European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T224522.20250415 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 15 April 2025 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2245/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 16708961.4 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 8/34 A61K 8/37 A61Q 13/00 A61K 8/11 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON RIECHSTOFFKAPSELN MIT VERBESSERTER TENSIDSTABILITÄT | ||||||||
Name des Anmelders: | Symrise AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | V.O. Firmenich SA |
||||||||
Kammer: | 3.3.10 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Hauptantrag - Neuheit (nein) Hilfsanträge 1 bis 6 - Zulassung (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 3 423 028 gemäß Artikel 101 (3) b) EPÜ zu widerrufen.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent gestützt auf Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ), sowie auf Artikel 100 b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit und Artikel 100 c) EPÜ wegen unzulässiger Änderungen angegriffen.
III. Es wird auf die folgenden Dokumente verwiesen:
D8: WO 2008/098387 Al
D19: EP 1 533 364 A2
D25: Eigenschaften von
3-(4-tert-butylphenyl)butanal, Lilial, TGSC
Information System, abgerufen von
http://www.thegoodscentscompany.com/data/
rw1008612.html am 20. Oktober 2021
D26: Experimental data "Measurement of the acid
number of the test perfume oil disclosed in
Table II in D8 (WO2008098387A1) in
accordance with DIN EN ISO 660: 2009-10"
D63: Scientific Committee on Consumer Safety
SCCS, OPINION ON the safety of Butylphenyl
methylpropional (p-BMHCA) in cosmetic
products - Submission II
IV. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung festgestellt, dass das erteilte Patent sowie die ihr vorliegenden Hilfsanträge 1 bis 3 nicht den Erfordernissen des Artikels 54 EPÜ genügten. Der in sämtlichen unabhängigen Ansprüchen beanspruchte Gegenstand sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der Dokumente D8 (in Verbindung mit Dokument D26) und D19 (in Verbindung mit Dokument D25). Die Einspruchsabteilung hat nicht darüber entschieden, ob die Einspruchsgründe basierend auf Artikel 100 b) und 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegenstehen.
V. Die Patentinhaberin begründet ihre Beschwerde gegen diese Entscheidung damit, dass diese dahingehend fehlerhaft sei, mangelnde Neuheit für den in den vorgelegten Anträgen beanspruchten Gegenstand festzustellen. Insbesondere seien die Dokumente D26 und D25 nicht dazu geeignet, die Offenbarung der Dokumente D8 und D19 um das anspruchsgemäße Merkmal der Säurezahl der Riechstoffzusammensetzung vor dem Verkapseln von maximal 5 mg KOH/g zu ergänzen. Somit sei der beanspruchte Gegenstand neu.
VI. Der vorliegende Hauptantrag (erteiltes Patent) hat vier unabhängige Ansprüche. Anspruch 1 hat den folgenden Wortlaut:
"Verfahren zur Herstellung von Riechstoffkapseln mit verbesserter Tensidstabilität, umfassend die folgenden Schritte:
(a) Bereitstellen einer Riechstoffzusammensetzung enthaltend mindestens einen Riechstoff, der über mindestens eine Funktion verfügt, die durch Oxidation oder Hydrolyse in der Lage ist, eine Säuregruppe zu bilden, und
(b) Verkapseln der Riechstoffmischung,
dadurch gekennzeichnet, dass man eine Riechstoffzusammensetzung einsetzt, die unmittelbar vor dem Verkapseln eine Säurezahl von maximal 5 mg KOH/g aufweist."
VII. Die Hilfsanträge 1 bis 6 unterscheiden sich vom Hauptantrag insbesondere folgendermaßen:
Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das zusätzliche Merkmal, dass "... die Kapselhülle aus Stoffen besteht, die ausgewählt sind aus der Gruppe, die gebildet wird von Dextrinen, Maltodextrinen, Gelatine, Gummi Arabicum, Agar-Agar, Ghatti Gum, Gellan Gum, modifizierten und nicht-modifizierten Cellulosen, Pullulan, Curdlan, Carrageenane, Alginsäure, Alginate, Pektin, Inulin, Xanthan Gum, Alginsäure, Alginaten, Chitosan, synthetischen, anionischen oder kationischen Polymeren sowie Mischungen oder Reaktionsprodukten von zwei oder mehreren dieser Substanzen."
