T 1427/22 () of 4.7.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T142722.20240704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2024
Aktenzeichen: T 1427/22
Anmeldenummer: 11773678.5
IPC-Klasse: B42D 15/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Darstellungselement mit auf einem Substrat angeordneten opti­schen Elementen zur Erzeugung eines oberhalb oder unterhalb des Substrats schwebenden, aus Lichtflecken aufgebauten Bildes
Name des Anmelders: Giesecke+Devrient Currency Technology GmbH
Name des Einsprechenden: Oberthur Fiduciaire SAS / VHP Security Paper B.V.
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1811/13
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 2 627 520 (nachfol­gend als "das Patent" bezeichnet) den Erfordernissen des EPÜ genüge.

II. Von den von der Einspruchs­abteilung berücksichtigten Druckschriften ist vor allem die Druckschrift D6

(FR 2 943 800 A1) für das Beschwerdeverfahren relevant.

III. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 4. Juli 2024 statt.

IV. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der 18 Hilfsanträge, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht wurden (siehe den Schriftsatz vom 22. November 2022).

V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 21 des Hauptantrags lauten wie folgt (für Anspruch 1 wurde die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung in eckigen Klammern eingefügt; die Änderungen bezüglich der Ansprüche 1 und 21 des Patents wie erteilt wurden durch Unterstreichungen hervorgehoben):

"1. [1] Darstellungselement (20) mit einem Substrat (22) [2] mit einem Flächenbereich, in dem eine Mehrzahl opti­scher Elemente (24) angeordnet ist, wobei [3] das Darstel­lungselement (20) ausgelegt und bestimmt ist, bei Be­leuchtung mit parallelem Licht einer Lichtquelle (34) ein Lichtfleckenbild (30) aus einer Mehrzahl von Licht­flecken (32) zu erzeugen, die für einen Betrachter oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs schwebend erscheinen und die in Form eines vorbestimmten Motivs angeordnet sind, wobei die Lichtflecken (32) reelle Bilder oder virtuelle Bilder der beleuchtenden Licht­quelle (34) sind, wobei [4] die optischen Elemente durch refraktive und/oder reflektive optische Elemente (24) gebildet sind und [5] jedem Lichtfleck (32) des Licht­fle­ckenbilds zumindest ein refraktives und/oder reflek­tives optisches Element (24) zugeordnet ist, welches bei Beleuchtung (34) des Darstellungselements (20) zur Erzeugung des ihm zugeordneten Lichtflecks (32) bei­trägt, wobei [6] für die Lichtflecken (32) und die zuge­ordneten optischen Elemente (24) jeweils f/d

< 5 gilt, wobei [6.1] f die Schwebehöhe des Lichtflecks (32) oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs bezeich­net, die der Brennweite der zu diesem Lichtfleck (32) beitragenden optischen Elemente (24) entspricht, und [6.2] d den Durch­messer der zu diesem Lichtfleck (32) beitragenden optischen Elemente (24), wobei [6.3] die Lichtflecken (32) des Lichtfleckenbilds (30) in mehreren verschiedenen Schwebehöhen oberhalb oder unterhalb des Flächen­be­reichs und über oder unter dem Darstellungselement (20) schweben, um ein dreidimensionales Motiv zu bilden."

"21. Verfahren zum Herstellen eines Darstellungsele­ments (20) nach einem der Ansprüche 1 bis 20, das aus­gelegt und bestimmt ist, bei Beleuchtung mit paral­lelem Licht einer Lichtquelle (34) ein Lichtfleckenbild (30) aus einer Mehrzahl von Lichtflecken (32) zu erzeugen, die für einen Betrachter oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs schwebend erscheinen und die in Form eines vorbestimmten Motivs angeordnet sind, wobei die Lichtflecken (32) des Lichtfleckenbilds (30) in mehre­ren verschiedenen Schwebehöhen oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs und über oder unter dem Darstel­lungs­element (20) schweben, um ein drei­di­men­si­o­nales Motiv zu bilden, wobei die Lichtflecken (32) reelle Bilder oder virtuelle Bilder der beleuchtenden Licht­quelle (34) sind, wobei bei dem Verfahren ein Substrat (22) bereitgestellt wird und in einem Flächenbereich des Substrats (22) eine Mehrzahl refraktiver und/oder reflektiver optischer Elemente (24) angeordnet wird, wobei jedem Lichtfleck (32) des Lichtfleckenbilds zu­min­dest ein refraktives und/oder reflektives opti­sches Element (24) zugeordnet wird, welches bei Beleuchtung (34) des Darstellungselements (20) zur Erzeugung des ihm zugeordneten Lichtflecks (32) beiträgt, wobei für die Lichtflecken (32) und die zugeordneten optischen Elemente (24) jeweils f/d < 5 gilt, wobei f die Schwe­be­höhe des Lichtflecks (30) oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs bezeichnet, die der Brennweite der zu diesem Lichtfleck (32) beitragenden optischen Elemente (24) entspricht, und d den Durchmesser der zu diesem Lichtfleck (32) beitragenden optischen Elemente (24)."

