T 1477/22 () of 22.11.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T147722.20241122
Datum der Entscheidung: 22 November 2024
Aktenzeichen: T 1477/22
Anmeldenummer: 09015161.4
IPC-Klasse: A61L 26/00
A61K 9/70
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserlösliche Wirkstoffe in acrylatbasierenden Zubereitungen
Name des Anmelders: Beiersdorf AG
Name des Einsprechenden: Henkel AG & Co. KGaA
L'OREAL
Kammer: 3.3.10
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0939/92
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden 2 richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 196 225 gemäß Artikel 101 (3) (a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.

II. Gegen die Erteilung des Patents wurden zwei Einsprüche eingelegt. Das Patent wurde dabei gestützt auf Artikel 100 (a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 54 und 56 EPÜ), sowie auf Artikel 100 (b) EPÜ wegen mangelnder Ausführbarkeit angegriffen.

III. Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung festgestellt, dass der ihr vorliegende Hauptantrag (Patent in der erteilten Form) den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ genüge, dass jedoch der Gegenstand des Anspruchs 1 dieses Antrags nicht neu sei gegenüber der Offenbarung des Dokuments D8. Dahingegen erfülle der Hilfsantrag 1 alle Erfordernisse des EPÜ. Insbesondere beruhe der darin beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

IV. Gegen diese Entscheidung wurde von der Einsprechenden 2 Beschwerde eingelegt. Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung dahingehend fehlerhaft sei, den Gegenstand des Patents in der aufrechterhaltenen Form als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend (Artikel 56 EPÜ) anzusehen. Die Beschwerdeführerin bringt zudem vor, dass das Streitpatent insbesondere den Gegenstand der Ansprüche 1 sowie 6 bis 8 der aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 1 des Einspruchsverfahrens) nicht für den Fachmann ausführbar offenbare (Artikel 83 EPÜ).

V. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung der Rechts- und Sachlage mit. Sie stellte insbesondere fest, dass der Hauptantrag weder einen Mangel an Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ, noch einen Mangel an erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ aufzuweisen scheine, und dass daher mit einer Zurückweisung der Beschwerde zu rechnen sei.

VI. Am 22. November 2024 fand eine mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Entscheidung verkündet wurde.

VII. Es wird auf die folgenden Dokumente verwiesen:

D6: WO 2007/025261 A2

D10: FR 2 410 036

D12: US 7,198,800 B1

D13: EP 0 164 999 A2

D40: FR 2 849 777 A1

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags (Patent in der aufrechterhaltenen Fassung) hat den folgenden Wortlaut:

"Kosmetische Zubereitung oder Wundversorgungszubereitung umfassend ein oder mehrere filmbildende hydrophobe acrylatbasierende Polymere, Wasser, wasserlösliche Wirkstoffe und ein oder mehrere Lösevermittler gewählt aus der Gruppe Isopropylalkohol, Propylalkohol, und/oder 2-Phenoxyethanol, dadurch gekennzeichnet, dass als Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) gewählt werden."

IX. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) im Wesentlichen folgendes vor:

Die von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung des Streitpatents enthält in mehreren Ansprüchen Begriffe, die es dem Fachmann nicht erlauben, den beanspruchten Gegenstand auszuführen, so dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt sind. Die beanspruchten Zubereitungen werden dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt. Jedes der Dokumente D10, D12 oder D13 kann als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen den beanspruchten und den in diesen Dokumenten offenbarten Zubereitungen besteht in der Natur der acrylatbasierenden Polymere. Da durch dieses Merkmal keine besondere technische Wirkung hervorgerufen wird, besteht die tatsächlich gelöste technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung von alternativen Zubereitungen. Die anspruchsgemäße Lösung beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ, da dem Fachmann die besagten Polymere aus Dokument D6 bekannt sind, und er diese als Alternative in die in den Dokumenten D10, D12 oder D13 offenbarten Zubereitungen einarbeiten würde.

X. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im Wesentlichen folgendes vor:

Die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Begriffe sind dem Fachmann ausreichend bekannt. Zudem wird die Ausführbarkeit im Streitpatent selbst durch Beispiele belegt. Daher ist die beanspruchte Erfindung für den Fachmann ausreichend offenbart. Die Bereitstellung der beanspruchten Zubereitung beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dokument D13 stellt den nächstliegenden Stand der Technik dar. Die beanspruchten Zubereitungen unterscheiden sich neben dem enthaltenen filmbildenden hydrophoben Polymer auch durch die Anwesenheit von Wasser sowie des ausgewählten Lösevermittlers. Auch wenn die Polymere als solche aus Dokument D6 bekannt sind, würde der Fachmann diese nicht als Alternativen zu den in D13 offenbarten Polymeren einsetzen, da im D6 selbst davon abgeraten wird, sie gleichzeitig mit dem Lösevermittler Isopropylalkohol und Wasser einzusetzen. Auch unter Berücksichtigung eines der Dokumente D10 oder D12 als nächstliegendem Stand der Technik liegt erfinderische Tätigkeit vor. Entweder werden darin bereits wasserlösliche Polymere als Basis der Zubereitungen verwendet, oder aber strukturell sehr verschiedene Polymere. Der Fachmann würde nicht in Betracht ziehen, sie durch die beanspruchte Polymere zu ersetzen.

XI. Die Anträge der Parteien sind wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, und damit das Patent in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Form (damals als Hilfsantrag 1) aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende 1 hat sich im Beschwerdeverfahren lediglich dahingehen geäußert, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung vor der Kammer teilnehmen werde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)

2. Von der Beschwerdeführerin wird, wie bereits im Einspruchsverfahren hinsichtlich des Patents in der erteilten Form, vorgebracht, dass das Streitpatent die beanspruchte Erfindung nicht in für den Fachmann ausführbarer Weise offenbare. Insbesondere richtete sich ihr diesbezügliches Vorbringen gegen die in verschiedenen Ansprüchen des Hauptantrags verwendeten Begriffe "wasserlösliche Wirkstoffe" (Anspruch 1), "flüchtige organische Lösemittel" (Anspruch 6), "unpolare Treibgase" (Anspruch 7) sowie "Quellmittel" (Anspruch 8). Weder aus Absatz [0031] des Patents, noch aus anderen Stellen der Beschreibung erhalte der Fachmann irgendeine Information darüber, wie diese Begriffe zu interpretieren seien. Auch fehlten zusätzliche Angaben wie beispielsweise eine Löslichkeitskonstante oder der relevanten Bedingungen, wie beispielsweise der Temperatur, unter denen die jeweiligen Eigenschaften auftreten müssten. Jedoch gehe beispielsweise aus Dokument D40 hervor, dass Hamamelisextrakt zwar in siedendem Wasser, sonst jedoch nur in hydroalkoholischem Milieu löslich sei. Da dem Streitpatent wesentliche Informationen hinsichtlich der genannten Merkmale fehlten, sei es dem Fachmann nicht möglich, die beanspruchten Gegenstände nachzuarbeiten.

3. Die Beschwerdegegnerin schloss sich den Ausführungen der Einspruchsabteilung an und vertrat die Auffassung, dass die Einwände allenfalls einen Klarheitsmangel gemäß Artikel 84 EPÜ darstellten. Auch seien dem Fachmann die genannten Begriffe hinreichend bekannt. Zudem enthalte das Streitpatent Beispiele, die es dem Fachmann ermöglichten, die Erfindung nachzuarbeiten.

4. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin überzeugt nicht. Die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Begriffe sind dem Fachmann hinreichend bekannt. Auch stellt die Kammer fest, dass von der Beschwerdeführerin weder Argumente vorgebracht wurden, welche konkreten Ausführungsformen nicht nacharbeitbar sein sollen, noch wurden experimentelle oder sonstige Nachweise vorgelegt, die einen Mangel an Ausführbarkeit belegen könnten. Das Streitpatent enthält sowohl Beispiele der beanspruchten Zubereitungen, als auch zusätzliche Angaben zu wasserlöslichen Wirkstoffen (siehe die Absätze [0017] bis [0019] sowie [0048] bis [0053]), zu flüchtigen organischen Lösemitteln (siehe Absatz [0043]), zu unpolaren Treibgasen (siehe Absatz [0074]) und den zu vermeidenden Quellmitteln (siehe Absatz [0045]). Somit werden dem Fachmann bereits im Patent selbst ausreichend Informationen zu den Inhaltsstoffen der beanspruchten Zubereitungen vermittelt. Die Kammer kommt daher zu der Auffassung, dass der Hauptantrag den Anforderungen des Artikels 83 EPÜ genügt.

Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

5. Von der Einspruchsabteilung wurde das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 (Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 der angefochtenen Entscheidung) anerkannt (siehe die Punkte 2.4.6 bis 2.4.9). Die Einspruchsabteilung erachtete die technische Lehre des Dokuments D13 als nächstliegenden Stand der Technik. Das Unterscheidungsmerkmal wurde darin gesehen, dass die beanspruchten Zubereitungen sowohl Wasser als auch die anspruchsgemäßen Polymere auf Acrylatbasis enthielten. Das technische Problem sei die Bereitstellung einer gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik angepassten Zusammensetzung, die die Einarbeitung wasserlöslicher Wirkstoffe ermögliche. Die anspruchsgemäß vorgeschlagene Lösung werde auch durch Dokument D6 nicht nahegelegt, obwohl darin die anspruchsgemäßen Polymere offenbart seien.

6. Die Beschwerdeführerin trat dieser Auffassung entgegen. Sie argumentierte ausgehend von Dokumenten D13, sowie auch D10 und D12 als jeweils möglichem nächstliegenden Stand der Technik. Ihrer Ansicht nach unterscheide sich der im Hauptantrag beanspruchte Gegenstand von der Offenbarung jedes dieser Dokumente darin, dass die konkreten Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) ausgewählt seien, während in den herangezogenen Dokumenten D10, D12 und D13 andere filmbildende Polymere offenbart würden. Weitere Unterscheidungsmerkmale seien nicht vorhanden. Insbesondere werde im Dokument D13 offenbart, dass die Zubereitung auf Haut aufgetragen werde. Haut enthalte Feuchtigkeit, und da die aufgetragenen Zubereitungen wasserdurchlässig seien werde Wasser in diese übertragen (Seite 3, Zeile 13). Auch werde im Dokument D13 der anspruchsgemäße Lösevermittler Isopropylalkohol offenbart (Seite 5, Zeile 10; Seite 11, Zeile 30; Seite 15, Zeile 24; Anspruch 18). Ebenso würden die im Dokument D12 offenbarten Zubereitung auf die Haut aufgebracht (Spalte 5, Zeilen 4 bis 6), und enthielten daher zumindest zu diesem Zeitpunkt auch Wasser.

Die Beschwerdeführerin argumentierte im Weiteren, dass keine durch das jeweils einzige Unterscheidungsmerkmal der anspruchsgemäßen Polymere hervorgerufene besondere technische Wirkung gezeigt worden sei. Vielmehr werde im Streitpatent zwar auf im Handel erhältliche Produkte (Absatz [0004]), sowie andere Sprühpflastersysteme (Absätze [0054] bis [0058]) verwiesen, jedoch sei nicht gezeigt worden, inwiefern sich die anspruchsgemäßen Zubereitungen hinsichtlich ihrer Eigenschaften hiervon unterschieden. Die im Streitpatent offenbarten Beispiele ließen einen Vergleich aufgrund der unterschiedlichen Bestandteile der jeweiligen Zubereitungen auch nicht zu. Sie enthielten nämlich einerseits kein Menthol, wie das im Absatz [0004] genannte Produkt. Andererseits werde nicht gezeigt, dass die in den Beispielen offenbarten Lösungen (Absatz [0079]) die in den in den Absätzen [0054] bis [0058] genannten Sprühpflastersystemen auftretenden Probleme hinsichtlich Stabilität lösten. Deshalb sei die gelöste technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung alternativer kosmetischer Zubereitungen oder Wundversorgungszubereitungen zu sehen.

Dokument D6 liege auf demselben technischen Gebiet. Der Fachmann entnehme dem Dokument die Verwendung hautfreundlicher, filmbildender Polymere wie Poly(methacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) (Seite 3, Zeilen 5 bis 6; Seite 5, Zeile 12), und zwar auch zusammen mit Wasser (Seite 11, Zeilen 1 bis 2). Diese Polymere würde der Fachmann verwenden, um ausgehend von den Offenbarungen eines der Dokumente D10, D12 oder D13 alternative Zubereitungen bereitzustellen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen. Zudem enthielten die im Dokument D6 offenbarten Zubereitungen mit Isopropylalkohol auch einen anspruchsgemäßen Lösevermittler (Seite 11, Zeile 34).

