T 1459/22 () of 22.3.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T145922.20240322
Datum der Entscheidung: 22 März 2024
Aktenzeichen: T 1459/22
Anmeldenummer: 17701082.4
IPC-Klasse: C08G 69/18
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: POLYMERISIERBARE ZUSAMMENSETZUNG
Name des Anmelders: LANXESS Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: Johns Manville
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 100(b)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das Patent EP 3 405 512 zurückzuweisen.

II. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente herangezogen:

D2: WO 2014/086757 A2

D11: Iranian Polymer Journal, 19(3), 2010,

Seiten 229-240

D12: Technisches Datenblatt "PA6 extrudiert -

Polyamid", König GmbH Kunstoffprodukte,

Stand 06/2016

D14: Technische Information "Die Zwillinge unter

den Polyamiden - Eigenschaftsvergleich PA 6

und PA 66", Lanxess Deutschland GmbH,

Ausgabe 17. September 2009

D15: Technische Information "Extract content

of polyamides", Lanxess Corporation,

"Edition 2016-11-02"

III. Die angefochtene Entscheidung beruhte auf dem Patent wie erteilt als Hauptantrag. In dieser Entscheidung wurden unter anderem folgende Schlussfolgerungen, die für die vorliegende Beschwerde relevant sind, getroffen:

- Das Dokument D15 wurde ins Verfahren zugelassen;

- Die Erfordernisse der ausreichenden Offenbarung seien erfüllt (Artikel 100 b) EPÜ);

- Alle Neuheitseinwände wurden zurückgewiesen;

- Der Gegenstand der erteilten Ansprüche sei erfinderisch ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik.

Somit wurde der Einspruch zurückgewiesen.

IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) erhob Beschwerde gegen diese Entscheidung.

V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) reichte eine Beschwerdeerwiderung ein.

VI. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.

VII. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2024 beantragte die Beschwerdeführerin eine Verlegung der mündlichen Verhandlung.

VIII. In einer Mitteilung vom 5. Februar 2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verlegung der mündlichen Verhandlung von der Kammer abgelehnt.

IX. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 22. März 2024 in Anwesenheit beider Parteien statt.

X. Die Schlussanträge der Parteien lauteten wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit dem Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2.

XI. Die Ansprüche 1, 7 und 10 des Hauptantrags lauteten wie folgt:

"1. Polymerisierbare Zusammensetzung, enthaltend

a) wenigstens ein zyklisches Amid,

b) 2.8 bis 3.5, vorzugsweise 2.9 bis 3.1 Gew.-% wenigstens eines geblocketen Polyisocyanats, und

c) 1.2 bis 1.4 Gew.-% wenigstens eines Katalysators zur Polymerisation des zyklischen Amids,

wobei das Gewichtsverhältnis der Komponenten b) zu c) 2.0 bis 2.9, vorzugsweise 2.2 bis 2.8 beträgt und die

Gewichts-% Angaben jeweils auf die Summe der Komponenten a) bis c) bezogen sind."

"7. Verfahren zur Herstellung eines Faserverbundwerkstoffs, dadurch gekennzeichnet, dass man

i) die polymerisierbare Zusammensetzung gemäß wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 5 oder deren Einzelkomponenten a), b) und c) mit Fasern in Kontakt bringt und

ii) die resultierende Zusammensetzung bei einer Temperatur von 120 bis 300 °C behandelt."

"10. Verfahren gemäß wenigstens einem der Ansprüche 7 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass der Faserverbundwerkstoff ein Restgehalt an monomerem Amid a) von höchstens 0,3 Gew.-%, besonders bevorzugt höchstens 0,25 Gew.-%, bezogen auf den Faserverbundwerkstoff besitzt."

Der Wortlaut der anderen Ansprüche des Hauptantrags und der geltenden Hilfsanträge 1 und 2 ist für die vorliegende Entscheidung nicht relevant.

XII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen. Zusammenfassend trug die Beschwerdeführerin folgendes vor:

a) Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 sei nicht ausführbar.

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik nicht erfinderisch.

XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind den Entscheidungsgründen zu entnehmen. Zusammenfassend brachte die Beschwerdegegnerin folgendes vor:

a) Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 sei ausführbar.

b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei ausgehend von D2 als nächstliegendem Stand der Technik erfinderisch.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag (Patent wie erteilt)

1. Ausreichende Offenbarung

1.1 Was die Frage der ausreichenden Offenbarung betrifft, ist zu klären, ob der Fachmann dem Streitpatent, gegebenenfalls unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens, genügend Informationen entnehmen kann, um i) eine polymerisierbare Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents bereitzustellen und ii) ein Verfahren gemäß Anspruch 10 des Streitpatents durchzuführen.

1.2 Anspruch 1 des Streitpatents

1.2.1 Die Beschwerdeführerin wandte ein, dass ein Widerspruch zwischen der Angabe eines prozentualen Anteils des Katalysators und der Verwendung bestimmter verdünnter Katalysatoren in den Beispielen des Streitpatents bestehe (Beschwerdebegründung: Abschnitt I.2 auf Seiten 4 und 5). Daher sei der Fachmann nicht in der Lage, die Erfindung auszuführen.

1.2.2 Diesbezüglich teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass es der Tabelle 1 des Streitpatents zweifelsfrei entnommen werden könne, dass sich der Ausdruck "Polymerisationsrezepturen" (Streitpatent: Seite 8, Zeile 1) der gesamten polymerisierbaren Zusammensetzungen gleichzustellen ist und somit die polymerisierbaren Zusammensetzungen als solche bezeichnen kann und nicht einen Teil davon. Somit hat die Kammer keinen Grund einen Widerspruch zwischen Anspruch 1 und dem Beispiel ERG1 des Streitpatents (Absätze 71 bis 79 vs. Tabelle 1) zu sehen (siehe auch Punkt 2.4.3, erster Absatz, unten). Insbesondere beruht der Einwand der Beschwerdeführerin auf einer Interpretation der Daten der Tabelle 1 des Streitpatents nach der der Gehalt an Aktivator ("Addonyl 8120") nur für die vorbereite Aktivierungsmischung grob die Hälfte der Polymerisierungsrezeptur darstellt (Absätze 72-73 des Streitpatents) und der Gehalt an Katalysator ("Kat NL" und "Katalysator pur") nur für die vorbereite Katalysatormischung, die die andere Hälfte der Polymerisierungsrezeptur darstellt (Absatz 71 des Streitpatents), gelten. Eine solche Interpretation steht jedoch nicht mit der Angabe des Streitpatents im Einklang, wonach die in der Tabelle 1 angegebenen Gehalte an Aktivator und Katalysator die gesamte Polymerisationsrezeptur betreffen (Streitpatent: Seite 8, erste Zeile, "Verwendete Polymerisations-rezepturen"). Für die Kammer ist daher zweifelsfrei der Patentspezifikation zu entnehmen, dass sich der Ausdruck "Polymerisationsrezepturen" auf die gesamten polymerisierbaren Zusammensetzungen bezieht und nicht nur auf einen Teil davon, wie von der Beschwerdeführerin betrachtet. Der Einwand der Beschwerdeführerin, der lediglich auf einer nicht korrekten Auslegung der Beispiele des Streitpatents beruht, ist somit schon aus diesem Grund nicht überzeugend.

1.2.3 Des Weiteren betrifft Anspruch 1 des Streitpatents lediglich eine Zusammensetzung enthaltend drei Komponenten a) bis c), wobei die Komponenten b) und c) in bestimmten Mengen und in einem bestimmten Gewichtsverhältnis definiert sind. Daher ist es für die Kammer nicht ersichtlich, warum es nicht möglich sein sollte, eine solche Zusammensetzung durch einfache Mischung bestimmter Mengen der jeweiligen Komponenten bereitzustellen. Es liegen keine Beweise vor, die zeigen, dass die Fachperson irgendwelche Schwierigkeiten hätte, eine solche Zusammensetzung zuzubereiten. Daher besteht kein Grund zu bezweifeln, dass die Fachperson in der Lage ist, die beanspruchte Zusammensetzung zuzubereiten.

