European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T257222.20241113 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 13 November 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2572/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14183757.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | C23C 2/12 C23C 2/26 C21D 1/673 C21D 8/00 C21D 9/00 C22C 21/02 C22C 38/00 C22C 38/02 C22C 38/04 C22C 38/06 C22C 38/22 C22C 38/28 C22C 38/32 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Stahlflachprodukt mit einer Al-Beschichtung, Verfahren zu seiner Herstellung, und Verfahren zur Herstellung eines warmgeformten Bauteils | ||||||||
Name des Anmelders: | ThyssenKrupp Steel Europe AG thyssenkrupp AG |
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Name des Einsprechenden: | ArcelorMittal | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja) Änderungen - alle Anträge |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegenden Beschwerden, der Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen 1) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin 2), richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent EP 2 993 248 B1 auf Basis des damaligen Hilfsantrags 6 die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
II. Das Streitpatent bezieht sich auf ein Stahlflachprodukt mit einer Al-Beschichtung, Verfahren zu seiner Herstellung, und Verfahren zur Herstellung eines warmgeformten Bauteils.
III. Die endgültige Reihenfolge ihrer Sachanträge wurde von den Patentinhaberinnen mit Eingabe vom 11. Oktober 2024 festgelegt. Dabei wurde die (Verteidigung der) von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene(n) Fassung zum Hauptantrag.
IV. Anspruch 1 dieses Hauptantrags lautet wie folgt:
"Stahlflachprodukt, das aus einem Stahlsubstrat aus einem Stahl mit 0,1 - 3 Gew.-% Mn und 0,0005 - 0,01 Gew.-% B und einem auf das Stahlsubstrat aufgetragenen Schutzüberzug auf Basis von Al besteht, wobei der Schutzüberzug ein AlSi-Überzug mit einem Si-Gehalt von 3 - 15 Gew.-% und optional bis zu 5 Gew.-% Fe ist und wobei der Schutzüberzug als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle enthält, welche eine höhere Sauerstoffaffinität haben als Aluminium, mit der Maßgabe, dass die zusätzlichen Legierungsbestandteile aus Magnesium und ergänzend Kalzium bestehen, wobei der Magnesium-Gehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-% beträgt und der Kalzium-Gehalt des Schutzüberzugs 0,01 Gew.-% bis 0,5 Gew.-% beträgt."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde gegenüber jenem des Hauptantrags der Bereich für den Kalziumgehalt des Schutzüberzugs von "mindestens 0,01 Gew.-%" zu
"0,01 - 0,02 Gew.-%" geändert.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 1 der Bereich für den Si-Gehalt zu
"9 - 12 Gew.-%" geändert.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde gegenüber jenem des Hauptantrags der Bereich für die Summe zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle von 0,11 - 0,7 Gew.-% zu
"0,005 - 0,7 Gew.-%" geändert, und zudem der Bereich für den Si-Gehalt zu "9 - 12 Gew.-%", wie in Hilfsantrag 2.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 wurde gegenüber jenem des Hauptantrags ebenfalls der Bereich für die Summe zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle von 0,11 - 0,7 Gew.-% zu
"0,005 - 0,7 Gew.-%" geändert, wie in Hilfsantrag 3, und zudem der Bereich für den Kalziumgehalt des Schutzüberzugs von "mindestens 0,01 Gew.-%" zu
"0,01 - 0,02 Gew.-%", wie in Hilfsantrag 1.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 werden die Änderungen im jeweiligen Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 und 4 kombiniert.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags in der Definition des Schutzüberzugs. Dieser Teil lautet nun wie folgt:
"... wobei der Schutzüberzug ein AlSi-Überzug mit einem Si-Gehalt von 3 - 15 Gew.-% und optional bis zu 5 Gew.-% Fe ist und wobei der Schutzüberzug als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% mindestens zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle, welche eine höhere Sauerstoffaffinität haben als Aluminium, mit der Maßgabe, dass der Magnesium-Gehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-% und der Kalzium-Gehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,01 Gew.-% beträgt, und optional in Summe bis zu 20 Gew.-% an anderen Legierungselementen, enthält."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 6 der Bereich für den Kalziumgehalt des Schutzüberzugs von "mindestens 0,01 Gew.-%" zu "0,01 - 0,02 Gew.-%" geändert.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 7 die Definition des Schutzüberzugs wie folgt geändert (Hervorhebungen durch die Kammer):
"...wobei der Schutzüberzug als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% mindestens [deleted: zweier ]dreier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle, welche eine höhere Sauerstoffaffinität haben als Aluminium, mit der Maßgabe, dass der Magnesium-Gehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-%, [deleted: und] der Kalzium-Gehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,01 Gew.-% bis 0,02 Gew.-% und der Strontium-Gehalt des Schutzüberzugs 0,005 - 0,25 Gew.-% beträgt, und optional in Summe bis zu 20 Gew.-% an anderen Legierungselementen, enthält."