VI. Der Vortrag der Parteien zu den entscheidungsrelevanten Fragen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ)

i) Beschwerdeführerinnen (Einsprechende)

Das Merkmal "über oder unter dem Darstellungselement" sei Seite 3, Zeilen 12 bis 14, der Beschrei­bung der ursprünglichen Anmeldung entnommen worden. Es stelle eine Idee bzw. eine Absichtserklärung dar und sei nicht in Kombination mit objektiven technischen Merk­malen offen­­bart. Auch im Rest der Beschreibung wer­de der Aus­druck nur einmal verwendet (Seite 25, Zeilen 5 bis 10), allerdings in Verbindung mit technischen Merk­ma­len (opti­sche Elemente in Linsenform), die in Anspruch 1 nicht enthalten seien. Andernorts würden Ausdrücke wie "oberhalb oder unterhalb des Flächen­bereichs" bzw. "ober­halb oder unterhalb der Substratoberfläche" ver­wendet. Diese unterschiedlichen Begriffe würden sich offensichtlich auf Elemente oder Bereiche der Vorrich­tung beziehen, die keinesfalls als Synonyme für "Dar­stellungselement" angesehen werden können. Es sei nicht zulässig, Teile der Beschreibung zu verwenden, um die Lücken der unabhängigen Ansprüche zu schließen. Die Aufnahme des Ausdrucks in die Ansprüche 1 und 21 des Patents stelle somit eine unzulässige Zwischen­ver­all­gemeinerung dar. Darüber beschreibe der Absatz, aus dem das hinzugefügte Merkmal stamme, in der Folge eine besondere Ausformung ("... nebeneinander liegende oder verschachtelte Teile von Spiegeln, Linsen oder Pris­men ..."), die nicht in den Anspruch aufgenommen worden sei. Es handle sich dabei nicht um ein Beispiel. Man könne sich andere Aus­formun­gen vorstellen, die das beanspruchte Ergebnis auf­weisen würden, die aber nicht ursprünglich offenbart seien, wie z.B. zwei in der Höhe gegen­einander versetzte Spie­gel, von denen einer den anderen teilweise über­decke. Solche Ausformungen würden von Anspruch 1 nun­mehr er­fasst. Die Änderung verstoße daher gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Das zugefügte Merkmal finde sich wörtlich auf Seite 3,

Zeilen 12 bis 14, der ursprünglichen Anmeldung. Diese Stelle sei in technische Merkmale eingebettet. Der vorangehende Absatz offenbare Merkmale des ur­sprüng­lichen Anspruchs 1. Das Wort "somit" zeige, dass die vorher beschriebenen Merkmale diesen Effekt hervor­ru­fen. Die als Grundlage dienende Passage gebe kurz den Kern der Er­fin­dung wieder ("die Erfindung beruht auf dem Gedanken ... ") und formuliere daher nicht nur eine Absichts­erklärung. Der nachfolgende Satz beschreibe, wie dies konkreter ausgestaltet sein könne. Der Fach­mann hätte aber verstanden, dass diese Ausgestal­tung nicht wesentlich sei. Alle Aus­füh­rungs­bei­spiele (siehe insbesondere die Figuren 2, 3 und 7) würden das genan­nte Merkmal aufweisen. Bei keinem Ausführungsbeispiel würden die Lichtflecken im Inneren des Sicherheits­ele­ments schweben. Somit handle es sich bei dem Schweben über oder unter dem Darstellungselement selbst um einen Kerngedanken der Erfindung. Die Beschreibung stelle an manchen Stellen auf ein Schweben oberhalb oder unter­halb der Ebene des Sicher­heitselements oder oberhalb oder unterhalb der Ober­flä­che des Substrats ab (z.B. Seite 17, Zeile 28 bzw. Seite 20, Zeile 13), aber dies sei nur dem Umstand geschul­det, dass dabei das Sicher­heitselement bzw. Substrat verglichen mit den Schwebe­höhen der Lichtflecken sehr dünn sei, so dass ein Schwe­­ben über oder unter der Ebene des Elements auch ein Schweben über und unter dem Element selbst impli­zie­re. Konkret seien insbesondere Schwebehöhen zwischen 0,4 mm und 2 mm (Seite 21) genannt. Die Dicke von Bank­noten betrage maximal etwa 100 mym, ihre Sicherheits­elemente seien in der Regel noch deutlich dünner. Die Schwebehöhen würden also mindestens das vierfache der Substratdicke betragen und könnten auch das Zwanzig­fache erreichen. Erst dadurch entstehe ein dreidimen­sionaler Eindruck. Würden die Lichtflecken im Inneren des Dar­stellungs­elements liegen, so erschiene das Bild ebenso flach wie das Darstellungselement selbst. Es gäbe dann auch keinen Parallaxeneffekt und auch keine relative Bewe­gung der Lichtflecken zur Oberfläche bei Bewegung des Sicherheitselements. Das auf­ge­nommene Merk­­mal gehe daher nicht über den Inhalt der ursprüng­lichen Unterlagen hinaus. Etwas anderes folge auch nicht aus der Ausführungsform der Fig. 7, bei der die optischen Elemente Lin­senform hätten. Auch dort würden die Licht­flecken entweder über oder unter dem Sicherheitselement schweben.

b) Auslegung der Ansprüche

i) Beschwerdeführerinnen (Einsprechende)

Ein Lichtpunkt, der sich in einer konkaven Aussparung eines optischen Elements des Darstellungselements be­finde, müsse als über oder unter dem Darstellungs­ele­ment angeordnet betrachtet werden.

