T 1759/22 (Logistische Leistung/SEW-EURODRIVE) of 18.6.2025

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2025:T175922.20250618
Datum der Entscheidung: 18 Juni 2025
Aktenzeichen: T 1759/22
Anmeldenummer: 17717628.6
IPC-Klasse: G06Q 50/04
G06Q 10/08
G01G 19/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR BESTIMMUNG EINES FINANZIELLEN BETRAGES FÜR EINE LOGISTISCHE LEISTUNG IN EINER FERTIGUNGSANLAGE UND FERTIGUNGSANLAGE MIT EINEM FAHRZEUG ZUR DURCHFÜHRUNG DES VERFAHRENS
Name des Anmelders: SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nicht-technischer Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - kein synergetischer Effekt
Änderungen - Hilfsanträge
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1806/07
T 0907/09
T 1798/13
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patenta­nmel­dung Nr. 17717628.6 mangels erfinderischer Tätig­keit (Artikel 56 EPÜ) zurückgewiesen wurde.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerde­begründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen im Umfang des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 bis 2, alle bereits Gegen­stand der angefoch­tenen Entscheidung und einge­reicht am 20. Januar 2022. Hilfsweise wurde mündliche Verhandlung beantragt.

III. In der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vertrat die Kammer die Ansicht, dass es dem Gegenstand des Anspru­ches 1 aller Anträge an erfinderischer Tätig­keit fehlt. Des weiteren verstoße Anspruch 1 des jeweiligen ersten und zweiten Hilfsantrags gegen Artikel 123(2) EPÜ.

IV. Die Beschwerdeführerin nahm in ihrem Antwortschreiben kurz Stellung zum Wissen des Fachmanns über die Vor­teile einer induktiven Versorgung eines Fahrzeugs und argumentierte, dass eine synergetische Wechsel­wirkung zwischen den Unterschiedsmerkmalen vorliege.

V. Die mündliche Verhandlung fand am 18. Juni 2025 in Form einer Videokonferenz statt. Die Beschwerdeführerin wiederholte ihre schriftlich gestellten Anträge. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

VI. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (Merkmalsgliederung in Anlehnung an Punkt 1 der Ent­scheidung), wie folgt:

"1. Verfahren zur Bestimmung eines Wertes für eine logistische Leistung in einer Fertigungsanlage, dadurch gekennzeichnet, dass

- an ein Fahrzeug (7) in der Fertigungsanlage eine Auf­trags­information, insbesondere Fahrauftragsinformation, übermittelt wird,

- das Fahrzeug (7) entsprechend der Auftrags­information Arbeitsstationen (1) der Reihe nach anfährt, ­wobei an der jeweiligen Arbeitsstation (1) ein jeweiliger Herstellverfahrensschritt an einer vom Fahrzeug (7) aufge­nommenen und transportierten Komponente ausgeführt wird,

- dabei die logistische Leistung aus erfassten Werten bestimmt wird,

- die erfasste logistische Leistung über eine Internetverbindung an eine Server übertragen wird, der an einer insbesondere geographisch beabstandeten Position zur Fertigungsanlage angeordnet ist,

- wobei der Server aus der erfassten logistischen Leistung einen Wert unter Berücksichtigung der Fahrwege (3),

wobei die erfassten Werte

- die Masse der transportierten Komponente und

- die zurückgelegte Fahrstrecke,

sind,

[M4] wobei das Fahrzeug (7) an seiner Unterseite eine Sekundärwicklung aufweist, welche induktiv koppelbar ist mit einem am Boden verlegten Primärleiter, der mit einem mittelfrequenten Wechselstrom beaufschlagt wird,

[M4] wobei der Sekundärwicklung eine derartige Kapazität in Reihe und/oder seriell zugeschaltet ist, dass die Resonanzfrequenz des so gebildeten Schwingkreises im Wesentlichen der Frequenz des in den Primärleiter eingeprägten Wechselstroms entspricht,

[M4] wobei der Primärleiter als Wicklung ausgeführt ist, insbesondere als Ringwicklung,

[M5] wobei der Boden der Fertigungsanlage nur im Bereich des kompakten Bereiches der Wicklung aufgefräst wird,