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 6 der Bereich für den Si-Gehalt zu "9 - 12 Gew.-%" geändert.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 9 der Bereich für den Kalziumgehalt des Schutzüberzugs von "mindestens 0,01 Gew.-%" zu "0,01 - 0,02 Gew.-%" geändert.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 wurde gegenüber jenem des Hilfsantrags 8 der Bereich für den Si-Gehalt zu
"9 - 12 Gew.-%" geändert.
V. Folgendes Dokument aus dem Einspruchsverfahren ist hier relevant:
D10|Erklärung von Herrn Thomas Brixius und Anlage|
VI. Die Einsprechende trug im Wesentlichen vor, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ für keinen der Sachanträge erfüllt seien. Ihre Argumente spiegeln sich im Übrigen in den Entscheidungsgründen wider.
VII. Die wesentlichen Argumente der Patentinhaberinnen können demgegenüber wie folgt zusammengefasst werden:
Die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ seien erfüllt. Es sei lediglich eine einzige Auswahl nötig, nämlich die von Kalzium (Ca) als zusätzlich zu Magnesium (Mg) vorhandenem Erdalkalimetall. Zudem weise das Beispiel (Probe) E1 in Figur 2 auf diese Kombination hin. Folglich würden auch die jeweiligen Mengenbereiche für Magnesium und Kalzium gelten, d.h. insbesondere deren Untergrenzen von 0,1 Gew.-% Magnesium und 0,01 Gew.-% Kalzium. Diese gälten auch, wenn sowohl Magnesium als auch Kalzium vorhanden seien. Die in T 1621/16 entwickelten Kriterien für eine zulässige Auswahl aus Listen konvergierender Alternativen seien erfüllt. Für die Fachperson ergebe sich unmittelbar und eindeutig, dass bei zwingender Zugabe einer Kombination von Magnesium und Kalzium als "zusätzlichen Legierungsbestandteil" im Schutzüberzug konsequenterweise der Mindestgehalt der gesamten Menge 0,11 Gew.-% betrage. Auch leiste diese Angabe keinen technischen Beitrag.
VIII. Die Patentinhaberinnen (Beschwerdeführerinnen I) beantragen, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen (Hauptantrag) oder die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent auf Basis eines des Hilfsanträge 1 bis 11 in der Nummerierung vom 11. Oktober 2024 aufrechtzuerhalten, wobei die Hilfsanträge 1-5 den vormaligen Hilfsanträgen 7-11 vom 22. Juni 2023 entsprechen, und die Hilfsanträge 6-11 dem vormaligen Hauptantrag und den vormaligen Hilfsanträgen 1-5 vom 17. August 2021.
Die Einsprechende (Beschwerdeführerin II) beantragt, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
Entscheidungsgründe
1. Berücksichtigung im Verfahren
1.1 Die Frage der Berücksichtigung der Sach-(Anspruchs-)Anträge kann dahingestellt bleiben, da diese ohnehin nicht gewährbar sind.
Hauptantrag
(eingereicht als Hilfsantrag 6 am 13. September 2022)
2. Artikel 123(2) EPÜ
2.1 Im Folgenden wird der Begriff "zusätzliche Legierungsbestandteile" in der anspruchsgemäßen Bedeutung verwendet. Unter "zusätzlichen Legierungsbestandteilen" werden solche Erdalkali- und Übergangsmetalle verstanden, die eine höhere Sauerstoffaffinität als Aluminium haben, d.h. bei Warmumformung ein Oxid bilden. Dies entspricht der Verwendung des Begriffs "zusätzliche Legierungsbestandteile" in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (Seite 6, letzter Absatz; Seite 13, zweiter Absatz), und im weiteren Sinn der Angabe, dass es sich um "erfindungsgemäß zum Zwecke der Behinderung der Wasserstoffaufnahme des Stahlflachprodukts vorgesehene zusätzliche Legierungsbestandteile" handelt (Seite 10, zweiter Absatz - Seite 11, dritter Absatz).
