T 2344/22 (Ferritfolie in einer Hörgerät-Antenne/SIVANTOS) of 10.4.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T234422.20250410
Datum der Entscheidung: 10 April 2025
Aktenzeichen: T 2344/22
Anmeldenummer: 18170911.4
IPC-Klasse: H04R 25/00
H02J 50/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Hörgerät, insbesondere Hinter-dem-Ohr-Hörhilfegerät
Name des Anmelders: Sivantos Pte. Ltd.
Name des Einsprechenden: Oticon A/S
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Ausführbarkeit - (nein): Anspruchsgegenstand nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0149/21
T 0867/21
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Streitpatent in geänderter Fassung gemäß dem damaligen "Hilfsantrag 1" der Patentinhaberin aufrechtzuerhalten (Artikel 101 (3) a) EPÜ). Die Einspruchsabteilung war insbesondere der Ansicht, dass dieser Hilfsantrag 1 den Erfordernissen von Artikel 54, 56, 83, 123 (2) und 123 (3) EPÜ genüge.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem das folgende Dokument herangezogen:

P1: Datenblatt "Flexible Ferrite Sheet For RFID

@13.56MHz", Toda Kogyo Corp., 2012.

III. Am 10. April 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Die Schlussanträge der Parteien waren wie folgt:

- Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, das Streitpatent unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.

- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

IV. Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen "Hilfsantrags 1" lautet wie folgt (Merkmalsgliederung durch die Kammer):

a) "Hörgerät (4), insbesondere Hinter-dem-Ohr-Hör-hilfegerät, mit einem wiederaufladbaren Energiespeicher, einer Sende- und/oder Empfangs-einheit (19) mit einem Antennenelement (18) zur drahtlosen Signalübertragung (20) und zur induktiven Energieübertragung (26) zum Laden des Energiespeichers (16),

b) - wobei das Antennenelement (18) als eine Folienstruktur (32) ausgebildet ist, welche den Energiespeicher (16) zumindest abschnittsweise umgreift,

dadurch gekennzeichnet,

c) - dass die Folienstruktur (32) des Antennen-elements (18) aus einem ferro- oder ferrimagnetischen Material ausgebildet ist,

d) - wobei die Folienstruktur (32) ein erstes und ein zweites Folienelement (34, 36) sowie ein drittes Folienelement (38) umfasst,

e) - wobei das erste und zweite Folienelement (34, 36) an gegenüberliegenden Stirnseiten (28) des Energiespeichers (16) angeordnet sind,

f) - wobei das dritte Folienelement (38) einen Umfangsbereich (30) des Energiespeichers (16) übergreift,

g) - wobei das dritte Folienelement (38) einen mit einer Draht- oder Spulenwicklung (42) versehenen Spulenkern (40) des Antennenelements (18) bildet, und

h) - wobei das erste und/oder zweite Folien-element (34, 36) die jeweilige Stirnseite (28) des Energiespeichers (16) zumindest teilweise überdeckt."

Entscheidungsgründe

1. Technischer Hintergrund

1.1 Die vorliegende Erfindung betrifft ein Hörgerät, insbesondere ein "Hinter-dem-Ohr-Hörgerät", welches mit einem Antennenelement zur drahtlosen Funkkommunikation sowie zur induktiven Energieübertragung zur Ladung eines Energiespeichers des Hörgeräts ausgestattet ist. Das Streitpatent geht dabei von der herkömmlichen Situation aus, dass der Ladevorgang aufgrund eines magnetischen Wechselfeldes in den metallischen Schalen des Energiespeichers Wirbelströme induziert, die wiederum eine unerwünschte Wärmeentwicklung bedingen.

1.2 Ziel der Erfindung ist es daher, ein kompaktes und effizientes Hörgerät mit drahtloser Funkkommunikation und induktiver Energieübertragung bereitzustellen. Insbesondere liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein besonders geeignetes Hörgerät anzugeben, bei dem der Energiespeicher mit möglichst raumsparenden Mitteln induktiv geladen wird. Dabei soll vor allem eine Wärmeentwicklung im Energiespeicher durch Wirbelstromverluste aufgrund des magnetischen Wechselfeldes möglichst vermieden werden.

1.3 Die raumsparende Anordnung wird im Streitpatent dadurch erreicht, dass

1) ein einziges Antennenelement für die Signal- als

auch für die Energieübertragung genutzt wird;

2) dieses Antennenelement aus einer dreiteiligen

Folienstruktur besteht;

3) die drei Folienelemente den Energiespeicher in

einer U-Form umgeben.