Es gebe keine Grundlage im Patent für die Annahme, dass die Unter­schiede der Schwebehöhen ein Mindestmaß über­steigen müssen, damit der Betrach­ter ein 3D-Bild wahr­nehme. Der Betrachter werde nur im Merkmal 3, nicht aber im Merkmal 6.3 erwähnt. Eine erste Defini­tion finde sich im Absatz [0117] des Patents, dem zufolge

ein 3D-Bild erreicht werde, wenn sich nicht alle Bild­punkte in der­selben Höhe be­finden. Dieses Verständ­nis

sei technisch vernünftig. Absatz [0119] des Patents

lege dar, dass dreidimen­si­o­nal wirkende Elemente vor oder hinter der Ebene des Sicherheits­elements zu sehen seien oder die Ebene des Sicher­heits­elements zu durchdringen scheinen.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Das Merkmal 6.3 sei so zu verstehen, dass das Motiv

tatsächlich als dreidimensional wahrnehmbar ist. Im Absatz [0119] des Patents würden drei Varianten ange­spro­chen: die dreidimensional wirkenden Teile könnten (i) vor oder (ii) hinter der Ebene des Sicherheits­ele­ments zu sehen sein oder (iii) die Ebene des Sicher­heits­elements zu durchdringen scheinen. Eine Durch­drin­gung sei somit nicht unabdingbar.

c) Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche gegenüber der Druckschrift D6

i) Beschwerdeführerinnen (Einsprechende)