[M6] wobei in demjenigen Raumbereich um die Wicklung herum, in welchem eine ausreichende induktive Kopplung zwischen Primärwicklung und Sekundärwicklung des Fahrzeugs (7) erreichbar ist, der Energiespeicher des Fahrzeugs (7) beladen wird und außerhalb des Raumbereichs ein Antrieb des Fahrzeugs (7), eine Steuerung des Fahrzeugs (7) und Antriebe des Roboterarms des Fahrzeugs (7) aus dem Energiespeicher versorgt werden,

wobei die logistische Leistung aus dem Wert der Masse der jeweils transportierten Komponente und aus dem Wert der jeweils zurückgelegten Fahrstrecke (5) bestimmt wird, insbesondere nämlich als Funktion des Produktes aus dem Wert der Masse der jeweils transportierten Komponente und aus dem Wert der jeweils zurückgelegten Fahrstrecke (5),

[M3] wobei das Drehmoment des Antriebs des Fahrzeugs (7) bestimmt wird und daraus die die Masse der jeweils transportierten Komponente bestimmt wird,

wobei der Wert der jeweils zurückgelegten Fahrstrecke (5) bestimmt wird aus dem zeitlichen Verlauf der erfassten Positionswerte des Fahrzeugs (7),

wobei bei Änderung, insbesondere Erweiterung, der Fertigungsanlage die entsprechende Information zur geänderten Anzahl, Art und/oder Position der Fahrwege (3) an den Server übermittelt wird, welcher dann bei Bestimmung des Wertes diese Information berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

1. Hintergrund

1.1 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung eines finanziellen Betrages [sic!] für eine logistische Leistung in einer Fertigungsanlage und eine Fertigungs­anlage mit einem Fahrzeug zur Durchführung des Ver­fahrens, siehe Seite 1, erster Absatz, der Anmeldung.

1.2 Es sei allgemein bekannt, dass in einer Fertigungsan­lage eine logistische Leistung zu erbringen ist, beispielsweise durch Fließbänder. Der Erfindung liege die Aufgabe zugrunde, den flexiblen Betrieb einer Fertigungsanlage zu verein­fachen.

1.3 Die vorliegende Erfindung stellt ein Verfahren bereit, bei dem ein Fahrzeug in der Fertigungsanlage Arbeits­statio­nen entsprechend einem Produktionsauftrag der Reihe nach anfährt. Diese logistische Leistung wird in Form von Fahr- und Transportleistung erfasst und an einen Server übertragen. Zu den erfassten Daten gehören u.a. die Anzahl der an­gefahrenen Arbeitssta­tio­­nen, die zurück­gelegte Fahr­strecke und/oder die Anzahl der vom Fahr­zeug trans­portierten Komponenten. Der Server bestimmt auf der Basis der übermittelten Daten einen finanziellen Wert zur Abrechnung der in Anspruch genommenen Leistung, siehe Seite 5, Zeilen 28 bis 31. Es ist in der Anmeldung nicht weiter ausgeführt, wie genau der Server diesen Wert bestimmt.

1.4 Nach der Beschreibung liege der Vorteil der Erfindung darin, dass der Her­steller eines Produktes und Betreiber der Ferti­gungs­anlage keine Investitionen für intra­logistische Lei­stung auf sich nehmen müsse. Vielmehr könne er diese Leistung einfach von einem Anbieter für logisti­sche Leistung kaufen, siehe Seite 1, Zeile 20, bis Seite 2, Zeile 19.

2. Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ

2.1 Die Kammer stimmt der Prüfungsab­teilung hinsichtlich des Naheliegens des Gegenstands von Anspruch 1 im Sinne des Artikels 56 EPÜ im Wesent­lichen zu.

2.2 D1 (EP2500871 A1) stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar und offenbart den Betrieb eines Fahrzeugs 10 in einer Fertigungsanlage, siehe [0012]-[0015] und Abbildung 1, das in einem autonomen Modus betrieben werden kann und in einer Lagerhalle zum Transport von Gegenständen benutzt wird, siehe [0026][0031][0032], Abbildungen 3 und 4. Das Fahrzeug wird über eine auf-ladbare Energie­quelle mit Energie versorgt, siehe [0017][0052][0060], die an Lade­punkten im Warehouse geladen wird. Das Fahrzeug ist mit unterschiedlichen Sensoren, wie zum Beispiel einem Gewichtssensor aus­gestattet, [0020][0021]­. Ein Server steht mit dem Fahrzeug in Verbindung, über­mittelt an dieses Daten und erhält von diesem Daten [0033].