1.2.4 Somit ist der Einwand der Beschwerdeführerin nicht überzeugend.

1.3 Anspruch 10 des Streitpatents

1.3.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht nacharbeitbar sei, da dieser einen Restgehalt an monomerem Amid definiere, welcher nicht nachzuprüfen sei, da als Methode im Streitpatent lediglich "Extraktion" angegeben sei. Insbesondere zeige D15, dass unterschiedliche Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen würden.

1.3.2 In diesem Zusammenhang brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die Fachperson nicht wisse, welche "Restmonomere" zu betrachten seien (Beschwerdebegründung: Seite 2, Abschnitt I.1, dritter Absatz).

Jedoch ist Anspruch 10 des Streitpatents auf ein Verfahren zur Herstellung eines Faserverbundwerkstoffs gerichtet, wobei eine polymerisierbare Zusammensetzung enthaltend a) ein zyklisches Amid und c) einen Katalysator zur Polymerisation des zyklischen Amids eingesetzt werden. Ferner wird in Anspruch 10 des Streitpatents explizit angegeben, dass der zu bestimmende Restgehalt das monomere Amid a) betrifft. Somit ist nach Meinung der Kammer für die Fachperson klar, welcher "Restgehalt an monomerem Amid a)" in Anspruch 10 zu bestimmen ist.

1.3.3 Wie von der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin betont, behandelt das Dokument D15 den Extraktionsgehalt, nicht jedoch den Restmonomerengehalt (siehe: Beschriftung der Figuren 1 und 2; Seite 3, rechte Spalte, erster und zweiter Absatz). Dass Extraktionsgehalt und Restmonomerengehalt zwei verschiedene Entitäten sind, wird in D15 explizit angegeben (Seite 1, Abschnitt 1, zweiter Absatz), wobei daraus ferner zu entnehmen ist, dass der Extrakt die Restmonomere beinhaltet (D15: Seite 1, Abschnitt 1, dritter Satz). Jedoch ist aus D15 auch ersichtlich, dass es der Fachperson bekannt ist,

- dass es mindestens eine standardisierte Messmethode zur Extraktion gibt, nämlich EN ISO 6427;

- dass unterschiedliche Extraktionsbedingungen zu unterschiedlichen Ergebnissen des Extraktionsgehalts führen können. Somit ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass zu erwarten ist, dass auch der Restmonomerengehalt von der verwendeten Extraktionsmethode abhängen kann.

Jedoch ist im Hinblick auf D15 davon auszugehen, dass die Fachperson anhand ihres Fachwissens wohl in der Lage ist, eine Extraktion gemäß der Lehre des Streitpatents (Absatz 79) durchzuführen.

1.3.4 Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin weder gezeigt noch erklärt, aus welchen Gründen die Auffassung der Einspruchsabteilung unrichtig sein sollte, dass es für den Fachmann eine Routineaufgabe sei, über eine Extraktion den genauen Restmonomerengehalt im Extrakt durch Anwendung weiterer Analysemethoden zu bestimmen, wie z. B. GC-MS (Entscheidungsgründe: Abschnitt 4.2, dritter Absatz) dem die Beschwerdegegnerin wohl zustimmt (siehe Abschnitt III.1 der Beschwerdeerwiderung: Ende des zweiten und dritten Absatzes). Insbesondere wurde nicht gezeigt, dass die Fachperson aufgrund ihres allgemeinen Fachwissens nicht in der Lage ist, einen solchen Restmonomerengehalt zu bestimmen. Im Gegenteil hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Beschwerdeführerin sogar anerkannt, dass eine solche Bestimmung zum Beispiel anhand von GC-MS problemlos machbar sei.