Die Wirbelstromverluste werden ferner durch das Anbringen einer Abschirmung mit einer Permeabilität, die kleiner ist als diejenige der Folienstruktur des Antennenelements, vermieden.

1.4 Abbildungen 1 und 4 des Streitpatents zeigen ein Ausführungsbeispiel der vorliegenden Erfindung. In diesem Ausführungsbeispiel ist das Hörgerät (4) als Hinter-dem-Ohr-Gerät ausgebildet und weist ein Gehäuse (6) auf, in dem eine Sende- und/oder Empfangseinheit (19) mit einem Antennenelement (18) angeordnet ist. Das Antennenelement ist als Folienstruktur (32) ausgebildet und umgreift den Energiespeicher (16) des Hörgeräts. Die Folienstruktur besitzt nun drei Elemente (34, 36, 38). Zwischen der Folienstruktur und dem Energiespeicher ist zudem eine Abschirmung (44) angeordnet.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK

2. Anspruch 1 wie aufrechterhalten - Ausführbarkeit

Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin zu, dass nach etablierter Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein erfolgreicher Einwand der mangelnden Ausführbarkeit voraussetzt, dass ernsthafte Zweifel bestehen, die durch nachprüfbare Tatsachen untermauert sind. Sie ist jedoch auch der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin ihrer diesbezüglichen Beweislast durch ihr Vorbringen von Tatsachen in ihrer Einspruchsschrift (Seiten 5 bis 7) und in ihrer Beschwerdebegründung (Seiten 8 bis 11) nachgekommen ist. Dort wird nämlich schlüssig dargelegt, wieso ein Fachmann, der das Streitpatent liest und dabei sein allgemeines Fachwissen nutzt, nicht in der Lage wäre, die beanspruchte Erfindung auszuführen. Die Beschwerdegegnerin konnte nach Auffassung der Kammer die vorgebrachten Tatsachen der Beschwerdeführerin aus den nachstehenden Gründen nicht in überzeugender Weise entkräften.

2.1 In Punkt 14.1.2 der angefochtenen Entscheidung wies die Einspruchsabteilung den in der Einspruchsschrift erhobenen Einwand bzgl. einer fehlenden Anleitung zur konkreten Umsetzung der "Folienstruktur" nach Merkmal c) zurück mit der Begründung, dass "Ferritfolien" im Fachgebiet bekannt seien, was beispielsweise auch durch P1 belegt sei.

Hierzu stellt die Kammer Folgendes fest:

2.1.1 Die Beschwerdeführerin verwies in ihrer Beschwerde-begründung zutreffend darauf, dass die in P1 offenbarte "Ferritfolie" in keiner Weise mit der Offenbarung des Streitpatents in Verbindung stehe. Darüber hinaus wiederholte sie in der Beschwerdebegründung zurecht, dass der zentrale Begriff "Folienstruktur" (bzw. "Ferritfolie" als Beispiel) im Streitpatent mit Bezug auf viele Parameter (z. B. bezüglich Material, Dicke, Form, Abstand zu der Batterie, usw.) nicht definiert sei.

Die Kammer stimmt dem zu und sieht die von der Einspruchsabteilung vorgenommene Heranziehung von einem spezifischen Produktdatenblatt wie P1 zur Stützung der Ausführbarkeit als methodisch fragwürdig an. Für die Ausführbarkeit nach Artikel 83 EPÜ darf sich nämlich der Fachmann nur auf die Anmeldung selbst und sein allgemeines Fachwissen stützen. Das Dokument P1 ist jedoch weder Teil dieses allgemeinen Fachwissens noch wird es im Streitpatent genannt. Ohne P1 fehlt im Streitpatent jedoch die konkrete Lehre darüber, wie eine geeignete "Ferritfolie" tatsächlich beschaffen sein muss oder hergestellt wird.

2.1.2 In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass zur Herstellung von Folienstrukturen im allgemeinen Sinne die Kenntnis verschiedener Verfahren zum relevanten Zeitpunkt zum allgemeinen Fachwissen gehörte. Hierzu zählen nach Auffassung der Kammer beispielsweise Verfahren der gedruckten Elektronik ("printed circuit boards"), die Photolithographie in Verbindung mit Dünnschichttechniken (z. B. CVD) sowie 3D-basierte Druckverfahren. Die Kammer hat jedoch erhebliche Zweifel in Bezug auf die Eignung dieser allgemein bekannten Verfahren für die Herstellung der "Folienstruktur" nach Merkmal c).

