European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T006323.20240715 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 Juli 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0063/23 | ||||||||
Anmeldenummer: | 18213397.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C03C 3/097 C03C 3/085 C03C 4/02 C03C 4/10 C03C 10/00 C03C 17/22 C03C 3/087 C03C 17/23 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | EINRICHTUNGS- UND AUSSTATTUNGSGEGENSTÄNDE FÜR KÜCHEN ODER LABORE MIT ANZEIGEEINRICHTUNG | ||||||||
Name des Anmelders: | SCHOTT AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Eurokera S.N.C. | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (nein) Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja) Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent EP 3 502 071 B1 zurückzuweisen.
II. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatents lautet wie folgt:
Merkmal| |
A |"1. Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstand (1) für eine Küche oder ein Labor umfassend eine Anzeigeeinrichtung (2) und ein Trennelement (3), wobei das Trennelement (3) zumindest Abschnittsweise [sic] einen Innenbereich (4) des Gegenstandes (1) von einem Außenbereich (5) abtrennt, wobei die Anzeigeeinrichtung (2) im Innenbereich (4) des Gegenstandes (1) so angeordnet ist, dass das von der Anzeigeeinrichtung (2) ausgesandte Licht durch einen Abschnitt des Trennelements (3) hindurchtritt und von einem Benutzer im Außenbereich (5) des Gegenstandes (1) wahrnehmbar ist,|
B1 |wobei das Trennelement (3) ein Glas- oder Glaskeramiksubstrat mit einem thermischen Ausdehnungskoeffizienten CTE von -6 x 10**(-6)/K bis 6 x 10**(-6)/K im Temperaturbereich zwischen 20 °C und 300°C umfasst, |
C1 |wobei auf der Seite des Trennelementes (3), die dem Innenbereich (4) des Gegenstandes (1) zugewandt ist, ein Abdeckmittel (6) angeordnet ist, |
C2 |wobei das Abdeckmittel (6) einen Lichttransmissionsgrad von höchstens 7 % aufweist |
C3 |und zumindest im Bereich der Anzeigeeinrichtung (2) zumindest eine Aussparung (8) aufweist, die mit dem Glas- oder Glaskeramiksubstrat überlappt, |
B2 |wobei das Trennelement (3) im Bereich der Aussparung (8) einen Lichttransmissionsgrad von wenigstens 5 % und von höchstens 70 % aufweist, |
C4 |wobei das Abdeckmittel (6) einen Farbort im CIELAB-Farbraum mit den Koordinaten L* von 20 bis 40, a* von -6 bis 6 und b* von -6 bis 6, gemessen in Remission mit Licht der Normlichtart D65 gegen eine Schwarzfalle in Durchsicht durch das Glas- oder Glaskeramiksubstrat aufweist, |
B3 |wobei der Farbort von Licht der Normlichtart D65 nach Durchtritt durch das Glas- oder Glaskeramiksubstrat des Trennelementes (3) im Bereich der Aussparung (8) des Abdeckmittels (6) innerhalb eines Weißbereichs W1 liegt, der im Chromatizitätsdiagramm CIExyY-2° durch die folgenden Koordinaten bestimmt ist:|
Weißbereich W1|
x |y |
0,27 |0,21 |
0,22 |0,25 |
0,32 |0,37 |
0,45 |0,45 |
0,47 |0,34 |
0,36 |0,29 |
"
III. In Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 wurde das Merkmal B1 wie folgt eingeschränkt auf B1' (Hervorhebung durch die Kammer):
| |
B1'|wobei das Trennelement (3) ein Glas- oder Glaskeramiksubstrat [deleted: mit einem][deleted: thermischen Ausdehnungskoeffizienten CTE von ]-6 x 10**(-6)/K[deleted: bis ]6 x 10**(-6)/K[deleted: im][deleted: Temperaturbereich zwischen 20] [deleted: °C und 300] [deleted: °C] umfasst, wobei das Glaskeramiksubstrat einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten CTE zwischen 20 und 300 °C von -2,5 bis 2,5 x 10**(-6)/K aufweist oder das Glassubstrat einen thermischen Ausdehnungskoeffizienten CTE zwischen 20 und 300 °C von 3,5 bis 6 x 10**(-6)/K und eine Glasübergangstemperatur Tg von 500 bis 650 °C, insbesondere von 550 bis 650 °C aufweist,|
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 14 betreffen besondere Ausführungsformen.