1.3.5 Die Frage, ob unterschiedliche Messmethoden (bei der Extraktion und/oder der Bestimmung des Restmonomerengehalts) zu unterschiedlichen Ergebnissen betreffend den Restgehalt an monomerem Amid a) führen, betrifft nach Meinung der Kammer die Frage des Umfangs des Anspruchs, was höchstens eine Frage der Klarheit des erteilten Anspruchs nach Artikel 84 EPÜ betrifft, jedoch nicht der ausreichenden Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ). Die Klarheit des erteilten Anspruchs 10 kann jedoch nach G 3/14 (OJ EPO 2015, 102) nicht geprüft werden. Im vorliegenden Fall ist gezeigt worden, dass die Fachperson in der Lage ist, einen Restgehalt an monomeren Amid a) durch Extraktion zu bestimmen, wobei der Fachperson bekannt ist, dass der Restmonomerengehalt von der verwendeten Extraktionsmethode abhängen kann. Es wurde jedoch von der Beschwerdeführerin nicht gezeigt, dass bei einer für die Fachperson technisch sinnvoll durchgeführten Extraktion, die selbstverständlich den höchstmöglichen Extrakt voraussetzt, um alle restlichen Monomeren zu bestimmen, einen Restgehalt von höchstens 0.3 Gew.% nicht zu erreichen ist.

1.3.6 Somit ist auch dieser Einwand der Beschwerdeführerin nicht überzeugend.

1.4 Angesichts des Vorstehenden geben die Argumente der Beschwerdeführerin der Kammer keinen Grund, von den Schlussfolgerungen der Einspruchsabteilung bezüglich der ausreichenden Offenbarung abzuweichen.

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Der Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit unter Punkt II.1 der Beschwerdebegründung bezieht sich weder auf einen beanspruchten Gegenstand des Streitpatents noch auf den Stand der Technik. Mangels einer Begründung kann dieser Einwand somit nicht überzeugen. Diese Ansicht wurde den Parteien mit Bescheid der Kammer mitgeteilt (Abschnitt 7.1) und blieb unbestritten. Die Kammer hat somit keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen. Die Überlegungen hinsichtlich der vermeintlichen Verbesserung der Biegefestigkeit werden jedoch im Rahmen des Einwands unter Punkt II.2 der Beschwerdebegründung wieder aufgegriffen, und im Punkt 2.4.4 unten berücksichtigt. Dieser Einwand betrifft die polymerisierbare Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, der wie folgt analysiert wird.

2.2 Nächstliegender Stand der Technik

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Beschwerdegegnerin waren der Auffassung, dass D2 für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin ihren Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von den Beispielen 1 und 2 der D2 aufgebaut (Beschwerdebegründung: Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, dritter Absatz). Die Kammer sieht keinen Grund, eine andere Meinung zu vertreten.

2.3 Unterscheidungsmerkmal(e)

Die Parteien waren sich ferner einig, dass - wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt - sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents von einer polymerisierbaren Zusammensetzung gemäß den Beispielen 1 und 2 der D2 lediglich durch die Menge des Katalysators c) unterscheidet (Begründung der Entscheidung: Abschnitt 6.2; Beschwerdebegründung: Seite 8, dritter und fünfter Absatz; Beschwerdeerwiderung: Abschnitt 3, Ende des ersten Absatzes).

2.4 Die gegenüber D2 erfolgreich gelöste Aufgabe

2.4.1 Laut der Beschwerdegegnerin zeigen die Beispiele des Streitpatents, dass die gegenüber D2 gelöste Aufgabe in der Bereitstellung einer polymerisierbaren Zusammensetzung, welche einen geringeren Restmonomerengehalt in Kombination mit einer Erhöhung der Biegefestigkeit in Faserverbundwerkstoffen ermögliche, liege (Beschwerdeerwiderung: Seite 4, letzter Absatz). Somit stimmte die Beschwerdegegnerin der von der Einspruchsabteilung berücksichtigten Formulierung der gegenüber D2 gelösten Aufgabe zu (Begründung: Seite 13, letzter Absatz des Abschnittes 6.3).

