European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T259722.20241127 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 27 November 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2597/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16719400.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | H01M 6/52 C22B 1/00 H01M 10/54 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUM BEHANDELN GEBRAUCHTER BATTERIEN, INSBESONDERE WIEDER AUFLADBARER BATTERIEN UND BATTERIE-VERARBEITUNGSANLAGE | ||||||||
Name des Anmelders: | Duesenfeld GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Volkswagen Aktiengesellschaft EKATO Systems GmbH |
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Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - im Beschwerdeverfahren Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers - zulässig (ja) Zurückverweisung - (ja) Zurückverweisung - neuer Einspruchsgrund Rückzahlungen der Beschwerdegebühren (ja) Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein) |
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Orientierungssatz: |
Rückzahlung der Beschwerdegebühren nach Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers unter Geltendmachung eines neuen Einspruchsgrunds, da wegen unmittelbarer Zurückverweisung kein "reguläres" Beschwerdeverfahren stattfindet. |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und der Einsprechenden 1 (Beschwerdeführerin 2) betreffen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP 3 289 627 B1 in geänderter Fassung auf der Basis des Hilfsantrags 2 aufrechtzuerhalten.
II. Unter anderem waren die folgenden für diese Entscheidung relevanten Dokumente Gegenstand im Einspruchsverfahren:
D2|CN 103 259 062 B |
D3|US 2016/0049699 A1 |
D9|DE 10 2011 110 083 A 1|
III. In Hinsicht auf den aufrechterhaltenen Hilfsantrag 2 wurden in der angefochtenen Entscheidung die Erfordernisse der Artikel 123(2), 123(3) und 84 EPÜ abgehandelt. Artikel 56 EPÜ wurde ausgehend von Dokument D9 in Kombination mit D3 erörtert. Artikel 54 EPÜ wurde nicht behandelt, zumal er nicht als Einspruchsgrund geltend gemacht worden war.
IV. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2023, d.h. während des Beschwerdeverfahrens, erklärte die EKATO Systems GmbH (im Folgenden: Einsprechende 2) als vermeintliche Patentverletzerin im Sinne des Artikels 105 EPÜ in Verbindung mit Regel 89 EPÜ ihren Beitritt zum Einspruchs- bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren unter Bezugnahme darauf, dass die Patentinhaberin gegen sie am 22. November 2022 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung beim Landgericht Mannheim eingereicht hatte.
V. In ihrer Beitrittserklärung reichte die Einsprechende 2 unter anderem folgende Dokumente ein:
E2|EP 0 794 587 A2 |
E3|CN 102 496 752 A |
E4|EP 1 760 821 A1 |
E5|Von der Patentinhaberin beim LG Mannheim eingereichter "Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung", Aktenzeichen 7O147/22, 22. November 2022|
Des weiteren erhob sie Einwände gegen den von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchssatz unter den Artikeln 84, 83 und 123(2) EPÜ. Zudem erhob sie Einwände unter Artikel 54 und 56 EPÜ angesichts der Dokumente E2, E3, D2, D3, D9 und E4.
VI. In Reaktion auf Mitteilungen der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK zur Frage der Wirksamkeit des Beitritts und seiner materiell- und verfahrensrechtlichen Konsequenzen nahmen alle Parteien ihre Anträge auf mündliche Verhandlung zurück.
VII. Daraufhin wurde die angesetzte mündliche Verhandlung abberaumt.
VIII. Die Ausführungen der Patentinhaberin zur Wirksamkeit des Beitritts und seiner Konsequenzen können wie folgt zusammengefasst werden:
Der Beitritt sei unzulässig und daher unwirksam.
IX. Die entsprechenden Ausführungen der Einsprechenden 1 können wie folgt zusammengefasst werden:
Nach dem Beitritt sei die Kammer verpflichtet, zumindest eine teilweise materiell-inhaltliche Prüfung der Beschwerden durchführen, nicht aber die Angelegenheit (unmittelbar) an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.Im Fall der unmittelbaren Zurückverweisung wäre (zumindest) ihre Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
Es werde zugleich angeregt bzw. beantragt, der Großen Beschwerdekammer die folgenden zwei Fragen vorzulegen.
