European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2024:T222522.20240227 | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Datum der Entscheidung: | 27 Februar 2024 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2225/22 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10747400.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B29B 13/02 B29C 49/64 H05B 3/00 B29C 35/08 B29L 31/00 B29K 67/00 B29C 49/06 B29C 49/12 B29C 49/78 |
||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
Download und weitere Informationen: |
|
||||||||
Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren und Vorrichtung zur Blasformung von Behältern | ||||||||
Name des Anmelders: | KHS GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | KRONES AG | ||||||||
Kammer: | 3.2.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
|
||||||||
Schlagwörter: | Hauptantrag berücksichtigt (ja) Zulassung - Hilfsanträge 1, 2a-5a, 3b, 5b (nein) Klarheit - Hauptantrag, Hilfsantrag 1a (nein) |
||||||||
Orientierungssatz: |
- |
||||||||
Angeführte Entscheidungen: |
|
||||||||
Anführungen in anderen Entscheidungen: |
|
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. 2 454 066 (das Patent) unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen gemäß dem Hilfsantrag 2a, eingereicht am 14. August 2020, den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
II. Der Einspruch war gegen das Streitpatent in vollem Umfang eingelegt und auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit) und Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit), Artikel 100 b) EPÜ und Artikel 100 c) EPÜ gestützt worden.
III. Am 27. Februar 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
IV. Anträge
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2 454 066.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1, der Hilfsanträge 1a bis 5a, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung als Hilfsanträge 1 bis 5, oder der mit dem Schreiben vom 2. November 2023 eingereichten Hilfsanträge 3b oder 5b.
V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 gemäß dem Hauptantrag lauten wie folgt (die von der Beschwerdeführerin verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"1. Verfahren zur Blasformung von Behältern (2), bei dem ein Vorformling (1) aus einem thermoplastischen Material [1.1] nach einer thermischen Konditionierung entlang eines Transportweges im Bereich einer Heizstrecke (24) innerhalb einer Blasform (4) durch Blasdruckeinwirkung in den Behälter (2) umgeformt wird, und [1.2] bei dem der Vorformling (1) mindestens entlang eines Teiles seines Transportweges im Bereich der Heizstrecke (24) von mindestens einer Heizeinrichtung (45, 62), [1.2.1] die mit mindestens einem röhrenartigen Heizstrahler (30) versehen ist, [1.2.2] mit einem Temperaturprofil versehen wird, das sich in einer Längsrichtung des Vorformlings (1) erstreckt, dadurch gekennzeichnet, daß [sic] [1.3] entlang der Heizstrecke (24) Heizeinrichtungen (45) mit mehreren röhrenartigen Heizstrahlern (30) zur Erzeugung einer Grundtemperatur in den Vorformlingen (1) und [1.4] Heizeinrichtungen (62) mit einem röhrenartigen Heizstrahler (30) zur Erzeugung der Temperaturprofilierung in den Vorformlingen (1) angeordnet sind, wobei [1.4a] die mehreren röhrenartigen Heizstrahler (30) der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur im Bereich eines Heizkastens (45) und in lotrechter Richtung übereinander angeordnet sind, wobei [1.5] die Strahlungsemission des einen Heizstrahlers (30) der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung (62) von einer den Heizstrahler (30) positionierenden Heizeinrichtung (62) in unterschiedliche räumliche Richtungen mit unterschiedlicher Intensität abgestrahlt wird, [1.6] wobei die Heizeinrichtung (62) am Ende der Heizstrecke (24) positioniert wird, nämlich in einer Transportrichtung der Vorformlinge hinter den Heizeinrichtungen (45) zur Erzeugung einer Grundtemperatur in den Vorformlingen (1), [1.7] wobei bei der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung (62) zur Beeinflussung der Ausbreitung der Heizstrahlung ein Fokussierreflektor (63) verwendet wird."