2.2 Anspruch 1 bezieht sich auf ein Stahlflachprodukt und definiert unter anderem einen Schutzüberzug auf Basis von Aluminium. Dieser enthält als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle, welche eine höhere Sauerstoffaffinität haben als Aluminium, mit der Maßgabe, dass die zusätzlichen Legierungsbestandteile aus Magnesium und ergänzend Kalzium bestehen, wobei der Magnesiumgehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-% und der Kalziumgehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,01 Gew.-% bis 0,5 Gew.-% beträgt.
2.3 Dieser Gegenstand geht nicht unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hervor.
Insbesondere ist ausgehend von der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (im Folgenden "ursprüngliche Anmeldung") eine mehrfache Auswahl nötig, um zu einer Ausführungsform zu gelangen, bei der als zusätzliche Legierungsbestandteile Magnesium in Kombination mit Kalzium vorliegen und die jeweiligen Untergrenzen jeweils mindestens 0,1 Gew.-% Magnesium und mindestens 0,01 Gew.-% Kalzium betragen, und dies unter Ausschluss weiterer zusätzlicher Legierungsbestandteile, die eine höhere Sauerstoffaffinität als Aluminium haben.
2.3.1 So ist zunächst auszuwählen, dass als zusätzliche Legierungsbestandteile Magnesium in Kombination mit Kalzium vorhanden sind. Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung definiert allgemein, dass "der Schutzüberzug als zusätzlichen Legierungsbestandteil in Summe 0,005 - 0,7 Gew.-% mindestens ein Erdalkali- oder Übergangsmetall enthält". Der für die nun beanspruchte Kombination relevante Beschreibungsabschnitt der ursprünglichen Anmeldung lautet: "Von den für die erfindungsgemäßen Zwecke zusätzlich im Schutzüberzug eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts vorgesehenen Erdalkalimetallen ist an erster Stelle Magnesium zu nennen, wobei ersatzweise oder ergänzend auch Kalzium, Strontium, Natrium oder Barium in Frage kommen" (Seite 9, vierter Absatz). Die Kombination von Magnesium mit Kalzium wird nicht spezifisch genannt.
Entgegen der Ansicht der Patentinhaberinnen kann auch Probe E1 nicht als Hinweis auf die Kombination von Magnesium mit Kalzium dienen. Die Patentinhaberinnen sehen Probe E1 als anspruchsgemäß an, während die Einsprechende dies bestreitet.
Die Patentinhaberinnen sind der Auffassung, dass die Fachperson der Figur 2 entnehmen würde, dass Kalzium im Schutzüberzug vorhanden sei. Sie trugen dazu vor, dass die Fachperson den Kalziumgehalt durch Integration der Fläche unter der Kurve in etwa einschätzen könne. Dieser liege im beanspruchten Bereich, unter Berücksichtigung der Fehlergrenzen.
Diese Ausführungen sind nicht überzeugend. Die Patentinhaberinnen haben als Nachweis ein neues Diagramm zur Darstellung der ursprünglichen Messdaten vorgelegt, mit 10fach vergrößerter Darstellung der Kalziumkurve (d.h. 1000fach statt 100fach), siehe D10 und Anlage dazu. Diese ist jedoch nicht Teil der ursprünglichen Anmeldung und bereits daher nicht relevant, unabhängig von anderen Beanstandungen der Einsprechenden bezüglich D10.
In Figur 2 der ursprünglichen Anmeldung lässt sich lediglich erkennen, dass die Probe E1 eine sehr geringe Menge an Kalzium aufweist, die auf dieser Basis jedoch nicht auch nur annähernd quantifiziert werden kann. Insbesondere wird Kalzium in den Beispielen der ursprünglichen Anmeldung gar nicht als Bestandteil der Schutzschicht angegeben, siehe Tabelle 2 und die zugehörige Fußnote, dass der "Rest Aluminium und unvermeidbare Verunreinigungen" sind. Daher kann die erwähnte Darstellung eines sehr geringen Kalziumgehalts in Figur 2 lediglich als Verunreinigung gesehen werden. Folglich würde die Fachperson der Figur 2 kein relevantes Vorliegen an Kalzium entnehmen, so dass diese auch nicht als Hinweis oder "Pointer" dienen kann, Magnesium mit Kalzium zu kombinieren, geschweige denn mit einer anspruchsgemäßen Menge an Kalzium.