2.4.2 Die Beschwerdeführerin bestritt diese Formulierung und führte insbesondere aus, dass kein Effekt gegenüber einer Zusammensetzung gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik nachgewiesen worden sei, da kein Effekt für die Änderung der Menge des Katalysators in der Zusammensetzung gemäß D2 von 1.5 Gew.% auf 1.4 Gew.% gezeigt worden sei (Beschwerdebegründung: Seite 8, vierter bis sechster Absatz). Somit sei, der Beschwerdeführerin nach, die Auswahl dieser Menge an Katalysator als willkürlich zu betrachten und somit für die Fachperson naheliegend gewesen.

2.4.3 Was die gegenüber D2 gelöste Aufgabe betrifft, stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass die Fachperson aus der Tabelle 1 des Streitpatents zweifelsfrei entnehme, dass sich der Ausdruck "Polymerisationsrezeptur" auf die gesamte polymerisierbare Zusammensetzung bezieht und nicht nur auf einen Teil davon. Somit ist offensichtlich, dass die im Ausführungsbeispiel ERG1 verwendete polymerisierbare Zusammensetzung einen Gehalt von 3.0 Gew.-% geblocktem Polyisocyanat und 1,3 Gew.-% Katalysator aufweist und unter die erteilten Ansprüche fällt.

Des Weiteren zielen das Beispiel ERG1 und die Vergleichsbeispiele VGB1 bis VGB13 tatsächlich auf das von den Parteien berücksichtigte Unterscheidungsmerkmal ab, wobei insbesondere das Vergleichsbeispiel VGB12 mit der Offenbarung des Beispiels 1 der D2 bezüglich den Mengen des Aktivators und des Katalysators ähnlich (Beispiel 1 der D2: Menge b) = 3.3 Gew.%, Menge c) = 1.5 Gew.%; Gewichtsverhältnis b:c = 2.2; Vergleichsbeispiel VGB12 des Streitpatents: Menge b) = 3.0 Gew.%, Menge c) = 1.48 Gew.%; Gewichtsverhältnis b:c = 2.03). Ferner entspricht der in den Vergleichsbeispielen des Streitpatents eingesetzte Aktivator der Lehre der D2 (Ansprüche 1, 4 bis 8; Seite 10, Zeilen 20-25).

Somit zeigen die Beispiele des Streitpatents, dass das oben identifizierte Unterscheidungsmerkmal zu einer Verbesserung sowohl des Restmonomergehalts als auch der Biegefestigkeit führt, wie von der Beschwerdegegnerin dargelegt (Beschwerdeerwiderung: Abschnitt 3, dritter Absatz) und von der Einspruchsabteilung bereits ausgeführt (Entscheidungsgründe, Abschnitt 6.3).

2.4.4 Die Beschwerdeführerin legte ferner dar, dass angesichts der Offenbarung von D12 und der Abbildung 7 der D14 die in den Beispielen des Streitpatents aufgeführte Verbesserung der Biegefestigkeit überhaupt nicht möglich sei. Somit sei keine Verbesserung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik anzuerkennen.

a) Das Argument der Beschwerdeführerin beruht auf der Annahme, dass der maximale Beitrag einer Polymerkomponente zur Biegefestigkeit eines Faserverbundwerkstoffs auf die Biegefestigkeit ihrer reinen Polymerkomponente begrenzt ist. Ein Beleg, dass dies der Fall sei, wurde nicht erbracht. Somit stimmt die Kammer der Beschwerdegegnerin zu, dass die Beschwerdeführerin keinen fundierten wissenschaftlichen Beleg für ihre Behauptung erbracht hat, so dass diese als rein spekulativ anzusehen ist (Beschwerdeerwiderung: Abschnitt IV.1, zweiter Absatz). Wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen, liegt die Beweislast für diese Behauptung bei der Beschwerdeführerin, da die Verfahrensbeteiligten jeweils die Beweislast für die von ihnen geltend gemachten Tatsachen tragen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage, 2022, III.G.5.1.1). Jedoch wurde im vorliegenden Fall keine Nachweise, wie zum Beispiele Gegenversuche, vorgelegt , welche die Ergebnisse der Tabelle 1 des Streitpatents in Frage stellen.