"10. Vorrichtung zur Blasformung von Behältern (2) aus einem thermoplastischen Material, die [10.1] mindestens eine entlang eines Transportweges eines Vorformlings (1) angeordnete Heizstrecke (24) und eine mit einer Blasform (4) versehene Blasstation (3) aufweist, [10.2] und bei der entlang mindestens eines Teiles des Transportweges des Vorformlings (1) eine Einrichtung zur Erzeugung eines Temperaturprofils im Bereich des Vorformlings (1) angeordnet ist, wobei [10.2.1] sich das Temperaturprofil in einer Längsrichtung des Vorformlings (1) erstreckt und [10.2.2] wobei zur Generierung einer Heizstrahlung mindestens ein im Bereich einer Heizeinrichtung (45, 62) angeordneter röhrenartiger Heizstrahler (30) verwendet ist, wobei [10.3] entlang der Heizstrecke (24) Heizeinrichtungen (45) mit mehreren röhrenartigen Heizstrahlern (30) zur Erzeugung einer Grundtemperatur in den Vorformlingen (1) und [10.4] Heizeinrichtungen (62) mit einem röhrenartigen Heizstrahler (30) zur Erzeugung der Temperaturprofilierung in den Vorformlingen (1) angeordnet sind, [10.4a] wobei die mehreren röhrenartigen Heizstrahler (30) der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur im Bereich eines Heizkastens (45) und in lotrechter Richtung übereinander angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß [sic] [10.5] bei der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung (62) die den einen Heizstrahler (30) positionierende Heizeinrichtung (62) zur Abstrahlung der Strahlungsemission des Heizstrahlers (30) mit unterschiedlichen Intensitäten in unterschiedliche räumliche Richtungen ausgebildet ist, [10.6] wobei die temperaturprofilerzeugende Heizeinrichtung (62) am Ende der Heizstrecke der Blasmaschine positioniert ist, um im Anschluß [sic] an eine Grundtemperierung der Vorformlinge (1) eine Temperaturprofilierung der Vorformlinge (1) vorzunehmen, und [10.7] wobei die temperaturprofilerzeugende Heizeinrichtung (62) mindestens einen Fokussierreflektor (63) aufweist."
In den Ansprüchen 1 und 10 des Hilfsantrags 1 wurde im Vergleich zum Hauptantrag im Wesentlichen das Merkmal 1.4a bzw. 10.4a geändert, das jeweils folgendermaßen lautet (Änderungen gegenüber dem Merkmal 1.4a bzw. 10.4a des Hauptantrags sind unterstrichen):
"wobei die mehreren röhrenartigen Heizstrahler (30) der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur jeweils im Bereich eines Heizkastens (45) der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur und in lotrechter Richtung übereinander angeordnet sind"
In den Ansprüchen 1 und 10 des Hilfsantrags 1a wurde im Vergleich zu den Ansprüchen des Hauptantrags jeweils an zwei Stellen (in den Merkmalen 1.4 und 1.5 sowie 10.4 und 10.5) angegeben, dass die temperaturprofilerzeugende Heizeinrichtung genau einen Heizstrahler aufweist.
Die Ansprüche 1 und 10 des Hilfsantrags 2a entsprechen denen des Hauptantrags, wobei nach dem Merkmal 1.4a bzw. 10.4a jeweils das folgende Merkmal eingefügt wurde: "wobei im Bereich einer dem Transportweg des Vorformlings (1) abgewandten Richtung hinter den Heizstrahlern (30) ein Strahlerreflektor (61) angeordnet ist"
Die Ansprüche 1 und 10 des Hilfsantrags 3a entsprechen denen des Hauptantrags, wobei nach dem Merkmal 1.4a bzw. 10.4a jeweils das folgende Merkmal eingefügt wurde: "wobei zur Realisierung einer frequenzselektiven Beheizung zwischen den Heizstrahlern (30) und dem Transportweg der Vorformlinge (1) eine Filterscheibe angeordnet ist und wobei im Bereich einer der Filterscheibe (60) abgewandten Richtung hinter den Heizstrahlern (30) ein Strahlerreflektor (61) angeordnet ist"
Die Ansprüche 1 und 10 der Hilfsanträge 4a und 5a entsprechen denen der Hilfsanträge 2a und 3a, respektive, wobei zusätzlich die Änderungen gemäß den jeweiligen Ansprüchen des Hilfsantrags 1a aufgenommen wurden.