Aus diesen Gründen ist eine Auswahl innerhalb der erwähnten Liste möglicher "ersatzweise oder ergänzend" vorliegender Metalle (Seite 9, vierter Absatz) nötig, um zur Kombination von Magnesium mit Kalzium zu gelangen.
2.3.2 Darüber hinaus sind die Untergrenzen für die Menge an Magnesium (0,1 Gew.-%) und für die Menge an Kalzium (0,01 Gew.-%) auszuwählen.
In Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung wird definiert, "dass der Schutzüberzug als zusätzlichen Legierungsbestandteil in Summe 0,005 - 0,7 Gew.-% mindestens ein Erdalkali- oder Übergangsmetall enthält". Dieser Mengenbereich gilt somit für die Gesamtmenge dieser zusätzlichen Legierungsbestandteile.
Zudem wird in der ursprünglichen Anmeldung beschrieben, dass im Schutzüberzug mindestens 0,1 Gew.-% und höchstens 0,7 Gew.-% Magnesium vorhanden sind (Seite 11, dritter Absatz). Auch wird beschrieben, dass Kalzium im erfindungsgemäßen Al-Überzug für die erfindungsgemäßen Zwecke als zusätzlicher Legierungsbestandteil in Gehalten von 0,01 - 0,5 Gew.-% vorhanden sein kann (Seite 11, vierter Absatz). Damit sind die Werte von 0,1 Gew.-% Magnesium bzw. 0,01 Gew.-% Kalzium zwar die Untergrenzen der Bereiche, die in der ursprünglichen Anmeldung jeweils für Magnesium bzw. Kalzium genannt werden. Jedoch wird an keiner Stelle beschrieben, dass diese Untergrenzen auch solche Ausführungsformen betreffen, in denen Magnesium (bzw. Kalzium) in Kombination mit weiteren solchen zusätzlichen Legierungsbestandteilen vorliegt, z.B. Magnesium in Kombination mit Kalzium wie hier relevant. Dies ist auch nicht zwingend der Fall. So ist jeder der beiden Werte allein bereits höher als der Mindestwert für die Menge an zusätzlichen Legierungsbestandteilen insgesamt (0,005 Gew.-%, siehe Anspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung; Seite 7, letzter Absatz). Würden die jeweiligen Untergrenzen für Magnesium und beispielsweise Kalzium in Kombination gelten, hätte dies ein weiteres Verschieben der Untergrenze der Gesamtmenge zur Folge, wie auch an der nun beanspruchten Untergrenze von 0,11 Gew.-% ersichtlich, worauf es in der ursprünglichen Anmeldung keinen Hinweis gibt. Auch ist die Obergrenze des für Magnesium angegebenen Bereichs von 0,1 - 0,7 Gew.-% (Seite 11, dritter Absatz, wie oben erwähnt) mit der des Bereichs für die Summe bzw. gesamte Menge an "zusätzlichen Legierungsbestandteilen" identisch (Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung). Damit bezieht sie sich auf den Fall, in dem ausschließlich Magnesium als solcher "zusätzlicher Legierungsbestandteil" vorhanden ist.
Aus diesen Gründen wird das Argument der Patentinhaberinnen, dass sich die Untergrenze für einen jeweiligen zusätzlichen Legierungsbestandteil nicht ändere, wenn weitere solche zusätzliche Legierungsbestandteile vorhanden seien, durch die Anmeldung als Ganzes nicht gestützt und ist nicht überzeugend.
2.3.3 Die Beschreibung in der ursprünglichen Anmeldung, dass "der Schutzüberzug als zusätzlichen Legierungsbestandteil in Summe 0,005 - 0,7 Gew.-% mindestens ein Erdalkali- oder Übergangsmetall enthält" (Anspruch 1) bzw. "[v]on den für die erfindungsgemäßen Zwecke zusätzlich im Schutzüberzug eines erfindungsgemäßen Stahlflachprodukts vorgesehenen Erdalkalimetallen ... an erster Stelle Magnesium zu nennen [ist], wobei ersatzweise oder ergänzend auch Kalzium, Strontium, Natrium oder Barium in Frage kommen" (Seite 9, vierter Absatz) lässt gänzlich offen, ob und wie viele dieser Metalle vorhanden sind.
Im Gegensatz hierzu schließt Anspruch 1 das Vorliegen weiterer solcher zusätzlicher Legierungsbestandteile aus. Anspruch 1 definiert ausdrücklich als weiteres Merkmal die "Maßgabe, dass die zusätzlichen Legierungsbestandteile aus Magnesium und ergänzend Kalzium bestehen" und beinhaltet hier insoweit eine weitere Auswahl.