Es sei nicht richtig, dass das Dokument D6 keine Licht­flecke offenbare, die über oder unter dem Darstellungs­element schweben, um ein 3D-Muster zu bilden. Die An­sprüche 1 und 21 des Hauptantrags würden eindeutig verlangen, dass die Lichtpunkte über oder unter den physischen Grenzen des Darstellungselements liegen. Die Druckschrift D6 schließe nicht aus, dass sich die Lichtpunkte außerhalb des Darstellungselements befin­den. Darüber hinaus offen­bare die Druckschrift D6 mit Bezug auf Fig. 8, dass die Spiegel 9 unterschiedlich groß sein können, um Lichtpunkte zu erzeugen, die z. B. unter­schiedlich groß sind oder sich in unterschied­li­chen Entfernungen vom Auge des Betrachters befinden (D6, Seite 10, Zeilen 6 bis 8). Somit beschreibe die Druck­schrift D6 die Bil­dung eines 3D-Musters, wenn die An­zahl der Punkte >= 3 ist. Selbst wenn man der Aus­le­gung des Merkmals 6.3 durch die Kammer fol­ge, sei zu berücksichtigen, dass ein Sicherheits­ele­ment eine Dicke von ein paar Mikro­metern habe. Deshalb würden sich mehrere Lichtpunkte außerhalb des Sicher­heitselements befinden. Es sei nicht richtig, dass an­ge­sichts der offenbarten Abmes­sungen nur geringe Unter­schiede in der Schwebehöhe möglich seien. Gemäß Seite 3, Zeilen 23 und 24, der Druckschrift D6 könnten verschiedene Arten von Spiegeln verwendet werden, also z.B. auch kon­vexe Spiegel, deren Brennpunkt notwendigerweise außer­halb des Spiegels lie­ge. Darüber hinaus seien die Ab­mes­sungen, die im Zusam­menhang mit der Fig. 9 offen­bart seien, nur bei­spiel­haft (siehe Seite 10, Zeilen 4 und 9). Dessen unge­ach­tet sei das Merkmal 6 implizit offen­bart, da die Licht­punkte im Wahrneh­mungs­kegel des Beobachters lägen. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 21 sei daher nicht neu.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Die Druckschrift D6 offen­bare nicht, dass die Licht­flecken gemäß Merkmal 6.3 über oder unter dem Dar­stel­lungs­ele­ment schweben. Die Tatsache, dass die Druck­schrift D6 dies nicht explizit ausschließe, sei nicht ausreichend. Die Ausführungsform der Fig. 8 der Druck­schrift D6 setze für die Erzeugung von Lichtpunkten verschieden große Spiegel ein, während jene der Figuren 9 bis 15 für die Bilderzeugung elemen­tare reflektie­ren­de Strukturen zweier oder mehr ver­schie­dener Typen nutze (Seite 10, Zeilen 4 bis 11). Die Ausführungsform der Fig. 9 bis 15 setze reflektie­rende Strukturen mit unterschiedlichen Formen (Kugelab­schnit­te 9a, pyrami­den­förmige Spiegel 9b) ein (siehe Seite 10, Zeilen 9 bis 15). Die Abmessung dieser reflek­tie­ren­den Struk­tu­ren liege zwischen 20 und 40 µm (siehe Seite 10, Zeilen 15 bis 29). Die Lichtflecken würden bei diesen Struk­turen im Inneren des Sicherheitsele­ments erzeugt, da ihre Schwebehöhe stets kleiner als der Höhe der Spiegel sei (für einen Spiegel der Höhe von 15 µm be­trage die Schwebehöhe z.B. fc = 7,5 µm, der Licht­punkt liege also im Inneren des Spiegels auf halber Höhe). Da die metal­lisierten Spiegel auf der Unterseite des Sub­strats an­geordnet seien, würden sich die leuchtenden Punkte im Inneren des Sicherheits­ele­ments selbst liegen und somit nicht über oder unter dem Sicher­heitselement schweben, unabhängig von der Dicke des Sicherheitselements. Die Ausführungsform der Fig. 8 nutze hingegen gleichartige, aber verschie­den große Spiegel, um Lichtpunkte unter­schiedlicher Größe zu erzeugen. Auf Seite 10, Zeilen 4 bis 8, sei zwar erwähnt, dass die Lichtpunkte auch in unter­schied­lichen Abständen vom Auge des Betrachters erzeugt wer­den könn­ten, alle Ab­stände lägen aber bei den in der Druck­schrift D6 be­schriebenen Spiegeln stets innerhalb des Darstel­lungs­elements. Ginge man davon aus, dass in der Ausführungsform der Fig. 8 andere Spiegel verwendet würden, so fehle jede Offenbarung für das Merkmal 6. Das Merkmal 6 hätten die Ein­sprechenden aus den Ab­messungen der Spiegel der Ausgestaltung der Fig. 9 ab­ge­leitet. Es folge keineswegs unmittelbar aus der Geometrie der Spiegel. Es habe einen Zusammenhang mit der räumlichen Wahrnehmung, die jedoch in der Druck­schrift D6 nicht angesprochen werde. Das Merkmal, dass die Lichtflecken über oder unter dem Dar­stellungs­ele­ment schweben, sei in der Druck­schrift D6 daher nicht offenbart. Viel flachere fokussierende Spiegel wären mit der Methode der Druckschrift D6 (Ausdrucken des Polymer­mate­rials mit anschließendem Verspiegeln) überhaupt nicht herstellbar. Darüber hi­naus offenbare die Druck­schrift D6 auch nicht unmit­tel­bar und ein­deutig, dass die leuch­tenden Punkte ein 3D-Motiv bil­den. Mit den in der Druckschrift D6 beschrie­benen Spiegeln könnten die Lichtpunkte zwar in unter­schied­li­chen Abständen vom Auge des Betrachters erzeugt werden, bei der Form und Größe der Spiegel würden sich diese Abstände aber nur sehr wenig, nämlich nur um eini­ge Mikrometer, unterscheiden (zum Vergleich: die Dicke eines menschlichen Haars betrage 50 bis 70 µm). Die Unter­schie­de in den Abständen seien so gering, dass sie aus einem normalen Betrachtungsabstand (etwa 30 cm) vom Betrachter nicht aufgelöst werden können. Wenn aber keine Höhenunterschiede wahrgenommen würden, so erzeuge die auf Seite 10, Zeilen 4 bis 8, der Druck­schrift D6 genannte Gestaltung für einen Betrachter kein 3D-Motiv. Anspruch 1 fordere nicht nur, dass die Lichtflecken Schwebepositionen oberhalb oder unterhalb des Flächen­bereichs aufweisen ; dies müsse auch wahr­nehmbar sein (Merkmal 3). Selbst wenn man annehme, dass keine Ein­schränkung für die Spiegel der Fig. 8 offen­bart sei, so seien die Spiegel in der Druckschrift maxi­mal 20 bis 40 µm groß. Der f/d-Ratio < 5 bedeute, dass die Schwe­be­­höhe nicht größer als 200 µm sein könne, also immer noch unterhalb der Auflösungsgrenze des menschlichen Auges. Für noch größere Spiegel gebe es keinen Anhalts­punkt in der Druckschrift D6. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei somit neu gegenüber der Druckschrift D6. Auf eine Frage der Kammer hin erklärte die Beschwerde­gegnerin, dass die Wirkung der verschie­denen Abstände zum Auge des Beobachters in der Druck­schrift D6 (Seite 10, Zeile 8) unklar sei, dass sie aber vermutlich einen Helligkeitsunterschied der Licht­punkte bewirke.

d) Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von der Druckschrift D6

i) Beschwerdeführerinnen (Einsprechende)