Hilfsantrag 3 enthält einen einzigen unabhängigen Anspruch, der den folgenden Wortlaut hat:
"Riechstoffkapseln, enthaltend eine Riechstoffzusammensetzung, welche mindestens einen Riechstoff, der über eine Funktion verfügt, die durch Oxidation oder Hydrolyse in der Lage ist, eine Säuregruppe zu bilden, wobei die Riechstoffzusammensetzung unmittelbar vor der Verkapselung eine Säurezahl kleiner 5 mg KOH/g aufweist, wobei die Kapselhülle aus Stoffen besteht, die ausgewählt sind aus der Gruppe, die gebildet wird von Dextrinen, Maltodextrinen, Gelatine, Gummi Arabicum, Agar-Agar, Ghatti Gum, Gellan Gum, modifizierten und nicht-modifizierten Cellulosen, Pullulan, Curdlan, Carrageenane, Alginsäure, Alginate, Pektin, Inulin, Xanthan Gum, Alginsäure, Alginaten, Chitosan, synthetischen, anionischen oder kationischen Polymeren sowie Mischungen oder Reaktionsprodukten von zwei oder mehreren dieser Substanzen."
Anspruch 1 der Hilfsanträge 4 und 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass die Riechstoffzusammensetzung unmittelbar vor dem Verkapseln eine Säurezahl von maximal 3 mg KOH/g (statt 5 mg KOH/g) aufweist.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 ist identisch mit Anspruch 1 des Hauptantrags.
VIII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung der Rechts- und Sachlage mit.
IX. Am 15. April 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, an deren Ende die Entscheidung verkündet wurde.
X. Die Beschwerdeführerin brachte im Wesentlichen folgendes vor:
Der im Hauptantrag beanspruchte Gegenstand ist neu insbesondere gegenüber der Offenbarung des Dokuments D19. Im Beispiel 3 dieses Dokuments wird die Verbindung "Lilial" als Riechstoff eingesetzt. Allerdings wird in D19 nicht offenbart, dass "Lilial" direkt vor dem Verkapseln zu Riechstoffkapseln eine Säurezahl von maximal 5 mg KOH/g aufweist. Zwar wird ein solcher Wert im Dokument D25 für die Verbindung offenbart, allerdings kann weder darauf geschlossen werden, dass dieser Wert auch noch unmittelbar vor dem Verkapseln gemessen wurde, noch kann davon ausgegangen werden, dass alle Hersteller eine Verbindung mit dieser Säurezahl anbieten. Die Hilfsanträge 1 bis 6 sind ins Verfahren zuzulassen. Sie konnten nicht früher vorgelegt werden, und sie bringen keinen neuen Sachverhalt ins Verfahren ein. Zudem erfüllen die Anträge die weiteren Erfordernisse des EPÜ.
XI. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) brachten im Wesentlichen folgendes vor:
Neuheit des im Hauptantrag beanspruchten Gegenstands gegenüber D19 ist nicht gegeben. Die Verbindung "Lilial" hat ausweislich Dokument D25 eine Säurezahl von maximal 2 mg KOH/g. Es ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass der Fachmann die Verbindung mit der angegebenen Säurezahl in Beispiel 3 des Dokuments D19 eingesetzt hat. Die Hilfsanträge wurden verspätet, nämlich erst mit der Beschwerdebegründung (Hilfsanträge 1 bis 3) bzw. kurz vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht, obwohl dies bereits im Einspruchsverfahren hätte erfolgen können. Auch die Hilfsanträge erfüllten zudem nicht sämtliche Anforderungen des EPÜ.