2.3.4 Die von den Patentinhaberinnen zitierte Entscheidung T 1621/16 ist für die vorliegende Situation nicht relevant. So handelt es sich hier, wie dargelegt, nicht um eine Auswahl aus Listen konvergierender Alternativen.
2.3.5 Darüber hinaus wird ein Wert von 0,11 Gew.-% in der ursprünglich eingereichten Anmeldung an keiner Stelle ausdrücklich genannt.
Die Patentinhaberinnen sind der Auffassung, dass sich dieser Wert als Summe der Mindestmengen an Kalzium und an Magnesium unmittelbar ergibt. Die Einsprechende bestreitet hingegen, dass diese Summe gebildet werden kann, da Werte mit unterschiedlicher Anzahl signifikanter Stellen addiert würden.
Um überhaupt zu einer Ausführungsform zu gelangen, für die der spezifisch genannte Wert von 0,11 Gew.-% als Mindestmenge allenfalls gilt, sind jedoch die oben erwähnten Auswahlen nötig, nämlich das Vorliegen von mindestens 0,1 Gew.-% Magnesium und mindestens 0,01 Gew.-% Kalzium sowie das Erfordernis, dass keine anderen zusätzlichen Legierungsbestandteile als Magnesium und Kalzium vorhanden sind. Da diese Merkmalskombination, wie dargelegt, nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervorgeht, wird auch eine Mindestmenge von 0,11 Gew.-% nicht implizit offenbart, unabhängig von den weiteren Einwänden der Einsprechenden gegen die Summenbildung.
Die Ausführungen der Patentinhaberinnen, wonach diese Angabe keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der Erfindung leiste, sind nicht überzeugend, da die Zugabe einer bestimmten Menge eines zusätzlichen Legierungsbestandteils ja gerade den Kern der Erfindung betrifft.
2.4 Zusammenfassend erfüllt Anspruch 1 bereits aus diesen Gründen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht. Der Hauptantrag ist nicht gewährbar.
Hilfsanträge 1-2
3. Artikel 123(2) EPÜ
3.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-2 enthält unter anderem dieselbe Merkmalskombination wie in Bezug auf den Hauptantrag diskutiert (siehe Punkt 2.2), mit dem Unterschied, dass die Obergrenze des Kalziumgehalts 0,02 Gew.-% beträgt. Dieser Unterschied ist für die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relevant.
Daher erfüllt der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1-2 aus denselben Gründen die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht. Die Hilfsanträge 1-2 sind nicht gewährbar.
Hilfsanträge 3-5
4. Artikel 123(2) EPÜ
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 enthält dieselbe Merkmalskombination wie in Bezug auf den Hauptantrag diskutiert (siehe Punkt 2.2) mit dem Unterschied, dass der konkrete Wert von 0,11 Gew.-% für die Summe zweier Elemente nicht genannt wird, sondern statt des Bereichs von in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% nun ein Bereich von in Summe 0,005 - 0,7 Gew.-% definiert wird.
Dies gilt auch für den jeweiligen Anspruch 1 in den Hilfsanträgen 4 und 5, wobei dort darüber hinaus definiert wird, dass die Obergrenze für den Kalziumgehalt 0,02 Gew.-% beträgt, wie in den Hilfsanträgen 1-2. Die Obergrenze des Kalziumgehalts ist für die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relevant.
4.2 Es handelt sich somit ebenfalls um eine Ausführungsform, bei der als zusätzliche Legierungsbestandteile Magnesium in Kombination mit Kalzium vorliegen, die jeweiligen Untergrenzen jeweils mindestens 0,1 Gew.-% Magnesium und mindestens 0,01 Gew.-% Kalzium betragen und weitere zusätzliche Legierungsbestandteile, die eine höhere Sauerstoffaffinität als Aluminium haben, ausgeschlossen sind, wie in Bezug auf den Hauptantrag betrachtet (siehe Punkt 2.3).
4.3 Daher gelten die Ausführungen zum Hauptantrag (siehe die Punkte 2.3.1 -2.3.4 oben) auch für die Hilfsanträge 3-5. Der jeweilige Anspruch 1 erfüllt die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht.