Objektive technische Aufgabe

Anspruch 1 definiere keinen minimalen Unterschied in

der Schwebehöhe der Lichtpunkte. Die Druckschrift D6 offenbare, dass die Spiegel 9 unterschiedlich groß sein können, um Lichtpunkte zu erzeugen, die sich in unter­schiedlichen Entfernungen vom Auge des Betrachters befinden (D6, Seite 10, Zeilen 6 bis 8). Der Fachmann hätte die Spiegel daher notwendigerweise so angeordnet, dass der Beobachter die Unterschiede wahrnehmen könne. Zu untersuchen sei daher nur das Merkmal, dem zufolge die Lichtflecken über oder unter dem Darstellungs­ele­ment schweben. Die Wirkung bestehe gemäß Absatz [0016] des Patents darin, ein 3D-Motiv vorzugeben, das aus über oder unter dem Darstellungselement schwebenden Lichtflecken bestehe. Darin sei auch die objektive technische Aufgabe zu sehen. Die Frage der Kammer, ob somit die Aufgabe und die Lösung übereinstimmen würden, bejahten die Beschwerde­führerinnen. Nachdem die Kammer dargelegt hatte, dass gemäß der Rechtsprechung, die objektive technische Aufgabe keine Hinweise auf die Lösung enthalten solle, erklärten die Beschwerde­füh­re­rinnen, die gelöste Aufgabe bestehe in der Bereit­stellung eines 3D-Motivs. Es sei nicht entscheidend, ob das Motiv über oder unter dem Darstellungselement schwebe. Die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene Aufgabe überzeuge nicht, da ein 3D-Motiv die Attrak­ti­vität des Elements nicht notwendigerweise erhöhe. Wenn man sich auf Absatz [0013] stützen wolle, bestünde die Aufgabe vielmehr darin, die Fälschungssicherheit zu erhöhen bzw. die Prüfung auf Echtheit durch Laien zu verein­fa­chen. Auf die Bemerkung der Kammer hin, dass der Gegen­stand des Patents nicht auf ein Sicher­heits­element be­schränkt sei, wiesen die Beschwerdeführe­rinnen darauf hin, dass das Patent in seiner Gesamtheit sich auf Sicher­heits­elemente konzentriere und der zitierte Stand der Technik auch zu diesem Gebiet gehöre (siehe auch D6, Seite 1, Zeilen 27 bis 29).

Naheliegen für den Fachmann

Die Druckschrift D6 gehöre zum selben technischen

Gebiet wie die Erfindung und offenbare eine Lösung der genan­nten Aufgabe. Die Stelle auf Seite 10 vermittle die Lehre, dass die Spiegel 9 unterschiedlich groß sein können, um Lichtpunkte zu erzeugen, die sich in unter­schiedlichen Entfernungen vom Auge des Betrachters befinden. Dies komme der Schaffung eines 3D-Motivs gleich. Somit werde der Fachmann dazu angehalten, Spie­gel verschiedener Art (z.B. konkaver oder konvexer Art)

zu verwenden (D6, Seite 3, Zeilen 23 und 24). Diese Lehre der Einleitung sei auf die gesamte Offenbarung der Druckschrift D6 anwend­bar, und zwar unabhängig davon, ob ein aufgedrucktes Motiv vorliege oder nicht (D6, Seite 3, Zeilen 8 und 24, vgl. Seite 4, Zeilen 1 und 22). Die Kombination konvexer und konkaver Spiegel werde expli­zit vorge­schla­gen (D6, Seite 5, Zeilen 18 bis 20). Bei Verwen­dung konkaver Spie­gel würden sich

die Lichtfle­cken not­wendigerweise außerhalb des Dar­stel­lungs­elements befin­den (siehe Fig. 7). Der Fachmann hätte dies problemlos umsetzen können. Somit sei der Gegen­stand der Ansprüche 1 und 21 nicht erfinderisch.

ii) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)

Objektive technische Aufgabe

Die von den Beschwerdeführerinnen vorgeschlagene Formu­lierung sei nicht akzeptabel, da sie bereits Lösungs­ansätze beinhalte. Eine brauchbarere Formulierung finde sich im Patent: Es gehe darum, dem Darstellungs­element ein attraktives visuelles Erscheinungsbild zu geben.

Naheliegen für den Fachmann

Die beanspruchte Lösung wäre für den Fachmann nicht

naheliegend gewesen. Zum einen offenbare die Druck­schrift D6 keine Lösung mit einem für den Betrachter tatsächlich wahrnehmbaren 3D-Bild. Eine räumliche Wahr­nehmung setze das Merkmal 6 (f/d < 5) voraus, das für die Ausführungsform der Fig. 9 der Druckschrift D6 offen­­bart ist, aber dort befänden sich die Lichtflecken im Inneren des Elements. Hätte der Fachmann dies ändern wollen, so hätte er keine Veranlassung gehabt, das Merk­mal 6 beizubehalten, da die Druckschrift D6 nicht auf die räumliche Wahrnehmung abstelle. Die erforder­lichen Abwandlungen seien zudem nicht kompatibel mit der Lehre der Druckschrift D6. Die Abmessungen der Spiegel seien viel zu klein (maximal 40 µm), um die notwendigen Schwebehöhen zu erreichen (200 µm seien nicht ausreichend). Die erforderlichen flacheren Spie­gel müssten eine sehr geringe Höhe (< 1 µm) auf­weisen und ließen sich mit dem in der Druckschrift D6 be­schrie­benen Druckverfahren nicht herstellen. Die Druck­schrift D6 führe sogar weg von der Erfindung. Ihre Fig. 10 zeige einen flachen Lichtteppich, in dem manche Lichtflecken heller erschienen als andere, also eine ganz andere Lösung als die des Patents. Ausgehend von der Druckschrift D6 sei es viel naheliegender, einen Teil der Spiegel mit einer rauen Oberfläche oder einer sehr unregelmäßi­gen Anordnung zu versehen, um die Helligkeitsunter­schiede zu verstärken. Die Druckschrift D6 gebe keinen Hinweis, der zu 3D-Effekten führen könnte. Konkave Spiegel seien in der Druckschrift D6 nur in Kombination mit aufgedruckten Mustern offenbart, weil die konkaven Spiegel ein verkleinertes Bild der Muster erzeugen. Im Zusammenhang mit Lichtpunkten sei nie die Rede von konkaven Spiegeln. Die Lehre, dass man damit Licht­fle­cken erzeugen könne, finde sich erst im Patent. Somit offen­bare die Druckschrift keinen Weg, der den Fachmann zur Erfindung geführt hätte. Auf die Frage der Kammer hin, ob die Offenbarung auf Seite 10, Zeilen 6 bis 8, der Druckschrift D6 den Fach­mann in die Rich­tung von 3D-Motiven hätte führen kön­nen, äußerte die Beschwerdegegnerin die Vermutung, dass es sich dabei um die innere Größe der Spiegel handle. Licht­punkte außer­halb der Spiegel wären nämlich nicht kompa­tibel mit den offenbarten Abmessungen bzw. mit dem offen­barten Her­stel­lungsverfahren. Einzig plausibel wäre, dass die verschiedenen Höhen zu unterschiedlichen Helligkeiten führen. Diese Lehre der Druck­schrift D6 sei unklar. Man müsse sich davor hüten, mehr hineinzu­lesen, als tatsächlich offenbart sei.