XII. Die Anträge der Parteien sind wir folgt:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragt:
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung;
- die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt bzw. die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung, hilfsweise die Aufrechterhaltung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 6, eingereicht mit der Beschwerdebegründung (Hilfsanträge 1 bis 3) bzw. mit Schreiben vom 20. März 2025 (Hilfsanträge 4 bis 6);
- die Zulassung der Dokumente D27 bis D31 sowie D49 bis D64;
- die Nichtzulassung der Dokumente D32 bis D48, D65 und D66.
Die Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende 1 und 2) beantragen:
- die Zurückweisung der Beschwerde;
- die Zulassung der Dokumente D32 bis D48, D65 und D66;
- die Nichtzulassung der Dokumente D27 bis D31 sowie D49 bis D64;
- die Hilfsanträge 1 bis 6 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag (Patent wie erteilt)
Neuheit (Artikel 100 (a) und 54 EPÜ)
2. Die Einspruchsabteilung hat festgestellt, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu sei insbesondere gegenüber der Offenbarung des Dokuments D19 in Verbindung mit Dokument D25. Die Einspruchsabteilung stellte hierzu fest, dass im Dokument D19 das Merkmal, wonach die im beanspruchten Verfahren verwendete Riechstoffzusammensetzung "... unmittelbar vor dem Verkapseln eine Säurezahl von maximal 5 mg KOH/g aufweist ..." unter Berücksichtigung des Dokuments D25 offenbart werde.
3. Die Beschwerdeführerin bestritt dies. Sie argumentierte insbesondere, dass zwar im Dokument D25 für den in den gemäß Beispiel 3 des Dokuments D19 hergestellten Riechstoffkapseln enthaltenen Bestandteil "Lilial" eine Säurezahl von max. 2 mg KOH/g offenbart werde. Jedoch sei dies kein Beleg dafür, dass dieser Wert, bzw. ein Wert von maximal 5 mg KOH/g, auch unmittelbar vor dem Verkapseln vorliege. Insbesondere sei dies von den Beschwerdegegnerinnen nicht nachgewiesen worden. Es sei auch davon auszugehen, und durch die Offenbarung des Dokuments D63, Punkt 3.1.9, bestätigt, dass sich dieser Wert im Laufe der Lagerung des Produkts erhöhe, da das Produkt oxidationsempfindlich sei und es sich zudem bei der Säurezahl nicht um eine Stoffkonstante handle. Außerdem werde das Produkt von verschiedenen Anbietern vertrieben, daher könne auch deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Werte der Säurezahl des Dokuments D25 generell für "Lilial" gelte. Somit werde Dokument D19 auch in Zusammenschau mit Dokument D25 das beanspruchte Herstellungsverfahren nicht offenbart. Zur Stütze ihrer Argumentation verwies die Beschwerdeführerin auch auf die Abbildung 1 des Streitpatents.
4. Die Beschwerdegegnerinnen schlossen sich im Wesentlichen der Auffassung der Einspruchsabteilung an, und kamen daher ebenfalls zu der Schlussfolgerung, dass im Beispiel 3 des Dokuments D19 unter Berücksichtigung des Dokuments D25 ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags offenbart werde. Sie vertraten ihrerseits die Auffassung, dass der Fachmann zweifelsfrei zu "Lilial" greifen würde, welches einerseits die im Dokument D25 angegebene Säurezahl aufweise, und dass er andererseits das Produkt auch in der erworbenen Qualität einsetzen würde.
5. Die Kammer kommt zu folgendem Ergebnis:
5.1 Im Dokument D19 wird dem Fachmann in den Beispielen 3 und 4 ein Verfahren zur Herstellung von Riechstoffkapseln offenbart. Hierbei wird zunächst eine Riechstoffzusammensetzung bereitgestellt, die mit der Verbindung "Lilial" einen Riechstoff enthält, der über mindestens eine Funktion verfügt, die durch Oxidation oder Hydrolyse in der Lage ist, eine Säuregruppe zu bilden. Dies war unstrittig. Unbestritten war ebenso, dass die Riechstoffmischung in einem weiteren Schritt verkapselt wird. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.