Die Ansprüche 1 und 10 der Hilfsanträge 3b und 5b entsprechen denen des Hauptantrags bzw. des Hilfsantrags 1a, wobei nach dem Merkmal 1.4a bzw. 10.4a jeweils das folgende Merkmal eingefügt wurde: "wobei zur Realisierung einer frequenzselektiven Beheizung zwischen den Heizstrahlern (30) und dem Heizkanal (42) der Heizeinrichtungen (45), durch den die Vorformlinge (1) hindurchbewegt werden, eine Filterscheibe (60) angeordnet ist, und wobei im Bereich einer der Filterscheibe (60) abgewandten Richtung hinter den Heizstrahlern (30) ein Strahlerreflektor (61) angeordnet ist"
VI. Die Beteiligten haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
a) Zulassung des Hauptantrags
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Die Zulassung des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags 2a (jetzt: Hauptantrag) durch die Einspruchsabteilung sei fehlerhaft gewesen, da dieser Hilfsantrag gegenüber dem im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag 1 nicht konvergent sei. Dieses Kriterium habe die Einspruchsabteilung nicht angewendet (siehe angefochtene Entscheidung, Gründe, Punkt 21). Im Gegensatz zu den Ansprüchen 1 und 10 des früheren Hilfsantrags 1 enthielten die Ansprüche 1 und 10 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags 2a nicht mehr die Beschränkung auf "genau" einen Heizstrahler in dem Merkmal 1.4 bzw. 10.4. Die Streichung dieses Merkmals sei nicht durch eine Anforderung der Einspruchsabteilung veranlasst und daher bereits aus diesem Grunde nicht zulässig gewesen.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Im Rahmen der Beschwerde sei nur die Anwendung der richtigen Ermessensmaßstäbe überprüfbar. Die Ermessensentscheidung selbst unterliege nicht der Überprüfung. Die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung habe auf die Verfahrensökonomie abgestellt, insbesondere die Anzahl der Hilfsanträge und die Art der Änderungen. Ferner müssten Anspruchsänderungen nicht bedingt durch eine Anforderung der Einspruchsabteilung sein, sondern gemäß Regel 80 EPÜ seien Änderungen nur dann zulässig, wenn diese durch einen Einspruchsgrund bedingt seien. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Die Einreichung des Hilfsantrages 2a sei eine unmittelbare Reaktion auf die mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandte vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung, dass die erteilten Ansprüche möglicherweise gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen würden. Dem Ausräumen genau dieses Einwands der Einspruchsabteilung habe der eingereichte Hilfsantrag 2a gedient, sodass auch unter diesem Aspekt die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung nicht fehlerhaft sei. Zudem würde keine fehlende Konvergenz vorliegen, da mit den im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen 1 und 2a zwei unterschiedliche entscheidungsrelevante Aspekte adressiert worden sein.
b) Klarheit des Ausdrucks "im Bereich eines Heizkastens" im Merkmal 1.4a des Anspruchs 1 des Hauptantrags
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Ausdruck "im Bereich eines Heizkastens" sei nicht klar, da weder der Heizkasten noch der Bereich definiert seien.
Es sei nicht klar, um welchen Heizkasten es sich handle. Es könne der Heizkasten sein, an dem die Heizstrahler der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur angeordnet seien oder ein anderer Heizkasten. Auch ein Träger für die Heizstrahler falle unter den Begriff des Heizkastens.
Bei dem Bereich könne es sich um einen großen oder kleinen Bereich handeln. Ein Bereich sei unterschiedlich je nachdem auf was sich der Bereich beziehe. Außerdem könnten die Heizstrahler im, über, unter oder hinter dem Heizkasten angeordnet sein. Der Bereich des Heizkastens könne sich in Transportrichtung oder senkrecht hierzu erstrecken. Alle diese Möglichkeiten fielen unter den Begriff "im Bereich eines Heizkastens".