b) Ferner stimmt die Kammer der Einspruchsabteilung zu, dass keine Beweise vorliegen, die zeigen würden, dass die Messungen im Streitpatent nicht auf wissenschaftlich korrekte Weise durchgeführt worden seien und tatsächlich andere als die im Patent gezeigten Effekte zugrunde liegen würden (Entscheidungsgründe: Seite 12, siehe insbesondere den letzten vollen Absatz). Somit teilt die Kammer auch die Meinung der Einspruchsabteilung, dass sich die Fachperson grundsätzlich auf die Daten des Patents verlassen kann. Darüber hinaus teilt die Kammer auch die Ansicht der Einspruchsabteilung, dass nicht gezeigt worden sei, dass die in D12 und D14 offenbarten Polymere auf die gleiche Art wie im Streitpatent hergestellt worden seien. Daher kann nicht geschlossen werden, dass D12 und/oder D14 eine Aussagekraft über die Polyamide des Streitpatents haben können (Begründung: Seite 12, zweiter Absatz, dritter Satz). Diesbezüglich ist ferner anzumerken, dass nicht gezeigt wurde, dass D12 und D14 Faserverbundwerkstoffe betreffen. Daher wird der Einspruchsabteilung zugestimmt, dass es unklar bleibt, ob die Biegefestigkeit eines reinen Polyamids überhaupt eine Aussagekraft darüber hat, wie hoch der Einfluss des Polyamids im Verbund sein kann (angefochtene Entscheidung: Seite 12, zweiter Absatz, vierter Satz).

c) Unter diesen Umständen erachtete die Kammer eine mündliche Aussage einer Angestellten der Firma Polymer Service GmbH, Merseburg, welche die Messung der Biegefestigkeit des Streitpatents durchgeführt hat (siehe Absatz 79), für nicht ausreichend, um zu klären, ob die Beispiele des Streitpatents einen technischen Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik zeigen würden. Daher hat die Kammer in ihrer Mitteilung ihre Absicht mitgeteilt, den Antrag der Beschwerdeführerin, einen Angestellten der Firma Polymer Service GmbH, Merseburg, als Zeugen anzuhören (Beschwerdebegründung: Seite 7, dritter Absatz), abzulehnen. Dabei wurde angemerkt, dass es sich hierbei um eine Frage für einen technischen Sachverständigen handeln würde, nicht jedoch um eine Frage, über die ein "Zeuge" zu vernehmen wäre. Da die Kammer jedoch selbst über die notwendige Sachkenntnis verfügt, erschien eine Bestellung eines Sachverständigen nicht erforderlich. Jedenfalls wäre es im Sinne der Prozessökonomie und im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens erforderlich gewesen, einen inhaltlich weitgehend bestimmten Sachvortrag über den zu klärenden Punkt bereits in schriftlicher Form rechtzeitig einzureichen, sodass sich die andere Beteiligte und die Kammer angemessen auf die Diskussion in der mündlichen Verhandlung vorbereiten können. Diese Absicht der Kammer, den Antrag der Beschwerdeführerin abzulehnen wurde von der Beschwerdeführerin nicht weiter in Frage gestellt. Somit hatte die Kammer keinen Grund, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen. Der Antrag der Beschwerdeführerin wurde daher zurückgewiesen.

d) Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2024 beantragte die Beschwerdeführerin eine Verlegung der für den 22. März 2024 geplanten mündlichen Verhandlung, um weitere Zeit für die Einholung/Erstellung weiterer Nachweise bezüglich der Aussagekraft der Messung der Biegefestigkeit gemäß Tabelle 1 des Streitpatents einzuräumen.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Frage des technischen Effekts bereits im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. zum Beispiel Punkt 6.3 der angefochtenen Entscheidung) ein zentrales Thema war. Nachweise für den entsprechenden Sachvortrag hätten daher grundsätzlich bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden sollen. Dies gilt auch für etwaige Anträge auf Vernehmung eines Zeugen bzw. für die Einräumung von Zeit für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Es war der Kammer auch nicht ersichtlich, inwiefern sich die Sachlage im Beschwerdeverfahren geändert hätte, sodass die Zulassung weiterer Nachweise in diesem späten Verfahrensstadium gerechtfertigt wäre. Der Umstand, dass die Kammer in ihrer Mitteilung auf der Grundlage des bisherigen Vorbringens der Beteiligten eine vorläufige Meinung vertrat, reichte allein nicht aus, um weitergehendes Beweismaterial zuzulassen (vgl. Artikel 13 (2) VOBK) bzw. konnte eine Verlegung der mündlichen Verhandlung, um einem Beteiligten weitere Zeit für die Einholung/Erstellung weiterer Nachweise einzuräumen, nicht rechtfertigen. Daher wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben (Mitteilung der Kammer vom 5. Februar 2024), was nicht weiter bestritten wurde.