5.2 Im Weiteren stimmten die Parteien dahingehend überein, dass im Dokument D19 keine Angaben über die Säurezahl von "Lilial" gemacht werden, und insbesondere nicht, dass die eingesetzte Riechstoffmischung, die lediglich aus "Lilial" besteht, unmittelbar vor dem Verkapseln eine Säurezahl von maximal 5 mg KOH/g aufweist.
5.3 Von den Beschwerdegegnerinnen wurde mit Verweis auf Dokument D25 vorgebracht, dass dieses Merkmal der Säurezahl unmittelbar vor der Verkapselung der Offenbarung des Dokuments D19 inhärent sei. Im Dokument D25 werde nämlich für die Verbindung "Lilial" eine maximale Säurezahl von 2,00 KOH/g angegeben, die deutlich unter dem anspruchsgemäßen Maximalwert von 5 mg KOH/g liege. Im Dokument werde auch auf eine Lagerfähigkeit von 24 Monaten oder mehr verwiesen. Zudem seien Lagerbedingungen angegeben. Deshalb sei davon auszugehen, dass die gemäß Dokument D19 verwendete Verbindung ebenfalls eine Säurezahl von unter 5 mg KOH/g aufweise.
5.4 Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Aus Dokument D25 geht hervor, dass "Lilial" eine Säurezahl von "maximal 2.00 KOH/g" aufweist. Unbestritten handelt es sich hierbei um den in mg KOH/g gemessenen Wert. Das Dokument lehrt auch, dass "Lilial" bei angemessener Lagerung eine Lagerfähigkeit von 24 Monaten aufweist. Zu den Lagerbedingungen wird angegeben, das Produkt an einem kühlen, trockenen Ort in dicht versiegelten Behältern, vor Hitze und Licht geschützt, und unter Stickstoff zu lagern. Diese Bedingungen kann der Fachmann routinemäßig einhalten, was von der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht bestritten wurde. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich die Produkteigenschaften während der Lagerung unter diesen - für das Produkt explizit angegebenen - Bedingungen wesentlich ändern werden. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass sich die angegebene Säurezahl von maximal 2.00 mg KOH/g auf einen Wert von mehr als 5 mg KOH/g erhöht.
5.5 Es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, warum der Fachmann, insbesondere in Anbetracht der - wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht - eventuellen Änderungen der Produkteigenschaften über einen gewissen Zeitraum, das Produkt nicht in der im Dokument D25 angegebenen Qualität, also die angegebene Säurezahl aufweisend, verwenden sollte.
5.6 Dies kann auch durch Dokument D63 nicht widerlegt werden. Ungeachtet der Frage der Zulassung des Dokuments ins Beschwerdeverfahren ist das Dokument nicht geeignet, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass sich die im Dokument D25 angegebene Säurezahl über einen nicht näher spezifizierten Zeitraum auf einen Wert von größer als 5 mg KOH/g erhöht. Zwar verweist das Dokument darauf, dass "Lilial" eine erhebliche Oxidationsneigung aufweist, und dadurch eine ziemlich kurze Lebensdauer von nur zwei Wochen hat - dies jedoch offensichtlich nicht unter den im Dokument D25 angegebenen Bedingungen. Auch wird im Dokument D63 insbesondere keine zeitliche Veränderung der Säurezahl offenbart. Hierzu wurden von der Beschwerdeführerin auch keine weiteren geeignete Nachweise vorgelegt.