Die Beschwerdeführerin brachte zudem mit Verweis auf T 0939/92 vor, dass eine technische Wirkung nicht über die gesamte Anspruchsbreite, nämlich insbesondere nicht für alle wasserlöslichen Wirkstoffe, gezeigt worden sei. Auch aus diesem Grund liege keine erfinderische Tätigkeit vor.

7. Die Beschwerdegegnerin argumentierte zunächst ausgehend von Dokument D13 als nächstliegendem Stand der Technik. Ihrer Ansicht nach eigneten sich die Dokumente D10 und D12 hierzu weniger, da die darin offenbarten Zubereitungen einerseits andere Typen von Polymeren enthielten (D10: Copolymerisat aus N-Vinylpyrrolidon und Vinylacetat), oder auf hydrophilen Acrylaten basierten, bei denen sich das Problem der Einarbeitung wasserlöslicher Wirkstoffe gar nicht stelle (D12).

Sie sah Unterschiede zwischen den beanspruchten Zubereitungen und der Offenbarung gemäß D13 darin, dass sie Wasser, einen oder mehrere der Lösevermittler Isopropylalkohol, Propylalkohol, und/oder Phenoxyethanol, sowie die filmbildenden Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) enthielten. Die Beschwerdegegnerin sah die - über den gesamten beanspruchten Bereich - gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung von Zubereitungen, die es erlaubten, wasserlösliche Wirkstoffe sowie Wasser in hydrophobe acrylatbasierte Filmpflastersysteme bzw. Applikationssysteme einzuarbeiten. Dokument D13 offenbare zwar unter anderem auch das anspruchsgemäße Lösemittel Isopropanol, jedoch finde sich darin kein Hinweis auf die zusätzliche Zugabe von Wasser. Auch unter Berücksichtigung der technischen Lehren des Dokuments D6 gelange der Fachmann nicht ohne erfinderisch tätig zu werden zum beanspruchten Gegenstand. Insbesondere werde im Dokument D6 darauf verwiesen, dass die Verwendung von Isopropylalkohol zu einem Brennen auf der Haut führe (Seite 6, Zeilen 26 bis 29), und dass dies durch die Zugabe von Wasser verschlimmert werde (Seite 11, Zeilen 2 bis 3). Daher werde dem Fachmann durch D6 von der anspruchsgemäßen Lösung der genannten technischen Aufgabe abgeraten.

Auch ausgehend von einem der Dokumente D12 oder D10 liege erfinderische Tätigkeit vor. Die gelöste technische Aufgabe sei ebenfalls lediglich die Bereitstellung alternativer Zubereitungen. Die anspruchsgemäße Lösung werde dem Fachmann auch unter Berücksichtigung des Dokuments D6 nicht nahegelegt, da die in D10 und D12 offenbarten Polymere entweder bereits selbst wasserlöslich seien (D12), oder anderen Polymerklassen angehörten (D10).

8. Die Kammer gelangt zu folgender Auffassung:

Das Streitpatent

9. Das Streitpatent befasst sich mit kosmetischen Zubereitungen oder Wundversorgungszubereitungen auf der Basis acrylatbasierender Polymere, insbesondere in der Form von Sprühpflastern (siehe die Absätze [0001] und [0009]). Gemäß der Beschreibung wurde nach Sprühpflastersystemen gesucht, die eine breitere Einsatzmöglichkeit von desinfizierenden wasserlöslichen Wirkstoffen erlauben (siehe Absatz [0011]). Gegenüber bekannten Systemen sollte insbesondere die Verwendung wasserlöslicher Wirkstoffe ermöglicht werden (siehe Absatz [0031]). Bevorzugt wird auch der Wirkstoff Chlorhexidin genannt (siehe Anspruch 4 sowie Absatz [0079], "sprühfähige Lösungen" 4 und 5). Hierzu werden anspruchsgemäß Zubereitungen vorgeschlagen, die neben ausgewählten hydrophoben Polymeren auf Acrylatbasis Wasser sowie bestimmte Lösevermittler enthalten.