Die Beschwerdegegnerin hat im Zusammenhang mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit technische Schwierigkeiten bei der Realisierung einer funktionsfähigen Ladespule mit einem Ferritfolienkern dargelegt. Sie bezeichnete dies als nicht zum Stand der Technik gehörig und sehr F&E-intensiv. Diese Bedenken sind nach Einschätzung der Kammer auch für die Beurteilung nach Artikel 83 EPÜ relevant. Insbesondere machte die Beschwerdegegnerin im Zusammenhang mit der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geltend, dass die Herstellung von Ladeantennen mit dem für hohe Ladeleistungen erforderlichen sehr geringen Widerstand erhebliche technische Hürden aufweise, wenn diese unter Verwendung einer Ferritfolie realisiert werden sollten. Da aber das Streitpatent keine nacharbeitbare, technische Lehre zur Überwindung dieser Hürden bzw. zur spezifischen Herstellung der Ferritfolie für diese Anwendung bereitstellt, muss nach Ansicht der Kammer geschlussfolgert werden, dass die Ausführung von Merkmal c) einen für den Fachmann unzumutbaren Aufwand erfordert und somit die Offenbarung nach Artikel 83 EPÜ unzureichend ist.

2.2 In Punkt 14.2.2 der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung hinsichtlich des Aspekts "zumindest teilweise überdeckt" nach Merkmal h) und den Bedenken der Einsprechenden, dass das Patent keine Anleitung dazu gebe, welcher Grad an Umgriff oder "Überdeckung" notwendig sei, um die behaupteten Effekte (d. h. Vermeidung von Wärmeentwicklung und Bereitstellen von raumsparenden Mitteln) tatsächlich zu erzielen, zu dem Schluss, dass die Beispiele in den Figuren des Streitpatents durchaus dem Fachmann eine hinreichende Orientierungshilfe bereitstellten. Zudem nahm sie an, dass der genannte technische Effekt mit der Größe der "Überdeckung" skaliere, und betonte, dass dieser Effekt aber "stets vorhanden" sei, auch bei minimaler Überdeckung. Daher sei die Erfindung sehr wohl über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar.

Die Kammer kann dieser Begründung aufgrund der nachstehenden Erwägungen nicht folgen:

2.2.1 Nach Ansicht der Kammer ist die Annahme der Einspruchsabteilung eines "stets vorhandenen", monoton skalierenden Effekts eine technische Vereinfachung, die der Komplexität auf dem Gebiet der Antennen und Induktivitäten nicht gerecht wird; eine minimale oder ungünstig geformte "Überdeckung" hat nämlich möglicherweise keinen oder sogar einen negativen Effekt. Diese Komplexität wurde auch von der Beschwerdegegnerin im Kontext der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit thematisiert. So gab die Beschwerdegegnerin zu bedenken, dass "in der Antennentechnik (und gerade bei Folienantennen der beanspruchten Art) selten etwas so einfach und geradlinig ist, wie es - selbst für eine Fachperson mit mehrjähriger einschlägiger praktischer Erfahrung - vom Schreibtisch aus aussehen mag". Entsprechend sieht die Kammer die Ausführung der spezifischen Geometrie nach Merkmal d), e) und h) auf dem Fachgebiet der Antennentechnik als nicht ohne Weiteres gegeben an.

2.2.2 Vor diesem Hintergrund bieten auch die von der Einspruchsabteilung angeführten Figuren des Streitpatents keine ausreichende Orientierungshilfe für die Ausführbarkeit der Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich von Merkmal h) ("zumindest teilweise überdeckt"). Auch wenn die Figuren des Streitpatents Beispiele für die Ausführung zeigen, genügt dies nach ständiger Rechtsprechung nicht den Anforderungen von Artikel 83 EPÜ. Die bloße Offenbarung eines einzigen Weges - auch wenn dieser Weg mittels verschiedener, spezifischer Ausgestaltungen oder Beispiele in einem Patent offenbart wird - ist nicht ausreichend, wenn dadurch nicht die Ausführung der Erfindung über den gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht wird (vgl. T 149/21, Gründe 3.3; T 867/21, Gründe 3.2). Diese Auffassung zum Erfordernis der Ausführbarkeit über den gesamten beanspruchten Bereich ("whole range sufficiency") und zur Unterscheidung von der bloßen Anforderung zum Inhalt der Beschreibung nach Regel 42 (1) e) EPÜ wurde jüngst auch vom Einheitlichen Patentgericht durch die Lokalkammer Düsseldorf und München bestätigt (vgl. UPC_CFI_355/2023, Seite 36, Punkt C.I.1 bb); UPC_CFI_501/2023, Seite 80, vierter Absatz).

