgewährbarkeit von Hilfsantrag 4 in der angefochtenen Entscheidung zu begegnen. Laut der Einspruchsabteilung sei Hilfsantrag 4 nicht gewährbar, weil der Gegenstand von Anspruch 1 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ).
10. Auch in der Farbe von D1 ergänzen die Anteile an Wasser, wie auch die Anteile jeder der anderen Komponenten, die Gesamtzusammensetzung zu 100 Gew.-%. Dies ist eine logische Konsequenz der Tatsache, dass sich die Summer aller Anteile aller enthaltenen Komponenten immer zu 100 Gew.-% addieren. Aus diesem Zusatz resultiert daher im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 kein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Farbe von D1. Dies ist im Übrigen im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die den Zusatz als redundant ansah (Beschwerdebegründung, Seite 18, erster Absatz) und zu keinem Zeitpunkt vortrug, dass oder weshalb er eine erfinderische Tätigkeit begründen könne.
11. Die obigen Erwägungen betreffend Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 gelten daher gleichermaßen für Anspruch 1 des Hilfsantrags 25. Mangels erfinderischer Tätigkeit ist daher Hilfsantrag 25 ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 9 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
12. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Wässrige Dispersionsbeschichtungsstoffe, enthaltend
a) organische Bindemittel, welche in Form einer
wässrigen Dispersion auf Basis von
Vinylacetat/Ethylen-Copolymeren, Copolymeren
auf Basis von Vinylaromaten und Acrylaten und/
oder Copolymeren auf Basis von Reinacrylaten
vorliegen, in einer Menge im Bereich von 0,75
bis kleiner 4,0 Gew.-% (Feststoffanteil),
b) Wasserglas und/oder Kieselsol in einer Menge
im Bereich von 0,1 bis 2,0 Gew.-%,
insbesondere im Bereich von 0,1 bis
1,75 Gew.-%, (Feststoffanteil),
c) 15 bis 70 Gew.-% an mindestens einem Pigment
und/oder mindestens einem Füllstoff,
d) mindestens ein pH-Wert-Einstellmittel, wobei
das pH-Wert-Einstellmittel einen pKs-Wert
größer oder gleich 9,0, insbesondere größer
oder gleich 10, aufweist,
e) mindestens einem Rheologieadditiv und
f) mindestens ein Alkylalkoxysilan,
Alkylalkoxysiloxan, wasserlösliches
Alkylsilikonat, insbesondere
Kaliummethylsilikonat, Monoalkylsilantriol,
Dialkylsilandiol, Trialkylsilanol, Alkalisalz
von Monoalkylsilantriol, insbesondere
Kaliummethylsilantriolat und/oder
Kaliumethylsilantriolat, Dialkylsilandiol oder
Trialkylsilanol oder beliebigen Mischungen
hiervon,
g) mindestens einen Chelatbildner und
h) mindestens ein Additiv,
wobei die Beschichtungsstoffe einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 aufweisen oder auf einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 eingestellt sind."
13. Unterscheidungsmerkmale
13.1 Der Mengenbereich für den Feststoffanteil des Wasserglases ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 breiter als in Anspruch 1 des Hilfsantrags 4. Dies hat zur Folge, dass der für die Farbe von D1 offenbarte Mengenbereich für den Feststoffanteil des Wasserglases nun vollständig in den entsprechenden Mengenbereich in Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 fällt. Der Feststoffanteil des Wasserglases in Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 stellt also keine Auswahl mehr aus dem in D1 offenbarten Bereich und damit auch kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber D1 mehr dar.
Ferner weist Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht mehr die Einschränkung bezüglich der Mengen an Pigment und Füllstoff auf ("enthaltend 2,0 bis 15 Gew.-% Pigmente und 20 bis 65 Gew.-% Füllstoffe"). Das auf die Pigmentmenge zurückzuführende Unterscheidungsmerkmal bei Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 fällt also bei Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 weg.
Vor dem Hintergrund, dass es sich schon bei der Komponente e) in Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 um ein Additiv handelt, ist das Merkmal h), wie auch von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, redundant.
13.2 Somit unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 von D1 dadurch,
- dass der Feststoffanteil des organischen Bindemittels eine Auswahl darstellt aus dem in D1 offenbarten Bereich (Anspruch 1: 0,75 bis < 4,0 Gew.-%; D1: 0,2 bis 6,5 Gew.-%)
- dass der pH-Wert - soweit er mit dem in D1 offenbarten Bereich überlappt - eine Auswahl darstellt (Anspruch 1: 8,5 bis 12; D1: >= 11,0)
- dass die Komponenten d), e), f) und g) enthalten sind.