5.7 Auch Abbildung 1 des Streitpatents kann die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht stützen. In der Abbildung wird die Stabilität in Weichspülern über 4 Wochen gegen die Säurezahl der jeweiligen Riechstoffzubereitungen aufgetragen. Es ist zu erkennen, dass bei einer Säurezahl von weniger als 3, sowie bei einer Säurezahl von 5 eine gegenüber höheren Säurezahlen deutlich verbesserte Stabilität beobachtet wird. Diese Abbildung verdeutlicht weder einen Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Säurezahlen einer bestimmten Riechstoffmischung und der Haltbarkeit der diese enthaltenden Riechstoffksapseln, noch wird damit eine Abhängigkeit der zeitlichen Entwicklung der Säurezahl von "Lilial" dargestellt. Vielmehr geht aus dem Streitpatent bereits nicht hervor, um welche Riechstoffzusammensetzung es sich bei den jeweiligen Zubereitungen handelt (siehe die Absätze [0137] bis [0141] des Streitpatents). Auch dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
5.8 Im Laufe der mündlichen Verhandlung wurden von den Parteien verschiedene Auffassungen vertreten, durch wen der Nachweis erbracht werden müsse, ob das strittige Merkmal im Dokument D19 offenbart wird, oder nicht.
5.9 Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es generell jeder Partei, die Entscheidungsinstanz von den Tatsachenbehauptungen zu überzeugen, auf die sie sich stützt (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, I.C.3.5.1). Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdegegnerin II zunächst dieser Pflicht bereits im Einspruchsverfahren durch Vorlage des Dokuments D25 nachgekommen. Im Folgenden lag es an der Beschwerdeführerin, dieses Vorbringen in geeigneter Weise zu entkräften. Sie hat dies auch gestützt auf die Offenbarung im Punkt 3.1.9 des Dokuments D63 versucht, die Kammer allerdings nicht von ihrer Sichtweise überzeugen können (siehe vorstehenden Punkt 5.6).
5.10 Somit gelangt die Kammer zu dem Schluß, dass auch das strittige Merkmal, dass die Riechstoffzusammensetzung "... unmittelbar vor dem Verkapseln eine Säurezahl von maximal 5 mg KOH/g aufweist ..." im Dokument D19 unter Berücksichtigung der Lehre des Dokuments D25 offenbart wird.
6. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags ist somit nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D19. Der Hauptantrag erfüllt deshalb nicht das Erfordernis des Artikels 54 EPÜ, und ist somit nicht gewährbar.
Hilfsanträge - Nicht-Zulassung
7. Die Hilfsanträge 1 bis 6 wurden von der Beschwerdeführerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht, und zwar entweder zusammen mit der Beschwerdebegründung am 30. November 2022 (Hilfsanträge 1 bis 3) oder mit Schreiben vom 20. März 2025 (Hilfsanträge 4 bis 6), und deren Zulassung ins Verfahren beantragt. Die beiden Beschwerdegegnerinnen beantragen, keinen der Hilfsanträge ins Verfahren zuzulassen.
8. Die Kammer folgt aus den nachfolgend genannten Gründen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen.
Hilfsanträge 1 bis 3
9. Die Hilfsanträge 1 bis 3 wurden unbestritten erstmalig zu Beginn des Beschwerdeverfahrens vorgelegt. Sie liegen damit nicht der angefochtenen Entscheidung zugrunde (Artikel 12 (2) VOBK), sondern stellen eine Änderung im Sinne des Artikels 12 (4) VOBK dar, deren Zulassung im Ermessen der Kammer steht. Hierzu hat die Beteiligte zu begründen, warum die Änderung erst im Beschwerdeverfahren erfolgt. Zudem hat die Beteiligte Gründe anzuführen, warum mit der Änderung die erhobenen Einwände ausgeräumt wurden.
10. Von der Beschwerdeführerin wurde vorgebracht, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 erst zu Beginn des Beschwerdeverfahrens vorgelegt wurden, weil dies nicht früher möglich gewesen sei, da Dokument D26 von der Beschwerdegegnerin I erst am letzten Tag der von der Einspruchsabteilung mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung gesetzten Frist eingereicht worden war. Die Hilfsanträge 1 bis 3 seien in Reaktion auf dieses Dokument vorgelegt worden. Im Weiteren hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung auf die Basis der Änderungen verwiesen, sowie darauf, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gegenüber der Offenbarung der Dokumente D8 und D19 neu sei. Im Weiteren hat sie vorgebracht, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 zugelassen werden sollten, da sie bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens eingereicht worden waren.