2.2.3 Im vorliegenden Fall illustrieren die Figuren des Streitpatents (insbesondere Figuren 2, 3, 5 und 7) lediglich Beispiele mit einer erheblichen, nahezu vollständigen "Überdeckung" der Stirnflächen, entsprechend der bevorzugten Ausführungsform gemäß Absatz [0017] des Streitpatents, nicht jedoch Ausführungen mit minimaler partieller "Überdeckung", wie sie vom Anspruchswortlaut ebenfalls umfasst sind. Es fehlt somit die reproduzierbare Lehre, wie solche minimalen Überdeckungen technisch sinnvoll und funktionell über den gesamten Anspruchsbereich realisiert werden könnten.

2.2.4 Die Kammer hält in diesem Zusammenhang fest, dass die von der Einspruchsabteilung für die Beurteilung nach Artikel 83 EPÜ herangezogenen Effekte (vgl. Punkt 14.2 der angefochtenen Entscheidung: Vermeidung von Wärmeentwicklung und Platzersparnis) nicht als solche in Anspruch 1 genannt sind. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch die Vermeidung übermäßiger Wärmeentwicklung eine implizite funktionale Anforderung an die in Anspruch 1 selbst definierte Funktion der "induktiven Energieübertragung zum Laden des Energiespeichers" nach Merkmal a): Ein induktives Ladesystem, insbesondere für ein kleines, am Körper getragenes Gerät wie ein Hörgerät mit einem (oft temperaturempfindlichen) Akku, muss zwangsläufig so ausgelegt sein, dass keine schädliche Überhitzung auftritt. Eine übermäßige Wärmeentwicklung (z. B. durch Wirbelströme im Akku oder hohe ohmsche Verluste in der Spule) würde den Ladevorgang bekanntlich ineffizient machen, die Lebensdauer des Akkus und der Elektronik verkürzen und, wie von der Beschwerdegegnerin zutreffend angesprochen, sogar Sicherheitsrisiken bergen. Ein System, das signifikant überhitzt, kann eben nicht als funktionsfähiges Ladesystem im Sinne der beanspruchten Erfindung ("Antennenelement zur drahtlosen Signalübertragung und zur induktiven Energieübertragung zum Laden des Energiespeichers") angesehen werden. Es kann hier somit auch kein praktikabler Ladevorgang stattfinden.

Dies bedeutet wiederum, dass zumindest die Vermeidung von (übermäßiger) Wärmeentwicklung eine implizite funktionale Anforderung an die beanspruchte Vorrichtung darstellt. Es fehlt jedoch eine nacharbeitbare Lehre, wie die Struktur nach Anspruch 1 allein - insbesondere die Ausgestaltung der "Ferritfolie" nach Merkmal c) und g) sowie die partielle "Überdeckung" nach Merkmal h) - diese implizite funktionale Anforderung auch erfüllen soll. Wie die Beschwerdeführerin argumentierte und wie es auch die Beschreibung des Streitpatents nahelegt (vgl. Absätze [0027] und [0055]), wird die Vermeidung der Erwärmung (durch Wirbelströme im Akku) primär durch die "Abschirmung (44)" erreicht - ein Merkmal, das nicht einmal in Anspruch 1 enthalten ist. Dies begründet umso mehr die erheblichen Zweifel an der Ausführbarkeit der gemäß Anspruch 1 beanspruchten Erfindung nach Artikel 83 EPÜ.