Entscheidungsgründe

1. Auslegungsfragen

1.1 Bildung eines 3D-Motivs (Merkmale 3 und 6.3)

Merkmal 3 verlangt, das das Darstel­lungselement so ausgelegt ist, dass es bei Be­leuchtung mit parallelem Licht einer Lichtquelle mehrere Licht­flecken erzeugt, die für einen Betrachter oberhalb oder unterhalb des Flächenbereichs schwebend erscheinen und die in Form eines vorbestimmten Motivs angeordnet sind. Merkmal 6.3 schreibt vor, dass die Lichtflecken auf verschiedenen Schwebehöhen schweben, um ein 3D-Motiv zu bilden. Die Kammer versteht diese Merkmale in der Zusammenschau so, dass die Schwebehöhen der­artig unter­schiedlich sein müssen, dass der Betrach­ter ein 3D-Bild wahrnimmt. Unter­schiede in der Schwebehöhe, die von einem Betrach­ter nicht aufgelöst werden können, werden dieser Anfor­derung nicht gerecht, selbst wenn streng genommen ein 3D-Bild erzeugt wird.

1.2 "über oder unter dem Darstellungselement" (Merkmal 6.3)

In Punkt 16 der angefochtenen Entscheidung hat sich die Einspruchsabteilung zur Auslegung von Merkmal 6.3 geäußert und festgestellt:

"Ein Lichtfleck, der sich ... in einer konkaven Ausnehmung eines optischen Elements des Darstel­lungs­elements befindet, ist ... als über oder unter dem Darstellungselement angeordnet anzusehen."

Dieser Feststellung der Einspruchsabteilung ist zuzu­stimmen, sofern sich die konkave Ausnehmung an der Ober­fläche des Darstellungselements befindet. Ist dies nicht der Fall, kann jedoch nicht von einer Anord­nung über oder unter dem Darstellungselement gesprochen werden; in diesem Fall befindet sich der Lichtfleck innerhalb des Darstellungs­elements.

2. Unzulässige Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ)

Dieser Einwand betrifft die Einfügung der Worte "und über oder unter dem Dar­stel­lungs­element (20)", die sich nicht in den Ansprüchen 1 und 21 des Patents wie erteilt finden, in Merk­mal 6.3.

Wie aus Punkt 1 des Schrift­satzes der Patentinhaberin vom 12. Januar 2022 hervorgeht, wurde die Einfügung vor­genommen, um den von der Einspruchsabteilung in Punkt 8.1 ihrer vorläufigen Auffassung vom 10. Mai 2021 erhobenen Einwand der feh­lenden Neuheit gegenüber der Druckschrift D6 auszu­räumen. Die Patentinhaberin berief sich dabei auf Seite 3, Zeilen 12 bis 14, der Beschrei­bung der ursprünglichen Anmeldung.

Der Einwand der Beschwerdeführerinnen lässt sich wie folgt zusammenfassen:

- Die Passage auf Seite 3 beschreibe nur den allge­meinen Erfindungsgedanken bzw. eine Absichts­er­klä­rung und offenbare keine konkreten Merkmale.

- Unmittelbar nach der genannten Stelle seien kon­krete, nicht exemplarische Ausführungsformen beschrie­ben, die jedoch nicht in das Merkmal 6.3 aufgenommen worden seien.

- Man könne sich andere Aus­formungen vorstellen, die nunmehr vom Anspruch 1 bzw. 21 erfasst würden, die aber nicht ursprünglich offenbart seien, wie z.B. zwei in der Höhe gegen­einander versetzte und einander teilweise überdeckende Spiegel.

- Der Ausdruck "über dem Sicherheitselement" sei nur auf Seite 25, Zeilen 5 bis 10, der ursprüng­li­chen Anmeldung in Zusammenhang mit opti­schen Elementen in Linsenform offenbart. Da letzteres Merkmal nicht in Anspruch 1 aufgenommen worden sei, liege eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.

- Die Begriffe "Substratoberfläche", "Flächenbereich" und "Substratebene" könnten nicht als Synonyme für "Darstellungselement" angesehen werden.

Diese Argumente haben die Kammer aus den folgenden Gründen nicht überzeugt.