Der Schutzbereich sei unklar, da nicht klar sei, was zum Bereich des Heizkastens gehöre.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Ein Heizkasten sei für den Fachmann ein allgemein bekannter Begriff. Es sei ein Kasten, der für die Beheizung der Vorformlinge zuständig sei und die Heizeinrichtung trage. Der Heizkasten sei für die Anordnung der Heizstrahler zuständig. Eine andere Anordnung ergebe für den Fachmann keinen Sinn. Schließlich sei es Aufgabe der Heizstrahler, die Vorformlinge zu erwärmen. Daher müsse man das Merkmal "im Bereich eines Heizkastens" in einem funktionalen und funktionierenden Zusammenhang sehen, so dass bestimmte Anordnungen der Heizstrahler ausgenommen seien.
Im Merkmal 1.4a werde die Heizeinrichtung zur Erzeugung einer Grundtemperatur beschrieben, weshalb es sich bei dem in diesem Merkmal genannten Heizkasten auch um den Heizkasten dieser Heizeinrichtungen handle. Der Heizkasten der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung sei davon unterschiedlich.
Der Begriff "im Bereich" sei relativ und hänge, wie die Beschwerdeführerin festgestellt habe, von der Bezugsgröße ab. So sei der Bereich einer Blasformmaschine natürlich größer als der Bereich eines Heizkastens. Dies stelle vorliegend keine Unklarheit dar.
Die Bezugnahme der Beschwerdeführerin auf den Schutzbereich spiele bei Klarheit keine Rolle. Ein breiter Schutzbereich sei nicht per se unklar.
c) Zulassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrags 1
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Der Hilfsantrag 1 sei nicht zuzulassen, da er erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht worden sei. Zudem sei der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht klar. Es sei beispielsweise nicht klar, ob nur ein Heizstrahler pro Heizkasten angeordnet sei. Falls mehrere Heizstrahler pro Heizkasten vorhanden wären, sei nicht klar, wie die Heizstrahler im Heizkasten angeordnet seien. Fraglich sei auch, ob es einen Heizkasten für alle Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur gäbe.
Ferner lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, da genau dieser Klarheitseinwand bereits in der Beschwerdebegründung, Seite 6, vorletzter Absatz diskutiert worden sei. Es sei explizit die Frage aufgeworfen worden, um welchen Heizkasten es sich handle und ob es der Heizkasten sei, an dem die Heizstrahler angeordnet seien, oder ein anderer Heizkasten.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 1 sei zuzulassen, da er die Unklarheit des Merkmals "im Bereich eines Heizkastens" ausräume. Es sei nun klargestellt, dass es sich um den Heizkasten einer Heizeinrichtung zur Erzeugung einer Grundtemperatur handle. Der Begriff "jeweils" stelle klar, dass mehrere Heizstrahler jeweils im Bereich eines Heizkastens angeordnet seien und somit die Heizeinrichtungen jeweils einen Heizkasten mit mehreren Heizstrahlern aufweisen würden.
Es lägen auch außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK vor, da erstmals in der mündlichen Verhandlung der Einwand aufgeworfen worden sei, dass nicht klar sei, dass der Heizkasten jener der Heizeinrichtung zur Erzeugung einer Grundtemperatur sei und nicht der der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung. Daher sei der neu eingereichte Hilfsantrag 1 zuzulassen.
d) Klarheit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1a, Zulassung der Hilfsanträge 2a bis 5a und der Hilfsanträge 3b und 5b
i) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Bezüglich der fehlenden Klarheit des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 1a bis 5a, 3b und 5b verwies die Beschwerdeführerin auf ihre Ausführungen zum Hauptantrag. Ferner seien die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 2a bis 5a und die mit dem Schreiben vom 2. November 2023 eingereichten Hilfsanträge 3b und 5b nicht zuzulassen.
ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Seitens der Beschwerdegegnerin erfolgte kein weiterer über den für den Hauptantrag hinausgehender Vortrag in Bezug auf Klarheit der Hilfsanträge 1a bis 5a, 3b und 5b. Bezüglich der Zulassung der Hilfsanträge 2a bis 5a, 3b und 5b sei Folgendes zu berücksichtigen: Da der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Hilfsantrag 2a von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet worden sei, habe gemäß Artikel 12 (6) VOBK keine Veranlassung bestanden, die nunmehrigen Hilfsanträge 2a bis 5a früher einzureichen. Die Hilfsanträge 3b und 5b stellten eine Reaktion auf den Einwand der Beschwerdeführerin unter Artikel 123 (2) EPÜ im Zusammenhang mit den Hilfsanträgen 3 und 5 dar; diese sollten von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (1) VOBK zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Hauptantrags
1.1 Der nunmehrige Hauptantrag entspricht dem früheren Hilfsantrag 2a. Dieser ist im Einspruchsverfahren am 14. August 2020, also zum in der Ladung genannten Zeitpunkt nach Regel 116 EPÜ, eingereicht worden. Der damalige Hilfsantrag 2a ist nach Anhörung der Beteiligten von der Einspruchsabteilung berücksichtigt und als gewährbar erachtet worden. Er bildet die Grundlage der Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren.
1.2 Die Beschwerdeführerin moniert eine ihrer Meinung nach fehlerhafte Zulassung des damaligen Hilfsantrags 2a durch die Einspruchsabteilung.
1.3 Die Kammer weist darauf hin, dass das Beschwerdeverfahren der gerichtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, vorliegend unter anderem der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 2a, dient und dass im Zusammenhang mit der Entscheidung über diesen Hilfsantrag auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht worden ist. Der Kammer ist keine explizite Rechtsgrundlage bekannt, nach der eine durch die Einspruchsabteilung erfolgte Zulassung eines Hilfsantrags unter diesen Umständen aufgehoben werden kann. Zudem lassen die Ausführungen der Einspruchsabteilung im Punkt 21. der Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht auf eine unangemessene Ermessensausübung oder auf eine Überschreitung des eingeräumten Ermessens schließen.
1.4 Aus den oben angeführten Gründen hat die Kammer entschieden, dass der vorliegende Hauptantrag, der dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 2a entspricht, im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen ist.
2. Fehlende Klarheit des Ausdrucks "im Bereich eines Heizkastens" im Merkmal 1.4a des Anspruchs 1 des Hauptantrags
2.1 Das Merkmal 1.4a des Anspruchs 1 des Hauptantrags beschreibt die mehreren röhrenartigen Heizstrahler (30) der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur, die im Bereich eines Heizkastens (45) und in lotrechter Richtung übereinander angeordnet sind. Der behauptete Klarheitsmangel betrifft den Ausdruck "im Bereich eines Heizkastens", wobei sowohl der Begriff "Heizkasten" an sich als auch die Anordnung "im Bereich des Heizkastens" von der Beschwerdeführerin als unklar kritisiert werden.
2.2 Die Kammer ist der Auffassung, dass zum einen der Begriff Heizkasten im vorliegenden Zusammenhang mit mehreren Heizeinrichtungen unklar ist, insbesondere ist unklar, um welchen Heizkasten es sich handelt. Zum anderen ist die Anordnung "im Bereich" eines im Kontext des Anspruchs bereits unklaren Elements ebenfalls unklar. Diesbezüglich teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, die sie in ihrer Beschwerdebegründung folgendermaßen formuliert hat (siehe Beschwerdebegründung, Seite 6, vorletzter Absatz): "Zum einen ist das Merkmal des Angeordnetseins im Bereich eines Heizkastens unklar. Hierbei ist zunächst nicht klar, um welchen Heizkasten es sich dabei handeln soll. Handelt es sich hierbei um den Heizkasten, an den die Heizstrahler angeordnet sind oder um einen anderen Heizkasten. Daneben ist auch nicht klar, was unter der ungenauen Angabe 'im Bereich' zu verstehen ist."