2.3 Die Prüfungsabteilung sah den Unterschied des Gegen­stands des Anspruches 1 zur D1 in den nachfolgenden drei Merkmalen (U1, U2, U3) :

(U1) das nicht-technische Verfahren zur Bestimmung eines Wertes für eine logistische Leistung in einer Fertigungsanlage (siehe Punkt 1, Seiten 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung).

Die Prüfungsabteilung befand, dass das im Merkmal (U1) beschriebene Verfahren für sich genommen keine tech­nische Wirkung habe, da die logistische Leistung und der berechnete Wert kein er­kennbares technisches Prob­lem lösten und auch keinen techni­schen Effekt hätten ;

(U2) die Ausführung des Gewichtssensors mittels Messung des Antriebsmoments (Merkmal M3);

Die Prüfungsabteilung befand, dass das Merkmal (U2) aus der D3 (WO 2013/075280 A1), Seite 1, letzter Absatz, und Seite 4, fünfter Abschnitt, sowie auch aus der D4 (DE 10 2012 222 854 A1), Absatz [0004][0013] bekannt ist. Der Fachmann würde dieses Merkmal zur Einsparung der in der D1 offenbarten separaten Waage als alterna­tiven Mechanismus zur Ge­wichtser­mitt­lung berücksich­ti­gen;

(U3) die Merkmale M4-M6, die die induktive Energiever­sorgung des Fahrzeugs betreffen;

Die Prüfungsabteilung befand, dass das Merkmal (U3) aus der D2 (WO 2011/116874 A1), Seite 1 und Seite 2, Seite 3 bis 4, Seite 8, erster Absatz, Abb. 1, bekannt ist. Der Fachmann würde eine induktive Energieversorgung als Alternative zum Batteriebetrieb der D1 vorsehen.

2.4 Die Prüfungsabteilung sah keine synerge­tische Wechsel­wirkung zwischen den drei Unterscheidungsmerkmalen (U1, U2, U3) und schloss daraus, dass es dem Gegenstand des Anspruchs 1 aus­gehend von der D1 in Verbin­dung mit der D3 sowie der D2 an erfinde­rischer Tätig­­keit fehle. Die beiden unabhängigen Teilaufgaben (U2, U3) würden in nicht erfinderischer Weise gelöst (vgl. Seiten 6 und 7 der angefoch­tenen Entscheidung).

2.5 Die Beschwerdeführerin verwies auf ihre im Prüfungs­verfahren vor­getragene Argumentation. Zusätzlich führte

sie in der Beschwerdegründung folgende Argumente an.

Die Bestimmung der logistischen Leistung aus dem Pro­dukt von Masse der transportierten Kompo­nen­te und der zurückgelegten Fahrtstrecke sei grundsätzlich tech­nisch, da es sich hierbei um ein Maß für Reib­energie handle. Die Erfindung lehre, dass die Masse und der Transportweg bestimmt und daraus das Pro­dukt gebildet werde, um ein für Logistik relevantes Energiemaß zu bestimmen.

Die induktive Ausgestaltung der Energieübertragung in Merk­malen U2 und U3 würde die Präzision des Verfahrens optimieren, da die berührungs­lose Energieübertragung die Massebestimmung möglichst wenig störe. Dass die Massebestimmung über das Drehmoment erfolge, erhöhe ebenfalls die Präzision, da dies motorseitig im Fahr­zeug ausführbar sei. Es liege somit eine syner­gistische Wirkung aller Merkmale vor.