Dokument D13 als nächstliegender Stand der Technik

10. Die Offenbarung des Dokuments D13 eignet sich, wie von Beschwerdegegnerin in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung vorgebracht, als nächstliegender Stand der Technik. D13 beschäftigt sich, wie das Streitpatent, mit filmbildenden kosmetischen Zubereitungen mit antimikrobieller Wirkung auf Acrylatbasis, die beispielsweise den wasserlöslichen Wirkstoff Chlorhexidin enthalten. Im Beispiel 9 wird eine filmbildende Zubereitung offenbart, die ein Copolymer aus Isooctylacrylat, Methylmethacrylat und N-Vinylpyrrolidon und Aceton als Lösungsmittel enthält. Wasser als Inhaltsstoff wird im Beispiel 9 nicht erwähnt. Die Zubereitung liegt in Form einer kristallklaren Lösung vor.

Das Unterscheidungsmerkmal

11. Die Zubereitungen gemäß Anspruch 1 unterscheiden sich von der Zubereitung des Beispiels 9 von Dokument D13 darin, dass sie Wasser enthalten, dass sie als Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) enthalten, und dass sie ein oder mehrere Lösevermittler gewählt aus der Gruppe Isopropylalkohol, Propylalkohol und/oder 2-Phenoxyethanol enthalten.

12. Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die im D13 offenbarten Zubereitungen auch Wasser enthielten, überzeugt nicht. Auch wenn, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, nach Aufbringen der Zubereitung auf die Haut Spuren von Wasser von der Haut in die Zubereitung übertragen werden sollten, gilt dies erst nach der Anwendung, jedoch enthält die Zubereitung als solche kein Wasser. Der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend, wäre in jeder der atmosphärischen, feuchten Luft ausgesetzten Zubereitung Wasser enthalten.

13. Auch das Argument, die im Dokument D13 offenbarten Zubereitungen enthielten Isopropylalkohol, ist nicht korrekt. Die konkreten, in den herangezogenen Beispielen 1 und 9 offenbarten Zubereitungen enthalten keinen Isopropylalkohol, sondern Ethanol bzw. Aceton. Isopropylalkohol wird lediglich als Alternative hierzu offenbart (s. Anspruch 8 und Seite 11, Zeilen 28 - 31).

Die technische Aufgabe

14. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass mit dem von ihr identifizierten Unterscheidungsmerkmal - der Auswahl des Polymers - keine technische Wirkung verbunden sei. Die Beschwerdegegnerin verwies darauf, dass die anspruchsgemäßen Zubereitungen zumindest die Einarbeitung wasserlöslicher Wirkstoffe sowie Wasser und der anspruchsgemäßen Lösemittel in hydrophobe acrylatbasierte Systeme erlaubten.

15. Gemäß den Beispielen des Streitpatents liegen die anspruchsgemäßen Zubereitungen als sprühfähige Lösungen vor. Somit scheint zumindest die im Streitpatent selbst definierte technische Aufgabe gelöst zu werden (siehe die Absätze [0030] und [0031]). Allerdings handelt es sich zumindest bei der gemäß Beispiel 9 des Dokuments D13 hergestellten Zubereitung ebenfalls um eine Lösung (siehe die Zeile 18 auf Seite 21).

16. Somit besteht das technische Problem in der Bereitstellung alternativer kosmetischer Zubereitungen oder Wundversorgungszubereitungen mit filmbildenden, hydrophoben acrylatbasierten Polymersystemen, in die wasserlösliche Wirkstoffe eingearbeitet werden können. Dies war unstrittig.

Die anspruchsgemäße Lösung der technischen Aufgabe

17. Die genannte technische Aufgabe wird anspruchsgemäß durch die Zubereitungen gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags gelöst. Die Zubereitungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Wasser enthalten, dass sie als Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) enthalten, und dass sie ein oder mehrere Lösevermittler gewählt aus der Gruppe Isopropylalkohol, Propylalkohol und/oder 2-Phenoxyethanol enthalten.