2.3 Der Heizkasten ist im Anspruch 1 nicht spezifiziert. Auch wenn der Begriff des Heizkastens fachüblich sein mag, so kann die Kammer aus dem Anspruch 1 des Hauptantrags nicht ableiten, um welchen Heizkasten es sich handelt. Es gibt anspruchsgemäß verschiedene Heizeinrichtungen, die unterschiedlichen Zwecken dienen. So ist neben den Heizeinrichtungen für die Erzeugung einer Grundtemperatur auch eine temperaturprofilerzeugende Heizeinrichtung vorgesehen. Es ist somit nicht klar, welcher oder welchen dieser verschiedenen Heizeinrichtungen der beanspruchte eine Heizkasten zugeordnet sein soll.
2.4 Die Größe eines Bereiches hängt unstreitig immer von dem Bezug ab. "Im Bereich" drückt eine gewisse räumliche Nähe aus. Dabei handelt es sich folglich um einen anderen/größeren Bereich, wenn von einem Bereich einer Blasformmaschine die Rede ist im Vergleich zu einem Bereich eines Heizkastens. Dies ist per se nicht zwingend unklar. Allerdings wirkt sich die fehlende Spezifikation des Heizkastens (siehe oben) auch auf den anspruchsgemäßen "Bereich eines Heizkastens" aus. Wenn nicht klar ist, um welchen Heizkasten es sich handelt, ist folglich auch der Bereich dieses Heizkastens nicht klar bestimmbar.
2.5 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu der Auffassung, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht klar ist. Der Hauptantrag ist folglich nicht gewährbar.
3. Zulassung des Hilfsantrags 1
3.1 Der Hilfsantrag 1 wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erstmals eingereicht. Er ist somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin. Für die Frage der Zulassung dieses Hilfsantrags sind die Vorschriften des Artikels 13 (2) VOBK anzuwenden. Nach dessen Wortlaut bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
3.2 Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass außergewöhnliche Umstände vorgelegen hätten, da erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebracht worden sei, dass nicht klar sei, dass der Heizkasten jener der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur sei, sondern dass es auch ein Heizkasten der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung sein könne.
3.3 Dieses Argument hat die Kammer nicht überzeugt. Es ist in der Beschwerdebegründung zu den Ansprüchen 1 und 10 des nunmehrigen Hauptantrags explizit ausgeführt, dass nicht klar sei, um welchen Heizkasten es sich handeln solle. Insbesondere wirft die Beschwerdeführerin dort die Frage auf, ob es sich hierbei um den Heizkasten, an den die Heizstrahler angeordnet sind, oder um einen anderen Heizkasten handle (siehe Beschwerdebegründung, Seite 6, vorletzter Absatz). Die fehlende Spezifikation des Heizkastens in den unabhängigen Ansprüchen des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Anspruchssatzes war daher bereits seit Beginn des Beschwerdeverfahrens ein Diskussionsgegenstand und ist nicht erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer aufgeworfen worden, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet. Folglich sind keine stichhaltigen Gründe dafür aufgezeigt worden, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK vorlagen.
3.4 In der dritten Stufe des im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Konvergenzansatzes steht es der Kammer frei, die in Artikel 13 (1) VOBK angegebenen Kriterien heranzuziehen, wenn sie in Anwendung des Artikels 13 (2) VOBK und in Ausübung ihres Ermessens darüber entscheidet, ob eine in diesem Verfahrensstadium vorgenommene Änderung zugelassen wird (siehe z.B. Entscheidung T 989/15, Gründe, Punkt 16.2 und Entscheidung T 584/17, Gründe, Punkt 1.2.7 bis 1.2.10). Diesbezüglich merkt die Kammer ergänzend an, dass auch bei Heranziehung der in Artikel 13 (1) VOBK angegebenen Kriterien der in der mündlichen Verhandlung überreichte Hilfsantrag nicht zuzulassen gewesen wäre, da dessen Anspruch 1 mit geändertem Merkmal 1.4a immer noch Anlass zu Einwänden der mangelnden Klarheit gibt. Insbesondere ist nicht eindeutig ersichtlich, worauf sich der Begriff "jeweils" bezieht und ob und wie die mehreren röhrenartigen Heizstrahler in einem Heizkasten der Heizeinrichtungen zur Erzeugung einer Grundtemperatur angeordnet sein sollen. Daher sprächen auch die in Artikel 13 (1) VOBK genannten Kriterien gegen die Zulassung des Hilfsantrags 1.