14. Technische Wirkungen, objektive technische Aufgabe
In Bezug auf die beiden ersten der unter dem vorhergehenden Punkt genannten Unterscheidungsmerkmale kann auf die Ausführungen zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 verwiesen werden. Diese Merkmale sind mit keiner technischen Wirkung verbunden.
Im Hinblick auf die Komponenten d), e), f) und/oder g) wurde ebenfalls keine technische Wirkung belegt. Dass diese zusätzlichen Komponenten mit einer technischen Wirkung verbunden wären, wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
Ausgehend von D1 kann die objektive technische Aufgabe daher in Übereinstimmung mit den Beschwerdegegnerinnen ebenfalls in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung gesehen werden.
15. Naheliegen
Wie oben im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ausgeführt, ist die Auswahl der Menge des organischen Bindemittels und des pH-Werts ohne eine damit verbundenen technischen Wirkung beliebig und kann keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Darüber hinaus handelt es sich, wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, bei den Komponenten d) bis g) um gängige Inhaltsstoffe von Farben:
- D6 (Absatz [0019], Anspruch 5) offenbart Farbzusammensetzungen, die Alkalihydroxid als pH-Wert-Einstellmittel enthalten. Alkalihydroxide haben, wie von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten, einen pKs-Wert >= 9,0, vgl. Komponente d) in Anspruch 1.
- Schon D1 (Absatz [0018]) offenbart, dass Verdickungsmittel geeignete Additive für die Zusammensetzungen der D1 sind, d. h. also auch für die darin offenbarte Farbe. Wie von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten, handelt es sich bei Verdickungsmitteln um Rheologieadditive im Sinne des Patents (Absatz [0031]), vgl. Komponente e) in Anspruch 1).
- D1 (Absatz [0021]) führt beispielsweise auch Kaliummethylsiliconat als ein mögliches Additiv für die Zusammensetzungen der D1 auf, d. h. also für die darin offenbarte Farbe, vgl. Komponente f) in Anspruch 1.
- Zu guter Letzt offenbart D3 (Seite 9, Zeile 12 f.) eine Farbe enthaltend Tetrakaliumethylendiamintetraacetat. Bei dieser Verbindung handelt es sich, wie von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten, um einen Chelatbildner, vgl. Komponente g) in Anspruch 1.
Diese Inhaltsstoffe für ihre bekannte Wirkung der Farbe von D1 zuzusetzen, hätte für den Fachmann nahegelegen und begründet daher ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit.
Die Farbe von D1 enthält mit Wasserglas schon eine sehr alkalische, d. h. den pH-Wert deutlich erhöhende, Komponente. Dass der Fachmann aufgrund dessen der Farbe von D1 keine weitere den pH-Wert erhöhende Komponente d) zugesetzt hätte, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, wird schon alleine durch die in Absatz [0019] von D6 offenbarten Fahrtzusammensetzungen widerlegt, denn diese enthalten neben dem oben schon genannten Alkalihydroxid sehr wohl auch Wasserglas.
Somit wäre der Fachmann ausgehend von der in D1 offenbarten Farbe aufgrund seines üblichen Vorgehens zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 gelangt. Der beanspruchte Gegenstand beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Hilfsanträge 5 bis 8 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
16. Im Gegensatz zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 sind in Anspruch 1 der Hilfsanträge 5, 6 und 8 nicht alle der Komponenten e) bis h) zwingend vorhanden (Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 erwähnt die Komponenten e) bis h) nicht, in Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 8 sind die Komponenten g) und h) explizit nur optional).
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 weist eine nur optionale weitere Beschränkung hinsichtlich der als pH-Wert-Einstellmittel einsetzbaren Verbindungen auf. Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 7 beschränkt das pH-Wert-Einstellmittel (Komponente d)) nicht hinsichtlich seines pKs-Werts.
Folglich umfasst also der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 bis 8 den von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9. Der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 5 bis 8 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 10 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
17. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Wässrige Dispersionsbeschichtungsstoffe, enthaltend
a) organische Bindemittel, welche in Form einer
wässrigen Dispersion auf Basis von
Vinylacetat/Ethylen-Copolymeren, Copolymeren
auf Basis von Vinylaromaten und Acrylaten und/
oder Copolymeren auf Basis von Reinacrylaten
vorliegen, in einer Menge im Bereich von 0,75
bis kleiner 4,0 Gew.-% (Feststoffanteil),
b) Wasserglas und/oder Kieselsol in einer Menge
im Bereich von 0,1 bis 2,0 Gew.-%,
insbesondere im Bereich von 0,1 bis
1,75 Gew.-%, (Feststoffanteil)
c) 15 bis 70 Gew.-% an mindestens einem Pigment
und/oder mindestens einem Füllstoff, und
d) einen Aminoalkohol als pH-Wert-Einstellmittel,
wobei die Beschichtungsstoffe einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 aufweisen oder auf einen pH-Wert im Bereich von 8,5 bis 12 eingestellt sind."
