European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T242122.20240902 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 September 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2421/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10732709.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | F25D 23/06 F25D 25/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | KÄLTEGERÄT MIT AUSZIEHBAREM FACHBODEN | ||||||||
Name des Anmelders: | BSH Hausgeräte GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Whirlpool EMEA S.p.A. | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischen-entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 457 041 in geänderter Fassung aufrecht zu erhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte unter anderem entschieden, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 des am 15. November 2021 eingereichten Hauptantrags nicht neu ist.
Dabei hat sie unterem anderem die folgende Entgegenhaltung berücksichtigt:
D1 KR 100 513 681 B1
D1a englische Maschinenübersetzung der D1
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
IV. Gegen die Entscheidung hatte auch die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Mit dem Schreiben vom 15. Mai 2023 nahm sie ihre Beschwerde zurück.
V. Mit einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 23. August 2024 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung mit. In dieser Mitteilung bat die Kammer die Einsprechende klarzustellen, ob die Rücknahme der Beschwerde auch die Rücknahme des mit der Beschwerde gestellten Antrags auf mündliche Verhandlung umfaßt. Die Kammer teilte zudem mit, dass in diesem Fall ohne mündliche Verhandlung entschieden werden könne, soweit der Beschwerde der Patentinhaberin in vollem Umfang stattgegeben würde.
VI. Mit dem weiteren Schreiben vom 27. August 2024 erklärte die Einsprechende, nicht an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Dabei hat sie sich weder zur vorläufigen Auffassung der Kammer geäußert noch Anträge gestellt. Daraufhin wurde der für 23. Januar 2025 anberaumte Termin für die mündliche Verhandlung aufgehoben.
VII. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Zwischenentscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags, der dem Hauptantrag vom 15. November 2021 entspricht, welcher der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegt.
VIII. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin beantragt mit der Rücknahme ihrer eigenen Beschwerde nunmehr die Bestätigung der angefochtenen Zwischenentscheidung. In ihrer Beschwerdebegründung ging die Einsprechende nur auf den Hilfsantrag 3 ein, auf dessen Basis die Zwischenentscheidung erging.
IX. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags haben den folgenden Wortlaut:
"1) Kältegerät (10), insbesondere Haushaltskältegerät wie Kühlschrank oder Gefrierschrank, mit einem durch Seitenwände (11) begrenzten Kühlraum (12), und wenigstens einem Fachboden (30), der ausziehbar auf mindestens einer von einer Seitenwand (11) in den Kühlraum (12) ragenden ersten Rippe (13) gelagert ist, wobei am Fachboden (30) ein Gleitnocken (35) und an der mindestens einen Rippe (13) ein Anschlagnocken (14) zur Begrenzung des Auszugs des Fachbodens (30) vorgesehen sind, wobei ein die mindestens eine erste Rippe (13) in vertikaler Richtung zumindest im Wesentlichen formschlüssig umgreifender und außer Eingriff mit der mindestens einen ersten Rippe (13) bringbarer Haken (37) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Gleitnocken (35) und der Haken (37) im Bereich der Rückseite (31) des Fachbodens (30) angeordnet sind, und dass der Gleitnocken (35) und der Haken (37) in eine an der Rückseite (31) des Fachbodens (30) angebrachte Leiste (33) integriert sind."
"2. Kältegerät (10), insbesondere Haushaltskältegerät wie Kühlschrank oder Gefrierschrank, mit einem durch Seitenwände (11) begrenzten Kühlraum (12), und wenigstens einem Fachboden (30), der ausziehbar auf mindestens einer von einer Seitenwand (11) in den Kühlraum (12) ragenden ersten Rippe (13) gelagert ist, wobei am Fachboden (30) ein Gleitnocken (35) und an der mindestens einen Rippe (13) ein Anschlagnocken (14) zur Begrenzung des Auszugs des Fachbodens (30) vorgesehen sind, wobei ein die mindestens eine erste Rippe (13) in vertikaler Richtung zumindest im Wesentlichen formschlüssig umgreifender und außer Eingriff mit der mindestens einen ersten Rippe (13) bringbarer Haken (37) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Gleitnocken (35) und der Haken (37) im Bereich der Rückseite (31) des Fachbodens (30) angeordnet sind, und dass im Bereich des Anschlagnockens (14) die erste Rippe (13) einen sich hinsichtlich seiner Höhe von hinten nach vorn verjüngenden, eine unten befindliche erste Schrägfläche (16) bildenden, ersten Abschnitt (15) aufweist."