2.6 Die Kammer ist von der Argumentation der Beschwerde­führerin nicht überzeugt. Die logistische Leistung mag zwar - als Produkt aus Masse der trans­por­tierten Kompo­nen­te und der zurückgelegten Fahrt­strecke - aus physi­ka­lischen Größen bestimmt werden. Daraus ergibt sich aber noch keine technische Wirkung. Dies gilt unab­häng­ig davon, ob das ermittelte Produkt als Maß für Reib­energie betrachtet werden kann, was die Prüfungsabtei­lung ver­neinte. Dies wäre nur eine andere physikalische Größe, ohne dass sich an der technischen Wirkung etwas ändern würde. Der Zweck der errechneten logisti­schen Leistung liegt nach der Anmeldung, u.a. nach Seite 1, Zeilen 6 bis 10, und Seite 2, Zeilen 5 bis 19, darin, einen finanziellen Beitrag zu bestimmen, der für die errechnete Leistung in Rechnung gestellt werden kann.

2.7 Der vorliegende Fall ist in diesem Aspekt vergleichbar mit T 1798/13. Dort befand die Kammer, in anderer Be­setzung, siehe Entscheidungs­gründe 2.12 bis 2.15, dass es nicht ausreiche, physika­lische Größen zu erfassen und algorithmisch eine andere Größe zu berechnen, um tech­nischen Charakter anzuerkennen. Vielmehr müsse eine erkennbare technische Wirkung erzielt werden, wie beispielsweise die Kon­trolle des zugrundeliegen­den technischen Systems. Eine solche technische Wirkung ist in der vorliegenden Anmeldung nicht erkennbar. In T 0907/09, Entscheidungs­gründe 2.2, wird zudem fest­ge­stellt, dass die bloße Möglich­keit einer technischen Ausführung (eines breiten Merk­mals) nicht ausreicht, um diesem technischen Charak­ter zuzuweisen.

2.8 Des Weiteren kann die Kammer auch nicht erkennen, dass der Begriff "logistische Leistung" in einer Ferti­gungs­anlage notwendigerweise ein Maß für Reibenergie (beim logistischen Transport) darstellt oder dass sich daraus notwendigerweise technische Überlegungen für das Ver­fahren ergeben (vgl. dazu auch T 1806/07, Entschei­dungs­gründe 3.3 und 3.4, wo festgestellt wurde, dass der Begriff "transport utilisation" keine Verwen­dung in technischer Hinsicht bedeutet und somit keinen technischen Charakter begründen kann.

2.9 Die Kammer ist zudem der Meinung, dass eine Erfassung und Bestimmung von Leistungswerten aus der D1 bekannt ist. Ein Fahrzeugcontroller erfasst über verschiedene Sensoren unterschiedliche Daten des Fahr­zeugs, wie Batteriestatus, das Gewicht und die Menge der trans­portierten Waren sowie Navigations­in­for­ma­tio­nen, [0044][0045]. Diese werden an den Server zur Auswer­tung über­mittelt [0046]-[0049], u.a. zur Ermitt­lung von Leistungs­­daten basierend u.a. auf der Menge der trans­por­tier­­ten Waren, deren Gewicht und der vom Fahrzeug zurückge­legten Strecke. Mit anderen Worten wird in D1 implizit das Produkt aus Masse der trans­por­tier­­ten Kompo­nen­ten und der zurückgelegten Strecke bestimmt. Die Auswertung der Daten auf dem Server dient dabei dem Vergleich unterschied­licher Fahr­zeuge unterei­nan­der. Demgegenüber dient die Erfindung in dem vorlie­genden Fall dazu, den Wert einer logisti­schen Leistung eines Fahrzeugs in Hinblick auf eine nicht-tech­nische Zielsetzung zu bestimmen.

2.10 Die Kammer kann auch keine synergetische Wechselwirkung der Unterschiedsmerkmale untereinander erkennen. Die induktive Energieversorgung des Fahrzeugs (U3), also Merkmale M4-M6, stammen aus der Beschreibung, Seite 6, Zeilen 8 bis 29, der ursprünglichen Anmeldung. Dort wird die Ausgestaltung des Fahrzeug beschrieben, ohne dass diese Passage in einer erkennbaren Beziehung zur Berechnung der logistischen Leistung dargestellt ist. Die von der Beschwerdeführerin behauptete Optimierung des Verfahrens durch eine möglichst ungestörte und damit präzisere Massebestimmung ist spekulativ und nicht belegt. Zudem ist das Fahrzeug außerhalb des Raumbereichs, in dem die induktive Ladung durchgeführt wird,mit einem Antrieb sowie Antrieben für den Roboter­arm­ versehen, die die Massebestimmung ebenfalls beein­flussen und damit etwaige Vorteile einer induktiven Ladung konterkarieren.