IV. Unter anderem waren die folgenden für diese Entscheidung relevanten Dokumente Gegenstand im Einspruchsverfahren:
D5 |FR 2 405 906 A1 |
D6 |US 5,010,041 A |
D9 |WO 2014/068242 A1 |
D10|WO 2012/001300 A1 |
D11|DE 20 2011 110 029 U1 |
D13|DE 2012/172257 A1 |
D14|DE 20 2016 007 247 U1 |
D20|Erklärung von E. Luais, 26. April 2022|
V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin zudem eine die D20 ergänzende Erklärung ein.
D23|Ergänzende Erklärung von E. Luais, 21. Februar 2023|
VI. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass die angefochten Entscheidung aufzuheben, dass aber Hilfsantrag 1 gewährbar sei.
VII. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin werden wie folgt zusammengefasst:
Die Einspruchsabteilung habe ihren Ermessensspielraum überschritten als sie D20 nicht berücksichtigte. Sowohl D20 als auch D23 seien zu berücksichtigen.
Die Erfindung gemäß Haupt- und erstem Hilfsantrag sei nicht ausreichend offenbart.
Der Gegenstand des ersten Hilfsantrags erfülle nicht die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ angesichts der folgenden Dokumente:
- D9 in Kombination mit D10
- D10 in Kombination mit D5, D6, D9, D11 oder D13
- D13 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder D10
VIII. Die entscheidungswesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin werden wie folgt zusammengefasst:
Weder D20 noch D23 seien zu berücksichtigen.
Die Erfindung gemäß Haupt- und erstem Hilfsantrag sei ausreichend offenbart.
Der erste Hilfsantrag erfülle die Anforderungen von Artikel 56 EPÜ.
IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis:
- eines der Hilfsanträge 1, 10-14 und 27-32 (eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 2024), bzw.
- eines der Hilfsanträge 2-9, 15-26 und 33-35 (eingereicht mit Schreiben vom 12. Juni 2024)
aufrechtzuerhalten.
Entscheidungsgründe
1. Berücksichtigung der Dokumente D20 und D23
1.1 Die von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung eingereichte D23 soll die bereits erstinstanzlich vorgebrachte Erklärung D20 (eingereicht vier Monate vor der mündlichen Verhandlung) bekräftigen. Demnach sei das Merkmal C4 von Anspruch 1 erfüllt, wenn die schwarze Anstrichfarbe Zolpan 376913 aus der D10 (Seite 28, Zeilen 1 und 2) in der dort beschriebenen Weise auf die Gläser der Beispiele 3 und 9 der D9 aufgebracht wird.
Die Beschwerdegegnerin hat daraufhin (zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren) dargelegt, warum D20 verspätet eingereicht und prima facie nicht relevant sei. Dabei bezog sie sich auf mehrere angebliche Lücken und angeblich unbelegte Behauptungen in der Argumentation von D20.
Die Einspruchsabteilung ist der Auffassung der Beschwerdegegnerin gefolgt und hat die D20 wegen verspätetem Vorbringens und aufgrund mangelnder prima facie Relevanz nicht zugelassen.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass die Einspruchsabteilung dabei nur scheinbar prima facie Kriterien angewandt und daher ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien bzw. in unangemessener Weise ausgeübt habe.
Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Die Einspruchsabteilung erachtete, dass D20 mehrere Lücken aufwiese (siehe Seiten 9 und 10 der angefochtenen Entscheidung, Punkt 21). So fehlten beispielsweise Angaben zur Dicke der Beschichtung und zur Art und Weise, wie die Beschichtung aufgetragen worden ist.