18. Die Beschwerdeführerin brachte mit Verweis auf T 0939/92 vor, dass das technische Problem nicht über die gesamte Anspruchsbreite gelöst werde. Dieses Vorbringen überzeugt jedoch nicht. Die in den Beispielen des Streitpatents angeführten Lösungen enthalten verschiedene Wirkstoffe, die sich nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beschwerdegegnerin zwar strukturell unterscheiden, denen jedoch gemeinsam ist, dass sie wasserlöslich sind. Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Wirkstoffe ist gezeigt, dass die genannte technische Aufgabe gelöst wurde. Dies wurde nicht bestritten. Die Beschwerdeführerin hat jedoch vorgebracht, es sei nicht glaubhaft, dass dies auch für weitere wasserlösliche Wirkstoffe gelte. Jedoch hat sie dieses Vorbringen weder näher ausgeführt, noch hat sie geeignete Nachweise erbracht, die ihr Vorbringen stützen könnten. Im Gegensatz zu dem der Entscheidung T 0939/92 zugrundeliegenden Sachlage ist es im vorliegenden Fall aufgrund der im Streitpatent enthaltenen Beispiele glaubhaft, dass das genannte technische Problem über die gesamte Anspruchsbreite gelöst wird. Der Anspruch verlangt wasserlösliche Wirkstoffe, und es ist diese Eigenschaft, die für die Lösung der Aufgabe nötig ist.

Das Nicht-Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung

19. Von der Beschwerdeführerin wurde auf Dokument D6 verwiesen. D6 offenbart die anspruchsgemäßen Polymere als Bestandteile von Zubereitungen für die Haut, die als Wundschutz eingesetzt werden können (Seite 3, Zeilen 1 bis 9 und Seite 5, Zeilen 10 bis 16 und Zeile 22). Allerdings enthalten weder die Zubereitungen der D13 noch die der D6 Wasser, so dass der Fachmann, selbst wenn er die in D6 vorgeschlagenen Polymere in die Zusammensetzungen der D13 eingearbeitet hätte, nicht zu anspruchsgemäßen Zubereitungen gekommen wäre.

Überdies offenbart Dokument D6, dass die Zubereitungen keinen Alkohol enthalten sollen (siehe Seite 2, Zeilen 18 bis 20). Insbesondere ist gemäß D6 - wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht - Isopropylalkohol zu vermeiden, da dies zu Brennen der Haut führt (siehe Seite 6, Zeilen 26 bis 29; Seite 11, Zeile 34; Seite 13, Zeile 15 und Seite 14, Zeilen 19 bis 22). Zudem wird im D6 auch darauf verwiesen, dass Wasser in den Zubereitungen zu vermeiden ist, weil dadurch das Brennen auf der Haut verstärkt wird (Seite 11, Zeilen 2 bis 3). Dahingegen enthalten die anspruchsgemäßen Zubereitungen sowohl einen alkoholischen Lösevermittler, beispielsweise Isopropylalkohol, als auch Wasser. Auch wenn, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, dem Fachmann die anspruchsgemäßen Polymere aus Dokument D6 bekannt waren, wird er diese nicht in den Zubereitungen der D13 einsetzen, und gleichzeitig einen anspruchsgemäßen Alkohol sowie Wasser zusetzen.

20. Somit werden dem Fachmann ausgehend von Dokument D13 die beanspruchten Zubereitungen nicht nahegelegt.

Dokument D12 als nächstliegender Stand der Technik

21. Die Parteien waren sich dahingehend einig, dass sich die beanspruchten Zubereitungen von den im Dokument D12 offenbarten, ebenfalls acrylatbasierende Polymere enthaltenden Zubereitungen in der Natur des Polymers unterscheiden (siehe Beispiel 1). Einigkeit herrschte auch darüber, dass das Merkmal "Wasser" nicht explizit im Dokument D12 als Zubereitungsbestandteil offenbart wird. Strittig war, ob das Merkmal zumindest implizit offenbart wird, oder ob damit ein weiteres Unterscheidungsmerkmal vorliegt. Die Beschwerdeführerin hat hierzu auf ihre bereits hinsichtlich Dokument D13 vorgebrachte Argumentation verwiesen.

22. Die Kammer stellt fest, dass sich die beanspruchten Zubereitungen von den im Dokument D12 offenbarten zunächst durch die Natur des Polymers unterscheiden, i.e. Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) gegenüber Polymethacrylsäure (Beispiele 5 und 6). Zudem unterscheiden sie sich dadurch, dass sie Wasser enthalten. Die im D12 offenbarten Zubereitungen enthalten, aus den bereits hinsichtlich Dokument D13 angeführten Gründen, kein Wasser (siehe Punkt 12. der vorliegenden Entscheidung). Von der Beschwerdegegnerin wurden keine besonderen, durch das Unterscheidungs-merkmal hervorgerufenen technischen Wirkungen geltend gemacht. Die technische Aufgabe liegt somit in der Bereitstellung alternativer kosmetischer Zubereitungen oder Wundversorgungszubereitungen mit filmbildenden, hydrophoben acrylatbasierten Polymersystemen, in die wasserlösliche Wirkstoffe eingearbeitet werden können.