Die Beschreibung des Erfindungsgedankens, wie er auf Seite 3, Zeilen 12 bis 14, zum Ausdruck kommt, stellt keine reine Absichtserklärung dar, sondern führt aus, was im Grunde bereits beschrieben wurde ("Die Erfindung beruht somit auf dem Gedanken ...", Unterstreichung durch die Kammer). Danach wird strukturell noch­mals beschrieben, wie der Erfindungsgedanke umgesetzt wird, nämlich über die nebeneinan­der liegende oder ver­schach­telte Anordnung von Spiegeln, Linsen oder Pris­men, die bei geeigneter Beleuchtung scheinbar schweben­de Reflexe erzeugen. Es ist zulässig, den eigentlichen Erfin­dungs­gedanken zur Definition der Erfindung gemäß Anspruch 1 heran­zuziehen. Eine Aufnahme der nachfolgend beschrie­benen Anordnungen war nicht erforderlich, zumal er zu einer Überbestimmung der Erfindung geführt hätte.

Der Verweis auf hypothetische Aus­führungsformen, die nunmehr vom Anspruch 1 bzw. 21 erfasst würden, die aber nicht ursprünglich offenbart sind, wie z.B. zwei in der Höhe gegen­einander versetzte und einander teilweise überdeckende Spiegel, ist nicht überzeugend, da die Prüfung der ursprünglichen Offenbarung sich damit be­schäftigen muss, was unmittelbar und eindeutig offen­bart war. Hypothetische Ausführungsformen sind in diesem Zusammenhang irrelevant (vgl. die Ent­schei­dung T 1811/13, Punkt 6.2.1 der Entscheidungs­gründe).

Darüber hinaus ist die Beschränkung auf Lichtflecken, die über oder unter dem Darstellungselement schweben, nicht untrennbar mit dem genannten Aufbau der optischen Elemente verbunden. Ein Schweben außerhalb des Darstel­lungselements setzt nicht voraus, dass speziell diese optischen Elemente zum Einsatz kommen. Die genannten hypothetischen Ausführungs­formen wurden im Übrigen auch von den erteilten unabhängigen Ansprüchen erfasst.

Da die Offenbarungsstelle auf Seite 3 der ursprüngli­chen Anmeldung eine Stütze für die Änderung darstellt, ist es nicht erforderlich, zu prüfen, ob sie auch durch andere Stellen gestützt wird.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ.

3. Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 21 gegenüber der Druckschrift D6

Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 17.1 der angefoch­tenen Entscheidung die Neuheit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 21 gegenüber der Druckschrift D6 untersucht. Sie hat die Offenbarung des Merkmals 6.3 bestritten:

"D6 offenbart aber mindestens nicht, dass die Lichtflecke 'über oder unter dem Darstellungs­element (20) schweben, um ein dreidimensionales Motiv zu bilden' wie von den Ansprüchen 1 und 21 definiert." (siehe Punkt 17.1.2 der angefoch­tenen Entscheidung)

Die Beschwerdeführerinnen halten dem entgegen, dass die Druckschrift D6 nicht ausschließe, dass sich die Licht­punkte außerhalb des Darstellungselements befinden. Ein Lichtpunkt, der sich in einer konkaven Aussparung eines optischen Elements des Darstellungs­elements befinde, müsse als über oder unter dem Darstellungselement ange­ordnet betrachtet werden. Sie bezog sich insbesondere auf die Ausführungsform der Fig. 8 der Druckschrift D6:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Dort ist zu sehen, dass das transparente Substrat 2 auf einer Seite eine Vielzahl von elementaren reflek­tie­ren­den Strukturen 9 mit jeweils unterschiedlichen Formen aufweisen kann, die von einer reflektierenden Schicht 8 bedeckt sind (z.B. von einer Metallschicht). Die darge­stellten Strukturen 9 sind Kugelabschnitte mit einer Höhe und einem Durchmesser in der Größenordnung von 15 bzw. 30 mym. Sie können in Mustern angeordnet sein (siehe Seite 10, Zeilen 12 bis 29).

Die Druckschrift D6 stellt mit Bezug auf Fig. 8 fest, dass die Spiegel 9 unterschiedlich groß sein können, um Lichtpunkte zu erzeugen, die z.B. unter­schiedlich groß sind oder sich in unter­schied­lichen Entfernungen vom Auge des Betrachters befinden (siehe Seite 10, Zeilen 6 bis 8). Nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen be­schreibt die Druckschrift D6 somit die Bildung eines dreidimensionalen Musters, wenn drei oder mehr Punkte erzeugt werden.

Dieser Vortrag hat die Kammer aus den folgenden Gründen nicht überzeugt.

Die Druckschrift D6 enthält keine unmittelbare und ein­deutige Offenbarung dafür, dass schwebende Licht­punkte außerhalb des Darstellungselements erzeugt werden. Ein Lichtpunkt, der sich in einer konkaven Aussparung 9 des Darstellungselements der Fig. 8 befindet, ist nicht über oder unter dem Darstellungselement, sondern inner­halb des Darstellungselements angeordnet (siehe dazu

Punkt 1.2). Die Verwendung von konvexen Spiegeln ist im Kontext dieses Ausführungsbeispiels nicht offenbart.