Aufgrund dieser Lücken hätte nur nach "große[m] Ermittlungsaufwand" gesagt werden können, ob D10 wirklich relevante Informationen zur erfinderischen Tätigkeit enthält. Davon hing jedoch ab, ob D20 den Ausgang des Verfahrens hätte beeinflussen können.
Es ist daher nicht erkennbar, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien bzw. in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte (G 7/93, OJ 1994, 775, Entscheidungsgründe 2.6)
1.2 Im Vergleich zu D20 enthält D23 einige zusätzliche Bestätigungen (bzgl. des Ursprungs der Proben, der unveränderten Zusammensetzung der Farbe und des Aufbringens der Farbschicht).
Die Beschwerdegegnerin hatte das Fehlen dieser Informationen in D20 jedoch, wie oben dargelegt, bereits zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren bemängelt.
Die Eingabe von D23 ist also keine Reaktion auf die angefochtene Entscheidung. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht erklärt, warum sie die D23 nicht bereits erstinstanzlich eingereicht hat.
Aus diesen Gründen bleiben die Dokumente D20 und D23 unberücksichtigt (Artikel 12(6) VOBK).
Hauptantrag
Beim Hauptantrag handelt es sich um die erteilte Fassung der Ansprüche.
2. Artikel 100 b) EPÜ (Artikel 83 EPÜ)
Anspruch 1 beansprucht ein Trennelement, das sowohl Glassubstrate als auch Glaskeramiksubstrate mit einem thermischen Ausdehnungskoeffizienten CTE zwischen
-6 x 10**(-6)/K und +6 x 10**(-6)/K im Temperaturbereich zwischen 20 °C und 300 °C umfasst (Merkmal B1).
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Fachperson mit ihrem allgemeinen Fachwissen jedoch nicht imstande, insbesondere Glassubstrate mit einem CTE-Wert kleiner als 3 x 10**(-6)/K herzustellen. Auch das Streitpatent, und insbesondere dessen Beispiele, würden nicht zeigen, wie dies zu tun sei.
Die Beschwerdeführerin hat zwar keine Gegenbeispiele oder andere Belege beigebracht, um zu zeigen, dass es nicht möglich wäre, von Anspruch 1 ebenfalls umfasste Glassubstrate mit einem CTE-Wert im negativen Bereich etwas oberhalb von -6 x 10**(-6)/K herzustellen, aber weder die Beispiele des Streitpatentes noch der vorliegende Stand der Technik weisen für Glassubstrate CTE-Werte im unteren beanspruchten Bereich auf, ungeachtet der Tatsache, ob es sich dabei um allgemeines Fachwissen handelt oder nicht.
Außerdem bestätigte selbst die Beschwerdegegnerin, dass die zu erreichenden CTE-Werte in der Praxis begrenzt sind und dass insbesondere Glassubstrate mit einem negativen CTE-Wert nicht realistisch sind. Die Fachperson würde Anspruch 1 aber so verstehen, dass sich der niedrige Bereich etwas oberhalb von -6 x 10**(-6)/K nicht auf Glassubstrate, sondern nur auf Glaskeramiksubstrate beziehen könne. In der Tat hätte die Fachperson in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung Glassubstrate mit einem solchen negativen CTE-Wert "sofort als eindeutig außerhalb des praktischen Anwendungsbereichs des beanspruchten Gegenstands liegend verworfen" (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, II.C.8.1). Die Erfindung sei daher nach gängiger Rechtsprechung ausführbar.
Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum es für die Fachperson klar sei soll, dass Glassubstrate mit solch einem negativen CTE-Wert nicht möglich sind, und dass die Fachperson sofort erkennen würde, dass sich der untere Teil des beanspruchten CTE-Bereichs demzufolge nur auf Glaskeramiksubstrate beziehen könne. Der vorliegende Stand der Technik erwähnt keine Grenzwerte.