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1 In der angefochtenen Zwischenentscheidung hatte die Einspruchsabteilung das Patent auf Basis eines Hilfsantrags 3 aufrechterhalten. Anspruch 1 dieses Hilfsantrags ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Einsprechende vertrat in ihrer Beschwerdebegründung die Auffassung, dass dieser Anspruch nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
2.2 In ihrer Mitteilung, Abschnitt 2.1 hat die Kammer dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2. Hauptantrag - Neuheit
2.1 Im Hinblick auf den unabhängigen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist die Patentinhaberin nach Rücknahme der Beschwerde der Einsprechenden die alleinige Beschwerdeführerin gegen die Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang. Daher können laut der Entscheidung G9/92 der Großen Beschwerdekammer weder die Beschwerdekammer noch die Einsprechende als Beteiligte nach Art. 107 Satz 2 EPÜ die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung in Frage stellen. Da Anspruch 1 des aufrecht erhaltenen Hilfsantrags 3 identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags (und der Hilfsanträge 1 und 2) im Beschwerdeverfahren ist, ist dieser Anspruch im Beschwerdeverfahren nicht zu überprüfen."
2.3 Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin hat dazu in ihrem Schreiben vom 27. August 2024 nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Somit bestätigt die Kammer ihre Auffassung, wonach Anspruch 1 des Hauptantrags nicht zu überprüfen ist.
2.4 In der angefochtenen Zwischenentscheidung war die Einspruchsabteilung zum Ergebnis gelangt, dass Anspruch 2 des Hauptantrags nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 sei. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin bestreitet diesen Befund der Zwischenentscheidung.
2.5 In ihrer Mitteilung, Abschnitte 2.2.1 bis 2.2.5, hat die Kammer dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"2.2 Im Hinblick auf den unabhängigen Anspruch 2 gemäß Hauptantrag war die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis gelangt, dass dessen Gegenstand nicht neu gegenüber dem Ausführungsbeispiel laut den Figuren 1-4 der D1 sei, siehe Absatz 21.1 der angefochtenen Entscheidung.
2.2.1 Die Kammer sieht das vorerst anders. Nach ständiger Rechtsprechung, siehe RdBK, 10. Auflage 2022, I.C.4.1 muss die technische Offenbarung eines zum Stand der Technik gehörenden Dokumentes als Ganzes betrachtet werden. Die einzelnen Abschnitte eines Dokuments dürfen nicht losgelöst von den anderen Teilen, sondern müssen in deren Gesamtzusammenhang betrachtet werden. Dabei ist den verwendeten Begriffen die im einschlägigen Stand der Technik übliche Bedeutung zu geben.
Die Figuren 1-4 der D1 offenbaren wohl unbestritten einen in seinem normalen Gebrauch fest installierten, mithin nicht-ausziehbaren Fachboden (englische Maschinenübersetzung D1a, Seite 4, letzter Absatz: "locking device for preventing the flow of the shelf with respect to the support rib"; Seite 6, zweiter Absatz: "the locking protrusion 51 is inserted and coupled to the protrusion receiving portion 52 to fix the rear region of the refrigerator compartment shelf 10 to the refrigerator compartment 10."; Seite 7, erster Absatz: "as the front and rear regions of each refrigerator compartment shelf 30 are fixed to a pair of support ribs 17 formed on the side walls 12 of the refrigerator compartment and stably installed in the refrigerator compartment 10").
Im Gegensatz dazu betreffen die Figuren 5a und 5b der D1 explizit einen ausziehbaren Fachboden (D1a, Seite 3, erster Absatz:: "5A to 5B are bottom views according to the retracted state of the refrigerator compartment and the freezer compartment of the conventional refrigerator, that is, the refrigerator compartment shelf").
Daher ist die Kammer der vorläufigen Auffassung, dass die Betrachtung des in den Figuren 1-4 dargestellten Fachbodens als "ausziehbar" nicht im Gesamtzusammenhang der D1 erfolgt. Zudem scheint diese Betrachtung dem Begriff "ausziehbar" nicht die im einschlägigen Stand der Technik übliche Bedeutung zu geben.
2.2.2 Selbst wenn man die in den Figuren 1-4 der D1 offenbarte Ausführungsform als ausziehbaren Fachboden ansehen würde, sind dort wohl nicht alle Merkmale von Anspruch 2 des Hauptantrags verwirklicht.
Die Einspruchsabteilung war diesbezüglich zur Auffassung gelangt, dass der Vorsprung 51 einen Gleitnocken bilde, der dazu geeignet sei, auf Teilen der Rippe 17 zu gleiten, und dass die vordere Begrenzung der Aufnahme 52 einen Anschlagnocken bilde, an den der Gleitnocken 51 in einem ersten Stadium des Auszugs anschlagen könne, siehe Absatz 21.1.2 der angefochtenen Entscheidung.