11. Die Beschwerdegegnerinnen argumentierten, dass die Anträge zumindest spätestens im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hätten eingereicht werden können. Die Beschwerdegegnerinnen brachten im Laufe des schriftlichen Verfahrens zudem vor, dass die Anträge auch die Erfordernisse der Artikel 83, 84, 54, 56 und 123(2) EPÜ nicht erfüllten.
12. Die Kammer folgt der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen dahingehend, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 nicht ins Verfahren zuzulassen sind. Zunächst ist festzustellen, dass Dokument D26 im Einspruchsverfahren von der Beschwerdegegnerin I innerhalb der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist eingereicht wurde. Von diesem Zeitpunkt an hatte die Beschwerdeführerin zwei Monate bis zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung Zeit, sich sowohl mit dem Dokument, als auch mit der darauf beruhenden Argumentation auseinanderzusetzen. Auch im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hätte die Beschwerdeführerin erneut die Möglichkeit gehabt, die Hilfsanträge 1 bis 3 einzureichen. Statt dessen hat sie der Einspruchsabteilung mitgeteilt, auch die bereits vorliegenden Hilfsanträge (1 bis 3 im Einspruchs-verfahren, eingereicht am 13. Januar 2022) während der mündlichen Verhandlung nicht kommentieren zu wollen und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt (siehe die Punkte 7.1 und 7.2 der Niederschrift nach Regel 124 (4) EPÜ). In der angefochtenen Entscheidung beruft sich die Einspruchsabteilung in ihrer Argumentation hinsichtlich mangelnder Neuheit ebenfalls lediglich auf Dokumente und Argumente, die der Beschwerdeführerin bereits zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung bekannt waren. Die Beschwerdeführerin wurde also weder während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung, noch in der angefochtenen Entscheidung mit einem neuen Sachverhalt konfrontiert, auf den zu reagieren es ihr nicht mehr möglich war. Die Kammer gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätten eingereicht werden können, und deshalb nicht zuzulassen sind.
13. Die Hilfsanträge 1 bis 3 werden aus diesen Gründen nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 12 (6) VOBK).
Hilfsanträge 4 bis 6
14. Die Hilfsanträge 4 bis 6 von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren am 20. März 2025 vorgelegt.
15. Es war unbestritten, dass diese Anträge identisch sind mit den Hilfsanträgen 1 bis 3, die erstmalig im Einspruchsverfahren am 13. Januar 2022 vorgelegt wurden. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 17. März 2022 hat die Beschwerdeführerin ausweislich der Niederschrift nach Regel 124 (4) EPÜ (siehe die Punkte 7.1 und 8.6) darauf verzichtet, diese Anträge zu kommentieren. Stattdessen hat sie diesbezüglich eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestätigt. Die Einspruchsabteilung ist in ihrer Entscheidung zu dem Schluss gekommen, dass diese Anträge aufgrund mangelnder Neuheit des darin beanspruchten Gegenstands hinsichtlich der Offenbarung der Dokumente D8 und D19 nicht gewährbar seien (siehe Punkt 18 der angefochtenen Entscheidung).
16. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, bzw. den Einspruch zur weiteren Prüfung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Hilfsweise wurde die Aufrechterhaltung auf der Basis der ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 beantragt, bzw. den Einspruch zur weiteren Prüfung auf der Grundlage dieser Hilfsanträge an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Es war ebenfalls unbestritten, dass die Hilfsanträge 1 bis 3 erstmalig im Beschwerdeverfahren vorgelegt wurden (siehe die vorstehenden Punkte 6. bis 9.), und dass diese sich von den bereits im Einspruchsverfahren am 13. Januar 2022 vorgelegten damaligen Hilfsanträgen 1 bis 3 unterschieden, die nun von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren als Hilfsanträge 4 bis 6 weiterverfolgt werden.