18. Basierend auf den vorstehenden Erwägungen unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 somit dadurch von D1,
- dass der Feststoffanteil des organischen Bindemittels eine Auswahl darstellt aus dem in D1 offenbarten Bereich (Anspruch 1: 0,75 bis < 4,0 Gew.-%; D1: 0,2 bis 6,5 Gew.-%)
- dass der pH-Wert - soweit er mit dem in D1 offenbarten Bereich überlappt - eine Auswahl darstellt (Anspruch 1: 8,5 bis 12; D1: >= 11,0)
- dass ein Aminoalkohol als pH-Wert-Einstellmittel enthalten ist.
19. Die beiden erstgenannten Unterscheidungsmerkmale sind mit keiner technischen Wirkung verbunden, vgl. dazu die vorhergehenden Erwägungen.
Des Weiteren trug die Beschwerdeführerin auch nicht vor, dass oder weshalb das dritte der oben genannten Unterscheidungsmerkmale (die Anwesenheit eines Aminoalkohols als pH-Wert-Einstellmittel) mit einer technischen Wirkung verbunden sein sollte.
Wiederum kann daher die objektive technische Aufgabe in Übereinstimmung mit den Beschwerdegegnerinnen nur in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung gesehen werden.
20. Wie oben im Hinblick auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ausgeführt, ist die Auswahl der Menge des organischen Bindemittels und des pH-Werts ohne einer damit verbundenen technischen Wirkung beliebig und kann keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Darüber hinaus belegt D23 (Seite 187), dass es sich bei dem Aminoalkohol 2-Methyl-2-aminopropanol um ein gängiges pH-Wert-Einstellmittel bei Farben handelt. Diesen Aminoalkohol für seine bekannte Wirkung der Farbe von D1 zuzusetzen, bedarf ebenfalls keiner erfinderischen Tätigkeit.
Somit wäre der Fachmann ausgehend von der in D1 offenbarten Farbe ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 gelangt.
Hilfsantrag 11 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
21. In Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hauptantrags der Mengenbereich des organischen Bindemittels ("in einer Menge im Bereich von 0,75 bis kleiner 4,0 Gew.-% (Feststoffanteil)") innerhalb der Definition der Komponente a) nach vorne verschoben. Der Kammer ist nicht ersichtlich, und von der Beschwerdeführerin wurde diesbezüglich auch nichts vorgetragen, weshalb diese Änderung den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen Anspruch 1 des Hauptantrags ausräumen sollte.
Es ist daher der Schluss zu ziehen, dass die obige Begründung für Anspruch 1 des Hauptantrags gleichermaßen auch für Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 gilt. Hilfsantrag 11 ist mithin aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands nicht gewährbar.
Hilfsanträge 12 bis 23 - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
22. Die Anspruchssätze des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 11 umfassen neben den auf wässrige Dispersionsbeschichtungsstoffe gerichteten Anspruch 1 einen weiteren unabhängigen Produktanspruch. Dieser ist gerichtet auf einen Farbanstrich erhältlich durch ein- oder mehrmaliges Auftragen des Beschichtungsstoffs nach Anspruch 1.
23. In den Anspruchssätzen der Hilfsanträge 12 bis 23 ist der auf einen Farbanstrich gerichtete Produktanspruch gestrichen worden. Ihr Anspruch 1 ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 11.
Die obige Argumentation hinsichtlich der Nichtgewährbarkeit des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 bis 11 gilt somit gleichermaßen für die Hilfsanträge 12 bis 23. Die Hilfsanträge 12 bis 23 sind aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands nicht gewährbar.
D25 bis D28 - Zulassung (Artikel 12 (4), (6) VOBK)
24. Die Dokumente D25 bis D28 reichte die Beschwerdeführerin erstmals mit ihrer Beschwerdebegründung ein, so dass diese Dokumente eine Änderung des Vorbringens im Sinn von Artikel 12 (4) VOBK darstellten. Beide Beschwerdegegnerinnen beantragten die Nichtzulassung von D25 bis D28.