(1) "Ist eine Einspruchsbeschwerde, in welche ein Dritter wirksam während der Beschwerdefrist beigetreten ist, bereits ohne inhaltliche Prüfung der Beschwerden und ohne materielle Prüfung der Beitrittsbegründung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, wenn der Dritte einen weiteren Einspruchsgrund mit seinem Beitritt genannt hat?"
(2) "Ist in dieser Situation die gezahlte Beschwerdegebühr einem Beschwerdeführer aus Billigkeitsgründen zu erstatten, da kein Beschwerdeverfahren durchzuführen ist?"
X. Die Patentinhaberin beantragt in der Sache, dass das Patent unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung in geänderter Fassung auf der Basis des am 27. Juli 2022 vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hauptantrags aufrechterhalten wird.
Hilfsweise beantragt sie, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis
- des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1,
- eines der mit Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 2 bis 4 oder
- eines der mit Schriftsatz vom 5. Juli 2023 eingereichten Hilfsanträge 5 und 6
aufrechtzuerhalten.
Die Einsprechende 1 beantragt, das Patent unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
Die Einsprechende 2 schloss sich den Anträgen der Einsprechenden 1 an.
Entscheidungsgründe
1. Beitrittserklärung durch vermeintliche Patentverletzerin im Sinne des Artikels 105 EPÜ
Die Patentinhaberin sieht den Beitritt als unzulässig an, zumal es sich beim vor dem LG Mannheim geführten Verfahren lediglich um ein "Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes [handle], das zudem vor einer Entscheidung durch Rücknahme des Antrags beendet wurde" (s. Seite 11 der Beschwerdebegründung).
Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Der Beitritt wurde in Übereinstimmung mit Regel 89 EPÜ jedenfalls innerhalb von drei Monaten nach dem mit 22. November 2022 datierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim LG Mannheim erklärt.
Ein Antrag auf einstweilige Verfügung ist im gegebenen Zusammenhang als verfahrenseinleitender Antrag vom Begriff der "Klage wegen Verletzung" in Artikel 105 EPÜ umfasst (siehe beispielsweise T 1459/06, Gründe 1).
Es ist zudem unerheblich, ob das Verfahren beim LG Mannheim immer noch anhängig ist (siehe beispielsweise T 1809/22, Gründe 2.3, und T 1713/11, Gründe 2.7).
Unter diesen Umständen ist der Beitritt der vermeintlichen Patentverletzerin zulässig; dadurch erlangt sie zugleich die Stellung als (weitere) Einsprechende (Artikel 105 EPÜ in Verbindung mit Regel 89 EPÜ).
2. Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung
2.1 Aus den folgenden Gründen ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Einspruchsgründen verfrüht.
Während Neuheit unter Artikel 54 EPÜ zunächst nicht Einspruchsgrund war und daher nicht in der angefochtenen Entscheidung behandelt wurde, enthält die Beitritterklärung solche Neuheitseinwände angesichts der Dokumente E2, E3, D2, D3, D9 und E4 (Punkte III.4.1 bis III.4.6).
Nach G 1/94 (Leitsatz, Gründe 13) kann sich ein Beitritt eines vermeintlichen Patentverletzers auf jeden der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe stützen, auch wenn ein solcher nicht Gegenstand des bisherigen Einspruchsverfahrens war. Im Falle eines neuen Einspruchsgrundes ist die Sache dabei grundsätzlich zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, wenn keine besonderen Gründe für eine andere Vorgehensweise sprechen.
2.2 Im vorliegenden Fall hat keine der Parteien derartige besondere Gründe ins Treffen geführt; solche sind auch auch nicht zu erkennen.
2.3 Der Einsprechenden 1 kann insbesondere darin nicht beigepflichtet werden, dass Artikel 111(1) EPÜ der Beschwerdekammer trotz des Beitritts eine zumindest teilweise materiell-inhaltliche Überprüfung des Falles vorschreibe, die in bindenden Vorgaben an die Einspruchsabteilung resultieren müsste.