3.5 Aus den genannten Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK entschieden, den in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen.
4. Hilfsantrag 1a - Klarheit
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a enthält im Merkmal 1.4a wie der Anspruch 1 des Hauptantrags den Ausdruck "im Bereich eines Heizkastens". Die Änderung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a bezieht sich auf die Anzahl der Heizstrahler in der temperaturprofilerzeugenden Heizeinrichtung und trägt somit nicht zur Klarstellung des Merkmals 1.4a bei. Die Kammer ist daher zu der Auffassung gelangt, dass der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a aus den bereits für den Hauptantrag genannten Gründen nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllt.
5. Zulassung der Hilfsanträge 2a bis 5a
5.1 Die Hilfsanträge 2a bis 5a wurden erstmals mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht. Diese Hilfsanträge sind gemäß Artikel 12 (4) VOBK als Änderung zu betrachten, deren Zulassung im Ermessen der Kammer liegt. Gemäß Artikel 12 (4), Satz 4, VOBK hat die Beteiligte Gründe anzuführen, warum mit der Änderung die erhobenen Einwände ausgeräumt werden.
5.2 In der vorliegenden Sache hat sich die Beschwerdegegnerin zur Klarheit der Ansprüche 1 und 10 der Hilfsanträge 2a bis 5a in ihrer Beschwerdeerwiderung nur unter Verweis auf ihre Ausführungen zur Klarheit der Ansprüche 1 und 10 des nunmehrigen Hauptantrags geäußert. Darüber hinaus wurde im Beschwerdeverfahren dazu nichts vorgetragen, insbesondere nicht wie die Änderungen im Anspruch 1 der Hilfsanträge 2a bis 5a zur Klarstellung des Ausdrucks "im Bereich des Heizkastens" in dem Merkmal 1.4a beitragen könnten. Die Gründe hinsichtlich der Unklarheit des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelten daher unverändert für die jeweiligen Ansprüche der Hilfsanträge 2a bis 5a.
5.3 Da somit keine Gründe angegeben wurden oder ersichtlich waren, warum mit der Änderung die erhobenen Klarheitseinwände ausgeräumt werden und die Hilfsanträge 2a bis 5a daher aus denselben Gründen wie oben für den Hauptantrag dargelegt nicht gewährbar wären, übte die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, die Hilfsanträge 2a bis 5a gemäß Artikel 12 (4) VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen.
6. Zulassung der Hilfsanträge 3b und 5b
6.1 Die Hilfsanträge 3b und 5b wurden mit Schreiben vom 2. November 2023 eingereicht und somit nach der Einreichung der Beschwerdeerwiderung der Patentinhaberin. Die Zulassung dieser Hilfsanträge liegt folglich gemäß Artikel 13 (1) VOBK im Ermessen der Kammer. Artikel 12 Absätze 4 bis 6 VOBK gilt entsprechend. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere auch die Eignung der Änderung zur Lösung der von der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen.
6.2 Da der Anspruch 1 der Hilfsanträge 3b und 5b in dem Merkmal 1.4a ebenso wie der Anspruch 1 des Hauptantrags den Ausdruck "im Bereich eines Heizkastens" enthält und die in den Hilfsanträgen 3b und 5b vorgenommenen Änderungen nicht im Zusammenhang mit diesem Ausdruck stehen, sind die Hilfsanträge 3b und 5b aus den gleichen Gründen prima facie nicht gewährbar, wie sie bereits für den Hauptantrag ausgeführt wurden.
6.3 Weil auch für die Hilfsanträge 3b und 5b keine Gründe angegeben wurden oder ersichtlich waren, warum diese die Einwände nach Artikel 84 EPÜ ausräumen, übte die Kammer ihr Ermessen dahingehend aus, die Hilfsanträge 3b und 5b gemäß Artikel 13 (1) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
7. Schlussfolgerung
Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung stellt die Kammer somit fest, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ nicht genügen, Artikel 101 (3) b) EPÜ. Daher ist das Patent zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.