Zur Offenbarung auf Seite 10, Zeilen 6 bis 8, ist fest­zustellen, dass dort in der Tat von Lichtpunkten die Rede ist, die sich in verschiedenen Entfernungen vom Auge des Betrachters befinden. Wenn dem Ausführungs­bei­spiel der Fig.8 mangels einer spezifischen Offenbarung die Abmessungen, die im Zusam­menhang mit dem Ausfüh­rungs­beispiel der Figuren 9 bis 15 offenbart sind, zugrunde gelegt werden, ergeben sich Unterschiede in den Schwebehöhen von wenigen Mikro­me­tern. Solche Unter­schiede sind für einen Beobachter, der das Darstel­lungs­element aus einem typischen Be­trach­tungs­abstand be­trach­tet, jedoch nicht auflösbar und würden somit nicht den Eindruck eines 3D-Bildes erzeugen (siehe dazu

auch Punkt 1.1).

Dem könnte entgegengehalten werden, dass die genannte Offenbarung von Lichtpunkten mit verschiedenen Ent­fer­nungen vom Auge des Betrachters so verstanden werden könnte, dass ein 3D-Effekt angestrebt wird. Dies ist nicht völlig auszuschließen, aber die diesbezügliche Offenbarung der Druckschrift D6 ist nicht hinreichend eindeutig, zumal die Druckschrift sich überhaupt nicht mit 3D-Effekten auseinandersetzt. Damit sind die Anfor­derungen an die Unmittelbarkeit und Eindeutigkeit der Offenbarung, die gemäß der gefestigten Rechtsprechung bei der Neuheitsprüfung anzulegen sind (siehe "Recht­sprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage, Juli 2022, Abschnitt I.C.4.1), vorliegend nicht erfüllt.

Somit sind zwei Aspekte des Merkmals 6.3 im Zusam­men­hang mit dem Ausführungsbeispiel der Fig. 8 der Druck­schrift D6 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Da sowohl Anspruch 1 als auch Anspruch 21 des Hauptantrags dieses Merk­mal enthalten, ist ihr Gegenstand neu gegenüber der Druckschrift D6 (Artikel 54 (1) EPÜ).

4. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 21, ausgehend von der Druckschrift D6

4.1 Unterschiede

Wie im Zusammenhang mit der Prüfung der Neuheit fest­gestellt wurde, unterscheidet sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 21 von der Offenbarung der Druckschrift D6 durch das Merkmal 6.3 (siehe Punkt 3.).

4.2 Objektive technische Aufgabe

Die Parteien waren sich uneinig über die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe.

Die Beschwerdegegnerin sah die gelöste Aufgabe darin, dem Darstellungselement ein attraktives visuelles Erscheinungsbild zu verleihen. Diese Aufgabenstellung ist nicht angemessen, da die Attraktivität eines Darstellungselements rein subjektiv und damit einer objektiven Prüfung nicht zugänglich ist.

Die Beschwerdeführerinnen haben ihrerseits drei verschiedene Aufgaben­stellungen vorgeschlagen:

(1) Definition eines 3D-Motivs, das aus über oder unter

dem Darstellungselement schwebenden Lichtflecken

besteht

(2) Bereitstellung eines 3D-Motivs

(3) Vereinfachung der Prüfung auf Echtheit durch Laien

Keine dieser drei Formulierungen ist zufriedenstellend.

Die Aufgaben (1) und (2) nehmen ganz oder teilweise die Lösung vorweg, was den Bedingungen zur Formulierung der objektiven technischen Aufgabe, wie sie von der gefes­tigten Rechtsprechung aufgestellt wurden, nicht genügt (siehe dazu "Rechtsprechung der Beschwerdekammern",

op.cit., Abschnitt I.D.4.2.1).

Bezüglich der Formulierung (3) ist darauf hinzuweisen, dass bei der Definition der objektiven technischen Aufgabe eine Wirkung nicht berücksichtigt werden kann, wenn nicht glaubhaft ist, dass sich das versprochene Ergebnis im gesamten Schutzbereich des Anspruchs erzie­len lässt (siehe dazu "Rechtsprechung der Beschwerde­kammern", op.cit., Abschnitt I.D.4.3.1). Die Ansprüche 1 und 21 betreffen ganz allgemein Darstellungselemente und sind nicht auf Sicherheitselemente beschränkt. Die Aufgabe der Vereinfachung der Prüfung auf Echtheit durch Laien wird diesem Gegenstand somit nicht gerecht.

Da keine der von den Beschwerdeführerinnen vorgeschla­ge­nen objektiven technischen Aufgaben überzeugt, kommt die Kammer zum Schluss, dass die Beschwerdeführerinnen nicht überzeugend dargelegt haben, dass der Gegenstand der Ansprüche des Hauptantrags für den Fachmann nahe­lag, bzw. dass die angefochtene Entscheidung dies­be­züg­lich aufzuheben ist.

4.3 Ergebnis

Der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit steht dem Hauptantrag nicht entgegen (Artikel 56 EPÜ).

5. Gesamtergebnis

Da keiner der Einwände der Beschwerdeführerinnen gegen den Gegenstand des Hauptantrags stichhaltig ist, kann das Patent auf Grundlage des Hauptantrags aufrechter­hal­ten werden. Somit ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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