23. Von der Beschwerdegegnerin wurde vorgebracht, dass die im Dokument D12 offenbarte Polymethacrylsäure bereits wasserlöslich sei. Dies hat die Beschwerdeführerin nicht bestritten. Somit stellt sich dem Fachmann ausgehend von Dokument D12 zunächst nicht das im Streitpatent selbst genannte Problem, da davon auszugehen ist, dass wasserlösliche Wirkstoffe bereits in Polymethacrylsäure eingearbeitet werden können. Um alternative, filmbildende Polymersysteme zur Verfügung zu stellen, in die wasserlösliche Wirkstoffe eingearbeitet werden können, ist deshalb nicht davon auszugehen, dass der Fachmannn die in den Zubereitungen gemäß D12 enthaltene wasserlösliche Polymethacrylsäure durch die hydrophoben Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat) gemäß D6 ersetzt, oder diese zusätzlich verwendet. Zudem wird ihm durch D6 auch nicht die Zugabe von Wasser vorgeschlagen. Dies ist insbesondere bei isopropylhaltigen Zubereitungen mit einer Erhöhung des Brennens auf der Haut verbunden (siehe Seite 11, Zeilen 2 bis 3), und erscheint hinsichtlich der Verwendung von Polymethacrylsäure auch nicht notwendig.

24. Dem Fachmann werden daher ausgehend von Dokument D12 die beanspruchten Zubereitungen nicht nahegelegt.

Dokument D10 als nächstliegender Stand der Technik

25. Die Parteien waren sich dahingehend einig, dass sich die beanspruchten Zubereitungen insbesondere von den in den Beispielen 1, 3 und 7 des Dokuments D10 offenbarten dadurch unterscheiden, dass sie andere Polymere enthalten, nämlich die acrylbasierten Polymere Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) oder Poly(methylmethacrylat-butylmethacrylat), statt Copolymeren aus N-Vinylpyrrolidon und Vinylacetat. Einigkeit zwischen den Parteien herrschte ebenso dahingehend, dass durch dieses Unterscheidungsmerkmal keine besondere technische Wirkung hervorgerufen wird, und das daher die technische Aufgabe in der Bereitstellung alternativer filmbildender Polymersysteme, in die wasserlösliche Wirkstoffe eingearbeitet werden können, zu sehen ist. Die Kammer gelangt ebenfalls zu dieser Auffassung.

26. Uneinigkeit herrschte dahingehend, ob der Fachmann unter Zuhilfenahme der technischen Lehre des Dokuments D6 eine anspruchsgemäße Zubereitung zur Lösung des genannten technischen Problems bereitstellen würde.

27. Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Die im Dokument D10 verwendeten filmbildenden Polymere basieren nicht auf Acrylaten. Um Zubereitungen auf der Basis filmbildender Polymere für die Verwendung als Sprühpflaster bereitzustellen, die die Einarbeitung wasserlöslicher Wirkstoffe ermöglichen, wird dem Fachmann nirgendwo nahegelegt, ausgehend von Dokument D10 hydrophobe acrylatbasierende Polymere zu verwenden. Vielmehr wäre zunächst zu erwarten, dass eine Einarbeitung wasserlöslicher Wirkstoffe in solche hydrophoben Polymere nur bedingt möglich wäre. Auch wird der Fachmann durch die Offenbarung des Dokuments D6 davon abgehalten, beispielsweise Poly(methylacrylat-Isobuten-Monoisopropylmaleat) zu kombinieren mit dem Lösevermittler Isopropylalkohol und Wasser (siehe Punkt 19. der vorliegenden Entscheidung).

28. Dem Fachmann werden daher ausgehend von Dokument D10 die beanspruchten Zubereitungen nicht zur Lösung des technischen Problems der Bereitstellung alternativer Zubereitungen vorgeschlagen.

Zusammenfassung

29. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Form nicht entgegensteht, da die Erfordernisse der Artikel 83 und 56 EPÜ erfüllt werden. Damit hat die angefochtene Entscheidung Bestand.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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