2.11 Die Bestimmung der Masse der jeweils transportierten Komponente aus dem Drehmoment des Antriebs des Fahr­zeugs (U2) erspart nach Seite 4, Zeilen 17 bis 19, den zusätzlichen Kraftsensor, welcher in der Anmeldung als Option für die Massebestimmung aufgeführt war. Dabei weist die An­meldung beiden Optionen die gleiche Präzi­sion zu. Es ist daher nicht erkennbar, dass durch die Bestimmung der Masse aus dem Drehmoment die besagte beson­dere Wirkung erzielt wird. Es handelt sich viel­mehr um eine reine Option und Alternative in der Ausge­staltung der Masseerfassung.

2.12 Die Beschwerdeführerin argumentierte weiterhin, dass es eine induktive Energieversorgung des Fahrzeuges er­laube, eine kleinere Batterie vorzusehen und so, was die Grund­last des Fahrzeuges zu verringern. Die Nutz­last des Fahr­zeugs werde somit erhöht und damit eben­falls die Prä­zision beim Messen der transportierten Masse. Eine Schleif­energie­ver­sor­gung hingegen erhöhe die Reibung, weil ein höheres Drehmoment notwendig sei und somit die Masse­bestimmung weniger präzise sei.

2.13 Die Kammer kann nicht erkennen, dass dies ein greif­barer Nachteil der D1 ist, denn die Fahrzeuge der D1 werden in einer Ladestation mit Energie versorgt und nicht per Schleifversorgung. Auch wenn der Hinweis auf die Nachteile der Schleifversorgung für den Fachmann nachvollziehbar sein mag, so kann dies die bean­spruchte Erfindung somit nicht gegenüber der D1 abgrenzen. Es sei auch dahinge­stellt, ob eine induktive Energiever­sorgung überhaupt einen kleineren Energiespeicher des Fahrzeugs erlaubt, denn dieser versorgt neben dem Antrieb des Fahrzeugs auch die Steuerung und die Antriebe des Roboterarms. Die Anmeldung macht über die Größe des Energiespeichers keine Angaben.

2.14 Die Beschwerdeführerin argumentierte ferner, dass der Fachmann die D2 nicht berücksichtigen würde, da diese elektromagnetische Störstrahlungen offenbare, die bei einer induktiven Energieversorgung auftreten. Die Störstrahlungen würden die Messgenauigkeit negativ be­einflussen und somit würde der Fachmann keine induktive Energie­ver­sorgung in der D1 vorsehen. Die Energiever­sorgung in der D1 hingegen sei ruhig.

2.15 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt, denn der Fachmann müsste auch in der beanspruchten Erfin­dung gemäß Anspruch 1 zusätzliche technische Maßnahmen ergreifen, wie z.B. Abschirmungen gegen Störstrahlung vorsehen, um eine genau Messung zu erreichen. Solche zusätzlichen Maßnahmen sind aber weder im Anspruch definiert, noch in der Anmeldung offenbart.

2.16 Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass der Begriff "logistische Leistung" notwendiger Weise beinhaltet, dass die Leistung "optimiert" werden soll. Selbst wenn dies der Fall wäre, läge darin kein technischer Beitrag.

2.17 Die Kammer stimmt daher der Argumentation der Prüfungs­abteilung zu, dass es dem Gegenstand des Anspruches 1 an erfinderischer Tätigkeit fehlt ausgehend von der D1 in Kombination mit der D3 bzw. D4 und mit der D2 zur Lösung von einander unabhängiger Teilprobleme.

3. Hilfsanträge

3.1 Die Prüfungsabteilung befand, dass das dem Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags hinzugefügte Merkmal eine unzu­lässige Änderung gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags darstellt. Des weiteren sei der Gegenstand des An­spruchs aus den zum Hauptantrag vorgebrachten Gründen nicht erfinderisch. Die gegebenenfalls erzeugte "Fehler­meldung" diene nach wie vor der korrekten finan­ziellen Abrechnung der logistischen Leistung. Dem Merkmal fehle somit der technische Charakter.