17. In der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin weist nichts darauf hin, dass die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf der Grundlage der Hilfsanträge 4 bis 6 (Hilfsanträge 1 bis 3 des Einspruchsverfahrens) beantragt wird. Auch findet sich zunächst in keiner der weiteren Schreiben der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren (12. Juli 2023, 10. Oktober 2023 und 22. Januar 2024) ein diesbezüglicher Hinweis. Vielmehr wurde dies erst nach Zustellung der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK mit Schreiben vom 20. März 2025 beantragt. Auch dies ist unbestritten.
18. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich daher zunächst gar nicht gegen den Teil der Entscheidung der Einspruchsabteilung, worin die ihr vorliegenden Hilfsanträge 1 bis 3 wegen mangelnden Neuheit nicht gewährbar seien.
19. Gemäß Artikel 12 (3) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung hierauf das vollständige Beschwerdevorbringen eines Beteiligten enthalten. Dementsprechend müssen unter anderem ausdrücklich alle geltend gemachten Anträge angeführt werden. Im vorliegenden Fall trifft dies aus den vorstehend genannten Gründen für die Hilfsanträge 4 bis 6 jedoch nicht zu. Deshalb sind diese Anträge nicht Teil des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin zu Beginn des Beschwerdeverfahrens, sie stellen somit eine Änderung ihres Beschwerdevorbringens dar (Artikel 12 (4) VOBK).
20. Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulassung der Hilfsanträge 4 bis 6 ist das Datum, an dem diese Anträge ins Beschwerdeverfahren eingereicht wurden, also der 20. März 2025. Da dies nach dem Datum der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK vom 24. Februar 2025 erfolgte, sind für deren Zulassung die Kriterien des Artikels 13 (2) VOBK anzuwenden.
21. Gemäß Artikel 13 (2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
22. Im vorliegenden Fall wurden von der Beschwerdeführerin keine stichhaltigen Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
23. Auch kann die Kammer solche Gründe nicht erkennen. Vielmehr wurde von der Beschwerdeführerin lediglich darauf verwiesen, dass das verspätete Vorbringen der Hilfsanträge 4 bis 6 als Reaktion auf die Stellungnahme der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK erfolgte, und dass diese Anträge bereits im Einspruchsverfahren vorgelegt worden seien, um auf zwei Themen des Einspruchs vorbereitet zu sein, nämlich die Frage, ob aus Abbildung 1 des Streitpatents hervorgehe, dass eine technische Wirkung erst unterhalb einer Säurezahl von 3 mg KOH/g auftrete, und die Frage, ob es mit Anspruch 8 ein Problem geben könne. Auch seien die Ansprüche der besagten Hilfsanträge bereits im erteilten Patent sowie in der ursprünglich eingereichten Anmeldung enthalten, daher seien die Anträge nicht verspätet.
24. Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Gerade die Tatsache, dass die Fragen, auf die sich die Beschwerdeführerin bezieht, bereits im Einspruchsverfahren thematisiert wurden, zeigt, dass das späte Vorbringen nicht durch das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu rechtfertigen ist.
25. Schließlich weist die Kammer auch darauf hin, dass nach gängiger Rechtsprechung Anträge des Einspruchsverfahrens nicht automatisch Teil des Beschwerdeverfahrens werden, wenn diese nicht bereits zu Beginn des Beschwerdeverfahrens in der Beschwerdebegründung in spezifizierender und substantiierter Weise wiederholt wurden (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, V.A.4.2.2 b)). Wie vorstehend dargelegt, trifft dies im vorliegenden Fall gerade nicht zu.
26. Die Hilfsanträge 4 bis 6 werden aus diesen Gründen nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK). Die Kammer trifft diese Entscheidung damit im Wesentlichen der im Punkt 3. der Entscheidung T 0449/23 vorgebrachten Argumentation folgend.
Zusammenfassung
27. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Hauptantrag nicht den Erfordernissen des Artikels 54 EPÜ genügt, und dass die Hilfsanträge 1 bis 6 nicht ins Verfahren zuzulassen sind. Da somit kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, hat die angefochtene Entscheidung, das Patent zu widerrufen, Bestand.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.