25. D25 zeigt 24 verschiedene Beschichtungsstoff-Zusammensetzungen. Mithilfe dieser Zusammensetzungen erhaltene Beschichtungen wurden hinsichtlich Nassabrieb, Deckvermögen, Weißindex und Gelbindex untersucht. Die erhaltenen Ergebnisse sind in D26 bis D28 gezeigt.
26. Im Hinblick auf die Zulassung von D25 bis D28 argumentierte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt:
- In der angefochtenen Entscheidung sei erstmals festgestellt worden, dass und weshalb die von der Beschwerdeführerin zuvor als D19 eingereichten Beispiele nicht relevant seien. Die Einspruchsabteilung habe dies damit begründet, dass D19 weder die genau eingesetzten Komponenten noch den pH-Wert der Beispiele angebe. Darüber hinaus könne aus D19 keine technische Wirkung für den Bindemittelgehalt abgeleitet werden, da dieser in allen Zusammensetzungen gleich sei. In den Zusammensetzungen der D25 werde nun in Reaktion auf die angefochtene Entscheidung auch der Bindemittelgehalt variiert.
- Vor der Einspruchsabteilung sei von den Beschwerdegegnerinnen eine Vielzahl von Einwänden erhoben worden. Hätte die Beschwerdeführerin jeden dieser Einwände mit experimentellen Daten entkräften wollen, hätte dies einen unverhältnismäßig großen Aufwand bedeutet. Vor diesem Hintergrund habe die Einreichung von D25 bis D28 noch vor der Einspruchsabteilung nicht von der Beschwerdeführerin erwartet werden können.
- In der schriftlichen vorläufigen Stellungnahme habe die Einspruchsabteilung die Aussagekraft der Beispiele des Patents zumindest punktuell anerkannt. In Reaktion darauf habe die Beschwerdegegnerin 1 zwar die Relevanz der Beispiele des Patents bestritten. Die Durchführung neuer Beispiele benötige aber eine gewisse Zeit. Auch aus diesem Grund habe eine frühere Einreichung von D25 bis D28 nicht von der Beschwerdeführerin erwartet werden können.
27. Die Kammer legte für die Zulassung nachfolgende Erwägungen zugrunde.
- Selbst wenn die angefochtene Entscheidung in Bezug auf D19 erstmals auf die fehlende Identifikation von Komponenten und auf die fehlende Nennung von pH-Werten hingewiesen haben sollte, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, so würde dies die Einreichung der vollständig neuen Beispiele D25 bis D28 nicht rechtfertigen. Diese Unzulänglichkeit von D19 hätte durch entsprechende Ergänzungen der D19 behoben werden können. Auch die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass der Bindemittelgehalt in den Beispielen der D19 konstant und daher D19 nicht zum Beleg einer technischen Wirkung geeignet sei, der mit der Auswahl der Menge an organischem Bindemittel verbunden sei, kann vorliegend die Einreichung von D25 bis D28 erst mit der Beschwerdebegründung nicht rechtfertigen. Denn in direkter Reaktion auf die Einreichung von D19 wies die Beschwerdegegnerin 2 explizit auf diesen in der angefochtenen Entscheidung herausgestellten Umstand hin (Schriftsatz vom 16. Mai 2022, Punkt I.2.1). Die gleichlautende Feststellung in der angefochtenen Entscheidung konnte die Beschwerdeführerin daher kaum überraschen.
- Beide Beschwerdegegnerinnen stellten in ihren Einspruchsschriften auf D1 als den nächstliegenden Stand der Technik ab. Sie trugen vor, dass der im erteilten Anspruch 1 für das organische Bindemittel genannte Mengenbereich eine Auswahl darstelle aus dem entsprechenden in D1 offenbarten Bereich und dass die Versuche des Patents bezüglich dieser Auswahl keine Wirkung belegen könnten. Dieser Einwand stellte daher ungeachtet weiterer Einwände einen zentralen Aspekt des Einspruchsverfahrens dar, auf den die Beschwerdeführerin hätte frühzeitig reagieren müssen.
- Die vermeintlich späte Kritik der Beschwerdegegnerin 1 an den Beispielen im Patent kann die späte Einreichung von D25 bis D28 vorliegend nicht rechtfertigen, weil die Einreichung aus dem unter dem vorhergehenden Spiegelstrich genannten Grund schon viel früher hätte erfolgen müssen.
Vor diesem Hintergrund teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, dass die Einreichung von D25 bis D28 schon vor der Einspruchsabteilung hätte erfolgen können und sollen. Die Kammer entschied daher, D25 bis D28 nicht zuzulassen (Artikel 12 (6) VOBK).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.