3.2 Die Beschwerdeführerin berief sich auf ihre schriftlich vorgetragenen Argumente. Sie argumentierte, dass sich das Merkmal aus der Gesamtoffenbarung ergebe, ohne jedoch genaue Passagen anzugeben. Das Merkmal habe zudem den tech­nischen Effekt, die Präzision, Qualität und/oder Zuver­lässigkeit der Bestimmung der logisti­schen Leistung zu verbessern.

3.3 Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung in beiden Punk­ten zu. Das Merkmal "Fehlermeldung" findet sich auf Seite 3, Zeile 2, der ursprünglichen Anmeldung. Dort ist offenbart, dass die sich im Server befindliche topographische Information überprüfbar ist und gegebe­nen­falls eine Fehlermeldung erzeugt werden kann. Bei einer Änderung der Topographie, u.a. anzufahrender Arbeits­stationen, können Fehlerzustände eintreten, wenn eine Arbeitsstation oder ein Weg dem Server unbekannt ist, Seite 2, Zeilen 17 bis 19. Eine derartige Fehle­r­mel­dung ist aber unabhängig von der "logistischen Leistung". Es mag zutreffend sein, dass mit einer Aus­gabe von Fehlermeldungen die berechnete "logistische Leistung" genauer bestimmt werden kann, da möglicher­weise Änderungen in der Topographie im Server berück­sichtigt werden. Allerdings ist dieser Wert ein finanzieller Wert und damit ist allenfalls die Rech­nungsstellung präziser, wie auf Seite 2, letzter Absatz beschrieben.

3.4 Die Prüfungsabteilung befand, dass das dem Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags hinzugefügte Merkmal, wonach die Masse der transportierten Komponente (zusätzlich) mittels eines Kraftsensors erfasst wird, eine unzu­lässige Änderung gegenüber Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags darstellt. Die ursprüngliche Anmeldung offenbare zwei Alternativen der Massebestimmung, aber nicht deren Kombination. Dies entspreche auch dem ursprünglichen abhängigen Anspruch 6. Des weiteren sei der Gegenstand des Anspruches 1 nicht erfinderisch, da die Verwen­dung eines Kraftsensors zum allgemeinen Fachwissen gehört.

3.5 Die Beschwerdeführerin berief sich auf ihre schriftlich vorgetragenen Argumente. Sie führte an, dass Seite 7 zwei kombinierbare Alternativen in der Massebestimmung offenbare. Anspruch 6 habe diesbezüglich keine Wirkung. Das Merkmal definiere eine Redundanzmessung der Masse­bestimmung, was die Zuverlässigkeit und Präzision erhöhe.

3.6 Die Kammer stimmt der Prüfungsabteilung zu. Die An­meldung umfasst zwei Alternativen zur Bestimmung der Masse, nämlich die Bestimmung mittels eines Kraft­sensors oder über das Drehmoment, siehe Seite 5, Zeilen 22 bis 26, der ur­sprüng­lichen Anmeldung, nicht aber deren Kombination. Artikel 123(2) EPÜ fordert, dass sich eine Änderung, wenn nicht explizit offenbart, unmittelbar und unzweideutig aus der Gesamtoffenbarung ergeben muss. Dies ist nicht der Fall. Es liegt daher eine unzulässige Änderung vor. Des Weiteren ist die Kammer der Ansicht, dass ein Kraftsensor als Gewichts­sensor aus der D1 bekannt ist, siehe [0020]. Auch in der D1 würde sich die Aufgabe einer möglichst genauen Massebestimmung stellen, die der Fachmann nicht durch das Ersetzen des aus der D1 bekannten Sensors leisten würde, sondern durch Hinzunahme eines weiteren, aus der D2 bzw. D3 bekannten Verfahrens in der Massebestimmung. Somit ist der Gegenstand des Anspruches 1 nicht erfin­de­risch.

3.7 Anspruch 1 des ersten und zweiten Hilfsan­trags verstößt somit gegen Artikel 123(2) EPÜ. Außerdem beruht der jeweils beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

4. Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, muss die Beschwerde zurückgewiesen werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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