Unter diesen Umständen offenbart das Streitpatent keine "verallgemeinerungsfähige technische Lehre" (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, II.C.5.4).
Die Erfindung nach Hauptantrag ist daher nicht ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ).
Hilfsantrag 1
Aus den folgenden Gründen ist dagegen Hilfsantrag 1 gewährbar.
3. Artikel 83 EPÜ
Im Vergleich zum Hauptantrag wurde das Merkmal B1 in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weiter eingeschränkt auf B1'.
Glassubstrate mit einem negativen CTE-Wert fallen somit nicht mehr unter den Anspruch.
Nach Meinung der Beschwerdeführerin sei die Erfindung aber immer noch nicht ausreichend offenbart, da insbesondere Glaskeramiksubstrate mit einem CTE-Wert von -2 x 10**(-6)/K weiterhin von Anspruch 1 umfasst, aber nicht herstellbar seien.
Es ist jedoch unbestritten, dass Beispiel 12 des Streitpatents (siehe Tabelle 4) ein Glaskeramiksubstrat mit einem CTE-Wert von -0.40 x 10**(-6)/K und dass D14 ein Glaskeramiksubstrat mit einem CTE-Wert von -1.3 x 10**(-6)/K offenbart (siehe das Vergleichsbeispiel C in Tabelle 2-A).
Bei D14 handelt es sich zwar um ein Patentdokument, welches nicht notwendigerweise das allgemeine Fachwissen repräsentiert, aber die Beschwerdeführerin hat keinen Beleg dafür vorgelegt, dass eventuell nicht herstellbare Substrate nicht nur die Ränder des beanspruchten Bereichs von Anspruch 1 betreffen. Dies hätte beispielsweise in Form eines Dokuments geschehen können, welches Grenzen für erzielbare CTE-Wert nennt, oder in Form von durchgeführten Gegenversuchen.
Hilfsantrag 1 erfüllt somit die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.
4. Artikel 56 EPÜ
Die Einspruchsabteilung kam in der angefochtenen Entscheidung zum Schluss, dass bereits der Gegenstand des Hauptantrags die Erfordernisse von Artikel 56 EPÜ erfüllt. Die Kammer erachtet, dass dies auch für den weiter eingeschränkten Hilfsantrag 1 gilt.
4.1 Die Erfindung betrifft einen Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstand für eine Küche oder ein Labor umfassend eine Anzeigeeinrichtung und ein Trennelement, welches ein Glas- oder Glaskeramiksubstrat umfasst.
4.2 D9 als nächstliegender Stand der Technik
4.2.1 Es wurde nicht bestritten, dass D9 ein möglicher nächstliegender Stand der Technik ist. Auch die angefochtene Entscheidung ging unter anderem von diesem Dokument aus.
D9 offenbart einen Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstand für eine Küche mit einem Glas-/Glaskeramiksubstrat und einer Anzeigeeinrichtung (Seite 1, Zeilen 3 bis 7; Ansprüche 14 und 15).
Ziel von D9 ist es einerseits, nicht anzuzeigende, interne Elemente zu kaschieren und andererseits eine gute Sichtbarkeit der Anzeige zu gewährleisten (Seite 2, Zeilen 15 bis 22).
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätten insbesondere die Beispiele 3 und 9 der D9 (siehe dazu Tabelle 3 auf Seite 20 und Tabelle 4 auf Seite 21 im Zusammenhang mit Seite 4, Zeilen 26 bis 28 sowie Seite 5, Zeilen 14 bis 16):
- mit 3.3 x 10**(-6)/K und 4.3 x10**(-6)/K einen CTE-Wert des Glassubstrats im beanspruchten Bereich (Merkmal B1'),
- einen Lichttransmissionsgrad des Trennelements zwischen 5% und 70% (Merkmal B2) und
- nach einer bereits in der Einspruchsschrift präsentierten Konversion einen Farbort des Trennelements bei Verwendung von Normlicht D65 innerhalb des Weißbereichs W1 (Merkmal B3).