4.4 Hilfsanträge 3-5 sind nicht gewährbar.
Hilfsanträge 6 und 9
5. Artikel 123(2) EPÜ
5.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 6 und 9 definiert unter anderem, dass der Schutzüberzug als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% mindestens zweier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle, welche eine höhere Sauerstoffaffinität haben als Aluminium, mit der Maßgabe enthält, dass der Magnesiumgehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-% und der Kalziumgehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,01 Gew.-% beträgt.
5.2 Es handelt sich somit ebenfalls um eine Ausführungsform, bei der als zusätzliche Legierungsbestandteile Magnesium in Kombination mit Kalzium vorliegen und die jeweiligen Untergrenzen jeweils mindestens 0,1 Gew.-% Magnesium und mindestens 0,01 Gew.-% Kalzium betragen. Weitere zusätzliche Legierungsbestandteile werden zwar nicht ausgeschlossen, jedoch ist die Untergrenze für die zusätzlichen Legierungsbestandteile insgesamt 0,11 Gew.-% und steht damit für eine Ausführungsform, in der keine anderen solchen zusätzlichen Legierungsbestandteile als Magnesium und Kalzium vorhanden sind.
5.3 Daher gelten die Ausführungen zum Hauptantrag (siehe Punkt 2.3 oben) auch für Hilfsanträge 6 und 9, wobei Punkt 2.3.3 nur insoweit relevant ist, als die im Anspruch genannte Untergrenze von 0,11 Gew.-% für eine Ausführungsform steht, in der keine anderen zusätzlichen Legierungsbestandteile als Magnesium und Kalzium vorhanden sind.
5.4 Da der jeweilige Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ somit nicht erfüllt, sind die Hilfsanträge ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsanträge 7 und 10
6. Artikel 123(2) EPÜ
6.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 7 und 10 enthält unter anderem die gleiche Merkmalskombination wie im Hinblick auf die Hilfsanträge 6 und 9 angegeben (Punkt 5.1), jedoch mit dem Unterschied, dass eine Obergrenze für den Kalziumgehalt von 0,02 Gew.-% definiert wird (wie bereits in den Hilfsanträgen 1-2).
6.2 Da die Obergrenze des Kalziumgehalts für diese nicht relevant ist, gelten die Ausführungen zum Hauptantrag (siehe Punkt 2.3 oben) auch für Hilfsanträge 7 und 10, wobei Punkt 2.3.3 wiederum nur insoweit relevant ist, als die im Anspruch genannte Untergrenze von 0,11 Gew.-% Ausführungsformen betrifft, in denen keine anderen zusätzlichen Legierungsbestandteile als Magnesium und Kalzium vorhanden sind.
6.3 Da der jeweilige Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ somit nicht erfüllt, sind die Hilfsanträge 7 und 10 ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsanträge 8, 11
7. Artikel 123(2) EPÜ
7.1 Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 8 und 11 definiert unter anderem, dass der Schutzüberzug als zusätzliche Legierungsbestandteile in Summe 0,11 - 0,7 Gew.-% mindestens dreier Elemente aus der Gruppe der Erdalkali- oder Übergangsmetalle, welche eine höhere Sauerstoffaffinität als Aluminium haben, mit der Maßgabe enthält, dass der Magnesiumgehalt des Schutzüberzugs mindestens 0,1 Gew.-% und weniger als 0,45 Gew.-%, der Kalziumgehalt des Schutzüberzugs 0,01 Gew.-% bis 0,02 Gew.-% und der Strontiumgehalt des Schutzüberzugs 0,005 bis 0,25 Gew.-% beträgt.
7.2 Es wird somit weiterhin eine Kombination von mindestens 0,1 Gew.-% Magnesium mit mindestens 0,01 Gew.-% Kalzium definiert, sowie eine Summe von mindestens 0,11 Gew.-%, d.h. die bereits betrachtete Merkmalskombination (siehe Punkt 5.2). Insoweit gelten folglich auch hier die entsprechenden Ausführungen (Punkt 2.3 oben), wobei Punkt 2.3.3 nur insoweit relevant ist, als die im Anspruch genannte Untergrenze von 0,11 Gew.-% Ausführungsformen betrifft, in denen keine anderen zusätzlichen Legierungsbestandteile als Magnesium und Kalzium vorhanden sind. Ferner wird ein Strontiumgehalt von 0,005 Gew.-% bis 0,25 Gew.-% definiert. Dies beinhaltet zumindest eine weitere Auswahl.
7.3 Aus diesen Gründen erfüllt der jeweilige Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht. Somit sind die Hilfsanträge 11 und 14 ebenfalls nicht gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.