Die Kammer hält diese von der Beschwerdeführerin bestrittene Auslegung für widersprüchlich:
Damit der Gleitnocken 51 während des Auszugs auf der Rippe 17 gleiten kann, muss er an der vorderen Begrenzung der Aufnahme 52 vorbeibewegt worden sein. Denn der gesamte Fachboden muss wohl zuerst um die Höhe des Gleitnockens 51 nach oben gehoben werden, damit der Gleitnocken aus seiner fixierten Stellung in der Aufnahme 52 auf die Oberseite der Rippe gelangt. Sobald sich der Gleitnocken dort befindet, kommt die vordere Begrenzung der Aufnahme - da unter dem Gleitnocken liegend - wohl nicht mehr mit dem Gleitnocken in Eingriff, so dass sie den Auszug des Fachbodens nicht (mehr) begrenzen kann. Daher bildet die vordere Begrenzung der Aufnahme 52 nach vorläufiger Auffassung der Kammer keinen Anschlagsnocken zur Begrenzung des Auszugs des Fachbodens, wenn der Fachboden auf der Rippe 17 entlanggleitet.
2.2.3 Die Kammer sieht auch das Herausheben des Fachbodens aus der fixierten Stellung, also das Außer-Eingriff-Bringen von Gleitnocken 51 und Aufnahme 52, nicht als erstes Stadium des Auszugs an. Hierbei handelt es sich nach vorläufiger Auffassung der Kammer in Anbetracht des in D1 als nicht-ausziehbar offenbarten Fachbodens um eine technisch unsinnige Auslegung eines solchen Auszugs. Anderenfalls wäre wohl jeder Fachboden "ausziehbar", was die Kammer nicht als technisch sinnvolle Auslegung eines ausziehbaren Fachbodens ansieht. Daher ist ein Anschlagen des Gleitnockens an die vordere Begrenzung der Aufnahme 52 (also an das hintere Ende der Rippe 17) wohl unerheblich für die Offenbarung eines Anschlagnockens.
2.2.4 Mangels Anschlagnocken in den Figuren 1-4 der D1 offenbart das Dokument dann wohl auch nicht, dass die Rippe "im Bereich des Anschlagnockens" einen sich hinsichtlich seiner Höhe von hinten nach vorn verjüngenden, eine unten befindliche erste Schrägfläche bildenden, ersten Abschnitt aufweist. Dessen ungeachtet weist die hintere Begrenzung der Aufnahme 52, also das vordere Ende des nicht mit einem Bezugszeichen versehenen Teils der dreiteiligen Rippe 17, zwar eine von hinten nach vorn verjüngende Schrägfläche auf, siehe die Figur 3 der D1. Jedoch ist der Anschlagnocken unbestritten nicht an diesem Teil der Rippe angeordnet, so dass die Kammer es nicht für eine technisch sinnvolle Auslegung hält, diese Schrägfläche als "im Bereich des Anschlagnockens" anzusehen.
2.2.5 Daher scheint der Gegenstand von Anspruch 2 neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D1 zu sein."
2.6 Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin hat dazu in ihrem Schreiben vom 27. August 2024 nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen. Somit gelangt die Kammer im Gegensatz zur angefochtenen Zwischenentscheidung zum Ergebnis, dass Anspruch 2 des Hauptantrags neu ist, Artikel 54 EPÜ.
3. Weitere Einwände gegen den Hauptantrag wurden in der angefochtenen Zwischenentscheidung nicht erhoben und sind für die Kammer auch nicht ersichtlich. In ihrer Mitteilung, Abschnitt 3, hat die Kammer dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"3. Weitere Einwände gegen den Hauptantrag wurden in der angefochtenen Entscheidung nicht erhoben, siehe die positiven Befunde zur ausreichenden Offenbarung, zur Zulässigkeit der Änderungen, zur Neuheit von Anspruch 1 in den Absätzen 19, 20 und 21 der Entscheidung. Daher erscheint eine Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrags möglich. In diesem Falle würde sich eine Behandlung der Hilfsanträge 1 und 2 erübrigen."
Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin hat dazu in ihrem Schreiben vom 27. August 2024 nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
4. Somit gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass das Patent unter Berücksichtigung der nach dem Hauptantrag vorgenommenen Änderungen die Erfordernisse des EPÜ erfüllt und nach Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Fassung aufrechterhalten werden kann.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Zwischenentscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrecht zu erhalten:
Ansprüche:
Ansprüche 1-16 des am 15. November 2021 eingereichten Hauptantrags
Beschreibung:
Beschreibung mit den Absätzen [0001] bis [0045] der veröffentlichten Patentschrift und
Zeichnungen:
Figuren Nr. 1, 2, 3a, 3b, 4, 5a-5c und 6-9 der veröffentlichten Patentschrift.