Vor allem lässt sich weder aus Artikel 111(1) EPÜ ("verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an dieses Organ [hier an die Einspruchsabteilung] zurück")noch aufgrund sonstiger Bestimmungen des EPÜ oder der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) ein Gebot ableiten, einzelne Einwände (vorab) inhaltlich zu behandeln.
Einer neuerlichen Entscheidung der Einspruchsabteilung, die nicht notwendigerweise auf identischer Sachverhaltsgrundlage und/oder Antragslage ergehen wird, kann in diesem Sinne nicht vorgegriffen werden. Allfällige bindende Vorgaben der Beschwerdekammer an die Einspruchsabteilung könnten auch das Recht der Beitretenden einschränken, das Patent, das sie angeblich verletzt hat, mit allen verfügbaren Mitteln anzufechten (vgl. G 1/94, Punkt 13 der Gründe).
Im Einklang mit etablierter Rechtsprechung der Beschwerdekammern (s. etwa T 16/95 oder T 2951/18) wäre eine weitergehende inhaltliche Überprüfung auch im vorliegenden Fall verfrüht und auch nicht zielführend.
(Auch) unter den gegebenen Umständen ist somit - im Einklang mit den in G 1/94 entwickelten Grundsätzen - eine (unmittelbare) Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung geboten.
3. Rückzahlung der Beschwerdegebühren
Die nicht selbst als Beschwerdeführerin einschreitende Beitretende hatte nach ihrem Beitritt im laufenden Beschwerdeverfahren schon an sich keine Beschwerdegebühr zu entrichten, da sie durch diesen Beitritt nicht selbst den Status einer Beschwerdeführerin erworben hat (G 3/04, Punkte 10 und 11 der Gründe). Die damit ohne Grundlage von ihr entrichtete Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen.
Die Kriterien zur Rückzahlung der von einer Beschwerdeführerin entrichteten Beschwerdegebühr sind grundsätzlich in Regel 103 EPÜ dargelegt, wobei nach der Rechtsprechung - in Ausnahmefällen - auch über deren Wortlaut hinaus eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt (siehe etwa T 308/05, Punkt 5. der Gründe).
Darüber hinaus ist eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus grundsätzlichen Überlegungen schon dann geboten, wenn jene ihren Zweck nicht erfüllen und die ihr entsprechende "Gegenleistung" nicht erbracht werden kann:
Die Patentinhaberin und die Einsprechende 1 haben zum Zwecke der Einleitung (und in der Erwartung) eines "regulären" Beschwerdeverfahrens zur Überprüfung der auf Basis des bisher (nur) zwischen ihnen geführten Einspruchsverfahrens ergangenen Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerdegebühren entrichtet (vergleiche Artikel 12(2) VOBK zum "vorrangigen" Ziel des Beschwerdeverfahrens einer gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung und Artikel 111(1) in Verbindung mit Regel 99(2) EPC über die grundsätzlich reformatorische oder kassatorische Entscheidungsbefugnis der Kammer). Wegen der unmittelbaren Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung ohne weitergehende inhaltliche Prüfung durch die Beschwerdekammer findet ein solches "reguläres" Beschwerdeverfahren jedoch nicht statt.
Bei dieser Sachlage ist eine Rückzahlung der Beschwerdegebühren (auch) der Patentinhaberin und der Einsprechenden 1 [über die Grenzen der Regel 103 EPÜ hinaus] angezeigt.
4. Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Eine weitergehende Klärung der Rechtslage durch die Große Beschwerdekammer ist nicht notwendig, da die von der Einsprechenden 1 formulierte Frage (1) auf der Grundlage etablierter Rechtsprechung beantwortet werden kann (siehe oben), Frage (2) in ihrem Sinne zu beantworten ist, und da insbesondere bezüglich beider Fragestellungen weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt noch divergierende Rechtsprechung aufgezeigt wurde oder ersichtlich wäre (Artikel 112 EPÜ).
Daran ändert auch die jüngst ergangene Vorlageentscheidung T 1286/23 nichts, da diese einen anderen (Sonder-)Fall betrifft.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
4. Alle Beschwerdegebühren werden zurückgezahlt.