Dazu sei gleich angemerkt, dass selbst nach den Angaben der Beschwerdeführerin der CTE-Wert von Beispiel 3 zu niedrig ist.
Die Passage auf Seite 16, Zeilen 6 bis 9 der D9 offenbare zudem ein Abdeckmittel aus opakem oder reflektierendem Material.
Es könne kein Grund dafür erkannt werden, warum die vorgenannten Merkmale nicht in Zusammenschau gelesen werden können.
Da D9 eine ähnliche Aufgabe erfüllt und mehrere übereinstimmende Merkmale mit Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 aufweist, ist es in der Tat ein geeigneter Startpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
4.2.2 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstandes mit verbesserter Ablesbarkeit der Anzeigeeinrichtung, wobei nicht anzuzeigende Elemente wie das (ausgeschaltete) Display und ausgeschaltete elektronische Bauteile im Innern des Geräts weiterhin kaschiert bleiben (Abschnitte [0032], [0033], [0037], [0099] und [0100]).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist diese Aufgabe nicht nur ästhetischer, sondern auch technischer Natur.
4.2.3 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch den Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstand von Anspruch 1 zu lösen, welcher zumindest durch das Merkmal C4 (Farbort des Abdeckmittels gemessen in Remission in Durchsicht durch das Substrat) gekennzeichnet ist.
Dass zumindest C4 ein unterscheidendes Merkmal darstellt, ist nicht bestritten worden.
4.2.4 Es ist glaubhaft, dass die gestellte Aufgabe erfolgreich gelöst worden ist.
So erzeugt der beanspruchte Farbort des Abdeckmittels C4 in Durchsicht durch das Trennelement ein ähnliches Erscheinungsbild wie handelsübliche (ausgeschaltete) Anzeigeeinrichtungen, wie zum Beispiel LCD- und OLED-Displays (Abschnitt [0037] des Streitpatents). Dadurch ist der Übergang zwischen Abdeckelement und Anzeigeeinrichtung weniger sichtbar. Durch den homogenen Hintergrund verbessert sich die Ablesbarkeit der Anzeige, wenn diese angeschaltet ist.
Des weiteren reflektiert das Abdeckmittel mit dem beanspruchten Farbort nach Abschnitt [0033] des Streitpatents nur begrenzt, was die Ablesbarkeit der nicht abgedeckten Anzeigeeinrichtung weiter verbessert.
In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin lediglich behauptet, dass die Aufgabe nicht über den gesamten Bereich gelöst worden ist, ohne diese Behauptung konkret durch Belege zu untermauern.
4.2.5 In der D9 selber gibt es keinen Hinweis darauf, die gestellte Aufgabe in der beanspruchten Weise zu lösen.
Andererseits würde die Fachperson auf der Suche nach einer konkreten Ausgestaltung des opaken Materials von Seite 16 der D9 auf das Dokument D10 stoßen.
Die D10 betrifft ebenfalls Einrichtungs- oder Ausstattungsgegenstände mit einer Anzeigeeinrichtung und einem Trennelement, welches ein Glas- oder ein Glaskeramiksubstrat umfasst (Anspruch 1).
Nach Seite 27, Zeile 5, bis Seite 28, Zeile 15) wird eine 20 mym dicke Schicht der schwarzen Farbe Zolpan 376913 als Abdeckmittel verwendet, welches Aussparungen im Bereich der Anzeigeeinrichtung aufweist (Merkmal C3).
Nach besagter Passage der D10 erlaubt diese Farbschicht das Kaschieren der internen Elemente des Einrichtungsgegenstandes, und, wie sofort ersichtlich ist, wegen den Aussparungen auch eine gute Sichtbarkeit des von der Anzeigeeinrichtung ausgesandten Lichts.
Es liegt jedoch kein zulässiger Beleg dafür vor, dass das Merkmal C4 (Farbort des Abdeckmittels in Durchsicht durch das Substrat) erfüllt ist, wenn die Farbschicht der D10 auf das Substrat des Beispiels 9 von D9 aufgebracht wird.