2.2.5 An der Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass die Funktionen nach Merkmal a) (d. h. die Signalübertragung und induktive Energieübertragung) auch ohne die explizite Abschirmung funktionierten, wäre auf einer allgemeinen Ebene grundsätzlich nichts auszusetzen: Eine Spule auf einem Ferritkern kann prinzipiell Energie und Signale induktiv übertragen. Ein "funktionsfähiger" Ladevorgang impliziert jedoch, wie schon in Punkt 2.2.4 erwähnt, nicht nur eine prinzipielle, sondern auch eine sichere und effiziente Energieübertragung. Das Streitpatent selbst führt die Vermeidung von Wirbelströmen und Erwärmung im Energiespeicher, explizit und wiederholt, auf die Wirkung der zusätzlichen "Abschirmung (44)" zurück, die zwischen der "Ferritfolienstruktur (32)" und dem "Energiespeicher (16)" angeordnet ist (siehe z. B. Absatz [0054] sowie die bereits genannten Absätze [0027] und [0055] des Streitpatents). In jenem Absatz [0027] heißt es beispielsweise, dass durch eine solche Abschirmung das Ausbreiten der Magnetfeldlinien zum Energiespeicher hin vermieden wird und Wirbelstromverluste "allenfalls und nur geringfügig in der Abschirmung hervorgerufen" werden. Das Streitpatent liefert jedoch, wie von der Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt, keine reproduzierbare Lehre dafür, wie die "Ferritfolienstruktur" von Anspruch 1 allein (d. h. ohne "Abschirmung 44") so gestaltet sein müsste (bezüglich Materialwahl, genaue Geometrie, Dicke, Abstand, usw.), dass die Wärmeentwicklung tatsächlich in ausreichendem Maße vermieden wird.

2.2.6 In entsprechender Weise vermag auch das Argument der Beschwerdegegnerin nicht zu überzeugen, wonach der Fachmann das beanspruchte Hörgerät bis auf die Erzielung der in der Beschreibung genannten besonderen Leistung in der Form einer hohen Sensitivität und Güte nach Art einer Ferritstabantenne (vgl. Absatz [0024] des Streitpatents) mittels seines allgemeinen Fachwissens herstellen könne. Wie die Beschwerdeführerin hierzu zutreffend entgegnete, schreibt die Beschreibung des Streitpatents selbst diese Leistungsmerkmale der zusätzlichen "Abschirmung (44)" zu (vgl. Absatz [0024], zweiter Satz sowie Absatz [0055] des Streitpatents). Eine solche Abschirmung ist aber nicht Gegenstand von Anspruch 1. Das Streitpatent offenbart somit nicht deutlich und vollständig, wie diese Leistung allein mit den Merkmalen von Anspruch 1 erzielt werden soll.

2.2.7 Darüber hinaus wies die Beschwerdeführerin zu Recht auf einen fundamentaleren Mangel hin: Anspruch 1 definiert nämlich die Antennenstruktur nur durch relative Anordnungen, z. B. "an gegenüberliegenden Stirnseiten" wie in Merkmal e), "einen Umfangsbereich des Energiespeichers übergreift" nach Merkmal f) und "teilweise überdeckt" wie in Merkmal h). Dadurch lässt der Anspruch jegliche absoluten Dimensionen der Antennenelemente, des Energiespeichers oder auch des Hörgerätetyps (und damit des verfügbaren Bauraums) offen. Nach Auffassung der Kammer ist dies aber für die Ausführbarkeit auf diesem technischen Gebiet äußerst kritisch. Sowohl die Leistungsfähigkeit einer Antenne (Empfindlichkeit, Güte, Resonanzverhalten, Bandbreite, usw.) als auch die Effizienz und Sicherheit des beanspruchten induktiven Ladevorgangs (insbesondere die zugehörige Wärmeentwicklung und -ableitung) hängen nämlich maßgeblich von den absoluten Dimensionen der Komponenten und deren Zusammenspiel im miniaturisierten Umfeld eines Hörgeräts ab. Ohne jegliche größenspezifische Vorgabe oder Einschränkung im Anspruch kann der Fachmann mithin nicht sicherstellen, dass eine beliebige Ausführungsform innerhalb des beanspruchten Schutzbereichs die impliziten funktionalen Anforderungen (insbesondere eine ausreichende Antennenleistung und ein funktionsfähiger Ladevorgang ohne schädliche Überhitzung) erfüllt. Die Ermittlung tatsächlich funktionierender Konfigurationen über den gesamten möglichen Größenbereich würde nach Überzeugung der Kammer einen unzumutbaren experimentellen Aufwand für den entsprechenden Fachmann bedeuten.

2.3 Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass das Streitpatent die in Anspruch 1 angegebene Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Dadurch steht das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in ihrer geänderten Fassung entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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