e) Unter diesen Umständen ist der Einwand der Beschwerdeführerin, dass die in den Beispielen des Streitpatents aufgeführte Verbesserung der Biegefestigkeit überhaupt nicht möglich sei, nicht überzeugend.

2.4.5 In Anbetracht des Vorstehenden gibt es für die Kammer keinen Grund, von der Formulierung der Beschwerdegegnerin der gegenüber D2 gelösten Aufgabe abzuweichen, d.h., dass diese Aufgabe in der Bereitstellung einer polymerisierbare Zusammensetzung, welche einen geringeren Restmonomerengehalt in Kombination mit einer Erhöhung der Biegefestigkeit in Faserverbundwerkstoffen bietet, liegt.

2.5 Naheliegen der Lösung

2.5.1 Es bleibt zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zum beanspruchten Gegenstand zu kommen, mit dem Ziel, die oben definierte Aufgabe zu lösen. Diesbezüglich bezog sich die Beschwerdeführerin auf das Dokument D2 entweder allein oder in Kombination mit der Lehre von D11.

2.5.2 Jedoch ist der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass die Fachperson aus D2 allein nicht vorhersehen konnte, dass in dem engen Bereich des Katalysatorgehalts von 1.2 bis 1.4 Gew.-% ein geringerer Restmonomerengehalt in Kombination mit einer Erhöhung der Biegefestigkeit in Faserverbundwerkstoffen auftreten würde. Somit enthält D2 keinen Hinweis, eine solche Menge des Katalysators (bei sonst gleichen Mengen an Monomeren und dem Aktivator) zu verwenden, um die gestellte Aufgabe zu lösen.

2.5.3 Bezüglich der Kombination von D2 mit D11 ist festzustellen, dass D11 keine Information bezüglich der Biegefestigkeit enthält. Ferner ist zu berücksichtigen, wie von der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht worden ist, dass während die Beispiele von D2 Zusammensetzungen enthaltend blockierte Polyisocyanate als Aktivator betreffen (D2: Seite 27, Zeile 34; entspricht Komponente b) gemäß Anspruch 1 des Streitpatents), D11 Zusammensetzungen enthaltend nicht blockierte Polyisocyanaten als Aktivator betrifft. Daher gibt es keinen Grund davon auszugehen, dass die in D11 getroffenen Schlussfolgerungen auch für die Zusammensetzungen gemäß den Beispielen 1 und 2 der D2 zwangsläufig gültig sind. Darüber hinaus lehrt D11, dass bei einer Aktivatormenge von 3 Gew.% der Restmonomergehalt mit zunehmenden Mengen des Katalysators von 1 bis 3 Gew.% abnimmt und erst bei größeren Mengen des Katalysators gleich bleibt (D11: Abbildung 3). Somit teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass D11 die mit der gestellten Aufgabe konfrontierte Fachperson nicht zu dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 geführt hätte, sondern eher zu Zusammensetzungen, die sich davon unterscheiden.

2.5.4 In Anbetracht des Vorstehenden wird der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ausgehend von D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, zurückgewiesen.

3. Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bestätigte die Beschwerdeführerin, dass keine weitere Einwände gegen den Hauptantrag bestehen (Protokoll: Seite 2, sechster und vierter Absatz von unten).

4. Da keiner der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände gegen die Ansprüche des Hauptantrags erfolgreich ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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