Somit beinhaltet der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 einen erfinderischen Schritt gegenüber D9 (Artikel 56 EPÜ).
4.2.6 Nach Meinung der Beschwerdeführerin beträfen die Abschnitte [0099] und [0100] des Streitpatents nicht die Eigenschaften des Abdeckelements (und damit das Merkmal C4 von Anspruch 1), sondern die Eigenschaften des Trennelements. Die in den Abschnitten [0099] und [0100] des Streitpatents genannten Vorteile dürften somit nicht für die Formulierung der Aufgabe verwendet werden.
Dem wird nicht zugestimmt. Da das Merkmal C4 den Farbort des Abdeckmittels gemessen in Remission in Durchsicht durch das Trennelement betrifft, können das Abdeckmittel und das Trennelement nicht getrennt betrachtet werden.
Die Beschwerdeführerin ist des weiteren der Auffassung, dass die Wahl der Untergrenze von L* in Merkmal C4 willkürlich sei.
Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, dass nicht auch die Untergrenze von L* in Merkmal C4 zum weniger sichtbaren Übergang zwischen Abdeckelement und Anzeigeeinrichtung beiträgt, indem diese Untergrenze einen zu schwarzen Hintergrund vermeidet.
Diese Aspekte belegen aber gerade, dass das Merkmal C4 nicht isoliert von den anderen Merkmalen von Anspruch 1 betrachtet werden darf, da die Aufgabe durch das Merkmal C4 in Kombination mit den anderen Merkmalen von Anspruch 1 gelöst wird (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, I.D.9.3.1). Insbesondere spielen sowohl Eigenschaften, die die Transparenz betreffen (Kaschieren der Elemente aus dem Innern des Geräts), als auch Aspekte, die die Remission/Reflexion betreffen (ähnliches Erscheinungsbild von Abdeckelement und von Anzeigeeinrichtung), im vorliegenden Fall eine Rolle für die Lösung der Aufgabe aus Punkt 4.2.2.
4.3 D10 als nächstliegender Stand der Technik
D10 offenbart unter anderem die bereits im vorherigen Punkt genannten Merkmale.
Es gibt jedoch auch hier keinen Beleg dafür, dass die D10 das Merkmal C4 (Farbort des Abdeckmittels gemessen in Remission in Durchsicht durch das Substrat) offenbart.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach die D10 dieses Merkmal implizit offenbare, kann nicht nachvollzogen werden. Es mag sein, dass der besagte Farbort als "schwarz oder zumindest als dunkel wahrgenommen" wird (Abschnitt [0032] des Streitpatents), aber der Umkehrschluss trifft nicht unbedingt zu: Es ist nicht belegt, dass jedes Schwarz bzw. Dunkel die beanspruchte Luminosität L* aufweist. Dies gilt insbesondere für die schwarzen Anstrichfarbe Zonpan 376913 der D10 (Seite 28, Zeilen 1 und 2).
Die zu lösende Aufgabe wird daher wie unter Punkt 4.2.2 formuliert. Doch im vorliegenden Stand der Technik (und insbesondere in den Dokumenten D5, D6, D9, D11 und D13) gibt es keinen Hinweis darauf, die gestellte Aufgabe in der beanspruchten Weise zu lösen.
Daher wird auch angesichts D10 aus den gleichen Gründen wie für D9 eine erfinderische Tätigkeit anerkannt (Artikel 56 EPÜ).
4.4 D13 als nächstliegender Stand der Technik
Es ist unbestritten, dass die D13 das Merkmal C4 (Farbort des Abdeckmittels in Durchsicht durch das Substrat) ebenfalls nicht offenbart.
Daher wird eine erfinderische Tätigkeit aus ähnlichen Gründen wie für D9 anerkannt.
4.5 Aus den obigen Gründen ist auch der Gegenstand der abhängigen Ansprüche von Hilfsantrag 1 erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 14 des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 5. Februar 2024, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.